Deutschlandfunk GESICHTER EUROPAS Samstag, 27. August 2016 - 11.05 - 12.00 Uhr KW 34 Das Ende der Ewigkeit - Grönlands Gletscher schmelzen Mit Reportagen von Ingrid Norbu Redaktion und Moderation: Britta Fecke Musikauswahl und Regie: Babette Michel Urheberrechtlicher Hinweis Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Die Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 44a bis 63a Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. (c) - unkorrigiertes Exemplar - Dschingel: Mod auf Musik: Kenneth Hoegh züchtet in seinem Garten inzwischen wärmeliebende Pflanzen wie Rhababer, der Grönländer ist sich sicher: "Das Klima verändert sich ganz bestimmt. Ich beobachte, dass wir weniger Treibeis haben, das aus der Polarregion zu uns gelangt. Ende Mai ist alles geschmolzen. Es ist weg!" Mod: ...Grönlands Eispanzer schmilzt, die Permafrostböden tauen auf und so erhöht sich die Chance die Bodenschätze zu bergen, das freut vor allem die Politiker: "Unser Ziel ist nicht, hauptsächlich an Uran zu kommen. Uran ist nur ein Nebenprodukt, um die Seltenen Erden im Kvanefjeld zu fördern." Mod: Gesichter Europas: Das Ende der Ewigkeit - Grönlands Gletscher schmelzen Mit Reportagen von Ingrid Norbu Moderation Britta Fecke Moderation: Wie zur Zeit der Wikinger - Schafzucht im Süden Grönlands Weite und Weiße soweit das Auge reicht: 85 Prozent Grönlands liegt unter Eis an einigen Stellen ist der Eisschild sogar 3,4 km dick. Doch Gletscher und Schnee prägen das Landschaftsbild nicht überall. Grönland, Grünland, ihren europäischen Namen, verdankt die Insel dem klimatisch milderen Süden, denn Erik der Rote fand hier vor rund 1000 Jahren blühende Wiesen - zumindest im Sommer. Die Wikinger blieben und hielten im Süden der Insel Vieh. Bis eine weitere Kälteperiode die Tierzucht unmöglich machte und die Eroberer ihre Siedlungen im 15. Jahrhunderts wieder aufgeben mussten. Atmo: kurz hoch kommen und als Zäsur stehen lassen In den letzten zwei Jahrzehnten sind die Temperaturen im Jahresmittel in Folge des Klimawandels stark angestiegen. Die Wachstumsperiode ist länger geworden und im Süden der Insel gedeihen inzwischen Kartoffeln und Mangold, in der Nähe der Dörfer grasen Schafe. Von den 50 Schaffarmen haben aber 13 in den letzten Jahren wieder aufgegeben, denn die unberechenbaren Wetterverhältnisse machen den Landwirten zu schaffen. Im letzten Jahr zum Beispiel begann der Sommer spät, es wurde zu heiß und trocken, die Erträge reichten nicht, um die Tiere über den langen Winter zu bringen. In diesem Jahr war im April bereits Frühling und im Mai wieder Winter. Im Mai werden auf Grönland aber auch die Lämmer geboren. Für Lars und Makkak Nielsen beginnt dann die arbeitsreichste Zeit. Ihr Hof liegt einsam am Ende des Kangerluarsorujukfjords im Süden Grönlands: Beitrag: Lars Nielsen hat seine Augen scheinbar überall. Eine Schafmutter droht ihr Lamm zu erdrücken. Blitzschnell springt Lars über das Gatter, packt das Mutterschaf von hinten, wirft es auf den Boden und legt das Lamm zum säugen an. Das alles geschieht rascher, als ein Schaf gucken kann. Lars Nielsen bewirtschaftet diese Schaffarm seit 1972 auf der Halbinsel Vatnahverfi, die immer noch ihren alten Wikingernamen trägt. An Lars' Seite steht seine Frau Makkak. Ihr Name ist die grönländische Form von Margarethe. Die schwarzen Haare hat sie hoch gesteckt. Nur ein paar graue Strähnen fallen ihr ins Gesicht. Ihre dunklen Augen strahlen Wärme aus. Vorsichtig holt die zierliche Frau ein anderes Lamm aus der Box. "Einige der Mutterschafe haben Probleme bei der Geburt der Lämmer. Auch da müssen wir helfen. Andere wiederum schaffen es alleine. Nach der Geburt werden Mutter und Junges in verschiedenen Boxen untergebracht und nur zum Säugen angelegt. Wenn es da Schwierigkeiten gibt, müssen wir nachhelfen." Atmo: im Schafstall Der Stall ist riesig, aber nur noch wenige Schafe stehen in den Boxen. Die meisten, es sind etwa 500 Tiere, tummeln sich schon in den Bergen rund um die Farm. Auch ein paar Hühner mit ihren Küken laufen umher. Makkak und Lars Nielsen sind beide um die 60. Meist unterstützen wir uns gegenseitig, sagt Makkak. "Im Mai, wenn die Lämmer geboren werden, schaffen wir die Arbeit nicht mehr alleine. Wir engagieren Helfer und sind dann Tag und Nacht im Schafstall. Das ist die arbeitsreichste Zeit für uns. Ich stehe hier und helfe oder koche für die vielen Leute, die dann auf der Farm arbeiten." Atmo: Schafstall Lars Nielsen ist ein großer schlanker Mann mit grauem Bart. Er trägt eine Basecap auf dem Kopf und einen roten Overall, dessen Farbe verblasst ist. "Wir müssen uns noch um die Lämmer kümmern. Aber bald ist es geschafft. Für mich fängt dann die Arbeit auf dem Feld an. Zuerst muss ich die Steine herauslesen, damit ich überhaupt Gras sähen kann für das Winterheu." Atmo: Schafe und Hühner Die Halbinsel Vatnahverfi