Hörspiel Feature Radiokunst Das Feature Der Wert der Arbeit Autorinnen: Sonja Ernst und Christine Werner Regie: Beatrix Ackers Redaktion: Wolfgang Schiller Produktion: Deutschlandfunk 2022 Erstsendung: Dienstag, 06.12.2022, 19.15 Uhr Es sprach: David Vormweg Ton und Technik: Gunther Rose und Oliver Dannert Urheberrechtlicher Hinweis Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Die Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 44a bis 63a Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. (c) - unkorrigiertes Exemplar - [EINSTIEG COLLAGE] (O-Ton WENGERT) Collage 1 Also der Beruf des Gießers, der ist für mich geboren geworden. Das ist meine Welt, das Gießen. (O-TON ACHECH) trocken [nicht im Stück] - Collage 2 Ich bin zufrieden für meine Arbeitsplatz. Ich brauche Arbeit, weil, wenn ich sitze zu Hause, auch wenn ich habe Geld, sitzen, sitzen, sitzen und du bist nicht zufrieden. (OTon Mutz) Collage 3 Es ist schon anstrengend. Vor allem dieses ständige Wischen, das geht unheimlich auf die Schultern. (O-TON PETROVIC-RADOVAC) trocken[nicht mehr im Stück] - Collage 4 Den Begriff Arbeiter oder Arbeiterin verwenden wir bei Dr. Oetker nicht. Der Begriff ist uns eher fremd. Jeder Beruf hat hier seine eigene Funktionsbezeichnung. Maschinenführerin. ANSAGE SPRECHER Der Wert der Arbeit Ein Feature von Sonja Ernst und Christine Werner [1. DR. OETKER] - BLOCK 1 ATMO Produktionshalle - Geräusche Abfüllanlage allgemein (O-TON 1, PETROVIC-RADOVAC) Süße Mahlzeiten, High-Protein Grießbrei, das füllen wir im Moment ab. Oben ist der Mischbereich, da wird die Mischung vorbereitet, erstmal von dem Labor freigeben und dann wird das abgefüllt hier. SPRECHER Dr. Oetker, Werk Bielefeld-Brackwede, 6 Uhr 35. (O-TON 2, PETROVIC-RADOVAC) trocken Ich heiße Vesna Petrovic-Radovac. Ich habe am 1. Februar 1999 bei Dr. Oetker begonnen. Ich war direkt an der Maschine, Produktionsmaschine, da wurde ich angelernt von einer Kollegin. Ja, und so bin ich auch bei Oetker geblieben [- als Maschinenführerin [lacht leicht] ] ATMO Produktionshalle - Geräusche Abfüllanlage allgemein (O-TON 3, PETROVIC-RADOVAC) Wir haben hier drei Stationen. Die Station Eins ist die Abfüllung. Ich prüfe hier, dass das Material vorhanden ist, dass die Maschine richtig eingestellt ist. Die Station Zwei ist die Kontrolle. Jedes abgefüllte Päckchen durchläuft den Metalldetektor und die Waage. Und die dritte Station hier ist die Verpackungsmaschine. In der Verpackungsmaschine werden die Produkte für den Transport vorbereitet ATMO Produktionshalle - Geräusche Abfüllanlage allgemein (O-TON 4, PETROVIC-RADOVAC) trocken Mein Wecker klingelt um 5:00. Ich komme zu Fuß, weil ich hier in der Nähe wohne, ist ganz schön praktisch. SPRECHER Schichtbeginn ist um 6 Uhr 30 - Schichtende um 14 Uhr 45. (O-TON 5, PETROVIC-RADOVAC) trocken Bei uns ist es unterschiedlich, ich trage zum Beispiel eine Arbeitshose. Es gibt auch Frauen, die gerne Kittel tragen. Oben habe ich entweder T-Shirt von der Firma, kriegen wir ja auch - oder privat. Und die Arbeitsschuhe, Sicherheitsschuhe, die müssen wir in der Produktion auf jeden Fall tragen und die Kopfbedeckung. ATMO Produktionshalle - einzelnes Geräusch (O-TON 6, PETROVIC-RADOVAC) trocken die Maschine macht sehr laute Geräusche. Wir sind aber hier in der Firma alle gut ausgerüstet, haben Gehörschutz sogar für jeden Mitarbeiter richtig angepasst. ATMO Produktionshalle - einzelnes Geräusch SPRECHER 1893 entwickelt der Apotheker Dr. August Oetker ein Backpulver, der Grundstein für das Unternehmen - heute eines der großen Familienunternehmen Europas: Knapp 18.000 Beschäftigte weltweit, ein Jahresumsatz von 3,7 Milliarden Euro. (O-TON 7, PETROVIC-RADOVAC) trocken Meine Eltern sind 1972 nach Deutschland gekommen - aus Serbien. Ich war arbeitssuchend, war bei einem Versicherungsmakler, habe mich dann aber neu orientiert. Mein Vater war bereits hier bei Dr. Oetker tätig und dann habe ich mich initiativ beworben und daraus sind jetzt schon viele Jahre geworden. (O-TON 8, PETROVIC-RADOVAC) trocken [oc] Wenn du die Verpackungsmaschine nicht im Auge behält oder wenn ein Päckchen schief rauskommt oder ein Karton vielleicht gerissen ist, dann bleibt die Anlage stehen. Darum muss man sich schon konzentrieren und die ganze Anlage immer im Auge behalten die ganze Zeit. ATMO Produktionshalle - monotones Klackern [1 . GIESSEREI] - BLOCK 2 ATMO Halle - noch ruhige Halle, einzelnes Schleifen, Klappern, Ketten rasseln Guten Morgen, Georg ... der hört nicht ... Guten Morgen, Schorsch ... SPRECHER Hüttenwerke Königsbronn, 5 Uhr 18 (O-TON 9, WENGERT) Wir stehen jetzt hier in der Gießerei, in der Abteilung Walzen. Wo wir hier jetzt heute morgen eine Walze aufbauen und dann gegen 10:30 Uhr abgießen. Wir stehen jetzt hier direkt vor der 10 Meter Grube, wo wir jetzt beginnen, die Walze aufzubauen. ATMO Aufbau (O-TON 10, WENGERT) trocken Ja, mein Name ist Bernd Wengert. Ich bin 52 Jahre alt und bin hier in der Gießerei bei HWK, der Gießereileiter. SPRECHER Eine große Halle. Düster, rußig, rauchig. Kräne mit schweren Ketten hieven große Formteile, sogenannte