Hörspiel Feature Radiokunst Das Feature Dr. WHO auf dem Drahtseil Die Weltgesundheitsorganisation im Spannungsfeld der Großmächte Autoren: Christian Buckard & Daniel Guthmann Regie: Matthias Kapohl Redaktion: Wolfgang Schiller Produktion: Deutschlandfunk/SWR/ORF 2020 Erstsendung: Dienstag, 15.09.2020, 19.15 Uhr Wiederholung: Dienstag, 14.03.2023, 19.15 Uhr Erzählerin Ulrike Schwab Erzähler Valentin Stroh Zitator Jochen Langner Ton und Technik: Wolfgang Rixius, Anton Blank Urheberrechtlicher Hinweis Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Die Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 44a bis 63a Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. (c) - unkorrigiertes Exemplar - O-Ton 1 (Tedros) Your Excellencies, Good Morning, Good Afternoon & Good Evening! The Covid 19 pandemic is an unprecedented global crisis that has been met with unprecedented global response. O-Ton 2a (Merkel): Can you hear me now? O-Ton 2b (Tedros): Yes, we can hear you! O-Ton 3 (Chou): Jetzt muss ich noch Ihre Temperatur messen... O-Ton 4 (Shieh) Schutzmaske - da denken wir an Schützen und die Deutschen denken an Masken! Das ist der Unterschied. O-Ton 5 (Xi Ping, Rede) O-Ton 6 (Stöbe) Das ist ja auch etwas, was wir bei allen Epidemien oder auch Pandemien sehen: Die Fehler, die am Anfang gemacht werden, haben die grausamsten Konsequenzen. O-Ton 8 (Trump) We will be terminating today our relationship with the World Health Organization O Ton 9 (Krammer) Während einer Pandemie die WHO zu verlassen. Was soll man darauf sagen?... Archiv O-Ton 10 (Maas) ...Das ist wie wenn man aus einem fliegenden Flugzeug den Piloten rausschmeissen würde. O-Ton 11 (Kickbusch) Ich würde auf jeden Fall der WHO nicht unterstellen, dass sie es versucht hat zu vertuschen. O-Ton 12 (Welte) Die WHO (...) ist ganz eindeutig der Vertreter der ärmeren Länder, und sie denkt global. Das ist ihre ganz große Stärke O-Ton 14 (Tedros) The pandemic is far from over. I repeat. The pandemic is far from over Ansage: Dr. Who auf dem Drahtseil. Die Weltgesundheitsorganisation im Spannungsfeld der Großmächte. Ein Feature von Christian Buckard und Daniel Guthmann Zitator: (aus Heinrich Heine, "Ich rede von der Cholera") Man hatte jener Pestilenz umso sorgloser entgegengesehen, da aus London die Nachricht angelangt war, dass sie verhältnismäßig nur wenige hingerafft. Wo man nur hinsah auf den Straßen, erblickte man Leichenzüge oder, was noch melancholischer aussieht, Leichenwagen, denen niemand folgte. (...) Eine Totenstille herrscht in ganz Paris. Ein steinerner Ernst liegt auf allen Gesichtern. Mehrere Abende lang sah man sogar auf den Boulevards wenig Menschen, und diese eilten einander schnell vorüber, die Hand oder ein Tuch vor dem Munde. Die Theater sind wie ausgestorben. Das Volk murrte bitter, als es sah, wie die Reichen flohen und bepackt mit Ärzten und Apotheken sich nach gesünderen Gegenden retteten. Mit Unmut sah der Arme, dass das Geld auch ein Schutzmittel gegen den Tod geworden. Erzählerin: Heinrich Heine. Paris, April 1832. In den Tagen der Cholera-Epidemie. Sein Augenzeugenbericht ist von einer erstaunlichen Aktualität: Auch während der ersten Covid-19-Welle fliehen viele Vermögende aus den großen Städten aufs Land. Erzähler: Während die Armen in ihren beengten Wohnquartieren in Quarantäne sitzen. So ist es überall auf der Welt. Die Nichtregierungsorganisation "Human Rights Watch" hat festgestellt, dass unter Armut leidende Menschen besonders von der Corona-Krise betroffen sind: Ihr Risiko, sich zu infizieren, die Gefahr, das Virus ihrerseits weiter zu verbreiten und am Virus zu sterben, ist wesentlich höher, als dies zum Beispiel bei Angehörigen der Mittelschicht der Fall ist. Erzählerin Besonders hoch ist das Risiko für die armen Bevölkerungsgruppen in den Elendsvierteln der Dritten Welt. O-Ton 15 (Schwartländer) Wir haben (---) große Sorge natürlich, denn wenn das mal in die Slums, die wirklichen, die armen Stadtteile reinkommt, wo Millionen von Menschen sehr eng zusammengepfercht leben, kann man sich kaum vorstellen. Da kann man "Social Distancing" nur... das geht natürlich nicht so recht. Da haben wir natürlich Sorge und beobachten das sehr genau. Erzähler Bernhard Schwartländer, der Kabinettschef der WHO. Er koordiniert die Arbeit der Weltgesundheitsorganisation und ist so etwas wie die rechte Hand des WHO-Generaldirektors Tedros Adhanom Ghebreyesus. Während der letzten Jahre war der Epidemiologe als WHO-Beauftragter in Peking. O-Ton 16 (Schwartländer) Es gibt natürlich in diesen armen Ländern sehr viele, die also kein reguläres Gehalt haben, sondern die morgens aufstehen und dann sich eine Arbeit suchen, zu einer Arbeit geben und dann eben bezahlt werden an dem Tag für das, was sie leisten konnten. Und wenn das wegbricht, dann bricht denen nicht nur das Gehalt weg, das Einkommen weg, denen bricht ja dann die Möglichkeit weg, sich ein Abendessen zu kaufen. Erzählerin Die 1948 gegründete Weltgesundheitsorganisation hat es sich zur Mission gemacht, das Menschenrecht auf Gesundheit überall auf der Welt durchzusetzen. Gerade auch für die Völker der Dritten Welt. Erzähler Ihren bisher größten Erfolg hatte die WHO bei der Bekämpfung der Pocken. Der globale Feldzug gegen die Jahrtausende alte Seuche begann 1967 und endete 1980 mit der völligen Ausrottung der Pocken. Ein in der Menschheitsgeschichte einmaliger Sieg. Nur die politisch-neutrale Weltgesundheitsorganisation konnte die USA und die Sowjetunion dazu bewegen, im Kampf gegen die Seuche weltweit eng zusammenzuarbeiten. O-Ton 16b (Diaby): Guten Tag, nehmen Sie Platz! Wie geht es Ihnen?! Erzählerin Der SPD-Bundestagsabgeordnete Karamba Diaby ist stellvertretendes Mitglied des Unterausschusses "Globale Gesundheit". Wir treffen ihn in seinem Berliner Abgeordnetenbüro. O-Ton 16b (Diaby): Guten Tag, nehmen Sie Platz! Wie geht es Ihnen?! Gesundheit ist das Wichtigste. Erzähler Karamba Diaby wurde 1961 in Senegal geboren. O-Ton 17 (Karamba Diaby) Ich denke, dass die WHO eine der wichtigsten internationale Organisation ist. [...] Ich persönlich [...] verbinde mit WHO sehr viel, da ich aus einem Dorf bin, in meiner Kindheit gab es diese Impfaktionen der WHO, Pockenbekämpfung zum Beispiel, aber auch Malaria mit dem, die verteilt wurden in Mitte der 60er Jahre. Und da habe ich davon profitiert und bin sehr, sehr froh darüber, dass Pocken da ausgerottet wurden durch Unterstützung von WHO. O-Ton 18 Frage: Man könnte also sagen, dass die WHO Ihnen womöglich das Leben gerettet hat? O-Ton 19 (Karamba