mit vielen Seen ist bekannt für die üppig grünen Hügel. Doch nur in den Monaten Juni bis September können die Schafe draußen in den Bergen grasen. Für die Winterzeit muss genug Futter da sein. Etwa 60 Prozent können die meisten Farmer selbst produzieren. Den Rest müssen sie einführen, etwa aus Dänemark. Dazu gehört auch proteinreiches Futter wie Raps und Gerste. Im letzten Jahr konnten sie aber nur 40 Prozent des Winterheus selbst erwirtschaften. Schuld ist der Klimawandel, wie er sich seit etwa zehn Jahren in Südgrönland zeigt. "Ja, wir spüren den Klimawandel, aber er hilft uns nicht. Das Wetter ist extrem geworden. Im Winter wird es nun viel kälter und im Sommer sehr warm. Das ist ein großer Unterschied zu früher. Im letzten Sommer fiel so gut wie kein Regen und die Weiden sind vertrocknet." Die Regierung musste viele Farmer finanziell unterstützen. Dürresommer wirken sich jedoch auch auf die nächsten Jahre aus. "Einige der Lämmer waren am Ende des Sommers drei Kilogramm leichter als im Jahr zuvor. Solche Schafe sind dann nicht in der Lage, Junge zu bekommen, weil es ihnen an Muskelmasse fehlt." Das mindert ihr ohnehin karges Einkommen, sagt Makkak. "Die Lämmer, die im Mai geboren werden, sollen ab September ins Schlachthaus nach Narsaq transportiert werden. Ein kleines Schiff bringt sie dorthin. Aber natürlich nicht alle. Einige Tiere brauchen wir für die Weiterzucht, besonders die Mutterschafe, die schon mal zwei Lämmer geworfen haben, behalten wir." Atmo: draußen auf dem Feld Lars geht nach draußen, weil die Feldarbeit ruft. Atmo: Lars spricht Im Sommer war es trocken, meint er, und im Winter hat sich viel Eis angesammelt. Nun wächst auf den Feldern nichts mehr. Viele Stellen sind kahl. "Ich muss das Feld umpflügen und kann erst dann wieder Gras sähen. Auf diesem anderen kleineren Acker werde ich Kartoffeln anpflanzen. Neben unserem Haus gibt es noch einen Gemüse- und Kräutergarten mit Karotten und Dill." Atmo: draußen auf dem Feld, Traktor fährt vorbei Der jüngste Sohn soll einmal die Farm übernehmen. Der älteste ist Hubschrauberpilot bei "Air Greenland". Makkak hat beide Söhne zunächst selbst unterrichtet, ehe sie nach Nuuk ins Internat gingen. Gute Schulbildung ist auch für einen Farmer wichtig, weil es ständig Veränderungen gibt, meint Makkak. Aufgeben wie einige andere Farmer, kommt für sie nicht in Frage. Lars fährt mit dem Traktor vorbei und winkt. Er liebt die Abgeschiedenheit am Fjord, auch im Winter. Der nächste Nachbar wohnt nur fünf Kilometer entfernt. Mit dem Schneemobil sei das dann ein Katzensprung, meint Lars Nielsen. Musik Moderation Literatur: Ende des 18. Jahrhunderts geht der dänische Missionar Morten Falck auf eine lange Seefahrt erst in Grönland verlässt er das Schiff. Die Erlebnisse des Pfarrers mit den Eingeborenen und Kolonisten beschreibt Kim Leine in seinem Roman Ewigkeitsfjord: "Einige Jahre nach ihrer Ankunft im Land beschloss Haldora Kragstedt, einen Kohlgarten anzulegen. Damals erwähnte sie es ihrem Mann gegenüber, der allerdings stieß ein ungläubiges Lachen aus. Einen Kohlgarten? Warum nicht gleich ein Kornfeld oder einenObsthain? Dann sah er sie an und nahm sich zusammen. Aber meine Liebe, ein Kohlgarten? Komm, lass mich dir etwas zeigen. Er geleitete sie nach draußen, ließ sie vor der Haustür warten, ging hinab zum Lagerhaus, um einen Spaten zu holen, und reichte ihr das Gerät. Was soll ich damit? Ein Loch graben, antwortete Kragstedt. Für deinen Kohlgarten. Er lachte. Na, na, nun mach nicht so ein Gesicht, dann werde ich es eben tun. Er schwang den Spaten in die Luft und hieb ihn in den Boden. Ein metallisches Klirren ertönte. Er stellte einen Fuß auf die Kante des Blattes und drückte es mit seinem gesamten Körpergewicht nach unten. Der Spaten sank einige wenige Zoll ein. Dann kippte er ihn, schaufelte etwas Torf beiseite und stieß ihn erneut in die Erde, mit demselben Ergebnis. ??? Schau her, sagte er. Was siehst du? Er trat einen Schritt zurück. Stein, antwortete sie. Nein, nicht Stein. Fels. Grönländisches Urgebirge. Wie willst du in einem Land, in dem man kaum eine Leiche begraben kann, einen Kohlgarten anlegen? Die Wildnis soll kultiviert werden, erwiderte sie. Das ist es doch wohl, was wir hier tun. Wir? Wir, die Weißen. Ist das denn nicht unsere Absicht bei alledem? Sie deutete mit einer Kopfbewegung auf die Lagerhäuser. Selbst die Weißen haben noch nicht herausfinden können, wie man den Fels kultiviert. Dann müssen wir eben guten dänischen Mutterboden bestellen, entgegnete die Madame. ... Gemeinsam mit dem Pfarrer sät sie die Samen. Mairüben, Rote Bete, Sellerie, Karotten, Steckrüben, Gemüsekohl und Kohlrabi. Anschließend gießen sie den Erdstreifen, bleiben davor stehen und betrachten ihn andächtig. Madame Kragstedt genießt das Gefühl von klebriger Erde an ihren Händen und die natürliche Müdigkeit, die