Kokillen, über die Grube. Die Walze, die gegossen wird: 73 Tonnen flüssiges Eisen, Außendurchmesser 1 Meter 30, Bahnlänge 9 Meter 20. ATMO Aufbau, Ketten rasseln (O-TON 11, WENGERT) Ich habe 1986 hier meine Ausbildung begonnen als Former, habe dann danach weiter gearbeitet als Facharbeiter und jetzt leite ich seit einigen Jahren die Gießerei hier. Ja, auch alles von der Pike auf. Walzen aufgebaut, Walzen vorbereitet, eigentlich alles. ATMO Aufbau (O-TON 12, WENGERT) Wir nennen das Hubsteiger, da fahren die Mitarbeiter in die Grube runter und setzen die Kokillen auf den Unterkasten millimetergenau auf. SPRECHER Zwei Arbeiter in 10 Metern Tiefe. Mit Taschenlampen in der Hand dirigieren sie den Kranführer, richten die Formteile exakt übereinander aus. Sieben Mitarbeiter bauen die Form für den Guss. ATMO Aufbau - Mitarbeiter nennen Zahlen (O-TON 13, WENGERT) trocken Die Mitarbeiter, die müssen es wollen, in einem Team zu arbeiten. Da arbeitet keiner alleine den ganzen Tag für sich, sondern es ist immer eine Teamarbeit. Und das muss man wollen und das muss man auch können. ATMO Halle - mit kurzem O-Ton Mitarbeiter SPRECHER 1365 steht im Emblem. Die Hüttenwerke Königsbronn, früher Schwäbische Hüttenwerke, gelten als das älteste Industrieunternehmen Deutschlands. Das Werk heute: Weltmarktführer für Kalanderwalzen für die Papierindustrie. (O-TON 14, WENGERT) Ja, das ist ein großes Gefühl, man ist da immer dabei. Man lebt das mit, auch wenn man die Walze selber nicht aufbaut, aber man ist da dabei und lebt das, ganz einfach. (O-TON 15, WENGERT) trocken Also der Beruf des Gießers, der ist für mich geboren geworden. Das ist meine Welt. das Gießen, das bringt jeden Tag was Neues, der Ablauf wiederholt sich zwar, aber es ist immer die Aufregung da: Hält die Form, hält die Form nicht, wird die Walze was, wird die Walze nichts. Es ist jeden Tag eine Herausforderung. (O-TON 16, WENGERT) trocken Ja, bei uns in der Familie sind alle - die besteht nur aus Arbeiter. ATMO Halle - Streichgeräusch / Schleifgeräusch (O-TON 17, MAYER-AHUJA) trocken Wenn man an den klassischen Arbeiter, die klassische Arbeiterin denkt, dann hat man zunächst mal die Assoziation 19. Jahrhundert, große Industrie. Mein Name ist Nicole Mayer-Ahuja. Ich bin Professorin für Arbeitssoziologie an der Universität Göttingen und 49 Jahre alt. Als rechtliche Kategorie ist Arbeiter abgeschafft; seit einiger Zeit schon. Also früher gab es große rechtliche Unterschiede zwischen Arbeitern und Angestellten. Die gibt es in Tarifverträgen, auch im Sozialrecht nicht mehr. [1. KRANKENHAUS] - BLOCK 3 (ATMO KRANKENHAUS, RASCHELT) SPRECHER Krankenhaus, Station 35, Gefäßchirurgie, 7 Uhr 05 (O-TON 18, MUTZ) Es hat jede Station ihren eigenen Reinigungswagen. Ich muss jetzt schauen, ob alles drauf ist, was ich brauche. Toilettenpapier, Einmal-Handtücher, Müllsäcke, Reinigungsmittel, die Lappen, das sind Müllbeutel. Ja, dann gehen wir mal los. [Rollt den Wagen raus] (O-TON 19, MUTZ) trocken Mein Name ist Gerlinde Mutz. Ich bin 62 Jahre alt und bin hier im Haus als Reinigungskraft tätig. Und bin jetzt 20 Jahre im Haus. Jetzt sind wir eine Service-Gesellschaft: Hälfte Haus / Hälfte Dienstleister. (O-TON 20, MUTZ) Und da haben wir hier an der Seite, haben wir unsere Reinigungsmittel. Das Rote ist Toilette; das Blaue ist für Fußböden - und das Desinfektionsmittel, das wir sonst verwenden, das ist auf jeder Station fest installiert. [Wagen rollt] Und hier beginnt jetzt die Station. Das gehört jetzt alles zu dem Bereich dazu... das Geräusch vom rollenden Wagen kann hier als Atmo genutzt werden SPRECHER 20 Patientenzimmer; außerdem Räume für Ärzte und Pflegekräfte; davon vier "unreine Arbeitsräume", um Spritzen zu entsorgen oder Urinflaschen zu reinigen; es gibt auch vier Duschen - und eine Personaltoilette. Es gilt Maskenpflicht. (ATMO REINIGUNGSWAGEN ROLLT, JEMAND SAGT GUTEN MORGEN) (O-TON 21, MUTZ) Und hier ist der unreine Arbeitsraum. Da können wir jetzt unseren Wagen fertig machen. Da hab ich erstmal die Eimer, die muss ich mit dem Desinfektionsmittel... kann ich hier einstellen, wie viele Liter ich brauche. Für den Eimer brauche ich vier Liter. Und dann kommt es jetzt schon fertig gemischt da raus. [Wasser läuft in Eimer; Automatengeräusch] [Atmo lässt sich rüberziehen, befüllen der Eimer] (O-TON 22, MAYER-AHUJA) Was man wahrscheinlich sagen kann, ist, dass, wenn wir von Arbeitern / Arbeiterinnen reden, die Tätigkeit mit den Händen eine größere Rolle spielt als die Tätigkeit mit dem Kopf. Die Grenzziehung ist aber offensichtlich einigermaßen unklar, weil man sich keine Arbeit vorstellen kann, in der der Kopf keine Rolle spielen würde. Also von daher ist es wirklich ne relativ unklare Zuschreibung, was Arbeiter / Arbeiterin eigentlich wäre. SPRECHER 1960 waren in Westdeutschland 50 Prozent aller Erwerbstätigen Arbeiterinnen und Arbeiter: Das waren über 13 Millionen Menschen. 