COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur - Forschung und Gesellschaft Education City Der Wissenschaftsstandort in der Wüste Katars Von Jan Lublinski ___________________________________________________________________ ATMO Muezzin/ Baustelle Sprecher: Doha, die Hauptstadt des kleinen Königreichs Katar im Jahr 2008: Eine einzige Baustelle. Immer neue Wolkenkratzer-Skelette wachsen in die Höhe, so als wolle jemand im Eiltempo New York nachbauen. Jeeps, Taxis, Lastwagen auf halbfertigen Straßen - und überall: schwitzende Wanderarbeiter aus Asien in blauen Overalls. 2,8 Prozent des Bruttosozialproduktes dieses Landes will das Fürstenpaar, das den Golfstaat regiert, in die wissenschaftliche Forschung stecken. OTON 1 BAXTER 3'10 What I can say is that money is not a problem in this country. Human resources are. Sprecher: Robert Baxter arbeitet für die "Qatar Foundation", die Motor-Organisation für die Entwicklung des Golfstaates. Seine oberste Chefin ist Sheikha Mozah, die zweite Frau des Emirs, zuständig für Bildung und Forschung im Land. In den vergangenen Jahren hat sie den weiträumigen Wissens-Campus "Education City" am Stadtrand in der Wüste bauen lassen, dazu einen Technologiepark eröffnet und eine mächtige Organisation für die Forschungsförderung, den "Qatar National Research Fund" ins Leben gerufen. OTON 2 BAXTER 3'10 What I can say is that money is not a problem in this country. Human resources are. (This human capital is seen as essential infrastructure. And they will pay whatever it takes. SG 14'' You can't just decree it from the top. No matter how much money you spend. ...love of learning. There was this culture many centuries ago... Qatar wants to lead a renaissance. ÜBERSETZER: Geld ist kein Problem in diesem Land; die Fachleute hingegen, das Humankapital, sind eins. Doch das lässt sich einkaufen, und die Katarer werden bezahlen, egal was es kostet. Sie wollen hier eine Bildungs- und Lernkultur etablieren. Es gab diese Kultur vor vielen Jahrhunderten bereits in der arabischen Welt, und Katar will jetzt die Renaissance auf diesem Gebiet anführen. Sprecher: Eine Renaissance der Wissenschaft in der arabischen Welt? Das klingt ambitioniert, auch für einen superreichen Golfstaat. Aber in der Tat waren arabische Wissenschaftler schon einmal führend gewesen. In seinem Buch "Im Haus der Weisheit. Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur" beschreibt der in Bagdad geborene englische Physikprofessor Jim Al-Khalili wie im 8. Jahrhundert nach Christus in Bagdad das begann, was später die "Übersetzungsbewegung" genannt wurde. Musik Zitator: "Diese Entwicklung dauerte 200 Jahre, eine Zeit, in der die Weisheit früherer Zivilisationen - Griechen, Perser und Inder - zu großen Teilen ins Arabische übersetzt wurden. Sie führte zu einer großen Synthese der wissenschaftlichen Kenntnisse, die weit über die Summe dessen, was es vorher gegeben hatte, hinausging. (...) Zahlreiche Mäzene stellten zur Unterstützung der Bewegung gewaltige Geldsummen zur Verfügung, weil sie ihnen für Finanzwesen, Landwirtschaft, technische Projekte und Medizin praktischen Nutzen brachte." Sprecher: Aber ist es wirklich möglich, im Wüstenstaat Katar eine neue Initiative für moderne Wissenschaft zu starten? Auf den ersten Blick undenkbar in einem Königreich, das den Regeln des Islam streng folgt. Einem Land, in dem die Klassenräume in den Schulen zweigeteilt sind: eine Seite für die Mädchen, eine für die Jungs. Einem Land, das fast alle Produkte importieren muss - außer Erdgas. ATMO "Salam..." (Stimmen im Raum) Sprecher: Am Stadtrand von Doha steht ein schuhkartonförmiges Haus, der "Qatar Scientific Club", der Wissenschaftsverein des Landes. Der Emir hatte dieses Gebäude finanziert, um den Erfindern Katars mehr Raum zu geben. Die Eingangshalle ist weitläufig, viel Marmor, hohe Decken. Eine kleine Gruppe von Mitgliedern organisiert hier Bastelkurse für interessierte Jugendliche. In einer Ausstellungshalle präsentieren sie ihre Erfindungen: ein Feuermelder