sich in ihren Muskeln breitgemacht hat." Moderation: Der Klimaforscher Grönlands Gletscher haben im letzten Sommer soviel Substanz verloren wie noch nie zuvor. Die Eisdecke über der arktischen Insel taut schneller, als Klimaforscher noch vor wenigen Jahren prognostiziert haben. Und so haben die Eisriesen in nur einem Jahr mehr Schmelzwasser abgegeben, als in irgendeinem anderen Sommer seit Messbeginn. Auch das Meereis vor den Küsten der Insel geht dramatisch schnell zurück. Nirgendwo lassen sich die Folgen des Klimawandels besser beobachten als im arktischen Eis. Dort, wo das ewige Eis endlich wird. Atmo: kurz hoch kommen und als Zäsur stehen lassen Ein internationales Forscherteam wies nach, dass der Grönländische Eisschild von 2003 bis 2010 doppelt soviel Masse verloren hat wie im gesamten 20. Jahrhundert. In diesem Jahr begann das Tauwetter bereits Mitte April, so früh wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen. Und während der inländische Eisschild immer dünner wird, steigt der Meeresspiegel weiter. Wenn der gesamte Einpanzer Grönlands schmelzen würde, stiege der Meeresspiegel um bis zu 7 Metern an. Die Folgen würden nicht nur die Menschen im hohen Norden, sondern auch die Bewohner vieler Inseln in der Südsee treffen. Atmo: noch mal kurz hoch John Mortensen, vom Greenland Institute for Climate Change in der Haupstadt Nuuk, untersucht seit zehn Jahren die Wechselwirkung zwischen der Gletscherschmelze, den Temperaturschwankungen der arktischen Gewässer und den ozeanischen Meeresströmung: Beitrag Schnellen Schrittes verlässt der Ozeanograph John Mortensen sein Büro im Klimaforschungsinstitut am Stadtrand von Nuuk. Er will die Zeit zwischen zwei Regenschauern nutzen, um noch ein paar Utensilien auf sein kleines Boot zu bringen, mit dem er gleich in sein "Freilandlabor" aufbrechen will: den Nuuk-Fjord. Aus den Nebelschwaden ragt der über 1200 Meter hohe Sermitsiaq heraus, der Hausberg von Nuuk, dessen Gipfel an Stierhörner erinnern. In der Ferne glitzert schon das Wasser des Fjords. Rau, abweisend und menschenfeindlich ist die Landschaft, aber auch überwältigend schön. John Mortensen, 50 Jahre alt, schlank, blonde Haare, blonder Bart. Er ist Wissenschaftler, kein Naturromantiker, ein Mann der Zahlen. "Wir schauen nun hier auf den Nuukfjord, der einer der größten Fjordsysteme Grönlands ist. Das Wasser bedeckt eine Fläche von ungefähr 2000 Quadratkilometer. Der Tidenhub, also der Unterschied zwischen Hoch- und Niedrigwasser, beträgt fünf Meter. Während solch eines Durchlaufs gelangen 20 Kubikkilometer Wasser in den Fjord, das ist enorm, denn das ist ungefähr so viel, wie die Eiskappe als Süßwasser in einem Jahr entlässt." Atmo: am Fjord Nur ein kleiner Teil des Fjordsystems ist von Nuuk aus überhaupt zu sehen, denn Inseln mit hohen Felsgipfeln versperren den Blick. Erst auf einer Landkarte erkennt man, dass sieben Fjordarme bis an die Gletscherkanten des Inlandeises reichen. Der Fjord selbst ist auch ein Werk der Gletscher, sagt Mortensen. "Im Fjord machen sich Moränen, also Geröllablagerungen aus den zurückliegenden Eiszeiten, als Barrieren für das wärmere Ozeanwasser bemerkbar. Sie bremsen den Austausch zwischen dem Fjordwasser und dem Meer draußen." An den schmalsten Stellen wiederum schießt das Ozeanwasser mit hohen Geschwindigkeiten hindurch. "Bei Flut sind das 1,5 Meter pro Sekunde. Normalerweise spricht man bei der Geschwindigkeit von Ozeanen nur von Zentimetern pro Sekunde. Der Wasseraustausch ist also enorm." Grau und still liegt der Fjord vor der Hauptstadt. In der Ferne schieben sich neue Regenwolken vor die Berge. Dass so gut wie keine Eisberge zu sehen sind, hängt mit den besonderen Luftdruckverhältnissen im Fjord zusammen, erklärt Mortensen. "Im Winter herrscht hier ein Monsunwind, der die kalte und dichte Luft aus dem Fjord hinaus in Richtung des wärmeren Ozeans trägt. Aber im Sommer ist es umgekehrt. Die leichtere Luft befindet sich im Fjord und der Wind treibt das Eis weiter hinein. Deshalb sieht man hier in Nuuk selten Eisberge im Sommer, aber dafür im Winter umso mehr. Atmo: im Boot Am Ufer ist ein kleines Boot vertäut und Mortensen klettert vorsichtig hinein. Unter Deck steht das Messinstrument, ein Metallzylinder, über einen Meter hoch und etwa 30 Zentimeter im Durchmesser. "Dieses Hauptinstrument misst den Salzgehalt, die Temperatur und den Druck des Fjordwassers. Mein Ziel ist es, in einer Langzeituntersuchung mit monatlichen Messungen etwas über das Ausmaß des Klimawandels zu sagen. Besonders die Temperaturen interessieren uns, denn die sind entscheidend dafür, wie rasch die Eiskappe über den Gletscherrand hin schmilzt." Atmo: im Boot Mortensen zeigt wieder auf eine Karte mit dem verzweigten Fjordsystem. "Wir haben viele Stationen, an denen wir dieses Instrument ins Wasser lassen, bis auf den Grund. Es dauert etwa sechs Stunden, dazu kommen noch vier Stunden Weg." Ein langer Tag, aber Mortensen bedauert es, dass diese Untersuchungen nur einmal im Monat durchgeführt werden. Nur mit vielen Daten, die über einen langen Zeitraum zusammengetragen werden, können Modelle entwickelt und Aussagen über die Klimaentwicklung getroffen werden, aber die Forschungsgelder sind knapp. Atmo: Treppe, laufen durch die Halle, Tür Im "Greenland Institute for Natural Resources" ist die Klimaerwärmung nur einer von sechs Forschungsschwerpunkten. Hier wird auch untersucht, wo sich der Abbau von Bodenschätzen lohnt. 