Diaby) Genau, das kann man sagen! Nicht nur mir, sondern von Tausende jüngeren Menschen aus Afrika, aus Westafrika, zum Beispiel, ich habe immer noch eine Narbe hier, die viel Positives ist, das war diese Pockenimpfung, Impfaktion, seit Kindheit. Und diese Narbe sage ich meinen Kindern immer, sage ich, diese Narbe das ihr seht, da ist die Impfaktion, die wir als Kind hatten. Und das ist WHO-Narbe. Und das ist etwas Positives für mich. Erzählerin Die WHO ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen. Zurzeit gehören ihr 194 Nationen an. Ihre Aufgabe ist es, für alle wichtigen weltweiten Gesundheitsfragen laufend aktualisierte Empfehlungen zu geben und Wissen zu bündeln. Das Vertrauen in ihre Wissensautorität ist ihr wichtigstes Kapital. Erzähler Eine der Kernaufgaben der WHO besteht darin, die Welt vor Epidemien und Pandemien zu warnen. Dabei funktioniert die WHO wie eine Art Wetterstation. Braut sich ein Sturm zusammen, ist es ihre Aufgabe, sofort Alarm zu schlagen. Informationen bereitzustellen. Empfehlungen zu geben. Erzählerin Ein wiederkehrendes Dilemma der WHO dabei ist: Warnt sie zu früh? Warnt sie zu spät? Eine zu frühe Warnung kann eine Menge Geld kosten. Eine verspätete Warnung viele Menschenleben. Erzähler Anfang 2014 bricht in den westafrikanischen Ländern Guinea, Liberia und Sierra Leone die Ebola-Seuche aus. Die Sterberate liegt bei bis zu 90 Prozent. Doch in den ersten Monaten der Pandemie wartet man vergeblich auf ein deutliches Zeichen der WHO. O-Ton 20 (Tankred Stöbe) Die Rolle der WHO anerkennen, als globales Warninstrument, also einen globalen Notstand oder nationalen Notstand oder auch eine Pandemie auszurufen, das ist die Rolle der Weltgesundheitsorganisation. Und dann aber zu sehen, dass NICHTS passiert, sodass wir [...] am 20sten Juni gesagt haben: "Ebola ist in Westafrika außer Kontrolle" und dann von der WHO uns vorwerfen lassen mussten, wir würden Alarmismus betreiben, nur viele Wochen später dann die WHO zur gleichen Einschätzung kommt. Das war schon für uns sehr irritierend, weil wir den Eindruck hatten, hier werden Rollen vertauscht. Erzählerin Tankred Stöbe. Unser Gespräch findet in Berlin statt. Café. Außenbereich. Es regnet. Der Internist und Rettungsmediziner gehört der internationalen Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" an. Sie waren die ersten ausländischen Rettungskräfte, die im Frühjahr 2014 in Westafrika eintrafen und völlig auf sich allein gestellt versuchen mussten, möglichst viele Ebola-Kranke zu retten. O-Ton 21 (Tankred Stöbe) Wir hatten manchmal nur eine halbe Stunde in 24-Stunden, konnten wir die Türen unserer Kliniken öffnen und dann auch nur die Betten wieder mit neuen Ebola-Patienten belegen, wo sie in der Nacht gestorben sind, zuvor. Also, es war wirklich, die Menschen sind sehr klar, Ebola schwerstkrank vor unseren Klinik Türen gestorben. Erzähler Die WHO brauchte bis August, bis sie die Situation in Westafrika endlich zum Gesundheitsnotstand von internationaler Tragweite erklärte. Über 11.000 Menschen in Westafrika fielen der Ebolaseuche in dieser Zeit zum Opfer. O-Ton 22 (Tankred Stöbe) Und (...) viele dieser Tode hätten verhindert werden können, wenn die Weltgemeinschaft, aber auch die Weltgesundheitsorganisation, früher eingegriffen hätten. [...] Der Alarm kommt zuerst. [...] spätestens dann müssten, müssten Aktionen, Hilfsmaßnahmen folgen aber natürlich, wenn das eine ausbleibt. Da haben sich dann natürlich auch viele Länder darauf berufen. Ja, wenn die WHO hier nicht Alarm schlägt wieso, sollen wir aktiv werden? Erzählerin Die WHO war offensichtlich selbst schockiert durch ihr Versagen in Westafrika und gab eine Untersuchung in Auftrag. O-Ton 23 ( Tankred Stöbe) Und was wir wissen, ist, dass die WHO das auch in eine schwere Krise gestürzt hat und zu zu einer fulminanten, ja, Reflektion über die eigenen Strukturen und über die eigene Reaktionsfähigkeit geführt hat. Erzähler Während die WHO im Fall der Ebola-Pandemie Monate wartete, bevor sie den internationalen Gesundheitsnotstand ausrief, hatte sie fünf Jahre zuvor - im Fall der sogenannten "Schweinegrippe" - zu früh Alarm geschlagen. Denn die Schweinegrippe erwies sich als weitaus weniger gefährlich, als prophezeit worden war. Um die Erkrankten behandeln zu können, hatten sich viele Länder auf ausdrückliche Empfehlung der WHO jedoch bereits mit dem Medikament Tamiflu eingedeckt. Ein Medikament das, wie man heute weiß, wahrscheinlich kaum geholfen hätte. O-Ton 24 (Schaaber) Staaten haben für viele Milliarden Euro dieses Medikament gebunkert, das dann auch überhaupt nicht zum Einsatz kam, weil die Grippe so leicht verlief. Und inzwischen sind diese Vorräte abgelaufen und werden weggeworfen. Erzähler Jörg Schaaber. Seit Jahrzehnten beobachtet der Soziologe und Gesundheitswissenschaftler mit seinen Kollegen der NGO "BuKo-Pharmakampagne" die Praktiken der Pharmaindustrie. O-Ton 25 (Schaaber) Das wäre alles nicht nötig gewesen und war eine große Geldverschwendung. Und im britischen Parlament hat seinerzeit ein Abgeordneter gesagt: da hatte England einen ungewöhnlich harten Winter, und es gab viel Glatteis. Da sind die Briten nicht so darauf eingestellt. Man könnte jetzt ja diese Kapseln nehmen und da wenigstens mit die Straßen streuen, da hätten sie noch eine sinnvolle Verwendung Erzählerin Dass die Schweinegrippe letztlich relativ harmlos blieb, ändert allerdings nichts daran, dass die Empfehlung eines vermeintlich hilfreichen Medikaments durch die WHO durchaus vernünftig war. Überhaupt ist es immer wieder dasselbe: Warnt die WHO zu früh, wird sie kritisiert. Warnt sie zu spät, wird an ihrem Existenzrecht gezweifelt. Warnt sie rechtzeitig und kann so eine Katastrophe verhindern, behauptet man, es sei falscher Alarm gewesen. In der Kritik steht die WHO fast immer. Erzähler Denn bei jedem neuen Virus stellt sich zuerst die Frage: Wie gefährlich ist das Virus und wie hoch ist die Ansteckungsgefahr? Bei unbekannten Viren ist diese Frage mitunter erst sehr spät zu beantworten. Archiv O-Ton 26 (Trump) We will be today terminating our relationship to the WHO. Erzähler Auch im Fall der Covid-19 Pandemie ist die WHO ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Der Chor der Kritiker wird angeführt von Donald Trump. Erzählerin Der US-Präsident wirft der WHO vor, auf Druck Chinas hin zu spät vor der Gefahr einer Pandemie gewarnt zu haben. Und verkündet am 29. Mai 2020, dass die USA, der wichtigste staatliche Beitragszahler, die WHO verlassen werde. Archiv O-Ton 28 (Trump, PK) Chinese