2021 waren im gesamten Bundesgebiet noch rund 12 Prozent aller Erwerbstätigen Arbeiterinnen und Arbeiter: Gut 5 Millionen Menschen. (O-TON 23, MAYER-AHUJA) trocken Wenn Sie zum Beispiel in einem Lager des Logistik-Sektors arbeiten, tun Sie nichts anderes als hauptsächlich mit ihren Händen arbeiten. Klassische Arbeitertätigkeit, sie sind aber nicht in der Industrie beschäftigt, sondern in der Logistik. Und dasselbe trifft für eine ganze Reihe von anderen wirtschaftlichen Sektoren zu. Insofern gibt es eine Situation, in der ein wachsender Teil der arbeitenden Bevölkerung eigentlich zu Bedingungen arbeitet, die man früher mit der Arbeiterschaft assoziiert hätte: eher geringe Löhne, körperlich beanspruchende Tätigkeiten, weniger stabile Bedingungen als andere Teile der arbeitenden Bevölkerung. [1. DHL PAKETZENTRUM] - BLOCK 4 (ATMO DHL-HALLE) (Tür öffnet sich, Halle, Geräusche) (O-TON 24, ACHECH) trocken Ich heiße Samir Achech, ich bin seit 2011 bei Deutsche Post / DHL. Und ich bin anfangen als Aufleger und jetzt ich bin Beladetrainer. (O-TON 25, ACHECH) Jetzt wir haben ein bisschen Ruhe, weil die Anlage nicht eingeschaltet. Ja. Können wir laufen ein bisschen. Ich zeige, was ist der Vorsorter. Und was ist der Schenkel, wo meine Arbeitsplatz. SPRECHER 13 Uhr 10; DHL-Paketzentrum in Aschheim bei München. Mit einem zweiten Zentrum direkt daneben, ist Aschheim der größte Paket-Standort Deutschlands. Die Logistik-Halle ist in U-Form gebaut. Rund 150 Mitarbeitende; die Tagschicht beginnt; 180.000 bis 220.000 Pakete; Arbeitszeit für Samir Achech: rund sieben Stunden. (ATMO, Sirene, Bänder fahren an) (O-TON 26, ACHECH) Ja, jetzt geht los. (ATMO, Sirene, Bänder fahren an) SPRECHER Per Barcode werden die Adressetiketten der Pakete erfasst. Lange Förderbänder transportieren die Pakete durch die Halle - zur richtigen Endstelle für den Weitertransport. (ATMO, Laufbänder) (O-TON 27, ACHECH) Ja, Schenkel so lang bis Ende deiner Auge. (lacht) Ja, ungefähr fast 300 bis 400 Meter. Wir haben viel Arbeit, viel, viel Arbeit und jeder Mitarbeiter macht die Aufgabe und wir müsse immer die Arbeit schaffen, das heißt, wir brauchen keine Rückstand. Jede Paket, es gibt eine Barcode und wenn die Computer kann nicht lesen der Barcode oder die Region, geht vor andere Stelle und kann die Kolleginnen und Kollegen schauen, die Adresse und weiter sortieren. Das heißt, wir haben keine Sendung verloren. Das ist so schwierig; das ist 0,0 % muss bei uns jede Sendung bearbeitet sein. (O-TON 28, ACHECH) trocken Ich bin seit 2011 hier in Deutschland. Ich bin Anfang 40. Ja. Warum ich bin hier? Ich habe geheiratet mit einer deutsche Frau und sie hat geblieben bei mir, in meiner Land. Aber, was passiert in Tunesien? Die Revolution mit die 2011 und meine Frau muss zurück in Deutschland. Und für mich an dieser Zeit, ich muss kommen in Deutschland. Und ich habe entscheiden, weil ich liebe alles mit Logistik und mit die Bewegen in die Halle - kann man sagen ja - und ich habe entscheiden mit Deutsch Post / DHL Arbeit und ich habe geblieben. Ich bin zufrieden von meiner Arbeitsplatz, weil das ist meine Entscheidung. [2. GIESSEREI] - BLOCK 5 ATMO - Schmelzbereich, Klackern, Gespräche im Hintergrund (O-TON 29, WENGERT) Jetzt sind wir im Bereich des Schmelzbetriebes. Wo wir unsere Schmelzöfen haben und dann immer das flüssige Eisen schmelzen, wenn wir gießen. SPRECHER Rotglühendes Eisen blubbert in riesigen Behältern. Ein Arbeiter in Schutzmontur - feuerfester Mantel, Helm mit Visier - zieht eine Art Schaufel durch die oberste Schicht. Funken spritzen. (O-TON 30, WENGERT) Er tut mit so einem Bagger, Bagger nennt sich das, im Schmelztiegel oben die Schlacke abschöpfen. Das hat so 1450 Grad momentan. ATMO - Schaufel kratzt über Boden ATMO - Eisen wird in Halle transportiert, Auto, Alarm, Fauchen (O-TON 36, WENGERT) trocken (bleibt ohne viel Atmo) Ja, klar bin ich auf meinen beruflichen Weg stolz und es freut mich auch, dass ich das hier bei HWK ausüben kann. Hier fühlt man sich den früheren schwäbischen Hüttenwerken verbunden, dem Ort Königsbronn und dem Walzengießen .... das ist Geschichte. [Sehr stolz. (Stimme bricht)] SPRECHER Zahlen aus der Firmengeschichte: 1665 - erster Kokillenguss, 1832 - erste Kalanderwalze, 1855 - Goldmedaille auf der Pariser Weltausstellung für Kalanderwalzen (O-TON 31, MAYER-AHUJA) trocken Es gibt die klassische Arbeiterschaft in Industriebetrieben natürlich nach wie vor in vielen von diesen Bereichen, also wo Unternehmen größer sind, Gewerkschaften stärker sind usw, haben wir auch bessere Bedingungen als in vielen von den Niedriglohnsektoren, also man verdient besser; es gibt vorwiegend unbefristete Beschäftigungen zum Beispiel. Zugleich wissen wir aus vielen Studien, dass auch dort der Druck steigt. ATMO - Abschlacken SPRECHER Die Hüttenwerke sind lange staatlich, gehören dem damaligen Land Württemberg. 1921 - Teilprivatisierung. 2005 - werden die Werke komplett privatisiert. 