100 Millionen Dänische Kronen stehen dafür im Jahr zur Verfügung, etwa 14 Millionen Euro. Andere Fjorde in Grönland werden nur einmal im Jahr untersucht, beklagt Mortensen zurück im Büro, um seinen wasserdichten roten Overall zu holen. "Man kann die Fjordsysteme nicht miteinander vergleichen. Jedes ist einzigartig. Alle grönländischen Fjorde zu erforschen, ist also eine Riesenaufgabe für die Zukunft. Im Nuuk-Fjord konnten wir in den letzten zehn Jahren feststellen, dass es einen Wechsel von einem kalten Zustand hin zu einem wärmeren gab, aber nun kehren wir wieder zu einem kälteren zurück. Und die Gletscher reagieren auch ganz unterschiedlich darauf. Einige ziehen sich um Kilometer zurück, andere bewegen sich innerhalb von 100 Metern vor und dann wieder zurück. Das System ist wirklich sehr komplex." Atmo: Büro Eine höhere Wassertemperatur ist besonders fatal, denn sie lässt den Gletscherrand von unten schmelzen. So von innen ausgehöhlt, stürzen noch mehr Eisberge in den Fjord. Die Erwartungen, zuverlässige Klimamodelle zu entwickeln und das in so kurzer Zeit, sind zu hoch und die Mittel, dieses Ziel zu erreichen, zu gering, sagt John Mortensen resignierend. "Diese Forschung ist noch zu jung, und wie stark die Gesellschaft von Veränderungen betroffen sein wird, ist sehr schwer zu sagen. Wenn Gletscher sich über einen bestimmten Punkt hinweg zurückziehen, dann passiert etwas. Wir brauchen aber mehr zuverlässige Modelle, um sagen zu können, es wird in diesem oder jenem Fjord in Zukunft ein Eisproblem geben, das die Fischerei schwieriger macht, denn Gletschereis kann für kleine Boote sehr gefährlich sein." Moderation: Rhabarber aus Qaqortoq - Kenneth Hoegh, Berater für Landwirtschaft der Regierung, bei der Gartenarbeit Mit der Gletscherschmelze wandelt sich eine ganze Gesellschaft. Aus Jägern werden Bauern und Gärtner. Auch den Fischern bietet der Klimawandel eine Chance. Inzwischen gehen ihnen Thunfische und Makrelen ins Netz, wohlschmeckende Fischarten aus dem Mittelmeer oder dem Golf von Mexiko. Nur die Hundeschlitten der Jäger haben es schwer auf dem schmelzenden Eis. Atmo: kurz hoch kommen lassen und als Zäsur stehen lassen Die Permafrostböden tauen in den letzten Sommern immer tiefer auf und erlauben nun Gemüseanbau und Blumenzucht. Gurken, Brokkoli, Tomaten und sogar Erdbeeren werden rot. Die Ernte reicht allerdings noch nicht aus, um die knapp 57 000 Einwohner Grönlands zu ernähren. In einer landwirtschaftlichen Versuchsstation in Südgrönland wird aber schon eifrig getestet, welche Arten von den neuen Klimaverhältnissen profitieren könnten. Kenneth Hoegh nutzt gleich den eigenen Garten als Versuchslabor. Der Agrarwissenschaftler lebt mit seiner Familie in Qaqortoq, der größten Siedlung Südgrönlands. Die rund 3600 Einwohnern von Qaqortoq halten ihre Verbindung zur Außenwelt über Wasser und Luft, es gibt keine Straßen, aber einen Hafen und den Helikopterlandeplatz: Beitrag: Atmo: Helikopter Kenneth Hoegh blickt auf, stützt die Arme auf seinen Rechen und wundert sich über den Verkehr auf dem Landeplatz. Dann konzentriert er sich wieder auf sein liebstes Hobby. Atmo: Harken im Garten "Ich mag Feld- und Gartenarbeit sehr. Jedes Frühjahr bin ich beschäftigt. Ich habe hier neben dem Rhabarber ein wenig Boden abgetragen. In diesem Loch vergrabe ich verrotteten Fisch, andere Bioabfälle aus der Küche und Pflanzenreste. Die vermische ich nun mit dem Erdreich im Beet." Atmo: Helikopter Der 50-jährige Agrarwissenschaftler, blonde Haare und blonder Bart, war lange in der Entwicklungshilfe tätig. Er schwört auf Küchenabfälle als Dünger. "In Grönland gibt es keine Ratten, Mäuse aber schon. Ich denke, es hat hier nie Ratten gegeben, deshalb kann ich Fisch hier vergraben. In Europa wäre das unmöglich. Warum es hier keine Ratten gibt? Vielleicht weil wir so isoliert sind. Existieren könnten sie hier schon. Aber wir leben hier auf einem sehr abgelegenen Stück Land, einer Art Oase, einer subarktischen Oase." Atmo: Harken Dem Rhabarber scheint das Klima gut zu bekommen. Er steht 30 Zentimeter hoch. "Hier kommt der Dünger vom letzten Jahr zum Vorschein. Der ist fast verrottet. Es braucht ein Jahr und er ist wieder Teil der Natur. Das gibt eine Menge Nährstoffe und sehr, sehr großen