cover-up allowed the disease to spread all over the world, instigating a global pandemic which has cost over 100.000 American lives and over a million lives worldwide. Chinese officials ignored their reporting obligations to the WHO and pressured the WHO to mislead the world when the virus was first discovered by Chinese authorities. (...) China has total control over the WHO.... Übersetzer Die Vertuschung der Chinesen hat dazu geführt, dass sich das Virus über die ganze Welt verbreiten konnte. Eine Pandemie, die bis Anfang September 2020 schon mehr als 100.000 Amerikanern das Leben gekostet hat und beinahe eine Millionen Leben weltweit. Die chinesischen Behörden haben ihre Pflicht, an die WHO Meldung zu erstatten, missachtet. Und haben die WHO dahingehend unter Druck gesetzt die Welt in die Irre zu führen, als das Virus von den chinesischen Behörden entdeckt wurde. China hat totale Kontrolle über die WHO Erzählerin Ein offensichtliches Manöver Trumps, um von seiner katastrophalen Politik abzulenken. Gleichwohl beschließen die Mitgliedsländer der WHO auf ihrer Sitzung Mitte Mai, das Vorgehen der WHO zu Beginn der Krise untersuchen zu lassen. Hätte die WHO tatsächlich früher, besser, schneller reagieren können? Erzähler Werfen wir einen Blick zurück. Am 3. Januar 2020 informiert China die WHO erstmals über den Ausbruch einer unbekannten Lungenkrankheit in Wuhan. Erzählerin Die Internationalen Gesundheitsvorschriften der WHO sind sehr deutlich: Innerhalb von 24 Stunden muss ein Seuchenausbruch an die WHO gemeldet werden. Erzähler Tatsächlich häufen sich Indizien dafür, dass China zumindest auf regionaler Ebene lange versuchte, den Ausbruch der Seuche zu vertuschen. Spätestens Mitte November sollen die ersten Infektionen mit dem Virus in Wuhan festgestellt worden sein. Erzählerin Was sagt die WHO dazu? Der Kabinettschef, Bernhard Schwartländer. O-Ton 29 (Schwartländer) Wir können natürlich nur über die Informationen reden, die uns zur Verfügung stehen. Und wir haben keinen Grund anzunehmen, dass uns hier Informationen verschwiegen wurden. Aber das ist eine Sache, die in so einem after action review auch sich angeschaut werden muss. Es heißt, wenn wir dann eine Evaluierung am Ende eines solchen massiven Geschehens machen, werden wir natürlich auch danach schauen, ob vielleicht tatsächlich da was anderes vorlag und dann werden wir auch davon lernen müssen. Erzähler Jedoch: Es wäre nicht das erste Mal, dass Peking versucht, einen Seuchenausbruch zu vertuschen. Erzählerin Ende 2002 erfährt die WHO aus inoffiziellen Quellen von einer gefährlichen Lungeninfektion, die in einer chinesischen Provinz ausgebrochen ist. Die chinesischen Behörden wiegeln ab: Es handele sich um eine Art Grippe. Erzähler Tatsächlich sterben die Menschen an einem Corona-Virus, das die SARS Krankheit auslöst. Und es kommt zu immer mehr Infektionen. Erzählerin Die Generaldirektorin der WHO ist zu dieser Zeit Gro Harlem Brundtland. Die Sozialdemokratin und frühere norwegische Regierungschefin hat Erfahrung auf der internationalen politischen Bühne. Und sie ist bekannt dafür, dass sie ganz undiplomatisch Klartext redet. Angesichts der fortdauernden chinesischen Vertuschungsversuche geht Brundtland nun in die Offensive: Sie fordert China öffentlich auf, bei der Bekämpfung von SARS endlich mit der WHO zu kooperieren. O-Ton 30 (Kreuder-Sonnen) In der SARS Krise unter der Führung von der damaligen Generaldirektorin Gro Harlem Brundtland, ist die WHO dann sagen wir mal etwas außerhalb ihres Mandats zwar, aber dennoch politisch sehr stark aufgetreten und hat eben damals sich sehr stark gegenüber China positioniert, auch China konfrontativ angegangen, weil damals ja eben die so eine Unterdrückungskampagne der Informationen stattgefunden hat. Erzähler Professor Christian Kreuder-Sonnen. Der junge Politologe ist Experte für Fragen der internationalen Beziehungen und UN-Organisationen. O-Ton 31 (Kreuder Sonnen) Und die WHO hat sich dem nicht untergeordnet und dann auch Reisewarnungen ausgesprochen. Letztlich eine Maßnahme, die der WHO so gar nicht ihren rechtlichen Repertoire-Zustand hat, es hat aber relativ gut funktioniert. Erzähler Brundtland hatte es damals zwar noch nicht mit der heutigen Weltmacht China zu tun. Doch ihr selbstbewusstes Auftreten gegenüber China trug wesentlich dazu bei, dass der Welt eine schlimmere Katastrophe erspart blieb. Erzählerin Immerhin breitete sich die SARS Krankheit in 25 Ländern aus. Besonders betroffen waren Nachbarländer Chinas wie die Republik Taiwan. O-Ton 32 (Shieh) Die bitteren Erfahrungen, die wir Taiwaner im Jahre 2003 bzw. Ende 2002 bis 2003 bei diesen SARS haben machen müssen, hat uns sozusagen nach dem deutschen Sprichwort Redewendung gebranntes Kind scheut das Feuer. Wir wurden damals sozusagen Überfallen über Nacht völlig unvorbereitet. Erzählerin 27: Professor Dr. Jhy-Wey Shieh. Er ist der Repräsentant Taiwans in Berlin. Da Taiwan auf chinesischen Druck hin weder von Deutschland noch den Vereinten Nationen als eigener Staat anerkannt ist, trägt Professor Shieh nicht den offiziellen Titel eines Botschafters. O-Ton 33 (Shieh) Ich sage immer zum Scherz, ich nenne mich Bootschafter, aber mit zwei O, BOOT. Wir sind alle in einem Boot. Ich bin ein Bootschafter und warte darauf, dass wir ins Boot geholt werden. Erzählerin Auch ins Boot der WHO, denn wegen der aggressiven Ein-China-Politik Pekings durfte Taiwan nach 2016 nicht mehr als Beobachter an den Sitzungen der Weltgesundheitsversammlung teilnehmen. Erzähler Ausgerechnet das aus der WHO ausgestoßene Taiwan hat als erster Staat außerhalb Chinas Schutzmaßnahmen gegen das neue Corona-Virus ergriffen. O-Ton 34 (Shieh) Ende des Jahres 2019, zwischen November und Dezember, da da haben wir schon mitgekriegt, dass da irgendwas nicht stimmt. Denn es leben ja arbeiten mehr als eine Million Taiwaner ständig in China. Erzähler Nach den bitteren Erfahrungen mit SARS hat der demokratische Inselstaat ein sehr effektives Frühwarnsystem gegen Seuchenausbrüche aufgebaut. Erzählerin Ende Dezember stoßen Mitarbeiter des taiwanischen Seuchenbekämpfungszentrums im Internet auf eine Warnung des Augenarztes Li Wenliang. Erzähler Der Arzt aus Wuhan meldet Kollegen, dass in sein Krankenhaus Patienten mit einer unbekannten Lungenkrankheit eingeliefert wurden. Er stellt Dokumente ins Netz, die den Verdacht verstärken, dass das neue Virus ein Corona-Virus ist. Mit Konsequenzen: Li Wenliang wird von den chinesischen Behörden gezwungen, seine Warnung zu widerrufen. O-Ton 35 (Shieh) Dann