für die Küche, ein Sensor, der Blinde vor einer Treppe warnt, eine Tür mit runden Kanten, bei der man sich die Finger nicht einklemmen kann. Eine Erfindung aus diesem Haus der Wissenschaft sorgte weltweit für Schlagzeilen: der erste Jockey-Roboter für Kamelrennen. Seit seiner breiten Einführung verzichteten die Kamelbesitzer auf Kinder als Kamelreiter. Kinder, die meist aus Ländern wie Bangladesh oder Pakistan kamen und sich häufig bei den Wettrennen verletzten. OTON 3 IBRAHIM 28'' It was a black point for Qatar, our country. To use the children in the racing. A lot of children were injured. Sprecher: Rashed Al-Ibrahim, der Erfinder des Kamel-Roboters, trägt die landesübliche Kleidung: Einen weißen Turban, ein langes weißes Hemd, Sandalen. Sein Roboter besteht aus einem silbernen Metallgehäuse, groß wie ein Schulranzen, einer Platine, Steuerelektronik und Elektromotoren, die an den Zügeln ziehen oder das Kamel mit einer Gerte schlagen können. Die Serienproduktion hat eine Schweizer Firma übernommen. Jeder Scheich, der etwas auf sich hält, bestellt seine ferngesteuerten Jockeys dort. Aber wie soll nun hier eine moderne Wissensgesellschaft entstehen, eine akademische Kultur wie Cambridge, Boston oder Heidelberg? Immerhin war die arabische Wissenschaft über sechs Jahrhunderte hinweg akademisch isoliert. ATMO Baustelle Die Antwort Katars auf diese Frage ist "Education City". Ein weitläufiger Campus mit zeitgenössischer, leichter Architektur, am anderen Ende der Stadt. Fünf US- amerikanische Hochschulen wurden eingeladen, hier Dependancen zu gründen. Zukünftige Ingenieure studieren nun an der "Texas A&M University", Informatiker an der "Carnegie Mellon", Politikwissenschaftler an der "Georgetown University". Und so weiter. OTON 5 BAXTER 6'20 Well, we go for the best. And in most circumstances the American universities are among the highest performing. And I would say that American universities are a bit more entrepreneurial that universities from other countries. They have recognized that education is like any other service. It can be globalized it does not have to be delivered in one place. ÜBERSETZER: Wir wollten die besten haben, und dazu zählen nun mal die amerikanischen Universitäten. Außerdem sind sie auch etwas unternehmerischer als die Hochschulen anderer Länder. Sie haben verstanden, dass Ausbildung eine Dienstleistung ist wie jede andere auch ist, die man nicht nur an einem Ort sondern global anbieten kann. ATMO Universität, Leute in Gängen Sprecher: Auch das New Yorker Weill-Cornell Medical College hat in "Education City" eine Zweigstelle eröffnet - und ist so mit einem Schlag zu einem der führenden Ärzte- Ausbilderzentrum in der Golfregion avanciert. Das neue Gebäude ist innen wie außen strahlend weiß und wirkt wie ein Museum für Moderne Kunst ohne Bilder. Achtzehn Prozent der Studierenden stammen aus Katar, und sie sind leicht zu erkennen: Die Männer tragen weiße Hemden, die bis zum Boden reichen; die Frauen sind ganz in schwarze Gewänder gehüllt und hantieren mit teuren Sonnenbrillen. Bothina Al-Mulla ist eine von ihnen. OTON 6 BOTHINA 5'21 It's really a fortunate gift for me. That I live here and my family and study the career I want to. 9'41 The way life goes in America is different than here. Because here we have to respect our cultures. And there are certain limits that we need to follow (...) The familiy has a great role in the decisions you want to take. Because your parents think they have a great experience in life and they want to apply it and give their experience to their children. 7'29 The advantage of having it here in this region, because it really is one of the best universities for medicine. And here in our region not all the girls can study abroad as their families will not allow them. So you give those girls a chance. A big chance. ÜBERSETZERIN: Es ist wirklich ein glückliches Geschenk für mich: ich kann nah bei meiner Familie wohnen und an einer der besten Medizin- Hochschulen studieren. Das Leben hier ist anders als in Amerika. Wir müssen unsere Tradition respektieren, und es gibt gewisse Grenzen. Nicht alle Mädchen aus Katar dürfen im Ausland studieren. Ihre Eltern erlauben das nicht. Für diese Mädchen ist das Studium hier eine Chance, eine sehr große Chance. 