2013 die erste Insolvenz, zwei weitere 2018 und 2019. Die Investoren ziehen Geld ab, 80 Mitarbeiter werden entlassen. (O-TON 33, WENGERT) trocken Drei Insolvenzen. Ja, mit drei verschiedenen Investoren. - Beschissen. (O-TON 32, WENGERT) trocken Das Schreckliche daran ist, wenn man eigentlich Arbeit hat und es geht nicht mehr weiter und Mitarbeiter oder Facharbeiter, die jeden Tag ihre volle Leistung für die Firma gebracht haben, die stehen dann auf der Straße, müssen sich andere Arbeit suchen. Manche sind dann in dem Alter schon, wo sie nichts mehr finden. Das ist grausam. (O-TON 34, WENGERT) trocken Einmal stand ich auf der Liste mit drauf, aber dann hat man das noch mal umgebogen, dass ich noch bleiben durfte. Dafür ist dann ein Kollege in Rente gegangen. - Ja, in so einer Situation, da geht einem schon im Kopf herum, man ist ja gar nichts mehr wert. (O-TON 35, WENGERT) trocken Man verliert ja Arbeitskollegen, die mit denen, wo man schon Jahrzehnte zusammengearbeitet hat, eine Freundschaft aufgebaut hat. Hier im Dorf, da kennt jeder jeden, und ja, das ist ein richtiger Einschnitt. ATMO - Schleifgeräusch und Diskussion Wengert mit Mitarbeiter ATMO Eisentransport (O-TON 37, MAYER-AHUJA) trocken Also, es waren nie mehr Menschen in Deutschland erwerbstätig und auch abhängig beschäftigt als heute. Die tun das aber unter sehr unterschiedlichen Bedingungen. SPRECHER [fehlen noch einige Zahlen] Brutto-Löhne pro Monat: Leiter einer Gießerei - abhängig von Betriebsgröße, Art der Gussteile, Rentabilität: nach Tarif 5.800 bis 10.000 Euro. Maschinenbedienerin bei Dr. Oetker: Grundvergütung ohne Zulagen 3081 Euro. Beladetrainer bei DHL: inklusive Zulagen 3750 Euro. Gebäudereinigerin: Brutto-Tariflohn bei Vollzeit 2 080 Euro, häufig wird jedoch in Teilzeit oder im Minijob gearbeitet; der tarifliche Mindestlohn beträgt 13 Euro die Stunde. 1 Euro über dem allgemeinen Mindestlohn. (O-TON 38, MAYER-AHUJA) trocken Es gibt widersprüchliche Tendenzen: Wir haben auf der einen Seite Teile der Arbeitswelt, wo dauerhafte Beschäftigung, hohe Qualifikation gefragt ist und wo momentan ganz stark über Fachkräftemangel geklagt wird. Am anderen Ende des Spektrums haben wir diesen riesigen Niedriglohnsektor. SPRECHER Im April 2022 arbeiteten XX Prozent der abhängig Beschäftigten in Deutschland im Niedriglohnsektor - also gut jeder fünfte. Niedriglohn heißt, dass der Lohn unterhalb von 66 Prozent des allgemeinen mittleren Verdienstes liegt. Im April 2022 war das umgerechnet ein Stundenlohn von 12.50 Euro brutto oder weniger. (O-TON 39, MAYER-AHUJA) trocken Was wir hinter uns haben ist der Ausbau eines der größten Niedriglohnsektoren in ganz Europa in Deutschland, wo für gute Arbeit offensichtlich sehr, sehr geringe Löhne gezahlt werden, auch Löhne, von denen man seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten kann. Die Hoffnung, dort einzusteigen und aufzusteigen von dort aus ist ziemlich weitverbreitet. Man muss leider sagen, für sehr viele realisiert sich die Hoffnung nicht. [2. KRANKENHAUS] - BLOCK 6 SPRECHER Krankenhaus, Station 35 ATMO (Krankenhausflur) (O-TON 40, MUTZ) trocken Ich war noch keine 16, habe ich die Mittlere Reife gehabt, dann wollte ich eigentlich Krankenschwester werden, aber damals musste man 17 sein. Und da gab es noch diese Schwesternschulen, die waren alle voll. ATMO hochziehen (O-TON 41, MUTZ) trocken Ja, ich bin in die Textilbranche gegangen, war da zehn Jahre an der Nähmaschine gesessen, hab auch Akkord genäht. Dann habe ich meinen Mann kennengelernt und dann haben wir beschlossen, wir gehen in die Gastronomie. Aber das ging dann nicht so gut. Die Ehe ging auseinander. Dann habe ich das noch gemacht bis kurz vor der Geburt meines Sohnes. (O-TON 42, MUTZ) So, jetzt ist der Wagen vorgerichtet und jetzt kann ich mit der Arbeit beginnen. Dazu muss ich erst einmal Handschuhe anziehen. Die sind sehr, sehr wichtig. Weil ohne Handschuhe geht nix im Krankenhaus. Das ist auch für unseren Schutz. Gut, beginnen tun wir immer hier am Stützpunkt. Weil jetzt im Moment hier nichts los ist. Die Läppchen für oben, die müssen im Wasser schwimmen. Im Gegensatz zu denen, die werden getränkt, die für den Fußboden. Dann beginne ich mit obenrum.... [Wischgeräusche / drunterziehen] (O-TON 43, MUTZ) trocken Dann war ich erst einmal zu Hause und habe dann Arbeit gesucht. Dann habe ich hier das Arbeiten begonnen und zwar war ich da 13 Monate im OP. Das war alles kein Thema, war aber dann für mich nicht der Beruf, den ich Zeit meines Lebens machen wollte. Bin dann auf die Suche gegangen und habe dann wieder eine Arbeit bekommen in der Textilbranche. Aber das war auch so ein ständiges Auf und Ab: Und da bin ich da dreimal entlassen worden. Und dann habe ich mich hier an das Haus erinnert, hab nachgefragt und die haben mich sofort wieder eingestellt. Und das war vor 20 Jahren und seitdem bin ich hier im Haus... (O-TON 44, MUTZ) Und dann brauche ich mir hier nur einen getränkten Wischbezug nehmen und dann mache ich den Fußboden [Wischgeräusche / drunterziehen] (O-TON 45, MUTZ) trocken Auf der Station war ich ungefähr sechs Jahre. Und dann ging das mit der Betriebsratsarbeit los. Ja, Betriebsrat bin ich jetzt seit zehn Jahren und vor fünf Jahren ging das dann los mit Bundesfachgruppe, mit Kreisvorstand, Bezirksvorstand, Tarifkommission. Jo, es ist mir ganz einfach wichtig, den Kollegen helfen zu können. Und ich schaffe es dann, diesen