Hörspiel Feature Radiokunst Das Feature Die Chinesen waren da Wie in Dortmund eine Kokerei verschwand Autorin: Tita Gaehme Regie: Thomas Wolfertz Redaktion: Hermann Theißen, Wolfgang Schiller Produktion: Deutschlandfunk 2023 Erstsendung: Dienstag, 18.01.2005, 19.15 - 20.00 Uhr Wiederholung: Montag, 01.05.2023, 12.10 - 13.00 Uhr Es sprachen: Claudia Matschulla und Simone Pfennig Ton und Technik: Ingeborg Kiepert und Jutta Stein Urheberrechtlicher Hinweis Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Die Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 44a bis 63a Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. (c) - unkorrigiertes Exemplar - Musik O-Ton Ning Vor dreitausendfünfhundert Jahre, da war eine Dorf, und da lebte Yü Gung, und da war noch zwei Berg, und irgendwie musste da durchgehen und so was, und die zwei Berg ist nicht so gut. Und da Yü Gung hatte gesagt, wir sollen die zwei Berg wegmachen, jeder woanders. Und da haben die Leute gesagt zu Yü Gung, du bist bekloppt und so was, und da Yü Gung gesagt, ich habe Kinder und alles, wenn ich das habe nicht geschafft und so was, dann werden meine Kinder weitermachen, und eines Tag wir schaffen, dass der Berg nicht mehr da ist. Titel Die Chinesen waren da! Wie in Dortmund eine Kokerei verschwand Ein Feature von Tita Gaehme I. Herr Feldmann hat Tränen in den Augen O-Ton Heinz Jürgen Mertin Die Zukunft für uns sieht schlecht aus. Sobald hier zu is, werden wir ... wie heißt das jetzt schnell noch? ... wegrationalisiert, wegrati, wegrratsuli, wegrationulusiert. Sprecherin Jetzt sind die Straßenbahnen, die zum Ende der Dortmunder Österholzstraße fahren, nicht mehr überfüllt. Früher stieg Heinz Jürgen Mertin hier jeden Morgen aus und ging wie zehntausend andere zur Arbeit. Von der Endstation sind es nur wenige Schritte bis zum Haupttor der Westfalenhütte. O-Ton Heinz Jürgen Mertin Ich war Maschinist hier auf Kokerei. Ich war hier von 92, wo die hier angefangen haben, bis sie hier zugemacht haben, 2000, so lange war ich hier beschäftigt. Sprecherin "Koks, Kohle, Stahl": Synonym für die Wirtschaftsmacht im Ruhrgebiet - das ist ein Parasitensystem. Alles braucht sich, lebt voneinander und dient sich gleichzeitig als Nahrung. Lange funktionierte die deutsche Montanindustrie wie ein lebendiges Ganzes, ein industrieller Organismus. Auf dem Gelände der Dortmunder Westfalenhütte, groß wie ein eigener Stadtteil, schlug 160 Jahre lang ihr Herz. Hier wurden Eisen und Stahl geschmiedet, Koks, Gas, Teer, Roh-Benzol und Schwefelsäure gewonnen. Hundert Meter ragten die Hochöfen und Kühltürme in den Himmel. Wahrzeichen von Reichtum und Herrschaft. O-Ton Heinz Jürgen Mertin Ich komm da nich drüber weg, dass die hier zugemacht haben. Für mich ist das `n Ding, worum, weswegen... weiß ich nich. Die hätte genauso gut weiterlaufen können, die Anlage. Das krieg ich nicht in den Kopp, das ist für mich zu hoch. Sprecherin Die Kokerei Kaiserstuhl war das Prunkstück der Westfalenhütte. Entworfen und gebaut, als die Krise im Ruhrgebiet schon evident war. Fünf Jahre Planungs- und Bauzeit, 1,2 Milliarden Mark Investitionskosten. Allein 300 Millionen für den Umweltschutz. Doch die 1992 fertiggestellte modernste und umweltfreundlichste Kokerei Europas wurde nach nur acht Jahren Betriebszeit stillgelegt. O-Ton Heinz Jürgen Mertin Die hatten ne Auslegung gehabt bis zu 25 Jahren, und plötzlich hieß es: zu! Das konnte keiner verstehen, die modernste Anlage der Welt, und plötzlich war sie zu. Das konnte keiner verstehen. Warum, weswegen? Sprecherin Es ist keine fünf Jahre her, da gab es auf dem Weltmarkt Stahl und Koks in Hülle und Fülle. Dumpingpreise ruinierten im Ruhrgebiet die Margen, Rohstoffe und Arbeit waren zu kostspielig. Thyssen Mannesmann gab die Stahlproduktion in Dortmund auf. Damit fehlte der Kokerei Kaiserstuhl der wichtigste Abnehmer. Und der Transport von Dortmund nach Duisburg, wo Thyssen Krupp noch Stahl produzierte, war teurer als Importe aus Polen und China. O-Ton Rolf Feldmann Nur, mir tat`s in der Seele weh, wenn man jetzt wieder hierhin gekommen ist vom Bergwerk und sieht, wo man mit gearbeitet hat, dass alles abgerissen wird, also da hatt` ich doch schon Tränen in den Augen. Sprecherin Zum Dezember 2000 beschlossen die Aufsichtsräte des Ruhrkohle Konzerns und der Deutschen Steinkohle AG mit dem Ende der Kokerei die "sozialverträgliche Anpassung" von 470 Menschen, die hier gearbeitet haben. Und so gilt für Heinz Jürgen Mertin und seinen Kollegen Rolf