15'' ATMO Labor Sprecher: Einer von Bothina Al-Mullas Professoren ist Khaled Machaca, ein gebürtiger Libanese. Der Biomediziner hat zuvor in den USA gearbeitet, ist noch nicht lange in Katar und verfügt nun über große, aber erschreckend leere Laborräume. Der 44jährige erforscht die Entwicklungsprozesse der weiblichen Eizelle: Er untersucht die Signale und Botenstoffe, die dabei ausgeschüttet werden. Grundlagenforschung, die irgendwann der Behandlung von Unfruchtbarkeit zugute kommen soll. Im Moment arbeitet der Professor noch mit Froscheiern, aber er will in Zukunft auch zu menschlichen Eizellen übergehen. Ebenso kann Machaca sich gut vorstellen, dass hier bald auch an Zellen geforscht wird, die von menschlichen Embryos stammen. OTON 7 MACHACA 8'52 The Koran says the embryo is not a human being until after 120 days of gestation. So ethically that issue would be non existant here if we ever decide to into human cells. As you know Qatar is a very islamic country with the Sharia being the law and so on. But you know we'll cross that bridge when we get to it. At this point we're doing very basic research. We don't have do deal with these ethical issues. But down the line we might have to. And it will make it interesting to explore these issues and see what can be done and so on. Clearly stem cell research in the US where I came from and the ethical research on doing fertilization research is very very tightly controlled. And there is very little you can do. Doing research in this part of the world might be an advantage in this arena. ÜBERSETZUNG: Der Koran sagt, das Embryo ist kein menschliches Wesen bis 120 Tage der Schwangerschaft vergangen sind. Also hätten wir ethisch kein Problem damit. Im Moment ist das noch kein Thema für uns, aber wenn die Zeit gekommen ist, werden wir uns mit diesen Fragen befassen und sehen, was möglich ist. In den USA ist etwa die Stammzellenforschung sehr stark eingeschränkt. Es könnte also ein Vorteil sein, diese Forschung hier, in diesem Teil der Welt, zu machen. ATMO Baustelle Sprecher: Katar im Jahr 2008: Aufbruchsstimmung, aber noch keine aktive wissenschaftliche Kultur. Eine Wissenschaftsrenaissance scheint noch in weiter Ferne. Aber: auch das Goldene Zeitalter der arabischen Wissenschaft im 8. Jahrhundert hatte nur sehr langsam begonnen, schreibt Jim Al-Khalili in seinem Buch und erzählt von der Zeit als Kalif al-Ma'mun an die Macht kam und zum großen, arabischen Wissenschaftsförderer wurde. Musik Zitator: Mit der Entstehung des Islam verlangte man von Astronomen und Mathematikern, dass sie die Gebetszeiten und die Richtung nach Mekka ermittelten oder die Mondphasen verfolgten. Erst während der Regierungszeit jedoch kam es plötzlich zu einer (...) Kultur, die das freie, kreative Denken in einem breiten Spektrum verschiedener Fachgebiete begünstigte. Al-Ma'mun war von einem nahezu fanatischen Wunsch getrieben, alle Bücher der Welt unter einem Dach zu versammeln, ins Arabische übersetzen zu lassen und dafür zu sorgen, dass seine Gelehrten sie studierten. Die Institution, die er zur Verwirklichung seines Traumes ins Leben rief, (...) wurde in der ganzen Welt als das Haus der Weisheit bekannt. Sprecher: Das "Haus der Weisheit" war eine wissenschaftliche Akademie, Übersetzerbüro und Forschungsinstitution in einem. Jim Al-Khalili gibt eine detailreiche Übersicht über die akademischen Leistungen, die von hier im Mittelalter ausgingen. Arabische Wissenschaftler brachten das Zahlensystem, das wir heute kennen, nach Europa. Sie entwickelten die Algebra und leisteten wichtige Vorarbeiten für Geistesgrößen wie Kopernikus und Newton. Und sie arbeiteten an ersten Großforschungsprojekten. Zitator: Al-Ma'mun baute (...) die ersten Sternwarten der islamischen Welt und finanzierte und