Rhabarber. Zwei Monate lang können wir den ernten und viele gute Dinge daraus herstellen, wie Marmelade, Saft und sonst allerlei. Meine Frau ist darin Expertin." Kenneth geht ein Stück weiter, bückt sich und hebt eine weiße Plane hoch. "Dies sind unsere Kartoffeln. Ich habe 120 Stück gepflanzt und das könnten 100 Kilo Kartoffeln werden. Die kommen schon. In den nächsten zwei, drei Wochen sind die soweit." Die Pappeln und Weiden blühen. Es sind Importe aus dem Norden Alaskas und Kanadas, die sich auch in Grönland wohl fühlen, wie Kenneth sagt. Rund um die armdicken Stämme gräbt er mit dem Spaten das wuchernde Gras ab. Viele Steine und die Baumwurzeln kommen zum Vorschein. "Die Wurzeln breiten sich nahe der Oberfläche aus, denn dort ist es wärmer. Ich versuche sie möglichst nicht zu verletzen. Dann kommt frische Erde darauf. Die könnte ich selbst herstellen, aber ich bin eine fauler Mann und kaufe sie. Ich glaube, die kommt aus den Baltischen Ländern. Von dort kauft heutzutage jeder hier seine Gartenerde. Aber ich nehme auch Schafdung von den Farmen. Der ist wirklich gut." Atmo graben Das Klima ist unbeständig. Auch im Winter schwankt das Wetter rasch zwischen kalt und warm. "Schnee gibt es im Winter schon, aber auch Föhn wie in den Alpen. Dann wird es mitten im Winter fünf bis zehn Grad warm und der Schnee schmilzt. Das ist in Südgrönland normal. Dieser Föhn entsteht durch ein Tiefdruckgebiet im Süden aus der Karibik, dass sich in unsere Richtung bewegt und sehr starken Wind mitbringt, wie der Föhn in den Alpen, kann man sagen. So, nun gebe ich hier frische Erde hinein." Atmo hoch: Erde ausbreiten Kenneth verteilt die Erde über die flachen Wurzeln der Weidenbäume. Dann braucht er eine Pause. Er ist im Süden Grönlands geboren und hat in den letzten Jahren den Klimawandel und seine Folgen beobachtet. "Das Klima verändert sich ganz bestimmt. Ich beobachte, dass wir weniger Treibeis haben, das aus der Polarregion zu uns gelangt. Ende Mai ist alles geschmolzen. Es ist weg! Mit Treibeis liegen die Nachttemperaturen um den Gefrierpunkt. Nun ohne Treibeis messen wir fünf bis sechs Grad nachts. Für uns ist das ein enormer Unterschied." Für das traditionelle Leben der Robbenfänger ist es von Nachteil, denn sie brauchen Treibeis, weil es den Wellengang beruhigt. So können sie ihre Gewehre ruhig halten, wenn sie vom Boot aus auf die Robben schießen. Atmo: in Qaqortoq Qaqortoqs bunte Häuser sind wie die Sitze eines antiken Theaters im Halbkreis um den kleinen Hafen gebaut. Kenneth zeigt auf einige, die leer stehen. Der spürbare Klimawandel hat nichts daran geändert, dass immer mehr Menschen abwandern. "Viele haben Südgrönland in den letzten Jahren verlassen. Sie suchen bessere Möglichkeiten in Nuuk, in Dänemark oder anderen Ländern. Der Grund ist einfach. Anderswo sind die wirtschaftlichen Aussichten besser. Ich hoffe, wir können die Fischindustrie ausbauen, damit die Leute daran verdienen. Wir müssen unsere Infrastruktur verbessern, den Tourismus fördern und ich hoffe, wir können mit dem Abbau von Bodenschätzen beginnen. Ich glaube, der Bergbau wird der wichtigere Grund sein, damit die Menschen bleiben." Damit vertritt Kenneth Hoegh die Politik der regierenden Siumut Partei, die den Abbau von Bodenschätzen vorantreiben will. Literatur 2: In seinem Roman Ewigkeitsfjord schildert der dänische Schriftsteller Kim Leine die harten Lebensbedingungen auf Grönland Ende des 18 Jahrhunderts aus der Perspektive eines Missionars: Im Ewigkeitsfjord. Am Vorabend hatten sich die Wolken über die Berge gelegt, und als sie heute Morgen weiterzogen, hatten die Gipfel Schneekragen. Es ist das erste Mal, dass Bjerg Gletscher aus dieser Nähe sieht. Sie schlängeln sich zwischen den Bergen zum Fjord ??? hinab, wo sie in senkrechten Wänden aus blauem Eis abbrechen. Man hört sie rumoren, und manchmal gleitet das Echo einer vergangenen Flutwelle herüber, hebt das Boot einige Ellen an und senkt es wieder, vollkommen lautlos. Die Berge sind auf beiden Seiten wild gezackt, sie zerfetzen die Wolken und spiegeln sich so klar im blanken Wasser, dass man Zweifel bekommt, wo oben und unten ist. Aus diesem Grund zieht es Didrik auch vor, im Boot sitzen zu bleiben. Sonst bekäme er den Kajakschwindel, sagt er, und das sei der Schrecken aller Fänger. Er amüsiert sich damit, die Frauen aufzuziehen. In ihrer eigenen Sprache plaudern sie drauflos, beschützt von den mangelnden Sprachkenntnissen der beiden Dänen. Didrik kommt bei den Frauen besser an, als es Bjerg gefällt, und er ärgert sich, dass der Kajakmann sie dazu bringt, in schallendes Gelächter auszubrechen. Als sie am nächsten Tag weiterreisen, hat der Fjord den Seenebel in sich hineingesogen. Um die Orientierung nicht zu verlieren, müssen sie dicht am Ufer entlangfahren. Die schlechte Sicht macht Falck nervös. Ständig fragt er Didrik, ob er denn