ist er leider auch infiziert und starb am 7. Februar, also zwei Monate später, starbte er. Man hätte ihm eine Schutzmaske geben müssen, und was hat man ihm gegeben? Man hat ihm einen Maulkorb gegeben. [...] Erzählerin Bereits am 31. Dezember handelt Taiwan. Am internationalen Flughafen von Taipeh werden alle Passagiere aus China auf Symptome hin überprüft. Erzähler Am selben Tag berichtet bereits die internationale Presse unter Berufung auf die Behörden von Wuhan von dem neuen Virus. Noch bevor weder aus Peking noch seitens der WHO eine Meldung erfolgt ist, fragt die Deutsche Welle rundheraus: Zitator "Droht eine neue Pandemie?" Erzähler Auch Professor Florian Krammer, Virologe am berühmten Mount Sinai Hospital in New York, erfährt noch am selben Tag vom Seuchenausbruch in Wuhan. O-Ton 36 (Florian Krammer) Ich war am 31. Dezember auf einer Neujahrs- oder Silvesterfeier. Und ich habe da mit Jemandem über Pandemien diskutiert, und gemeint, ja, da passiert gerade was in China. Da muss man jetzt aufpassen. Erzählerin Am 5. Januar berichtet die WHO erstmals in einer Pressemitteilung von dem Ausbruch in Wuhan. Die WHO gibt bekannt, dass - nach chinesischen Angaben - bislang noch keine "signifikante Übertragung von Mensch zu Mensch" belegt sei. Erzähler Trotz 44 bereits bekannter Infektionsfälle. O-Ton 37 (Florian Krammer) Das Problem mit der WHO ist, dass sie keine falschen Aussagen treffen wollen. Und das ist gut so. Die sind halt immer sehr zögerlich. [...] Wenn die zum Beispiel sagen, sie haben keine konkreten Hinweise darauf, dass sich das Virus leicht von Mensch zu Mensch übertragen lässt, dann heißt das: Sie haben keine Daten, die ihnen das zeigen würden. Sie können es aber auch nicht ausschließen. Und ich finde die Kommunikation manchmal schwierig, weil die Presse das natürlich ganz anders versteht und sagt: "Naja, da passiert nichts." Erzählerin Hätte die WHO nicht schon zu diesem Zeitpunkt lauter und deutlicher warnen müssen? So deutlich, dass es auch Politiker verstehen? Bernhard Schwartländer: O-Ton 38 (Schwartländer) Ich denke, man muss aber hier auch sehr, sehr vorsichtig sein, ich selbst war ja auch mal Abteilungsleiter im Robert-Koch-Institut in Deutschland, wo ich meine Karriere begonnen habe und war da in der Situation, wo man aufgrund weniger Daten sehr weniger Fälle eine Entscheidung treffen musste, ist das was, was sich sehr schnell weiter ausbreiten kann oder sind das Einzelfälle, die auch wieder verschwinden? Am Anfang, in China, das war ein völlig neues Virus. Man kannte das noch nicht, man wusste nicht, wie es sich verhält, war diese Entscheidung natürlich nicht ganz einfach. Hätte man früher reagieren können? Sicherlich, im Nachhinein ist man immer schlauer. Erzähler Wenige Tage später, am 10. Januar, veröffentlicht Peking die genetische Sequenz des neuen Corona-Virus. O-Ton 39 (Florian Krammer) In dem Moment hat glaube ich jeder, der irgendwas von Virologie versteht, gewusst, dass das ernst zu nehmen ist. Und dass wir da ein Problem kriegen können. Also ich meine, das Ding schaut aus wie SARS. Es verhält sich wie SARS...und ich glaube SARS ist das Paradebeispiel für ein Virus, das wirklich große Probleme in der Vergangenheit bereitet hat. Das ist der Albtraum eines jeden Virologen. [...] Und was bei mir erst so die Panik ausgelöst hat, ist: Man sitzt da in New York. Man weiß, in China ist die Situation komplett außer Kontrolle. Es ist einem bewusst, dass das Virus auch nach New York oder nach Europa kommen wird - und keiner macht was. Und ich glaube, das hat bei mir Panik ausgelöst. Erzählerin Dass ein Albtraum droht, davon ist auch auf einer Pressekonferenz der WHO am 14. Januar noch nichts zu spüren. Immerhin wird erstmals die Möglichkeit einer "signifikanten Ansteckungsgefahr" eingeräumt. Aber es dauert noch sechs weitere Tage, bis China endlich die hohe Infektionsgefahr bestätigt. Erzähler Am 22. Januar 2020 beruft der WHO-Generaldirektor Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus ein Notfallkomitee ein. Die in das Komitee berufenen Experten sollen eine Empfehlung zu der Frage abgeben, ob die höchste Warnstufe der WHO - der Internationale Gesundheitsnotstand - ausgerufen werden soll. Aber auch nach zwei Tagen Beratung können sich die Experten auf keine eindeutige Empfehlung einigen. Erzählerin Und Tedros? Er könnte jetzt trotzdem den Notstand ausrufen. Aber er zögert noch. Am 23. Januar erklärt er: Archiv O-Ton 40 (Tedros) This is though an emergency in China. But is not yet a global health emergency. But it may become one. Übersetzer Dies ist ein Notstand in China. Aber es ist noch kein globaler Gesundheitsnotstand. Allerdings könnte es einer werden. Erzählerin 35 Am 28. Januar fliegt Tedros nach China. Wohl auch um Xi Jining darum zu bitten, mehr WHO-Experten ins Land zu lassen. Erzähler 15: Nach seiner Rückkehr aus China handelt Tedros sofort: Er ruft den Internationalen Gesundheitsnotstand aus. Archiv O-Ton 41 (Tedros) I'm declaring a public health emergency of international concern over the outbreak of novel coronavirus Erzähler Donald Trump und seine Anhänger werfen Tedros vor, er habe die Reise nach China unternehmen müssen, um sich grünes Licht für die Ausrufung des Notstands geben zu lassen. O-Ton 42 (Kickbusch) Ich glaube nicht, dass sie nötig war um den Notstand auszurufen (...) Es ist sicherlich eine diplomatische Handlung nochmal vor Ort mit allen Verantwortlichen zu sprechen und dann eine so gewichtige Entscheidung zu treffen. Also die Erlaubnis muss man sich nicht in China abholen. Erzählerin Die Global Health Expertin Dr. Ilona Kickbusch. Eine langjährige hochrangige Beraterin der WHO. 2017 gehörte Ilona Kickbusch zu den Organisatoren einer Pandemiesimulation, die sie für die G-20 Gesundheitsminister in Berlin durchführte. O-Ton 43 (Kickbusch) Es ist relativ lächerlich, wenn Sie mich fragen, wenn sich Herr Trump wegen einer Woche aufregt. Ob dieser Notstand eine Woche vorher oder später ausgerufen worden wäre, die USA hat trotzdem nicht entsprechend gehandelt. Archiv O-Ton 44 (Trump) It will disappear... Erzähler Obwohl der Internationale Gesundheitsnotstand die höchste Warnstufe der WHO darstellt, scheint man sich in den meisten Regierungen der WHO-Mitgliedsstaaten noch nicht darüber klar zu sein, wie unmittelbar alle Länder von der Gefahr einer Pandemie betroffen sind O-Ton 45 (Kickbusch) Ich meine, alles ruft nach dieser Evaluation der Arbeit der Weltgesundheitsorganisation. Aber inzwischen sind wir ja wirklich In einer Situation, dass wir vergleichen