verfolgte als erster Herrscher persönlich den Fortschritt wissenschaftlicher Forschungsprojekte, an denen ganze Gruppen von Gelehrten und Wissenschaftlern gemeinsam arbeiteten. Atmo: Muezzin, Baustelle Sprecher: Auch im Jahr 2011 wird in Katar immer noch viel gebaut. Der Wald aus Hochhäusern in der Hauptstadt Doha ist dichter geworden als noch 2008. Auch "Education City" ist gewachsen. Andere Golfstaaten bemühen sich indes ebenfalls darum, neue Hochschulen nach westlichem Vorbild einzurichten: Saudi Arabien, Abu Dhabi, die Vereinigten Arabischen Emirate, Dubai. Doch meist haben sie nur fortschrittlichere Bildungsinstitutionen etabliert, keine Forschungszentren. Katar aber geht einen eignen Weg in Richtung Wissensgesellschaft, angeführt von seinem weltoffenen Herrscherpaar, das den Frauen zunehmend mehr Rechte einräumt und das mit dem Sender "Aljazeera" nicht nur die arabische Medienwelt aufmischt. OTON 9 MACHACA SG 10'10 Three years in a way is a very long time. Good morning. How are you. Good, good, go ahead. Sprecher: Der Biomediziner Khaled Machaca ist auch im Jahr 2011 noch in "Education City" tätig. Seine Laborräume sind mit dem neusten technischen Gerät ausgestattet. Entlang eines langen Korridors: 36 lange Werkbänke, an denen verschiedene Wissenschaftler-Teams arbeiteten. Doch ab der Hälfte des Korridors sind die Werkbänke noch unbenutzt. Das "Weill-Cornell Medical College" beschäftigt derzeit 80 Forscher. In den kommenden drei Jahren sollen es 120 werden. OTON 10 MACHACA 1'30 That is a very important crux of our programme. The number of researchers at Cornell in Qatar in the short and long term will be small. The papers published - our numbers are very small. But we have made it a point from the very beginning of the programme that we really want to focus on high quality research. That is something we are not willing to compromise on. People are publishing in top journals. And that is what it is all about. Focus. And the science that you are doing is competitive internationally. That is very important. ÜBERSETZER: Das ist ein großes Problem für unsere Hochschule. Die Zahl der Wissenschaftler ist relativ klein, zumindest wenn man es mit einem US- amerikanischen Campus vergleicht. Auch die Zahl unserer Publikationen hält sich in Grenzen. Aber wir haben von Anfang an gesagt, dass wir hochwertige Wissenschaft machen wollen und in Top-Journals publizieren. Das ist wichtig: dass wir fokussiert sind und dass das, was wir tun, international wettbewerbsfähig ist. Sprecher: Machaca selbst hat in jüngster Zeit neue Ergebnisse zu Signal-Mechanismen von Eizellen veröffentlicht. Inzwischen forscht er nicht mehr nur an Fröschen, sondern auch an Mäusen. Die Experimente an menschlichen Eizellen will er später beginnen. Mit seiner Grundlagenarbeiten will der 44jährige langfristig dazu beitragen, die Behandlung von Unfruchtbarkeit zu verbessern, aber auch die Forschung an Krankheiten wie Krebs, Bluthochdruck und Diabetes voranbringen. OTON MACHACA 11 G 3'15 This is exciting this has been a lot of fun. Building a programme from scratch is a lot of work but also a lot of fun. I have enjoyed it. The nice thing in Qatar is the support. And the political will to make something happen. You are not spinning your wheels you are actually making real progress and making real change. So that has gone quite well. I'm still here. (LACHEN) ÜBERSETZER: Es macht viel Spaß aber auch viel Arbeit, hier alles ganz von vorn aufzubauen. Aber es gibt in diesem Land den politischen Willen etwas zu bewegen. Die Dinge laufen gut - darum bin ich immer noch hier. ATMO Halle Sprecher: Auch die Medizin-Studentin Bothina Al-Mulla ist drei Jahre später noch in den langen Gängen des "Weill-Cornell Medical College" in Katar unterwegs. Sie trägt nach wie vor eine schwarze Robe, die ihren Kopf bedeckt und bis zu ihren Füßen reicht. Und doch wird schnell deutlich, dass sie sich verändert hat: Die 26jährige spricht langsamer, selbstbewusster. Unlängst hat sie ihre letzte Prüfung bestanden und ist nun approbierte Ärztin. OTON 12 BOTHINA II 17' Now I graduated and I am "Dr. Bothina" now. What changed is that I finished all 4 years of medical school. OHNE ÜBERSETZUNG Sprecher: Einen Monat hat die junge Frau in New York in einer Fertilitätsklinik gearbeitet und will nun Frauenärztin werden. OTON 13 BOTHINA #00:06:15-7# Here in Qatar I notice the average number of children per family is around 6. LACHEN. Some have a dozen and some have none. So we have the two extremes. 