Feldmann jetzt der Sozialplan. Seit vier Jahren werden die Familienväter eingesetzt, wo sie gebraucht werden: einige Monate auf der Zeche Oberhausen, danach in Erkenschwiek, anschließend im Werksdienst der Dortmunder Kokerei. Die Odyssee durchs Ruhrgebiet bewahrt sie bisher vor der Arbeitslosigkeit. Regie: Musik II. Herr Mo lächelt Sprecherin Am frühen Nachmittag sitzt Herr Mo am aufgeräumten Schreibtisch seines Büros im ehemaligen Bürogebäude der Kokerei Kaiserstuhl, trinkt warmes Wasser aus einem Marmeladenglas und liest eine Zeitschrift. O-Ton Mo - Übersetzung Ling Ling Das ist eine chinesische literarische Zeitschrift, die er hierher gebracht hat. O-Ton Mo - Übersetzung Ling Ling Er mag solche chinesische Literatur sehr, und sprachlich ist die chinesische Literatur auch sehr, sehr schön. Sprecherin Herr Mo liest humoristische Novellen, Kurzgeschichten und biografische Darstellungen über Politiker und Prominente. Wenn wir ins Kino gehen oder Zeitschriften lesen, dann erfahren wir etwas von anderen Menschen, sagt Herr Mo. O-Ton Mo - Übersetzung Ling Ling Das Leben ist sehr kurz. Alles durch seine eigene Erfahrung zu erlernen, das ist unmöglich. Deswegen ist Lesen sehr, sehr wichtig für das normale Leben. Er hat gehört, dass die Japaner vor der Arbeit vor dem Spiegel stehen, für selber mal lächeln, um sich selber aufzuweisen: Ich bin der Beste. Und danach gehen sie sehr frisch in die Arbeit. Genau diese Kraft, diese Selbstbewusstsein, Selbständigkeit bringt die japanische Wirtschaft auf Schwung. Deswegen ist es sehr wichtig, egal ob in Karriere oder in normale Leben, eine Selbstbewusstheit und Selbstständigkeit zu haben. Sprecherin Herr Mo ist der Projektleiter für die Demontage der Kokerei Kaiserstuhl. Der Vater von zwei erwachsenen Kindern kommt aus der Provinz Shandong, die zwischen Peking und Shanghai liegt. Sein Büro ist karg. Luxus verheißt nur ein Hochglanz-Kalender: stromlinienförmige Träume aus Lack und Chrom. Wenn man Herrn Mo fragt, was ihm an Deutschland gefällt, antwortet er schnell und begeistert: "Mercedes Benz und BMW!" Die Fensterbank schmücken eine kleine chinesische und deutsche Nationalflagge. Herr Mo betrachtet die nebeneinanderstehenden Wimpel als Freundschaftssymbol. "Bei jedem Blick durch das Fenster erinnern sie mich an meine Aufgabe", sagt er, "deutsche Gesetze und chinesische Interessen gleichermaßen zu achten." O-Ton Mo - Übersetzung Ling Ling Er ist schon alt, deswegen hat er schon viele Erfahrungen in verschiedenen Branchen, da hat er schon ein paar Weisheiten gesammelt. Sprecherin Herr Mo ist Elekroniker. Er arbeitete in einem Stahlwerk, im Bergbau, im Stadt-Bauamt von Wuhan, bei der Stadtbahn. Aus seinem Leben und über seine Arbeit erzählt er nichts. Über Literatur spricht Herr Mo gern, über Gleichnisse mit einer Moral. Solche Geschichten helfen ihm, sein Leben zu bewältigen. Man könnte glauben, Herr Mo sei ein Schöngeist. Aber vielleicht ist das alles eine Fassade. Vielleicht ist Herr Mo in Wirklichkeit auf die Aufgabe konzentriert, die zu bewältigen ihn der chinesische Staatskonzern nach Dortmund geschickt hat: O-Ton Mo - Übersetzung Ling Ling Sehr einfach: mit wenigsten Kosten ganz sicher und reibungslos demontieren, verpacken und nach China transportieren. Regie: Musik III. Herr Luan schafft Arbeitsplätze O-Ton Luan Wei Die Firma Famous Industrial Group GmbH wurde 1991 gegründet. Damals habe ich diesen Namen bekommen , weil ich gern "famous" sein, also bekannt sein möchte. Und das haben wir heute ein bisschen getan, haben ein bisschen bekannt. Ich bin der Inhaber von der Famous Industrial Group GmbH. Sprecherin Prof. Luan Wei siedelte seine Firma am Stadtrand von Bochum an. Er kaufte die Kokerei Kaiserstuhl von der Deutschen Steinkohle AG und verkaufte sie an den chinesischen Staatskonzern Yankuang. Zu seinem Unternehmen gehören noch weitere Firmen. O-Ton Luan Wei Wir machen zur Zeit deutsche Maschinen, deutsche Anlagen, natürlich die in gute Zustand sind und gute Technik, nach China verlagern und verkaufen. Seit langen Jahren haben wir auf dieser Branche tätig und haben natürlich Erfolg gehabt. Sprecherin So wie im Jahre 2001 das komplette Stahlwerk der Westfalenhütte abgebaut und in China wieder aufgebaut wurde, so wird auch die Kokerei Kaiserstuhl in China wieder in Betrieb gehen. Parallel zur Demontage begann die Montage in der Provinz Shandong. O-Ton Luan Wei Wenn wir das nicht abgebaut hätten, dann würde diese Anlage stillgelegt oder verschrottet. Das