können: Wie haben Länder gehandelt seit Ende Januar, als die WHO den internationalen Gesundheitsnotstand ausgerufen hat? Erzähler 29 Noch am 24. Februar feiert man in Deutschland unbekümmert den Rosenmontag. Zitator 5 Heine Desselben Abends waren die Redouten besuchter als jemals; übermütiges Gelächter überjauchzte fast die lauteste Musik, man erhitzte sich beim Chahût, einem nicht sehr zweideutigen Tanze, man schluckte dabei allerlei Eis und sonstig kaltes Getrinke: als plötzlich der lustigste der Arlequine eine allzu große Kühle in den Beinen verspürte und die Maske abnahm und zu aller Welt Verwunderung ein veilchenblaues Gesicht zum Vorschein kam. Man merkte bald, dass solches kein Spaß sei, und das Gelächter verstummte, und mehrere Wagen voll Menschen fuhr man von der Redoute gleich nach dem Hôtel-Dieu, dem Zentralhospitale, wo sie, in ihren abenteuerlichen Maskenkleidern anlangend, gleich verschieden. O-Ton 46 (Kickbusch) Eine Kollegin, Helen Branswell, die sehr gut über covid-19 schreibt, überhaupt eine der besten Wissenschaftsjournalistinnen, die hat vom magischen Denken geschrieben, dass man gemeint hat: Das geht an uns vorüber. Uns wird das nicht treffen, und es lässt sich auch sozusagen rational, wirklich nur sehr schwer erklären. Erzähler Ausgerechnet Trump, der Chefankläger gegen die WHO, ignoriert die offensichtliche Gefahr und schaut tatenlos zu, wie sein Land Schauplatz einer humanitären Katastrophe wird. Erzähler Da viele Länder die Gefahr des Virus immer noch nicht ernst zu nehmen scheinen, erklärt Tedros am 11. März den Ausbruch von Covid-19 zur Pandemie. Archiv O-Ton 47 (Tedros) WHO has been assessing this outbreak around the clock and were deeply concerned both by the alarming levels of spread and severity and by the alarming levels of inaction. We have therefore made the assessment that COVID 19 can be characterized as a pandemic. Übersetzer Die WHO hat den Ausbruch rund um die Uhr beobachtet und ist sehr beunruhigt: Sowohl von der alarmierenden Verbreitung und Gefährlichkeit des Virus als auch von der alarmierenden Untätigkeit. Wir sind deswegen zu dem Schluss gekommen, das Covid-19 als PANDEMIE charakterisiert werden kann. Erzählerin Die Pandemie-Erklärung ist keine offizielle Warnstufe der WHO. Sie hat einzig und allein psychologische Bedeutung. Erzähler Das Schreckenswort "Pandemie", verbunden mit rasant ansteigenden Fallzahlen, lassen jetzt endlich viele Entscheidungsträger aufhorchen. Doch für unzählige Menschen kommt diese Einsicht ihrer politischen Führer zu spät. Die beste Wetterstation hilft nichts, wenn die Verantwortlichen die Sturmwarnung zu lange ignorieren. Erzählerin Am 18. Mai tritt das Parlament der WHO, die "Weltgesundheitsversammlung" zusammen. Aufgrund der Infektionsgefahr nehmen die meisten Delegierten nur virtuell an der jährlichen Sitzung der WHO teil. Jetzt, da die Amerikaner ihr Ausscheiden aus der WHO beschlossen haben, drängt sich China in das machtpolitische Vakuum. Dem chinesischen Staatspräsident Xi Jinping wird die Ehre gewährt, die Versammlung zu eröffnen. Erzählerin: Taiwans Mann in Berlin, Professor Shieh: O-Ton 48 (Shieh) Als im Mai dieses virtuelle Meeting abgehalten wurde, wer war der erste Staatsmann, der da eine Rede hält? Xi Jinping! Würde das in China stattfinden wäre es OK! ...Und der trat also auf OHNE, also, OHNE ein bisschen Schuldgefühl! Hat er sozusagen, hat er sich so prahlerisch gezeigt, [...] er rühmt sich dessen, dass China so ein gutes Beispiel gezeigt hat und mit solchem Erfolg das Virus eingedämmt und bekämpft hat. ...Milliarden Geld hat er noch gespendet! Das ist, das war die Höhe. Erzähler Für Professor Christian Kreuder-Sonnen kommt Chinas Drängen in die erste Reihe nicht überraschend. O-Ton 49 (Kreuder-Sonnen) China ist heute eine globale Ordnungsmacht und versucht es in sich, versucht diese Macht auch in internationale Institutionen zu tragen. In der WHO ist mir das erstmals klar geworden bei der starken chinesischen Mitwirkung sag ich mal, bei der Besetzung des Generaldirektors Posten, jetzt mit Dr. Tedros bei der Wahl 2017, wo es eben Berichte gab, dass China sich sehr stark auch hinter den Kulissen dafür eingesetzt hat, dass dieser Kandidat gewählt wird. Erzählerin Dass der Eindruck überhaupt entstehen konnte, Tedros wäre ein "Mann Chinas", hat sicher auch damit zu tun, dass Tedros das Krisenmanagement Pekings mehrfach in überschwänglichen Worten lobte. So erklärt er am 29. Januar: Archiv O-Ton 50 (Tedros) China's efforts to contain the outbreak at the epicentre have been essential for preventing the further spread of the virus. China identified the pathogen in record time and shared it immediately, which led to the rapid development of diagnostic tools. They are completely committed to transparency both internally and externally and they have agreed to work with other countries who need their support. Übersetzer Chinas Bemühungen, den Ausbruch auf das Epizentrum zu begrenzen, waren entscheidend, um eine weitere Verbreitung des Virus zu verhindern. China hat das Virus in Rekordzeit entschlüsselt und seine Erkenntnisse darüber sofort verfügbar gemacht, was dazu geführt hat, dass Mittel zur Diagnose schnell entwickelt werden konnten. Die Chinesen handeln transparent - nach innen wie nach außen. Und sie sind bereit, anderen Ländern zu helfen, die ihre Unterstützung brauchen. Erzähler: Doch ist Tedros tatsächlich nur mit Chinas Hilfe auf den Posten des WHO-Generaldirektors gekommen? O-Ton 51 (Kickbusch) Die Weltgesundheitsorganisation hatte in ihren 75 Jahren noch nie einen Generaldirektor von Afrika. Es hat über die Jahre immer wieder neue Kampagnen gegeben, einen Afrikaner zu finden, der auch Mehrheiten finden kann. Und die Afrikanische Union hat dann Dr. Tedros aufgestellt und sich auch unheimlich eingesetzt, sowohl in Genf als auch international, dass dieser Kandidat gewählt wird. [...]China hat eine Stimme von 184 Stimmen und wenn man sich den ganzen Wahlvorgang anschaut, dann ist ganz deutlich, dass eben die afrikanischen Botschafter weltweit sich ganz signifikant eingesetzt haben für diesen Kandidaten. Unterstützt von den Ländern aus der Karibik, aus dem Pazifik, da kommen ja ziemlich viele Stimmen zusammen. [...] Und dann auch Unterstützung von einigen Ländern des globalen Nordens, Stichwort, Norwegen, hat sich sehr stark für Tedros eingesetzt, wie auch Kanada. Erzähler Die WHO funktioniert nicht nur als Wetterstation. Ist der Sturm einmal da, versucht die WHO die Auswirkungen der Katastrophe einzudämmen und die Gefahr