Menschen zu helfen. Das ist das, was mich beflügelt, weiter zu machen. [2. DR. OETKER] - BLOCK 7 (O-TON 46, PETROVIC-RADOVAC) Habt ihr vorhin andere Geräusche gehört? Nein, nee. Ich ja. Das war der Streifen, der zeigt, dass die Rolle alle ist. ATMO - Geräusch Rolle wechseln (O-TON 47, PETROVIC-RADOVAC) trocken ...wenn man lange an einer Maschine arbeitet, ich würde es vielleicht mal vergleichen, wie mit jemandem der jahrelang ein Auto fährt, zum Beispiel, und kennt die Geräusche oder wie der Wagen sich anhört und wenn sich das Auto dann anders anhört, dann merkt man das sofort. Für so was brauchst du auch ein bisschen längere Erfahrung oder musst ein bisschen länger an dieser Anlage arbeiten. Das braucht alles so seine Zeit und Erfahrung. (O-TON 48, PETROVIC-RADOVAC) trocken Und wir haben ja früher zum Beispiel zu zweit oder zu dritt an einer Maschine gearbeitet, weil wir viel körperlich gemacht haben. Da hat man ja auch viel mehr per Hand gemacht, die Falltschachteln, die Deckel drauf gemacht und geklebt und alles. Das macht jetzt alles die Maschine, aber man muss jetzt mehr auf die Maschine aufpassen, also parallel auf mehrere Sachen. SPRECHER Wenn sie Pause macht, passt eine Ablösung auf die Maschine auf. (O-TON 49, PETROVIC-RADOVAC) trocken Ja, man ist auch verantwortlich, man fühlt sich auch verantwortlich. Es gibt Tage oder Produkte, wo man sich besonders konzentrieren muss bei der Produktion, aber besonders anstrengend finde ich es nicht. ATMO - Maschine aussagen (O-TON 50, PETROVIC-RADOVAC) trocken Ich sage mal so: Meine Mutterrolle mag ich, aber ich mag auch gern meine Arbeit. Der Mix aus beiden ist gut. Ja, weil ich das Gefühl habe, dass ich etwas sehr Produktives mache, würde ich jetzt so sagen. Weil ich die Arbeit mag, aber halt auch finanziell. SPRECHER Die Maschine wird ausgesaugt - Produktwechsel. (O-TON 51, PETROVIC-RADOVAC) Wir sind jetzt mit dem Grießbrei High Protein fertig, die Maschinen sind leer geworden und jetzt machen wir Grießbrei, aber Vanillegeschmack. ATMO - Maschinen aussaugen [3. KRANKENHAUS] - BLOCK 8 (O-TON 52, MUTZ) wischt den Boden Also immer so in Schleifen, damit ich immer beim Wenden meinen Dreck wieder mitnehm. Man kann das auch vergleichen mit dieser Unendlichkeitsschleife, die schaut ja im Endeffekt aus wie eine liegende acht. [wischt weiter] (O-TON 53, MUTZ) trocken Wertschätzen? Na ja, dass man irgendwo auch dann dazugehört. Ich habe das in meiner Zeit, wo ich fest auf Station war: Du hast da schon mit dazugehört und das ist es auch, was es dann ausmacht zu wissen: Du bist jetzt zehn Jahre da, zwölf Jahre da und bisher hat noch nie jemand irgendwas gesagt, dass sie nicht zufrieden sind mit dir. (O-TON 54, MUTZ) wischt den Boden Erste Mal den Stützpunkt für die Schwestern fertig, und müssen dann auch nicht mehr stören. [Klappert, Besen] (O-TON 55, MUTZ) trocken Du wirst zu Weihnachtsfeiern dann auch eingeladen. Na, dann ging der Chefarzt in Rente, da bin ich zum Abschied eingeladen worden. Ja, das ist dann für mich ein Zeichen von Wertschätzung. Ja. Und da spielt eigentlich das Geld gar keine so große Rolle, sondern dazuzugehören. Man weiß, man schätzt deine Arbeit, man ist zufrieden mit dir. Ja. (O-TON 56, MUTZ) Jetzt gehe ich nach vorne und fang mit dem ersten Raum an und mach dann einen nach dem anderen. [Wagen rollt; Schritte] (O-TON 57, MAYER-AHUJA) trocken (vielleicht trocken stehen lassen) Die Frage ist ja auch, wer entscheidet denn über den Wert der Arbeit? Und da müssen wir auf der einen Seite über Unternehmen reden, die sagen, wir definieren gute Arbeit ist Arbeit, die Ergebnisse hat, die wir gut an den Märkten verkaufen können. Beschäftigte sagen natürlich was darüber, über den Wert ihrer Arbeit, wie sie das wahrnehmen. Aber ganz wichtig ist in dem Zusammenhang natürlich auch, ob Gewerkschaften Einfluss haben; wie sehr Gewerkschaften darauf Einfluss nehmen können, wie Arbeit gewertschätzt wird, da geht es um die Lohnhöhe, da geht es aber auch um Personalausstattung, da geht es um Arbeitsbedingungen, um Arbeitszeiten... (O-TON 58, MUTZ) So, dann geht's los. Dann nimm ich meine Sprühflasche für die Sanitäranlagen und klopf erst einmal an! [Klopft] Guten Morgen. Darf ich Sie stören? 'Sie stören nie'...Dankeschön. SPRECHER Die Arbeitszeit für die Reinigungskraft: fünf Stunden. Für die Reinigung eines Doppelzimmers hat sie etwa acht Minuten. Gearbeitet werden 12 Tage am Stück: von Montag bis zum darauffolgenden Freitag. Dann sind Samstag und Sonntag frei. Am Montag geht es wieder los - für 12 Tage. (O-TON 59, MUTZ) [putzt im Bad; andere Atmo als vor dem Sprecher] Hier teile ich unter der Woche auch immer auf, heute mach ich dies, morgen mach ich das. Die Sachen, die ich jeden Tag machen muss, wie Waschbecken und Toilette, das sowieso. Aber alles andere, das muss man sich aufteilen, weil man kann tatsächlich nicht alles immer machen; am Montag, mache ich zusätzlich die Ablagen über dem Bett und die Lampen. Dienstag mache ich das Eckregal, Mittwoch wische ich über alles drüber, was an der Wand hängt. Donnerstag wird der Tisch aus der Ecke gezogen