Verschrotten, das kostet auch Geld. Die Firma, die diese Anlage besitzt, muss unbedingt noch einmal Geld ausgeben für Verschrottung. Aber wir sagen, ok, wir geben Geld aus, wir zahlen noch zu, und wir bauen selber, und die deutschen Unternehmen kriegen zusätzlich Geld. Andere Seite sage ich: Wir haben auch Arbeitsplätze geschafft. Sprecherin Mit dem Kauf und Verkauf von Technologien und ganzen Fabriken, die sich in Deutschland nicht mehr rentieren, beschleunigt Professor Luan Wei die Industrialisierung Chinas. O-Ton Luan Wei Ich schaffe nicht nur für die Chinesen die Arbeitsplätze, auch für die deutsche Markt. Z.B. Wir haben jetzt die Kokerei Kaiserstuhl gekauft, haben nach China weiter verlagert. Wir müssen unbedingt eine technische Unterstützung, Beratung haben. Da haben wir Thyssen Krupp beauftragt, das kostet viel, viel Geld, das ist knapp eine achtstellige Zahl, die müssen wir noch in Deutschland zahlen, und dann müssen wir auch die Ersatzteile, die wir auch in Deutschland besorgen müssen, das kostet auch einige 10 Mill. Euro, dann kommen noch andere Sachen: dass wir den Transport machen lassen, das ist ein deutscher Spediteur, das kostet auch über 10 Mill €. Das ist alles Geld, was wir bezahlt haben für deutsche Markt, das kostet alles Geld. Anderes Wort: Das ist Arbeitsplatz geschafft. Sprecherin In der Kernzeit der Demontage arbeiteten 300 Facharbeiter, Techniker und Ingenieure aus China auf Kaiserstuhl und zerlegten das gigantische Werk in seine Einzelteile. O-Ton Luan Wei Wir arbeiten in Deutschland zehn Stunden und sechs Tage pro Woche, weil wir so schnell wie möglich abbauen möchten. Die Arbeitsvorschriften sind ganz anders als in China, weil wir nicht so schnell wie in China abbauen können, in Deutschland sind zu viele Vorschriften. Ich finde, für chinesische Verhältnisse sind viele Vorschriften bürokratisch und auch überflüssig. Zum Beispiel, wenn wir irgendwas machen, dann müssen wir beantragen; Antrag ausfüllen, dann müssen wir bei Behörden das und das erledigen, bis wir die Genehmigung kriegen, das dauert zu lange. Regie: Musik IV. Herr Cislak würde manches anders machen Sprecherin Es ist still auf dem Gelände der Kokerei. Ein heißer Tag im Spätsommer 2004. Die Anlage ist abgebaut. Türme, Tanks, Rohrleitungen sind verschwunden. Unkraut überwuchert Gleise und Mauern. Industriemüll, rostige Rohre, Schuttberge, Gebäudereste, halb verpackte oder verschlossene Container. O-Ton Bernd Cislak Und die Verladung, dass das alles klappt, dass die LKWs kommen, dass der Kran da ist, dass die Leute da sind, dass ich dann die Daten ins Büro gebe, dass die Papiere geschrieben werden, dass der LKW-Fahrer dann auch Papiere hat, wenn er losfährt - solche Sachen, die mach ich. Sprecherin Bernd Cislak leitet den Versand der Großteile nach China. Die meisten chinesischen Facharbeiter sind nach acht Monaten abgereist. Ungefähr 70 Leute sind geblieben und besorgen die Restdemontage und die Verpackung. O-Ton Bernd Cislak Der Herr Wille, der hat das alles im Computer, der kann Ihnen also sagen, es sind so viele tausend Container, so viele Kubikmeter oder Tonnen. Das wird ja bis Antwerpen geschickt und von da aus aufs große Schiff verladen. O-Ton Wille Wir haben insgesamt an Ladung fast tausend Kubikmeter und 36 Tonnen Ladung, das sind ungefähr 1.500 Container und 500 große Teile, die nicht in die Container passen, die wir dann per Schwertransport nach Antwerpen bzw. nach Dortmund transportieren müssen. O-Ton - Atmo Halle, Rest Demontage Chinesisches Geschrei, von außen Bernd Cislak: "Schrei hier nicht so rum. Hier schreit nur einer, und das bin ich." Chinesische Stimmen bis "Er hat nur Spaß gemacht." Sprecherin In einer Halle, die früher das Ersatzteillager der Kokerei und die Schreinerei beherbergte, bauen Arbeiter Paletten für Schaltschränke, die in Holzverschläge verpackt werden, bevor sie in die Container kommen. Bernd Cislak bleibt mit der Dolmetscherin Ling Ling bei einem der chinesischen Arbeiter stehen. O-Ton Bernd Cislak Er versucht die Kiste hier anzuhängen und hochzuheben und dann da reinzuschütten. Unsereins würde sich Handschuhe anziehen und die paar Dinger, die da drin liegen, lose da rein schmeißen, und fertig wäre man. Es ist ja leicht. Und er hängt jetzt jedes einzelne Teil daran, rüber, aus und schmeißt es darein. Das sind so Kleinigkeiten. Ich mein, mich stört es nicht, nur... Er hängt das jetzt ein, fährt anderthalb Meter nach links, lässt es ein Stück ab, dann wird er es aushängen und reinfallen