künftiger Unwetter zu verringern. So will die WHO bei der Erforschung, Herstellung und Verteilung von Medikamenten und Impfstoffen gegen Covid19 eine wichtige regulierende Rolle spielen. Erzählerin Aber was kann die WHO in dieser Hinsicht konkret tun? Bernhard Schwartländer, der Kabinettschef der WHO. O-Ton 52 (Schwartländer) Der Impfstoff - [...] wir haben keinen Laboratorien. Wir sind keine Pharmaindustrie, wir tuen natürlich nicht Impfstoffe selber entwickeln, auch keine Medikamente selber entwickeln. Aber was wir machen können, ist, die Qualität und die Zeit dieser Arbeit erheblich positiv zu beeinflussen. Da sind eine Reihe von Dingen, wo wir eben praktisch Unterstützung leisten können. Ganz wichtig zum Beispiel ist von Anfang an, wir nennen das die Beschreibung eines Produkt-Profils, das heißt eine wissenschaftliche Darstellung wie eigentlich ein Medikament oder ein Lebensstoff, welche Kriterien der erfüllen sollte. (...) Das hilft der Pharmaindustrie, hier von Anfang an die richtigen Produkte zu entwickeln. Archiv O-Ton 53 (Tedros) Your Excellencies, Good Morning, Good Afternoon & Good Evening! The Covid 19 pandemic is an unprecedented global crisis that has been met with unprecedented global response. (steht unübersetzt) Erzähler Am 24. April stellt der Generaldirektor der WHO eine innovative globale Initiative vor, in deren Rahmen sie den Kampf gegen das Corona-Virus weltweit koordinieren will Archiv O-Ton 54 (Tedros) We are coordinating a global trial on the safety and efficency of therapeutics against Covid-19. The World needs these tools and it needs them fast. Past Experience has told us that even when tools are available they have been not been available to all. We can not allow that to happen. Today WHO is proud to be uniting with many partners to launch the access to Covid-19 tools Accelerator or the ACT Accelerator. This is a landmark collaboration to accelerate the development, production and aquitable distribution of vaccines, diagnostics and therapeutics of Covid-19. Übersetzer Wir koordinieren eine globale Forschungsstudie zur Sicherheit und Effizienz von Medikamenten gegen Covid 19. Die Welt braucht Therapeutika und sie braucht sie schnell. Die Erfahrungen der Vergangenheit haben uns gezeigt, dass selbst wenn solche Therapeutika existieren, sie längst nicht allen zur Verfügung stehen. Das dürfen wir nicht zulassen. Die WHO ist stolz, dass sie heute zusammen mit vielen anderen Partnern den sogenannten Covid-19 ACT startet. Dies ist eine bahnbrechende Zusammenarbeit um die Entwicklung, Produktion und Verteilung von Impfstoffen, Tests und Therapeutika gegen Covid 19 zu beschleunigen. O-Ton 55 (Schwartländer) Wir müssen praktisch hohe Quantitäten in sehr kurzer Zeit erreichen, um hier die Welt eigentlich die Menschen der Welt überall impfen zu können. (...) Erzählerin Dr. Bernhard Schwartländer, der Kabinettschef der WHO. O-Ton 56 (Schwartländer) Was wir hier vorgeschlagen haben, ist eine Zusammenarbeit, die praktisch vom ersten Tag an sagt: Das sind die Produkte, die wir brauchen. Und das ist genau die Produktbeschreibung. Entwickelt bitte Produkte, die eben so aussehen, zum Zweiten, dass wir vom ersten Tag an auch schon überlegen müssen: okay, wo können diese Produkte, wenn wir sie mal haben, eben auch produziert werden? (...) Das muss alles vorbereitet sein. Das bedarf natürlich einigen Mutes und auch einiger Ressourcen, weil wir natürlich zum Zeitpunkt eins am ersten Tag natürlich nicht wissen, welches Medikament welcher Impfstoff genau wirklich erfolgreich sein wird. Das heißt, ich muss hier parallel arbeiten. Wir müssen das Risiko eingehen, dass wir sagen gut, wir haben jetzt hier einen Impfstoff oder elf Impfstoffe, wie in diesem Fall ist wissen nicht, welche Wirkung. Wir müssen jetzt praktisch für alle so tun, als würden die wirken. Und wenn dann einer oder zwei der drei von denen wirken, könnte man die sofort in großen Mengen produzieren. Erzähler Nur unter der Führung der WHO kann eine derartige internationale Zusammenarbeit gelingen, bei der alle Partner gleichberechtigt sind und politische Interessen so wenig wie möglich eine Rolle spielen. Bereits im März startete die WHO die so genannte "Solidarity Studie". Hier werden zeitgleich in mehreren Ländern bereits existierende Medikamente auf ihre mögliche Wirksamkeit gegen Covid-19 untersucht. O-Ton 57 (Schaaber) Die Solidarity Studie ist erst mal eine tolle Sache. Weil am schnellsten kommt man natürlich zu Erkenntnissen, wenn man weltweit zentral testet: Was wirkt überhaupt? Und bei Solidarity geht es ja um Medikamente, ob die bei der Behandlung von Covid Erkrankten helfen können. Erzähler Der Soziologe Jörg Schaaber ist auch Patientenvertreter im Gemeinsamen Bundesausschuss, in dem darüber entschieden wird, welche Medikamente von Krankenkassen bezahlt werden. Einen besonders kritischen Blick wirft er auf die Medikamentenstudien der Pharmaindustrie. O-Ton 58 (Schaaber) Und das finde ich einen enormen Fortschritt, dass das unter der Ägide der Weltgesundheitsorganisation passiert, weil das natürlich viel schneller geht. Das setzt einheitliche Standards für die Studie. Das heißt, man kann relativ sicher sein, dass die Studie wissenschaftlich sauber durchgeführt wird und dass die Ergebnisse auch zeitnah veröffentlicht werden. Weil, das ist ja auch ein großes Problem, wenn Pharmafirmen Studien durchführen. Dort dauert oft lange, bis die Ergebnisse an die Öffentlichkeit dringen und häufig genug dringen sie niemals vollständig an die Öffentlichkeit, vor allen Dingen, wenn sie für den Umsatz der Firma nicht so vorteilhaft wären. Erzählerin Doch was geschieht, wenn sich ein bereits existierendes Medikament im Rahmen unabhängiger Studien als relativ wirksam erweist? Erzähler Im Rahmen der "Solidarity-Studie" fand man heraus, dass das ursprünglich für die Ebola-Behandlung entwickelte Medikament "Remdesivir" die Symptome von Covid-19 in bestimmten Fällen abmildern kann. Nachdem dies dank der WHO-Studie bekannt wurde, schlugen die USA sofort zu und sicherten sich auf Monate fast alle verfügbaren Vorräte. - America First? Erzählerin Die Global-Health Expertin Ilona Kickbusch O-Ton 59 (Kickbusch) Wenn ich als USA zum einen aus der WHO aussteige, die ja wirklich auch Symbol für Solidarität und Zusammenarbeit ist und zum anderen dann also auch wirklich ganz nationalistisch handle und unter einem Medikament sozusagen in "bulg" aufkaufen, damit es ja niemand anderes bekommen kann, dann wird einem wirklich angst und bange. Erzählerin Die Pharmaindustrie