und die Fensterbank gründlich gemacht und freitags nochmal die Ablagen. Weil sonst wird man da nicht fertig... (O-TON 60, MUTZ) trocken Es ist schon anstrengend. Vor allem dieses ständige Wischen, das geht unheimlich auf die Schultern. Du musst da die Lappen immer auswinden, das merkst du. Und das geht dann auch auf die Hände. Es wird ja auch mit kaltem Wasser gereinigt. Ja, natürlich, man hat so viele Hilfsmittel wie nur möglich. Vor allem, man muss auch immer zackig unterwegs sein. Ja, immer. Trab, trab...Das ist der Zeitdruck, den man hat. Ich weiß nicht, wie ich das ausdrücken soll: Man regt sich viel leichter auf über Sachen, die nicht gemacht sind, als zu sagen, Mensch, die was gestern da war, die hat aber super gearbeitet, weil das ist ja normal... (O-TON 61, MUTZ) trocken [hier mal trocken stehen lassen] Jo, mir ist meine Arbeit viel wert; weil ich weiß, was ich für Verantwortung habe. Und es bedeutet mir auch viel, wenn keine Beschwerden kommen. Ich will wissen, dass jeden Tag alles korrekt erledigt ist. Ja. (O-TON 62, MAYER-AHUJA) trocken Ich glaube schon, dass so was wie ein Arbeiterstolz / ein Produzenten-Produzentinnen-Stolz bis heute auch spürbar ist; wenn sie mit Menschen reden über ihre Arbeit, über ihre Tätigkeit, beziehen die sich teilweise sehr positiv auf das, was sie tun. Also auf das Produkt, zum Beispiel - auf die Fertigkeiten, die man braucht, um das Produkt herzustellen, auf den großen Aufwand, den man treiben muss, körperlich oder auch psychisch, um ein bestimmtes Arbeitsergebnis zu erzielen. (ATMO DHL / FÖRDERBAND / kann schon unter Mayer-Ahuja drunter) [2. DHL PAKETZENTRUM] - BLOCK 9 (O-TON 63, ACHECH) Für mich mein Ziel immer muss die Arbeit läuft. Das ist meine Ziel. Das ist sehr, sehr, sehr wichtig. Für mich Logistik muss Familienarbeit. Wie zu Hause. Muss immer Teamarbeit. Wir sind ein Team. Weil mit Teamarbeit, wir haben was geschafft - ohne Team, wir schaffen gar nix. (O-TON 64, ACHECH) Abdi! Das ist mein Kolleg, der Teamleiter... (O-TON 65, KOLLEGE) Wir haben momentan genug Leute und die Arbeit läuft schon sehr gut. Gestern war bisschen schlimm, aber heute ist besser als gestern. Ich war heute früher gekommen und ich habe schon alles vorbereitet. Und ich bin sehr gespannt, was kommt heute. Und morgen ist Wochenende. Deswegen.. (lacht) schaffen wir heute schon. (O-TON 66, ACHECH) Danke, danke. Ja, wir müssen kommunizieren sehr viel miteinander und tauschen die Information zwischen die Mitarbeiter. Ich muss immer schauen, wo steht zu viel Arbeit und ich geh helfen oder ich schicke einen Kollegen, muss helfen. Wir arbeiten bei Minute, eine Minute es ist Zeit und Zeit es ist Geld. So ist das bei uns hier. Ja. (O-TON 67, ACHECH) trocken Ich habe in verschiedene Arbeitsplatz gearbeitet und immer ich versuche, wo kann ich / bin ich gut und danach ich bin geblieben - bis kommt meine nächste Schritt. Ich bin anfangen mit Pakete sortieren. Ja, und ich habe gearbeitet fast vier Jahre. Und danach ich bin mit die - wir sagen Sperrgut - die große Pakete. Und jetzt, ich bin Beladetrainer; wenn ich erinnere meine Geschichte, das ist richtig große Geschichte. Es gibt Leute, sitzen in Börse, und verdienen das Geld. Aber für mich, nein, für mich ich muss arbeit. Ich muss bewegen. Ich habe gesagt, ich bin motivierter Mann und ich möchte immer bewegen und wenn ich bewegen, ich merke immer, ich bin 20 Jahre alt. Die Lohn, es ist wichtig, weil wir arbeiten und wir verdienen das Geld; aber das Geld, es kommt nicht alles so schnell, schnell; geht Schritt für Schritt. Man muss durchhalten. (ATMO Halle, die ausblendet) [3. GIESSEREI] - BLOCK 10 ATMO - Eisen wird in Halle transportiert, Auto, Alarm, Fauchen (O-TON 68, WENGERT) Wir haben jetzt das ganze Eisen vom Schmelzbetrieb abgeholt und haben das auf unsere zwei Gießpfannen aufgeteilt. Jetzt tun wir das Eisen abschlacken, müssen noch eine Probe entnehmen, müssen da auf den Laborwert warten und wenn wir dann die entsprechende Gießtemperatur haben, werden wir an die Eingussbecken hinfahren mit unseren beiden Kränen und dann wird der Abguss gemacht. ATMO - Fauchen, Brummen, Transportgeräusche SPRECHER Die Gießpfannen hängen an riesigen Haken. Der Ausguss in Kopfhöhe. Wieder abschlacken. Hitze steigt auf. Funken fliegen. Das flüssige Eisen schmatzt. (O-TON 69, WENGERT) Ja, es ist körperlich sehr anstrengend, erstes Mal arbeitet man immer mit schweren Gewichten und zweitens dann auch die Temperaturen, die schlauchen einen Körper schon. (O-TON 70, WENGERT) Nein, diese Arbeit, was wir hier Tag für Tag verrichten, das kann keine Maschine oder kein Roboter ersetzen. ATMO - weiter Eisentransport, Abschlacken, 220902_20 SPRECHER Die Hüttenwerke sind eine der letzten Gießereien auf der schwäbischen Alb. (O-TON 71, WENGERT) (trocken) Ja, wir haben bei der letzten Insolvenz richtig gekämpft - mit Trauerzug und ist ja in den Medien alles gekommen und ohne das hätte es nicht mehr funktioniert. Es hat bei uns funktioniert, weil wir dahinter gestanden sind und weil das Produkt, wo wir hier herstellen - mit den großen Kalanderwalzen, das können