lassen. O-Ton Ling Ling Aber glaube ich, es ist auch unnormal. Chinesen arbeiten normalerweise nicht so. Nur mit Handschuhe so was. O-Ton Bernd Cislak Sag ihm mal, er hat drei Haken, er kann drei Dinger reinhängen. O-Ton Ling Ling Hm, ja, O-Ton Bernd Cislak Er ist ja eigentlich hier Vorarbeiter, er braucht so was ja gar nicht machen. Er guckt jetzt nur, ob das geht. Er hat ein bisschen Langeweile, will helfen, will aber auch nicht zu viel machen, und dann macht er das so einfach wie möglich. O-Ton Ling Ling Aber hier ist das Projekt ein bisschen besonders. Hier die Trennung zwischen Büroarbeit und die normale Arbeit ist nicht so scharf. Normalerweise beschäftigte er sich nur mit Büro, mit Dokumentation. Sprecherin Ling Ling ist Dolmetscherin im Nebenjob. Seit einigen Jahren studiert sie an der Universität Bochum Wirtschaftswissenschaften und lernt die ökonomische Logik des Kapitalismus. Mao, Kommunismus und die Revolution, das sind für sie Geschichten aus der Vorzeit. O-Ton Ling Ling Die Kulturrevolution kennt die junge Generation nicht so viel. Manche Sachen klingt zuerst sehr, sehr komisch, und wenn man weiter daran nachdenkt, dann findet man schon ein bisschen erschreckend. Wenn man sich mal vorstellt, damals kleiden sich alle Leute in gleiche Sachen, man hat immer unendliche Meeting jeden Tag und lernen jeden Tag was ähnliches, was die Regierung sagt, natürlich das habe ich alles nur von meine Eltern gehört, ob das stimmt, weiß ich auch nicht. Man kann auch ein paar alte Fotos von meinen Eltern sehen. Dann sind alle Leute, die heben eine kleine rote Broschüre von Mao in der Hand, wenn man Foto macht. Das findet man schon sehr, sehr komisch aus der Sicht von der neuen Generation. O-Ton Bernd Cislak Also ich hab das Gefühl, die Chinesen lassen sich nicht gern was vorschreiben. Entweder machen sie es oder machen es nicht. Aber nicht, wenn wir sagen, du musst das fertig machen. Dann ziehen sie das raus, so lange wie's geht. Es sei denn, man sagt auch schon mal ... so`n bisschen diplomatisch, das geht dann auch. Aber sagen lassen tun sie sich das nicht gern. Da haben sie sehr viel Stolz. O-Ton Ling Ling Ich habe nur das Gefühl: Deutsche arbeiten sehr ordentlich, sehr fleißig, aber Chinesen auch, aber manchmal muss man zuerst einen Plan machen und dann Schritt für Schritt weiter machen. Die Chinesen haben auch Plan, aber halten Plan nicht so fest. Ich glaube, das hängt von der Denkweise ab, die machen Arbeit nach der Planung, aber machen das flexibler. O-Ton Bernd Cislak Ja, wenn man sieht, wie die hier abbauen und das verpacken und zusammenbauen. Das wird teilweise abgebrannt, die kennen ja nur Brenner, keine Schraubenzieher, und wie die das nachher wieder zusammen kriegen wollen, da muss ich sagen "Hochachtung!" Wenn das so klappt, wie die erzählen, dass die das da unten wieder hinstellen. Wenn man das sieht, kann man sich das nicht vorstellen. Regie: Musik V. Herr Mertin will keinen schikanieren O-Ton Bernd Cislak Das ist hier die Schreinerei von den Chinesen, und hier sind so Büroräume. Hier ist das Büro von China First auch. Machen auch hier Mittagsruhe. Hier hängt die Wäsche, hier wird gewaschen, hier ist Computer und Drucker und alles mögliche, was man braucht. Ich weiß nicht, ob das frisch gewaschen wurde oder ob das alles nur zum Lüften hier hängt. Hier wird Mittag gemacht, und dann wird sich ein bisschen hingelegt. Das ist praktisch ein Büroraum hier, Büro- und Materialraum. Es sind schon hundert Chinesen weg. Da haben sie alles reingelegt, was an Matratzen über ist, was sie nicht mehr brauchen im Moment. Es gibt schlimmere Räume, da können sie gar nicht reingehen. O-Ton Ling Ling Finde ich auch unnormal, so einen als Büroraum. Für Männer, die auf der Baustelle arbeiten, finden solchen Raum ganz normal, aber für Frauen bestimmt schon mal durcheinander. O-Ton Bernd Cislak Das sind die sanitären Anlagen. Wenn Sie da schon so zimperlich sind, dann brauchen wir da gar nicht reinzugehen. Jeden Tag wird mit dem Schlauch sauber gemacht. Es ist nicht so, dass da nur hin geschissen wird, es wird immer sauber gemacht. Wie gesagt, das Wasser läuft heraus. Wenn man ein bisschen empfindlich ist, ist das nix. O-Ton Heinz Jürgen Mertin Man muss viel aufpassen hier. Die dürfen nicht ohne Helm arbeiten. Jetzt, im Moment, sind nur die Verpacker da, früher waren sie hier mit dem Abriss usw. ohne Seil, Material runtergebracht von da oben usw., und da drauf mussten wir ja achten, dass sie mit Sicherheitsgurten