befindet sich dank Covid-19 in Goldgräberstimmung. Die zu erwartenden Profite scheinen jeden bislang gekannten Rahmen zu sprengen. Doch werden, sobald ein Impfstoff oder Medikament gefunden ist, nicht wieder nationale Egoismen die Oberhand gewinnen? Erzähler Wir treffen die Wirtschaftsjournalistin Ulrike Herrmann in Berlin. Im neuen Redaktionsgebäude der TAZ auf der Friedrichstraße. O-Ton 60 (Ulrike Herrmann) Also was auf jeden Fall sein wird, ist, dass alle reichen Länder versuchen werden, sich Impfstoffe zu sichern. Es sind ja auch schon Verträge abgeschlossen worden mit Firmen, obwohl es noch gar keinen Impfstoff gibt, sozusagen als Option. Das hatte man ja auch schon gesehen, als es um Schutzanzüge um die Masken ging. Als die knapp waren im Frühjahr, dass dann die einzelnen Länder sich gegenseitig ausgestochen haben, dass dann plötzlich Masken für Europa auf dem Weg in die USA waren und ähnliche Scherze. Und das wird man natürlich wieder erleben, dass, solange der Impfstoff knapp ist werden die reichen Länder darum konkurrieren. Erzählerin Die Suche nach einem Impfstoff wird zu einem inoffiziellen Wettrennen zwischen den USA und China. O-Ton 61 (Kickbusch) Das Ziel Chinas ist natürlich wirklich das erste Land zu sein, das einen sicheren Impfstoff entwickelt. Und dieser Impfstoff wird dann natürlich eine ganz gewaltige geopolitische Bedeutung haben. Wo dann China bestimmen wird, inwieweit es diesen Impfstoff zur Verfügung stellt Erzähler Das Ziel der WHO ist es, nationale Alleingänge zu verhindern. Auch Bundeskanzlerin Merkel hat auf der Weltgesundheitskonferenz im Mai 2020 gefordert: O-Ton 62 (Merkel) Am dringendsten ist es jetzt, die Corona-Virus-Pandemie einzudämmen. Hierfür bedarf es weltweit geeigneter Therapeutika und Diagnostika. Außerdem gilt es einen Impfstoff zu entwickeln, der natürlich für alle zugänglich und bezahlbar sein muss. Erzählerin Ein frommer Wunsch? O-Ton 63 (Schaaber) Die Lobbyisten der Industrie sind sicherlich sehr aktiv, und ich kann mich noch erinnern, nachdem Frau Merkel gesagt hat, der Impfstoff muss ein öffentliches Gut sein, das hat sie ja bei der virtuellen Weltgesundheitsversammlung so explizit gesagt. Da hat es eine sehr heftige Reaktion des deutschen Pharmaverbandes gegeben, der das überhaupt nicht gutgeheißen hat und hat gesagt nein, es müsse andere Lösungen geben. Und ich glaube, dass das aus Sicht der Pharmaindustrie bedrohliche ist, dass ihr Geschäftsmodell in Frage gestellt wird, eben mittels Patentschutz hohe Preise zu erzielen. Erzähler Welche Möglichkeiten hat die WHO, regulierend auf die Verteilung von Medikamenten und Impfstoffen einzuwirken? Wir fragen Professor Tobias Welte. Er ist Koordinator für die Solidarity-Studie der WHO in Deutschland. O-Ton 64 (Welte) Die WHO hat, sagen wir, im medialen, im Öffentlichkeit Raum gewisse Möglichkeiten. Die WHO war ein sehr starker Treiber, was die Preisgestaltung von HIV von Aids-Medikamenten in Afrika anging. Und sie hat so viel moralischen Druck auf die Pharmaunternehmen ausgeübt, dass die Preise nahe null heruntergegangen sind für die wesentlichen Medikamente, was extrem positive Entwicklungen in den afrikanischen Ländern zur Folge gehabt hat. Da hat schon einen Einfluss. Aber wenn sich - und die USA ist, jetzt ein sehr gutes Beispiel - wenn sich Länder komplett verweigern, hat sie keine Durchgriffsmöglichkeit. Erzähler Im Unterschied zur WHO verfügt die Welthandelsorganisation über gewisse Machtbefugnisse, die in der Corona-Krise relevant werden könnten. O-Ton 66 (Schwartländer) Es gibt innerhalb der Regeln der Welthandelsorganisation, gibt es eben eine Klausel, die eben vorsieht, dass unter bestimmten Notstandssituationen hier auch eine Patentübergabe erzwungen werden kann. Es muss eine Situation vorliegen, wo nachgewiesen werden kann, dass hier Menschenleben tatsächlich in Gefahr sind, in großer Zahl auch in Gefahr sind, wenn hier nicht drastische Maßnahmen ergriffen werden können. Erzählerin Dabei ist natürlich noch völlig ungewiss, ob überhaupt in absehbarer Zeit ein wirksamer Impfstoff gegen Covid19 gefunden wird. O-Ton 67 (Welte) Die meisten der Impfstoffe oder praktisch alle, die jetzt in früheren klinischen Studien sind, sind auf der Basis völlig neuer Therapieprinzipien. Es sind noch in keinem Bereich ähnliche Impfstoffe hergestellt worden. Und ob das dann wirklich erfolgreich ist, das muss man abwarten. Erzähler Selbst wenn ein Impfstoff gefunden werden sollte, stellt sich inzwischen die Frage, ob auch genug bereit wären, sich impfen zu lassen. O-Ton 68 (Kickbusch) Das ist die ganz große Angst natürlich von den Public Health Kollegen in den USA, wo diese ANTI-Vacs-Bewegung, natürlich sehr stark ist, man hat es ja jetzt auch mit den neuen Masern-Ausbrüchen gesehen, und Ähnliches, also das ist tatsächlich eine Frage die man hat, und wo die WHO tatsächlich außerordentlich besorgt ist, dass: Wir kriegen den Impfstoff und dann wollen sich die Leute nicht impfen lassen. Das ist durchaus ein Szenario, das man auch durchspielt. Zitator (Heine) Da vernahm man plötzlich das Gerücht: die vielen Menschen, die so rasch zur Erde bestattet würden, stürben nicht durch eine Krankheit, sondern durch Gift. Gift, hieß es, habe man an alle Lebensmittel zu streuen gewusst, auf den Gemüsemärkten, bei den Bäckern, bei den Fleischern, bei den Weinhändlern. Je wunderlicher die Erzählungen lauteten, desto begieriger wurden sie vom Volke aufgegriffen, an der Straße St. Denis hörte ich den altberühmten Ruf "A la lanterne!", und mit Wut erzählten mir einige Stimmen, man hänge einen Giftmischer. Des andern Tags ergab sich aus den öffentlichen Blättern, dass die unglücklichen Menschen, die man so grausam ermordet hatte, ganz unschuldig gewesen O-Ton 71 (Diaby) Da wird immer wieder Verschwörungsmythen verbreitet, dass Corona ist ja keine reale Krankheit, das wäre wohl nur da, weil Bill Gates sein Geld platzieren will und so weiter und so fort. Das finde ich alles Unsinn. Erzähler Der SPD-Bundestagsabgeordnete Karamba Diaby. O-Ton 72 (Diaby) Meiner Meinung: Eine Privatstiftung, die da so eine große Sache unterstützt ist lobenswert. Allerdings muss man dafür sorgen, dass die Transparenz immer wieder da ist. O-Ton 74 (Ulrike Herrmann) Bill Gates macht eigentlich eine gute Arbeit. Also man kann dankbar sein, dass er seine Milliarden da spendet [...] O-Ton 75 (Ulrike Herrmann) Aber natürlich ist es trotzdem problematisch, weil was dahinter steht ist ja, dass Bill Gates mit Microsoft erst mal versucht, fast keine Steuern zu zahlen, um dann