sicher sei, dass sie den Kurs halten. Didrik zeigt nach schräg oben. Das ist die Sonne, sagt er. Bjerg sieht den Lichtschein auch. Dort, wo der Kajakmann hinzeigt, ist es etwas heller als im übrigen Dunst. ... Das Eis knarzt und ächzt. Hin und wieder ertönt ein lautes Pfeifen, eine Art überirdischer Heulton. Mit finsteren Mienen starren sie in den Nebel, die Frauen sehen sich über die Schulter. Herr Falck meint, es sei der Wind, der zwischen den Bergen zusammengepresst werde. Bjerg legt seine Handflächen aufeinander und bläst hinein. Ganz genau, sagt Falck. Alle großen Naturphänomene lassen sich im Kleinen wiederholen, wie du uns gerade sehr anschaulich bewiesen hast, guter Kommis. Dann meinen sie, Gesang zu hören. Die Frauen holen die Ruder ein. Alle spitzen die Ohren, bleiben sitzen und lauschen. Moderation: Kein ökologisches Museum - Der Abbau von Bodenschätzen Unter Grönlands Eisschild lagern verschiedene Bodenschätzen: Gold, Silber, Kupfer, Öl, Gas, Seltene Erden und Uran. Mit der Gletscherschmelze, mit dem Auftauen der Permafrostböden wird der Abbau der Rohstoffe leichter. Der Klimawandel als Chance und Gefahr, denn die Bodenschätze wecken Begehrlichkeiten: Bei internationalen Konzernen, und auch bei vielen Grönländern, denn die Bergung der Ressourcen könnte endlich den Weg in die finanzielle Unabhängigkeit von Dänemark ebnen und Arbeitsplätze schaffen. Trotz der Autonomie der arktischen Insel - seit 2009 - finanziert Dänemark immer noch fast die Hälfte des Grönländischen Staatshaushalts und somit den Sozialstaat. Die Ausbeutung der Rohstoffe könnte Milliarden in diese Kasse spülen, so die Hoffnung. Seit Jahrzehnten wird jedoch über den Abbau von Seltenen Erden und dem daran gebundenen radioaktiven Uran gestritten. Sie lagern im Süden der Insel, der Region mit Schaffarmen und Touristen. Atmo: kurz hoch als Zäsur Auch wenn Grönlands Regierung seit 2009 innenpolitisch autonom agieren kann, in der Sicherheits- und Außenpolitik hat sich die Exkollonialmacht Dänemark ein Mitspracherecht gesichert. Und Kopenhagen besteht auf seiner sogenannten Null-Toleranz-Politik beim Abbau von Uran. Treibende Kraft zur Industrialisierung und auch beim geforderten Uranabbau ist die Siumut Partei Grönlands. Im Oktober 2013 wurde zumindest auf der Insel Im Parlament in Nuuk, eine wichtige Hürde genommen: die grönländischen Abgeordneten stimmten mit einer hauchdünnen Mehrheit gegen die vorgegebene Null-Toleranzpolitik beim Uranabbau: Beitrag: Zwei stilisierte Seevögel an der Stirnseite wachen gewissermaßen über die Parlamentarier. Die Wände sind weiß, alles ist schlicht gehalten im Hohen Haus, dem Inatsisartut, dem Parlament der Grönländer in Nuuk. Nur wenige Abgeordnete sitzen an ihren Tischen aus hellem Holz. Angesprochen auf die knappe Abstimmung über die Null-Toleranzpolitik vor knapp drei Jahren reagiert Minister Vittus Qujaukitsoq etwas ärgerlich. "Die Entscheidung wurde nicht mit einer Stimme, sondern mit einer Mehrheit getroffen. Ich denke, unsere Demokratie ist wie jede andere in der westlichen Hemisphäre. Es ist nichts falsches daran, eine Mehrheit zu nutzen. Denken Sie daran, dass die Vorgängerregierung diese Entscheidung getroffen hat, das heißt, wir befinden uns in der Mitte einer neuen Legislaturperiode. Die Aufhebung der Null-Toleranz-Politik basierte auf einer Grundsatzentscheidung einer gemeinsamen Kommission für Bodenschätze zwischen Grönland und Dänemark." Vittus Qujaukitsoq, Minister für Industrie, Arbeit, Handel und Äußere Angelegenheiten ist ein kleiner untersetzter Mann, Anfang 50, mit viel grau meliertem Haar und einer schwarzen Hornbrille. Er ist Mitglied der Siumut Partei, die auch in der Vorgängerregierung die stärkste Kraft in einer Koalition aus drei Parteien war. Die Büros der Minister sind in einem neugebauten Hochhaus untergebracht. Der Weg führt vom Parlamentsgebäude über die Straße in Richtung des Nuuk-Centers, einer Shopping Mall. Atmo: am Eingang des Verwaltungsgebäudes Nur durch eine Sicherheitsschleuse gelangt man ins achtstöckige Bürogebäude mit viel Glas und Beton. Vor dem Fahrstuhl zieht Minister Qujaukitsoq eine positive Bilanz der Klimapolitik Grönlands. "Wir wollen den Ausstoß von Kohlendioxid mindern und erneuerbare Energien einführen. Fünf Wasserkraftwerke rund um Grönland liefern fast 70 Prozent unseres Stroms. Verglichen mit anderen Ländern, wer kann schon so viel emissionsfreie Energie produzieren wie wir mit der Wasserkraft? Wir wollen unsere Abhängigkeit von fossilen Energien bis 2024 beenden und nur noch Wasserkraft und Sonnenenergie nutzen." Atmo: Großraumbüro Der Minister steuert sein Büro an. Die Fensterfront des kleinen Raums gibt den Blick frei auf die Stadt und die Schneeberge dahinter. Vittus Qujaukitsoq liebt die Aussicht. "Nicht alles ist schlechter geworden durch den Klimawandel. Es gibt auch positive