usw. O-Ton Bernd Cislak Nur es ist ein bisschen aufwendig, immer sich anzuleinen, für jeden Meter, den man weitergeht, wieder aushängen, einhängen. Die warn auch n bisschen kleinlich manchmal. O-Ton Heinz Jürgen Mertin Wir waren kleinlich, deswegen aber, weil wir die Anordnung gekriegt haben, dass die die Helme tragen und Sicherheitsgurte anlegen müssen. Ne, es geht nicht wegen unsere Sicherheit, es geht wegen die chinesischen Mitarbeiter oder Kollegen, die hier am arbeiten sind, die müssen das anlegen, ob sie wollen oder nicht. Das ist die Sicherheit, ne. O-Ton Rolf Feldmann Es ist ja auch so; wir haben drauf zu achten auch, dass die sonntags nicht arbeiten, weil sonntags ist keine Aufsicht da. Und wenn die sonntags arbeiten, ist das eben halt ohne Aufsicht, und das ist gefährlich. O-Ton Heinz Jürgen Mertin Und so wie der Kollege schon sagte, wenn das Material transportiert wird in schwindelnder Höhe, sag ich mal so, es sind ja lose Teile, es ist ja nicht immer ein komplettes Stück, es sind kleine Teile, die da zwischen drin liegen, und die können rausrutschen oder runterfallen, und wenn jetzt welche dran am arbeiten sind und die kriegen das praktisch am Kopp oder in den Nacken, dann kann es passieren, dass er vielleicht tot ist oder so, dass er querschnittsgelähmt ist, und das wollen wir dadurch vermeiden. Deswegen sind wir immer so kleinlich, in dem Sinne. Das hat mit Vorwurf oder Schikanieren usw. nix zu tun. O-Ton Rolf Feldmann Ja, also die haben heimlich gearbeitet. Ja, ohne eine Aufsichtsperson. Es hätte ja was passieren können, und wir wären dann halt die Doofen gewesen, weil wir das nicht wussten. Regie: Musik VI. Nur wenige wissen, was Herr Luan schon weiß O-Ton Luan Wei Ja, in NRW gibt's noch jede Menge abzubauen. Das kann ich Ihnen leider nicht viel erzählen, weil einige Projekte, einige Anlagen, die auch in kommenden Monaten stillgelegt werden, wenn ich die jetzt nennen würde, käme evtl. eine Unruhe auf in der Fabrik. Deswegen man muss auch vorsichtig sein. Zum Beispiel: Wir haben zur Zeit Verhandlung mit einer Fabrik, zwei sogar, die wir gern und später auch übernehmen werden und wieder verlagern nach China, aber die Mitarbeiter, die dort beschäftigt sind, die wissen noch nicht, dass sie stillgelegt werden, deswegen muss man vorsichtig sein. Sprecherin 49 deutsche Industrieanlagen wurden bereits oder werden zur Zeit in Containern über Rotterdam nach China verschifft. Der Ausverkauf boomt. Die Unternehmerkarriere von Professor Luan Wei ist eine Erfolgsgeschichte der Globalisierung. O-Ton Luan Wei Eigentlich habe ich in China einen guten Job gehabt, ich war in den Außenhandelskombinat für Import, Export, eigentlich sehr gutes Geschäft. Ich war auch tüchtig und habe gute Erfolge gehabt und leider meine Wünsche nicht bekommen. Damals, in China, nicht durch die Leistung wurde ein Mann beurteilt, sondern vom Alter, von Arbeitszeit abhängig, und deswegen habe ich gedacht, Mensch, ich muss meine Zukunft anders denken als in China, nur Arbeit und keine Gegenleistung. Deswegen habe ich entschieden, nach Deutschland zu kommen, um meine Zukunft besser zu machen. Sprecherin In der Kindheit erlebte Luan Wei, wie seine Eltern als Gegner der maoistischen Kulturrevolution geschlagen und gedemütigt wurden. Die Familie floh aufs Land, teilte das einfache, harte Leben der Bauern und überlebte. Dank der Reformpolitik in den achtziger Jahren habe er eine akademische Ausbildung beginnen können. Er spreche 15 chinesische Sprachen, habe als technischer Dolmetscher und Übersetzer gearbeitet, bevor er ein Maschinenbau Studium in Shandong begann, das er von 1989 bis 1991 in Freiburg fortsetzte. So jedenfalls erzählt es Professor Luan Wei. O-Ton Luan Wei Ich bin nicht Kommunist. Als ich noch in China war, war ich auch nicht Kommunist in der Partei. Ich bin einfach Neutraler, aber ich finde heutiges Gesetz, heutiges System in China ist richtig. Man darf nicht so schnell wachsen, so wie in andere Länder, dann kommt automatisch sehr viel Mafia usw. Aber heutiger Sozialismus in China, das ist nicht mehr hundertprozentig wie früher genannt Sozialismus. Das ist meiner Meinung nach gemischt Sozialismus und Kapitalismus. Regie: Musik VII. Herr Yen ist ungeduldig O-Ton Bernd Cislak Jetzt ist 12 Uhr, laufen alle zum Essen, haben alle ihre Teller und Töpfe, da ist Locke auch. Er heißt eigentlich Locke, weil er ne Glatze hat, jetzt. Früher hat er so ne Haarlocke gehabt, die hing so runter, und die hat er sich so rumgebunden, und