3'55 And I am really luck to get the opportunity to work in NY in the infertility center for one month it was a great experience to see how would I be in 6 years. With that speciality treating patients that way. What I really learned from it, not only the knowledge of the fertility medicine. But also how patient feel - those who don't have children, suffer to have only one child and bring it in the family. (...) It was really such an emotional experience and a knowledgeable experience. But there in NY they have a really all kinds of options... the ladies if they have a problem with their uterus can have a uterus donor or an egg donor, there is a sperm donor. But here in our region and specifically related to our religion some of those options are forbidden. For me I would really like to use all my knowledge use all the technologies I have (...) - to create an option that will be suitable for our (...) people here. I remember once there was a muslim lady... the doctor told her all the options... I saw her crying... I wish I had something to offer her. ÜBERSETZERIN: Hier in Katar haben wir etwa 6 Kinder pro Familie. Im Durchschnitt. Manche haben ein Dutzend Kinder und andere gar keins. Wir haben also die beiden Extreme. In der Klinik in New York habe ich gesehen, wie sehr Paare leiden, die sich ein Kind wünschen, aber keines bekommen. Aber in New York werden den Menschen sehr viele Möglichkeiten geboten: Es gibt Eizellenspenden, Samenspenden, sogar Gebärmuttertransplantationen. Aber hier bei uns in Katar verbietet die Religion viele dieser Wege. Ich erinnere mich noch genau an eine Muslimin, die über diese Möglichkeiten in der New Yorker Klinik aufgeklärt wurde. Sie lehnte ab, aber ihre Augen weinten. Ich wünschte, ich hätte ihr eine Lösung anbieten können. Sprecher: Bothina Al-Mulla will bei Professor Machaca im Labor arbeiten, um nach neuen Wegen für unfruchtbare arabische Frauen zu suchen. Durch ihre Ausbildung in "Education City" hat sie nicht nur herausgefunden, was sie beruflich machen will. Sie hat auch ihren Horizont deutlich erweitert. OTON 14 BOTHINA At the beginning I had the fear. That I won't be respected there because I wear a scarf. I thought they will be mistreating me. But honestly the patients, the doctors were amazing. There was no discrimination when I was there. And I was so glad to represent my country, my religion and myself there. #00:18:02-1# I remember the story of a jewish patient. I was taking care of that patient. He was always in an angry mood. I don't blame him. He was really in a painful situation. I was replying to that with a smile, offering all what I have to cure him. So one day before I left I told him I have to leave and thanking him to be a good patient to me and allowing me to take care of him. I told him I was going back to Doha. He then asked me a question: Wait a minute - are you a muslim? Yes. He said: I'm Jewish. I said: OK, I know. And he said how come you take good care of me. You smile to me whenever I am angry at you. And you never hurt me. I said I am here to give you good care. He nodded and said I think you made me change the way I think about muslims. I am really really proud that I gave that good image. to different people, about our religion our community and myself. ÜBERSETZERIN: Anfangs hatte ich Angst, dass ich nicht respektiert würde, weil ich einen Schleier trage. Aber die Ärzte und die Patienten waren freundlich zu mir. Niemand hat mich diskriminiert. Ich erinnere mich auch daran, dass ich einen jüdischen Patienten