nicht viele und das war auch der Schlüssel, damit es wieder weitergeht. (O-TON 72, WENGERT) trocken Ja, das Weihnachtsgeld und das Urlaubsgeld, auf das verzichten wir schon länger. Und bei dem Neustart haben wir auf 15 % Lohn verzichtet. Uns ist ja nichts anderes übriggeblieben. Wenn wir den Stein nicht geschluckt hätten, dann hätte es gar nicht funktioniert. Dann wäre das nie wieder zustande gekommen. Und so haben wir unsere Arbeit. (O-TON 73, WENGERT) [oc] Ja, er ist 54, er ist so alt wie ich, wir sind 52. Der Kollege drüben ist auch schon 54, also wenn die halt alle mal an die Rente rankommen, dann geht so viel Fachwissen und Know-How verloren. (O-TON 74, WENGERT) trocken Es werden immer weniger, weil man hat auch Probleme, Auszubildende für diesen Beruf zu bekommen. Und da sehe ich, da gehen wir ganz, ganz schlimmen Zeiten entgegen. ATMO Halle Hüttenwerk [3. DR. OETKER] - BLOCK 11 ATMO - Produktionshalle Dr. Oetker, Hallenatmo [vor O-TON dran] (O-TON 75, PETROVIC-RADOVAC) Ich habe jetzt oben im Mischbereich, bei den Mischern angerufen und gefragt, ob er den Bunker oben aufmachen kann. Ob er soweit ist. Also die Mischung ist freigegeben vom Labor und jetzt macht er oben den Bunker auf, so dass das Produkt in das Rohr kommt und dann in die Abfüllmaschine. Dann können wir gleich mit dem nächsten Produkt starten. ATMO - Produktionshalle Dr. Oetker, Hallenatmo, keine Maschinen [ZOOM0025] (O-TON 76, MAYER-AHUJA) trocken In der Corona-Pandemie hat plötzlich die Rede von der Systemrelevanz eine große Rolle gespielt. Und wenn man sich jetzt fragt: Was ist eigentlich dieses System? In der Pandemie war plötzlich klar, der Laden läuft eben nicht mehr, wenn keine Lebensmittel auf den Tisch gelangen. Plötzlich hat man über Saison-Arbeitskräfte in der Landwirtschaft geredet, über die Ernährungsmittelindustrie, über die Fleischwirtschaft. Der Laden läuft nicht mehr, wenn niemand sich um Alte und Kranke kümmert. ATMO - Maschinen laufen wieder an (O-TON 77, PETROVIC-RADOVAC) trocken Man hat sich glaube ich auch gar nicht so richtig damit beschäftigt oder keinen Gedanken gemacht, wie das eben in Lebensmittelfirmen ist, sondern wie wir auch so hart gearbeitet haben und diese ganzen Maßnahmen und alles hatten, wie die - nicht wie die Krankenschwestern oder Pfleger, die hatten natürlich auch harte Zeit und alles harte Arbeit. Aber wir hier auch. Acht Stunden mit der Maske und immer mit dem Abstand und verschiedene Arbeitszeiten. Jede Abteilung hat andere Arbeitszeiten gehabt ... ich habe die zwei Jahre immer Wechsel-Schicht gemacht oder wir alle. (O-TON 78, PETROVIC-RADOVAC) trocken Von der Gesellschaft eher weniger, aber bei der Arbeit schon. Zum Beispiel: Das Unternehmen hat den Beschäftigten zweimal eine Corona-Prämie ausgezahlt. Oder ganz aktuell war vor einigen Tagen der Eiswagen hier bei uns auf dem Gelände. Also es gibt immer wieder Aktionen, die unser aller Arbeit wertschätzen. (O-TON 79, PETROVIC-RADOVAC) trocken Gerecht ist natürlich immer relativ. Das Entgeld bei Dr. Oetker ist aber fair. Und es gibt tolle Benefits wie Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, die betriebliche Altersversorgung, um ein paar Beispiele zu nennen. ATMO - Produktionshalle Dr. Oetker [3. DHL PAKETZENTRUM] - BLOCK 12 (ATMO Paketzentrum) (O-TON 80, ACHECH) trocken In Pandemiezeit, wir haben mehr Arbeit und das ist wie Weihnachtszeit und wir müssen Arbeit mit Maske tragen. Vor diese Arbeit, wir haben so viel Kraft steckt, was einer sitzt in de Sofa, und er hat nicht gesehen...machen Werbung "heute bestellen, morgen da". Aber wir müssen schaffen, diese Werbung, was kommt. (ATMO Paketzentrum) (O-TON 81, ACHECH) Wir sind jetzt jetzt vor einer Container drin und wir bauen die Pakete drin und muss gut bauen mit nicht mit zu viel Luft zwischen die Pakete. SPRECHER Sobald die Pakete die jeweilige Endstelle erreichen, werden sie in Lkws verladen. Dafür ragen die Förderbänder in die Container hinein; sie lassen sich ein- und ausfahren. (O-TON 82, ACHECH) Zum Beispiel, hier zum Beispiel kommt eine Tüte. Eine Tüte kann nicht... eine Paket über die Tüte. Eine weich oder die Tüte immer oben. Und er immer versucht, weil kommt verschiedenes Paket, nicht alles die gleiche, ja, und er immer versucht machen eine Mauer und gut bauen. (O-TON 83, MAYER-AHUJA) trocken Wie lange arbeitet man? Wie viel Kraft muss man investieren? Wie konzentriert muss man arbeiten? Daran macht sich Leistung fest. Und Leistung in diesem Sinne ist dann auch nichts Individuelles, sondern Leistung ist was, was sich in einem Arbeitsprozess, in einem kollegialen Zusammenarbeit-Zusammenhang eben auch ergibt. ATMO Halle hochziehen (O-TON 84, ACHECH) Ich zeige euch, wie die Leute arbeiten bei Sperrgut. Jetzt wir sehen die Rollebehälter für Sperrgut. Das heißt, die Mitarbeiter vor Sperrgut einfach nehmen die Pakete und scannen und hier verteilen. Schau, die Kolleg nehmen die Pakete. Und wir mussen immer aufpassen. Wir haben immer die fragil geschriebene, fragil vielleicht mit Glas oder so. Und kann man sagen Leute in Sperrgut, 0 % beschädigt Pakete, weil nehmen