Auswirkungen. Mehr Fischarten kommen nun in unsere Seegebiete, es kann länger gefischt werden, weil die Wassertemperaturen gestiegen sind. Auf der anderen Seite ist der Klimawandel schlecht für die Jäger in Nordwest- und Ostgrönland, weil sie nicht mehr so lang auf dem Eis wie vorher jagen können. Das hat große Auswirkungen auf das Leben der Menschen." Die Ausbeutung der Bodenschätze könnte das Leben vieler Grönländer verbessern, meint Industrieminister Qujaukitsoq. "Wir wollen uns neue Einnahmequellen erschließen, um unsere Abhängigkeit vom Fisch zu beenden. Unsere Wirtschaft ist verletzlich, wenn wir uns allein auf den Fischfang stützen. Wir haben noch andere Industrien, wie den Tourismus und den Bergbau, mit dem wir neue Arbeitsplätze und Steuereinnahmen für die grönländische Regierung schaffen können." Der Bergbau an sich ist nicht umstritten. Aber der Abbau von Uran im Süden Grönlands, wird im Land heftig diskutiert. "Unser Ziel ist nicht, hauptsächlich an Uran zu kommen. Uran ist nur ein Nebenprodukt, um die Seltenen Erden im Kvanefjeld zu fördern. Es geht nicht ums Uran, es geht um die Seltenen Erden. Es ist wichtig, das zu betonen." Dennoch, die Menschen rund um das Kvanefjeld sind alarmiert. Farmer wollen ihre Höfe aufgeben und mit dem Tourismus wäre es dann auch wohl vorbei. Doch bisher wurden nur Erforschungslizenzen vergeben, schaltet sich Jörn Skov Nielsen, der Stellvertreter des Ministers ein, der aus Dänemark kommt. "Die gegenwärtige Regierung kann keine Bohrlizenzen erteilen, ehe sie Umwelt-, Sozial- und Gesundheitsstudien durchgeführt hat. Die Ergebnisse werden dann der Öffentlichkeit vorgestellt und sie müssen von Umweltinstituten ausgewertet werden. Der umfassende Genehmigungsprozess, den sich die Regierung vorgenommen hat, liegt noch vor uns. Wir werden nur grünes Licht für den Uranabbau geben, wenn das radioaktive Metall umweltfreundlich und sicher geborgen werden kann. So will es das Gesetz." Die gegenwärtige Regierung treibt die Sache voran, und der Minister bleibt dabei: "Landwirtschaft und Tourismus allein werden Südgrönland nicht retten. Es muss genug Jobs für all die Arbeitslosen dort geben, damit sie ihre Familien ernähren können. Es ist notwendig, ein Gleichgewicht zu schaffen zwischen der Fischerei, dem Bergbau, dem Tourismus und der Landwirtschaft. Wir können nicht überleben, wenn wir innehalten und uns ein ökologisches Museum schaffen, in dem wir nichts tun. Es ist kein Ausweg, die Leute arbeitslos zu halten und sie weiter mit Steuermitteln zu unterstützen, fürs Nichtstun." Dann verabschiedet sich Minister Qujaukitsoq, nicht ins Wochenende, sondern ins nächste Meeting. 5. Anmod: Entwicklung mit Augenmaß. Die Stimme der Opposition Besonders erfahren mit der erfolgreichen Bergung der Bodenschätze ist Grönland nicht: Eine Goldmine im Süden wurde bereits wieder geschlossen, der geplante Eisenerzabbau am Nuukfjord liegt auf Eis, weil die Weltmarktpreise eingebrochen sind, nur eine Rubinmine im Süden der Hauptstadt fördert Mineralien in geringem Maße, noch! Damit man für künftige Abbauvorhaben besser gerüstet ist wurde eine Bergbauschule im Norden Grönlands gegründeten. Dennoch wäre Grönland noch auf ausländische Experten angewiesen, auf er Insel leben schlicht nicht genug ausgebildete Arbeitskräfte. Und die wenigen waren auf den Schulen und Universitäten in Dänemark. Die Bindungen zur der ehemaligen Kolonialmacht sind auch in der Hinsicht noch lange nicht gekappt. Atmo: Als Zäsur Seit der Selbstregierung entscheiden die Grönländer eigentlich selbst, wie der Erlös aus den Bodenschätzen verteilt werden soll. Aber Dänemark hat sich seinen Anteil gesichert, bis die jährlichen Zuschüsse aus Kopenhagen an den Staatshaushalt in Nuuk zurückgezahlt sind und darüber hinaus. Die schnelle Ausbeutung der Ressourcen korreliert also nicht mit der finanziellen Unabhängigkeit von Dänemark. Bei der Frage: wer am Ende von den kostbaren Ressourcen unter dem grönländischen Eis profitieren soll - gehen viele noch einen Schritt zurück und fragen: Wer überhaupt Grönländer ist? Denn Seit 300 Jahren, seitdem Walfänger aus ganz Europa, dänischer Kaufleute und Missionare an Grönlands Küsten strandeten, ist die Bevölkerung ethnisch und kulturell durchmischt. Bei einem Spaziergang durch die Hauptstadt Nuuk ist schwer zu erkennen, wer Einheimischer, wer Däne oder gar Tourist ist. Beitrag: Sobald sich die Sonne zeigt, kommt Leben in das kleine Zentrum von Nuuk. Es liegt eingeklemmt zwischen den Bürotürmen der Bank von Grönland und der Telefongesellschaft. Cafebesucher sitzen draußen. Aqqaluq Lynge bahnt sich seinen Weg zwischen luftig gekleideten Flaneuren und spielenden Kindern, Menschen unterschiedlicher Hautfarben. Er hat einen einfachen Trick gefunden, um echte Grönländer auszumachen. "Wenn ich jemanden mit blonden Haaren sehe, dann sage ich wie