irgendwann kam er morgens an, strahlend, nahm den Helm ab, und da hatte er ne Glatze. Und da musste jeder fühlen, und er war richtig stolz. Das sind so kleine Geschichten, die hier auch passieren, wo man sich auch ein bisschen dran erfreuen kann. Sprecherin Die Küche ist ein Provisorium im Freien. Zwischen zwei Container ist eine Plane gespannt, darunter stehen schmale Tische, Bänke, einige Stühle, eine provisorische Spülgelegenheit. In einem der beiden Container wohnt der Koch; in dem anderen bereitet er das Essen zu. O-Ton Ling Ling Das ist WOK, darunter ist Feuer. Hier arbeiten Chinesen, kochen nur mit große WOK. Das ist Chili, der sehr scharf ist. Hier die Demontage-Team mag das sehr, weil die kommen aus der Stadt Wuhan. Die Leute da essen sehr scharf. Heute Kotelett mit Möhre und süß-sauer Weißkohl. Sprecherin Herr Yen, der Koch, ist ein junger sportlicher Mann in Jeans und kobaltblauem Hemd. O-Ton chin., Übersetzung Ling Ling Zum Beispiel er findet deutsches Essen ekelhaft, mit so Brötchen, draußen eine dicke Schicht Butter und Käse, findet der nicht so schön, aber kann sein, Deutsche finden chinesisches Essen auch nicht schön. Sprecherin Herr Yen ist eigentlich technischer Zeichner. Beim Abbau des Stahlwerks von Thyssen Krupp vor zwei Jahren half er in der Küche. O-Ton Koch - Übersetzung Ling Ling Dann war der Chef sehr zufrieden mit seine Arbeit. Deswegen wurde er wieder von dem Chef hergeschickt. Sprecherin Herr Yen ist ganz und gar nicht zufrieden. Ihm geht der Abbau der Kokerei nicht schnell genug. Vor zwei Jahren, beim Abbau des Stahlwerks, hätte die Mannschaft viel zügiger gearbeitet. Herr Yen will so schnell wie möglich zurück nach China, wo seine Freundin auf ihn wartet. Er will heiraten und eine Familie gründen. Mit dem in Deutschland verdienten Geld will er seinen Kinder eine gute Ausbildung ermöglichen, und seine Frau soll sich nicht um den Lebensunterhalt sorgen müssen. O-Ton Koch - Übersetzung Ling Ling Natürlich Wohnung ist ein wichtiges Ziel für ihn. Jetzt sind Wohnungen in China sehr teuer. Mit seinem Gehalt ist nicht einfach, eine Wohnung zu kaufen, deswegen ist es Ziel, Wohnung zu kaufen, und danach das Weitere. O-Ton Koch Sprecherin Während Herr Yen das Geschirr abwäscht, schwärmt er von der Natur in Deutschland, der guten Luft, der grünen Landschaft, den blühenden Blumen. Aber das Leben auf der Kokerei sei langweilig, klagt er, außer dem chinesischen Fernsehprogramm gebe es keine Unterhaltung, keinen Sport, keine Spiele. O-Ton Koch Sprecherin Er sei mit großen Erwartungen nach Deutschland gekommen. Die Städte hätten ihn interessiert, die Architektur, die Menschen. Aber jetzt, wo er zum dritten Mal da sei, findet er alles nur noch öde. O-Ton Koch - Übersetzung Ling Ling Als ich erste Mal hier war, hab ich auch viel Porno und solche Sachen gesehen. Das fand ich immer sehr, sehr neugierig, weil in China kann man das im Alltagsleben nicht besprechen. Im Vergleich ist hier mit Sex zu tun viel, viel freier als in China. O-Ton Koch - Übersetzung Ling Ling Das ist schwer zu beurteilen, ob das gut oder schlecht ist. Er glaubt, wahrscheinlich für die Westen das ist eine Befreiung, aber für Chinesen, die halten lieber Sex für eine intime Sache, so private Sache. Im Vergleich mit dem Westen halten die Chinesen das mit dem Sex ganz ernst. O-Ton Koch - Übersetzung Ling Ling Wir sind schon immer so erzogen, dass wir ein anständiges, ordentliches Leben führen sollen. Das heißt, wir müssen die alten Leute respektieren und sehr freundlich zwischen den verschiedenen Personen und auch ein sehr ernst, diese freundschaftlichen Beziehungen zu Frauen zu haben, das halte man sehr ernst, und später muss man sehr verantwortlich für diese ganze Familie sein, und in der Schule sind wir auch immer so erzogen, dass wir sollen patriotisch sein. Das soll für Chinesen immer sehr wichtig sein. In der Schule immer so gelernt von den Nationalhelden, und die sind immer Vorbilder für uns. Regie: Musik VIII. Da kommt das nächste Problem O-Ton Heinz Jürgen Mertin Die anderen Welten müssen ja auch arbeiten, sag ich mal so, und dass da mal was nach`m Ausland hingeht, ok, wir kriegen ja auch vieles vom Ausland nach hierhin. Ist gut, da wäscht eine Hand die andere. Aber warum hier alles abgebaut und woanders wieder aufgebaut wird, das kann ich nicht verstehen. Man hätte ja beides laufen lassen können. O-Ton Luan Wei Die chinesischen Mitarbeiter, die hier in Deutschland sind, die sind sehr fleißig, aber ich gehe davon