in der Hand und dann langsam, langsam bis in die Stelle. Und das ist bei uns in Aschheim Sperrgut immer top. (O-TON 85, ACHECH) trocken Wir haben Respekt vor jeder Mensch, weil wir haben verschiedene Mensch. Manchmal Mensch kann nicht Schule besuchen. Ich muss diese Leute immer motivieren. Gut sprechen. So. Und muss immer motivieren, motivieren, motivieren und unterstützen die Leute, bis wir es schaffen, die gute Leut. (ATMO Halle) SCHLUSS BEGINNT: [4. GIESSEREI / GIEßVORGANG] - BLOCK 13 ATMO - Halle Gießerei (O-TON 86, WENGERT) Ja, gerade haben wir gehabt 1403 und da waren es, glaub ich 1391. Da müssen wir noch warten bis wir bei 1360 Grad unten sind und dann fahren wir an die Eingussbecken hin. ATMO - Halle Gießerei (O-TON 87, WENGERT) trocken Die Gesellschaft schätzt die Arbeit. Wir haben da auch mal einen Tag der offenen Tür gehabt, da haben wir zwei Walzen gegossen, eine vormittags, eine nachmittags, da waren tausend Besucher da. SPRECHER Die Temperatur stimmt - nach fast sieben Stunden Vorbereitung, Aufbau, Eisen schmelzen. Zwei Arbeiter oben im Gießstand. Über den Eingussbecken: Die Pfannen mit dem flüssigen Eisen. Sicherheitsabstand. ATMO Halle - Krangeräusche (O-TON 88, WENGERT) "Glück auf, Glück auf" Direkt an O-Ton dran: ATMO Gießvorgang, Blubbern, Rauschen, etwas Geschrei im Hintergrund [länger frei stehen lassen] (O-TON 89, WENGERT) trocken Also, ich sage, man arbeitet, um zu leben. Weil wenn man nicht arbeitet, kann man sich nichts leisten. Man hat ein Haus mit Garten, wo man danach schaut. Dann hat man verschiedene Hobbys: Ich bin mit Leib und Seele Feuerwehrmann. Ich bin Jäger. Und früher hat man Fußball gespielt, jetzt fährt man Fahrrad - und da hat man dann schon Beschäftigung in der Freizeit. [4. KRANKENHAUS] - BLOCK 14 (ATMO Krankenhaus / Mutz klappert mit Besen) SPRECHER Krankenhaus, Station 35 (O-TON 90, MUTZ) trocken Man sitzt nicht so wie früher an seiner Nähmaschine und so ganz am Anfang mit der Akkordarbeit, du hast ja den ganzen Tag immer monoton, immer ein und dieselbe Arbeit gemacht. Das ist hier anders; du hast zwar dann, wenn du eine feste Station hast, auch immer dieselben Räume, aber die Menschen wechseln. [Interessant ist auch, dass du unheimlich viel dazulernst, auch auf medizinischer Sicht, weil du auch als Reinigungskraft immer irgendwie was mitbekommst.] (O-TON 91, MUTZ) Gut, ab ins nächste Zimmer; man merkt auch immer an den Patienten, wer jetzt daran interessiert ist, sich mal ein bisschen zu unterhalten und wer seine Ruhe haben möchte. Das merkt man eigentlich ziemlich schnell. Ja, jeder hat seine Leidensgeschichte, der hier liegt. (ATMO, Mutz kommt aus dem Zimmer) (O-TON 92, MUTZ) So, ist schon immer schön, wenn man das letzte Zimmer fertig hat und weiß, jetzt geht's ins Lager und dann nach Hause... Ja, im Moment gehts, es kann sein, dass wenn ich auf der Couch sitz, heut Nachmittag und aufstehen will, mich erst mal mich grad richten muss. Also, das ist, solange du in Bewegung bist, geht's. Aber sobald du zur Ruhe kommt und dann aufstehst, dann ja. Ich merke vor allem den Rücken. (O-TON 93, MUTZ) Schritte So, da, wo wir angefangen haben, da machen wir auch zu Ende. [leert Eimer aus] So, da ist alles leer. Der Müll geht vorne rein... [Schritte; Wagen rollt] (O-TON 94, MUTZ) trocken Ich geh jetzt mit dem Gefühl nach Hause, für heute bist du fertig. Du hast dein Zeug gebracht. Ja. Morgen kann es wieder ganz anders laufen. Vielleicht hast du morgen gar keine Entlassung. Vielleicht sind morgen auch die Zimmer, die heute leer geworden sind, noch nicht belegt. Dann hast du etwas mehr Zeit. Ja, es läuft jeden Tag schon irgendwie anders. (ATMO Flur / Wagen stoppt / Aufzugtür geht auf / schiebt Wagen rein) [4. DR. OETKER / SCHICHTENDE] - BLOCK 15 ATMO - Aussaugen der Maschine SPRECHER Dr. Oetker - Produktionshalle. Nach acht Stunden an der Maschine wird alles geputzt und vorbereitet, damit die nächste Schicht direkt starten kann. ATMO - Aussaugen der Maschine (O-TON 95, PETROVIC-RADOVAC) trocken Man merkt, was man getan hat. Das hängt natürlich auch von der Tagesform ab, wie bei jedem anderen Menschen und bei jedem Job. Ich fühle mich aber immer zufrieden nach einem Arbeitstag und am Ende eines Arbeitstages. ATMO - Maschinen fahren runter (O-TON 96, PETROVIC-RADOVAC) trocken Der Wert von Arbeit besteht für mich auch darin, dass es einen erfüllt, weil ich ein Teil des Ganzen bin und meinen Beitrag leiste. ATMO - Maschinen fahren runter SPRECHER Der Wert der Arbeit ein Feature von Sonja Ernst und Christine Werner (O-TON 97, PETROVIC-RADOVAC) ... der Hauptschalter, also zwei Hauptschalter, die habe ich ausgemacht. SPRECHER Mit Samir Achech, Gerlinde Mutz, Vesna Petrovic-Radovac, Bernd Wengert und Nicole Mayer-Ahuja Es sprach David Vormweg Ton und Technik: Gunther Rose und Oliver Dannert Regie Beatrix Ackers Redaktion Wolfgang Schiller Das Feature wurde gefördert durch die Film- und Medienstiftung NRW. (O-TON 97, PETROVIC-RADOVAC) weiter Licht aus. Ja, jetzt ist alles aus. Das war's für heute. Schichtende. SPRECHER Eine Produktion des Deutschlandfunks 2022 23