zufällig Hallo auf Grönländisch, und wenn er oder sie auf Grönländisch antwortetet, dann bin ich sicher, das sind Grönländer. Ja, wir haben inzwischen sogar blonde Eskimos." (lacht) Graue Haare, Metallbrille und ein Buch in der Hand: Aqqaluq Lynge ist Politiker, Aktivist, Lyriker und eine der bekanntesten Persönlichkeiten Grönlands. Er ist fast 70 Jahre alt. "Ich bin seit 2014 nicht mehr der Präsident des "Inuit Circum Polar Council", schreibe aber nun Schulbücher, halte Vorträge in arktischen und Umweltdingen und der Rechte der Indigenen in verschiedenen Institutionen." Die Sonne lockt immer mehr Passanten ins Stadtzentrum. Lynge spaziert hinunter zum Fjord, wo es meist ruhiger zugeht, zum alten Koloniehafen Godthaab, übersetzt "Gute Hoffnung". Atmo: Straße am Fjord Leuchtend gelb blitzt Löwenzahn auf den Rasenflächen auf. Rote, blaue und schwarze Holzhäuser aus der Gründerzeit stehen an der Promenade direkt am Wasser. Eine Gruppe älterer Herren genießt die Sonne auf einer Bank. Sie haben Lynge gleich erkannt. Atmo: Aqqaluq Lynge begrüßt Leute, Der historische Hafen wird überragt von einem steilen Felsen mit dem Bronzestandbild von Hans Egede, dem ersten dänischen Missionar in Grönland. Er blickt gewissermaßen auf die kleine Erlöserkirche. Kreuzfahrttouristen in roten Daunenjacken fotografieren die historischen Gebäude, die heute fast alle zum Nationalmuseum gehören. Dahinter liegen dutzende grauer Plattenbauten, sechs, sieben Stockwerke hoch. Sie sind über lange Holztreppen zu erreichen. 16 Tausend Einwohner hat Nuuk und die Zahl der Sozialhilfeempfänger ist hoch. Atmo: Verabschiedung Arbeitsplätze im Bergbau könnten die gut gebrauchen, doch Aqqaluq Lynge, der die älteren Herren inzwischen verabschiedet hat, schüttelt energisch den Kopf. "Andere von außerhalb Grönlands werden dort arbeiten. Tausend Leute übernehmen den Aufbauarbeiten, wenn es dazu kommt, Leute, die wir einladen. Grönländer bekommen nur ein paar Arbeiterstellen in den Minen." Aqqaluq Lynge kommt an einem alten Waltranofen vorbei, Teil des Nationalmuseums im Freien. Ein Relikt aus der Zeit, als das Fett der Wale zur Energiequelle der frühen Industriegesellschaft wurde, von der die Grönländer auch nicht profitierten. Nun soll es Uran sein. "Es ist ein Abenteuer. Wir Grönländer kannten lange den Dänischen Kolonialismus. Nun wollen zum ersten Mal mulinationale Konzerne hier operieren und sie kommen hauptsächlich aus Australien. Sie haben selbst dort Uran, warum kommen sie also nach Grönland? Sogar Deutschland hat aufgehört, Atomkraft zu nutzen. Grönland steht in der Gefahr, eine Nation zu werden, die alles für Geld und Jobs macht, ohne an die eigene Umwelt zu denken. Ich bin darüber sehr enttäuscht." Atmo: am Wasser Lynge zeigt auf eine dunkle Granitskulptur, die bei Flut nur noch zur Hälfte aus dem Fjordwasser schaut: die Herrscherin der Seetiere, eine nackte Frau mit großen Brüsten, umgeben von Robben, Fischen, einem Walross und einem Eisbär. Ihr langes Haar muss gekämmt und sauber gehalten werden, damit sich die Meerestiere von den Jägern fangen lassen, so erzählt es ein bekannter Inuitmythos. Ein junger Mann, ein Schamane, steht vor der Frauenfigur. "Nur weil wir stets darauf geachtet haben, uns unsere Nahrung in einer nichtverschmutzten Umwelt zu sichern, haben wir Inuit in diesem rauen Klima überhaupt überlebt. Wir hängen von der Umwelt und all den lebenden Ressourcen ab. Fisch gibt uns die Arbeitsplätze und das Geld, diesen Staat zu führen. Wir könnten eine unabhängige Wirtschaft haben, aber der Traum, viele oder Dutzende Minen zu eröffnen und alles zu verschmutzen, ist doch keine gute Politik. Warum sollte Grönland Uran exportieren, warum?" Atmo: an der Promenade Aqqaluq Lynge schlendert weiter an der Promenade entlang, mit Blick auf eine Landzunge, die den Nuuk-Fjord vom offenen Meer trennt. Gegen Bergbau an sich habe er nichts, sagt er. "Ich bin gegen Bergbau im großen Stil, gegen Ölbohrungen vor der Küste, die nun glücklicherweise in Westgrönland gestoppt wurden, aber es gibt immer noch Gebiete in Ostgrönland, wo wir Lizenzen an Ölfirmen vergeben haben, dort, wo das Eis ist. Von meinem Haus aus kann ich das Meer und die Berge sehen." Atmo: Telefon klingelt Sein Mobiltelefon klingelt. Er geht ein paar Schritte weiter. "Wir haben unseren Kindern beigebracht, wie man die Natur nutzt. Wir haben hier in Grönland jede Menge Fisch, Krabben, Wale und Robben. Das Inlandeis wird trotz globaler Erwärmung nicht so leicht verschwinden, denn es ist riesig. In Grönland wird es nicht wärmer, nur die Winter sind wärmer als normal. Bei uns werden so schnell keine Palmen wachsen." Gesichter Europas: Das Ende der Ewigkeit - Grönlands Gletscher schmelzen Mit Reportagen von Ingrid Norbu Die Musik und Regie: Babette Michel Die Literaturauszüge las. Josef Tratnik Redaktion und Moderation: Britta Fecke