aus, die chinesischen Mitarbeiter sind viel fleißiger als die deutschen. Tut mir leid. Aber so muss ich mich äußern. O-Ton Bernd Cislak Zum Arbeiten haben sie ganz andere Haltung, also schnell, mehr und nicht so umständlich, wie das bei uns ist. Also wenn die zehn Stunden, zwölf Stunden arbeiten, da kennen die nix, das machen die auch. O-Ton Heinz Jürgen Mertin Weil jeder sein eigener Teufel ist, weil jeder das Beste für sich will, jeder versucht sein Bestes daraus zu schlagen. Hauptsache, ich hab Arbeit, der Kollege braucht keine Arbeit. So sieht das heutzutage aus. Wir arbeiten nicht mehr miteinander, sondern gegeneinander. So sieht's weltweit aus. So isses. O-Ton Luan Wei Unsere Sozialleistung in Deutschland hat einfach zu viel gegeben. Wir müssen arbeiten, und das System, was wir im Moment haben, produziert auch Arbeitslose. Und das heißt, wir müssen die Arbeitslosen auch abschaffen durch eine neue Maßnahme, durch eine neue Erfindung, durch Dienstleistung, durch anderen Weg. Wir müssen verkaufen nach dem Ausland, das ist das Wichtigste. O-Ton Heinz Jürgen Mertin Man sagt immer, die Anlage wird jetzt abgebaut, aber was machen wir mit die Leute denn? Da kommt nämlich das nächste Problem. So. Wenn die Arbeit nicht mehr da ist, man kann nur einen Teil verlegen. Und der Rest? Wo geht der hin? Zum Arbeitsamt? Kommen wieder Arbeitslose dazu. So greift ein Turnus in den anderen ein. Dass sich dann die Leute aufregen, weniger Geld und so, ok, aber es sind welche dabei, die können nichts dafür, da ist es krankheitsbedingt, die können nicht mehr arbeiten. O-Ton Luan Wei Man denkt nur an Geld. Man will nicht arbeiten, man muss mehr Geld haben. D. h. genießen mehr als arbeiten. Das ist heute in Deutschland, und das finde ich nicht gut. Z. B. ich habe auch Mitarbeiter in China, die können rund um die Uhr arbeiten, ohne ausspannen, ohne Anspruch an Geld. Die sind froh, wenn sie Erfolg gehabt haben, Erfolg gebracht für die Firma oder für die Unternehmer gemacht hat. Meine Mitarbeiter hier, nicht alle, aber einige schon, wenn die mehr Zeit aufwendig gemacht hat, dann verlangen sofort - sogar 15 Minuten notiert - und die 15 Minuten muss von dem Chef bezahlt werden. Das ist der Unterschied zwischen Deutschland und China. Sprecherin Deutschland solle ein High Tech Land werden und die rohstoffverarbeitende Industrie den Entwicklungsländern überlassen, doziert Herr Luan Wei und präsentiert auch noch ein anderes Rezept: Deutschland brauche eine neue Politik und innovative Unternehmensstrategien. Der tüchtige Professor aus China hat einen deutsch-chinesischen Handelsverein gegründet, berät Konzerne und Mittelstandsbetriebe und berechnet inzwischen für einen halbstündigen Vortrag zehntausend Euro. Seine Famous GmbH beschäftigt Deutsche und Chinesen, und jeder Mitarbeiter fühle sich wie ein Familienmitglied, sagt der Chef. O-Ton Luan Wei Ich habe ein Prinzip bei mir im Büro: Vier Zeichen: einmal, man darf nicht vergessen, woher man stammt, man darf eigene Eltern nicht vergessen, man darf die Leute, die dir geholfen haben, nicht vergessen. Andere Seite habe ich auch zwei Zeichen, aber ganz riesengroß von der Decke bis zum Boden: man muss sowohl menschlich als auch business, das heißt geschäftlich moralisch bleiben. Dann können sie langfristig Geschäfte machen. Deswegen mache ich mit Chinesen sehr viele Geschäfte mit Handschlag. Bis heute immer noch. Regie: Musik IX. Ein Flügel genügt, um hoch zu fliegen oder: Man muss ein Ziel haben O-Ton Heinz Jürgen Mertin Ich bin jetzt 53, der Kollege ist 48, der ist 52 oder 55. Wenn jetzt alles weg ist, ist für uns Schluss. So sieht das für uns aus. Und da drüber bin ich erbost! Wie nennt man das ...? Hab ich so`n Hass gegen die Firma im Moment! Also DSK, mein ich jetzt, da hab ich jetzt Hass drüber! - Was heißt Hass? Ich weiß jetzt auch nicht, was man dazu sagen soll? Sauer! Deswegen, weil wegrationalisiert wird alles, deswegen bin ich ein bisschen sauer da drüber. O-Ton Ling Ling Natürlich im Vergleich mit den vorherigen Leben, das ist schon mal hart. Wenn man einfach von dem Firma, für die schon lange gearbeitet, einfach rausgekippt oder so. Schon vorher, als wir noch in der Schule waren, haben wir gelernt: Kapitalismus ist grausam, und so eine Situation wurde beschrieben. O-Ton Heinz Jürgen Mertin Das will man loswerden, ja. Aber bei wem? Ich kann die Kollegen nicht verurteilen, und die Leute, die dafür zuständig sind, die krieg ich nich am Rohr, das ist das Problem dabei. O-Ton