sozusagen die gesparten Steuermilliarden selber als Spender auszugeben. Erzählerin Die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung unterstützt die WHO mit rund 260 Millionen US-Dollar pro Jahr und ist so mit großem Abstand der wichtigste private Geldgeber. Die meisten der durch die Gates Stiftung finanzierten Hilfsprogramme sind jedoch auf schnellen und messbaren Erfolg ausgerichtet. Deswegen konzentriert sich Gates auf Impfprogramme gegen Polio und andere Krankheiten. O-Ton 76 (Kickbusch) Und das ist von vielen gerade Nichtregierungsorganisationen auch kritisiert worden, auch von einzelnen Ländern, auch von vielen Wissenschaftlern, mir inklusive. Dass eben dieses Vorgehen, das auf ganz spezielle Krankheiten ausgerichtet ist, Und schon früh, als er daraufhin angesprochen wurde, dass er doch auch helfen müsste, besonders medizinische Grundversorgung, "primary health care", auch finanziell zu unterstützen. Dass er (...) dann meinte: nein, das wäre dezidiert die Aufgabe der Regierungen und nicht die Aufgabe einer Stiftung. Erzählerin Die Global-Health-Expertin Ilona Kickbusch. O-Ton 77 (Kickbusch) An diesem Argument ist auch ein bisschen was dran, muss man sagen (...) da hat er aber (...) besonders in den letzten zwei Jahren sehr stark seine Meinung geändert. Nicht zuletzt, glaube ich, auch ein bisschen unter Einfluss seiner Frau. Erzähler Der Buchautor und Journalist Jörg Schaaber sieht im Engagement der Gates-Stiftung für die WHO ein grundsätzliches Problem. O-Ton 78 (Schaaber) Die Frage für mich ist: ist es sinnvoll und gerechtfertigt, dass jemand, der zu den reichsten Menschen der Welt gehört, mit darüber entscheiden kann, wie globale Gesundheitspolitik gestaltet wird? Der kann mit den besten Vorsätzen dahinkommen. Trotzdem ist das, finde ich, in einer demokratischen Gesellschaft oder in einer Welt, die sich demokratisch versteht und das auch international, schwer zu verstehen, dass Einzelpersonen ein so starker Einfluss zukommt. (...) Es gibt ja das Menschenrecht auf Gesundheit, das ist ja verbrieft, und das gilt es einzulösen. Und das sollte weder an Wohltätigkeit von Mäzenen noch von Firmen gekoppelt sein, Erzähler Der größte Teil, rund 80 Prozent, des WHO-Budgets besteht aus freiwilligen Beiträgen. Von privater und vor allem von staatlicher Seite. Diese Gelder sind zweckgebunden. Nur über 20 Prozent ihres Budgets kann die WHO frei verfügen. O-Ton 79 (Kreuder-Sonnen) Der Anteil der freiwilligen also der zweckgebundenen Zahlungen muss sinken. Es braucht ein stärkeres, größeres Budget, über das sie eben auch entsprechend Ihres Mandats freier verfügen kann. Und das macht sie unabhängiger und weniger beeinflussbar von außen und die stärksten Mitgliedsstaaten. Das ist, denke ich, ein Punkt. Ein weiterer Punkt ist meines Erachtens vor allem in Bezug auf Krisenprävention und Krisenmanagement, dass die internationalen Gesundheitsvorschriften nochmals überarbeitet werden müssten und nochmal gestärkt werden müssten. Erzähler So könnte die WHO - ähnliche wie die UNO - zum Beispiel ein Mandat erhalten ohne ausdrückliche Erlaubnis der jeweiligen Regierung, mobile WHO-Teams bei Seuchenausbrüchen grenzüberschreitend tätig werden zu lassen. Erzählerin Als die Internationalen Gesundheitsvorschläge 2005, nach dem SARS-Ausbruch, überarbeitet wurden, setzten sich die USA für erweiterte Kompetenzen der WHO ein. Doch Russland, China, Indien und Brasilien verhinderten, dass die WHO mehr Autorität erhielt. O-Ton 80 (Ulrike Herrmann) Die Macht einer internationalen Organisation hängt davon ab, ob die Staaten sie akzeptieren. Und die Gefahr ist immer die gleiche, dass, wenn eine internationale Organisation zu machtvoll wird in ihren Statuten, dass sie dann von den nationalen Regierungen nicht mehr akzeptiert wird, weil die sich entmachtet fühlen. Das heißt, es bringt gar nicht so viel, jetzt internationale Organisationen mit sehr viel Macht auszustatten, weil dann ist das einzige Ergebnis, dass einige Nationen nicht mehr mitmachen oder das Ganze eben einfach ignorieren. Insofern führt das nicht weiter, sondern das einzige, was wirklich weiterführt, ist, dass die Nationen kooperieren. Erzählerin Dr. Schwartländer, der Kabinettschef der WHO: O-Ton 81 (Schwartländer) Es ist so, dass das Covid ja wie keine andere Krankheit, wie kein anderes Desaster ja gezeigt hat, dass Lösungen zu dieser Pandemie nicht innerhalb der eigenen Landesgrenzen gefunden werden können. (......) Es ist nicht nur eine Verantwortung gegenüber denen, die kein Geld haben, sondern es ist auch im fundamentalen Eigeninteresse, hier eine globale Lösung zu finden. Erzählerin Selbst wenn Covid-19 eines Tages verschwinden, oder man einen Impfstoff gegen das Virus finden sollte - die nächste Pandemie kommt bestimmt. Und dann brauchen wir eine starke WHO. Nur eine starke WHO kann im Interesse aller Menschen globale Maßnahmen gegen das Virus effektiv koordinieren. O-Ton 82 (Krammer) Wir haben vermutlich Tausende Zehntausende Viren, die in Tieren, in der Natur zirkulieren, die so etwas auslösen könnten. Erzählerin Warnt der Virologe Dr. Florian Krammer, New York O-Ton 83 (Krammer) Ich glaube, die Natur ist der größte Bio-Terrorist, der existiert. Erzähler Werden die Menschen aus der Erfahrung mit der Pandemie lernen? O-Ton 85 (Welte) Da bin ich nicht so optimistisch, ja, die Lernbereitschaft von Menschen es nie besonders gut. Und ich bin mir nicht sicher, wenn Corona mal weg ist, wie wieviel dann übrigbleibt. Erzählerin Professor Tobias Welte. Sprecher der Solidarity-Studie. O-Ton 85 (Welte) Jetzt geht es schon los. Dass die Politik von all ihren Versprechungen ja nichts mehr wissen will, das haben sie alles schon wieder vergessen. Was man schon, denke ich sagen kann. Vielleicht wird sich der Blick der Menschen auf das, was wichtig ist, ein bisschen verändern. Zitator: Nur ein Thor konnte sich darin gefallen, der Cholera zu trotzen. Es war eine Schreckenszeit, weit schauerlicher als die frühere, da die Hinrichtungen so rasch und so geheimnisvoll stattfanden. Es war ein verlarvter Henker, der mit einer unsichtbaren Guillotine ambulante durch Paris zog. Absage Dr. Who auf dem Drahtseil. Die Weltgesundheitsorganisation im Spannungsfeld der Großmächte. Ein Feature von Christian Buckard und Daniel Guthmann Es sprachen Ulrike Schwab, Valentin Stroh und Jochen Langner Ton und Technik: Wolfgang Rixius und Anton Blank Regie: Matthias Kapohl Redaktion: Wolfgang Schiller Eine Produktion des Deutschlandfunks mit dem Österreichischen Rundfunk und dem Südwestrundfunk 2020 7