Ling Ling Momentan in China ist die gleiche Situation. Deswegen sind schon Hunderttausende, ja Millionen Leute arbeitslos. Aber das Arbeitslosengeld ist sehr, sehr gering, da können viele Leute anhand solcher Arbeitslosengelder überhaupt kein Leben unterhalten. O-Ton Bernd Cislak Also, ich hab nicht gesagt jetzt, ihr Chinesen, ihr nehmt uns alles weg oder sonst was. Die hier arbeiten, können ja auch nichts dafür. Die müssen ihre Arbeit machen genau wie ich auch. Und daher ... ich bin eigentlich sowieso ein Mensch, der andern gegenüber immer positiv gegenüber sitzt oder steht, und es sind nette, freundliche Menschen. Genauso arme Schweine wie wir. O-Ton Ling Ling Aber im Vergleich, glaube ich, sind arme Leute hier nicht so arm wie in Entwicklungsländern. Hier sowieso gibt's schon bessere Rente, Versicherungssystem, alle Leute, die schon arbeitslos sind, werden von der Regierung unterstützt, für die gibt's Arbeitslosengeld, gibt's Kindergeld. Das kann man nicht vergleichen. Wenn man schon mal in die ärmere Länder sieht, hat man schon Glück hier. Sprecherin In Deutschland produzieren heute fünf Kokereien 7,5 Millionen Tonnen Koks. Bisher wurden noch zusätzliche 6 Millionen importiert. Im Jahre 2003 lieferte Polen davon 45 Prozent, zu staatlich subventionierten niedrigen Preisen. Das ist seit dem EU-Eintritt vorbei. O-Ton Rolf Feldmann Es heißt ja im Sozialplan, wir haben einen Kündigungsschutz, und ich hoffe, dass sie darauf zurückgreifen, dass wir hiernach doch noch von der DSK beschäftigt werden auf irgend eine Art und Weise. Das ist unsere Hoffnung. Nicht dass wir doch noch arbeitslos werden, weil das wär für mich sehr bitter, weil ich hab zwei behinderte Jungens, und dann weiß ich eigentlich nicht mehr ein und aus. O-Ton Heinz Jürgen Mertin Ich hab auch vier Kinder zu Hause, die lernen und studieren, wo soll das Geld herkommen? Sprecherin Wenn die Kokerei Kaiserstuhl endgültig abgebaut ist, wird Herr Mo nach fast zwei Jahren zu seiner Familie zurückkehren. Er erwartet, in ein verändertes China zu kommen, und weiß, dass er daran beteiligt war, auch Deutschland zu verändern. Jedes Land erneuere sich Schritt für Schritt. "Das ist gut so!", sagt Herr Mo. Er selbst sei kein reicher Mann. Und doch ruht sein Leben auf einem soliden Fundament: Er liest und träumt. O-Ton Mo Sprecherin Wie alle Väter habe er den Wunsch, das Beste weiter zu geben. Da er keine Reichtümer zu vererben habe, hätte er sich lange überlegt, was er seinen Kindern vermachen könne, und er sei darauf gekommen, das Beste, was man seinen Kindern schenken könne, sei ein Flügelpaar, um damit hoch zu fliegen wie ein Vogel. O-Ton Bernd Cislak Wir Deutschen, wir werden nachher noch dem Ganzen nachtrauern, was wir allein bis jetzt verkauft haben, nur hier in Dortmund. Das werden wir irgendwann noch mal mit Sicherheit bereuen. Ich bin jetzt kein Politiker, aber ich denk mir das. So wird das sein. Wir werden nachher den Stahl irgendwo in China wieder einkaufen, und hier sind die Arbeitsplätze alle weg. Sprecherin China hat den Koks- und Stahl-Export reduziert. Sein Eigenbedarf ist immens. Der chinesische Wirtschaftsboom beschleunigt den globalen Abbau der Ressourcen und treibt die Preise in die Höhe. Bei den Deutschen bricht Katzenjammer aus, die Reue darüber, dass ein wichtiges Gesetz gebrochen worden sei - das der Eigenversorgung. Hundert Euro kostet die Tonne Koks inzwischen - wenn sie denn (überhaupt) zu kaufen ist. Und so plant man im Ruhrgebiet wieder einen Neubau: O-Ton Bernd Cislak Wenn man sich jetzt mal überlegt, dass die Kokerei, ich mein das jetzt in Bottrop, ausgebaut werden soll für zig Millionen Euro und hier ne neuwertige Anlage abgerissen wird, da kann was nicht stimmen. Ich mein, das versteh ich sogar. Da liegt irgendwas im Argen. O-Ton Luan Wei Das ist eine andere Geschichte, das heißt, man muss ein Ziel haben. Das Ziel zu erreichen, braucht man Mühe, braucht man Arbeit, muss man es leisten, muss man viel Zeit aufgeben, um das Ziel endlich zu haben. Das ist Yü Gung. Ich gehe in anderes China, wir machen Geschäft, aber nicht so wie Yü Gung, das wäre für mich zu langsam. ich muss schnell machen. Absage: Die Chinesen waren da Wie in Dortmund eine Kokerei verschwand Ein Feature von Tita Gaehme Sie hörten eine Produktion des Deutschlandfunks. Es sprachen: Claudia Matschulla und Simone Pfennig Ton und Technik: Ingeborg Kiepert und Jutta Stein Regie: Thomas Wolfertz Redaktion: Hermann Theißen 1 _SEITE _Fehler! Textmarke nicht definiert._