betreute. Er war immer schlechter Laune, was ich verstehen konnte, es ging ihm wirklich schlecht. Ich gab mir Mühe nett zu ihm zu sein, und an meinem letzten Tag erzählte ich ihm, dass ich zurück nach Doha fliege. Er sagte: Moment mal, Sie sind Muslimin? Warum haben sie sich eigentlich so gut um mich gekümmert? Er sagte, er denke jetzt anders über Muslime. Und ich bin sehr stolz, dass ich bei ihm und anderen Leuten einen guten Eindruck hinterlassen konnte - von meiner Religion, von unserer Gemeinschaft und von mir selbst. Sprecher: Vielleicht ist Bothina Al-Mullas persönliche Entwicklung ein Indiz dafür, dass Katar mit seiner neuen Wissenschaftsinitiative mehr verändert als nur ein Ausbildungssystem. Immer mehr Wissenschaftler werden in die Arabische Welt kommen, arabische Wissenschaftler werden den Rest der Welt besser kennen lernen. Vielleicht wird sich in der Tat eine Kultur des Wissens und der gegenseitigen Achtung durchsetzen, so wie damals, im Goldenen Zeitalter der arabischen Gelehrsamkeit. Mu sik Zitator: Zu den Aspekten, in denen sich die muslimischen Krankenhäuser des Mittelalters von ähnlichen Einrichtungen in anderen Ländern unterschieden, gehörte ein höherer Standard der medizinischen Ethik. Die Ärzte behandelten Patienten aller Religions- und Volkszugehörigkeiten. Man erwartete, dass sie sich ihren Patienten unabhängig von deren Vermögen oder Herkunft verpflichtet fühlten. ATMO Brummen Sprecher: Direkt außerhalb des weitläufigen Gebäudes des "Weill-Cornell Medical College" ist es unerträglich heiß. Aus großen, vergitterten Schächten dringt die Abluft der Klimaanlagen. Die Sonne brennt, auch im Schatten einer Dattelpalme. Die Studentin Eman Al-Dous ist schon mehrfach auf diese Palme geklettert - im Auftrag der Wissenschaft. OTON 15 ENAN 55' In the beginning we had (...) samples from these trees but without knowing whether it is male or female. We wanted just to check if our technique is fine, whether we can do the grinding and the sequencing. But we could not tell the difference. Between this one and this one - can you tell the difference? No. ÜBERSETZERIN: Am Anfang haben wir Proben von diesen Bäumen genommen. Wir wollten zunächst nur ein paar Blätter verarbeiten und DNA aus ihnen isolieren. Dabei wussten wir nicht, ob diese Palme männlich oder weiblich ist. Es ist unmöglich das Geschlecht von jungen Palmen festzustellen. Sprecher: Inzwischen klettert Eman Al-Dous nicht mehr auf Palmen herum. Die 26jährige ist mit ihrem zweiten Kind schwanger und hat bereits eine bemerkenswerte wissenschaftliche Karriere gemacht. Nach ihrem Bachelor-Studium der Biomedizin an der arabischen Katar Universität hatte sie zunächst an einer Ausbildung zur medizinisch-technischen Assistentin an einem Krankenhaus in Katar teilgenommen. OTON 16 Eman #00:08:16-2# But I knew from the beginning that this not the place that I want to be. So looked for a good opportunity to be a researchers. When Weill-Cornell came out it was like - ah! - this is the place this like heaven for me. You don't do routine work. Everyday you come to work and say: I am gonna try this idea. Is it going to work? Every day is a new day for me. I just can't wait to come here. The people around us really help you and they give you what you want. They assist you. Of course you sometimes come with stupid ideas. They just say, oK you can try. LACHEN ÜBERSETZERIN: Aber ich wusste von Anfang an, dass das nichts für mich war, denn ich wollte Wissenschaftlerin werden. Als ich dann die Möglichkeit erhielt, am Weill-Cornell College zu arbeiten, war das wie ein Stück Himmel für mich. Jeden Tag darf ich hierher kommen und neue Dinge tun. Die Leute sind sehr hilfsbereit und wenn ich mit einer verrückten Idee komme, dann sagen sie nur: OK, probier es aus. Sprecher: Eman Al-Dous stieß zu einem Team um den Genomikers Joel Malek, der das Erbgut verschiedener Pflanzen entschlüsselte. Dort sequenzierte sie das Genom der Dattelpalme. Dabei kam Eman Al-Dous zugute, dass ihr Vater ein katarischer Bauer ist, der neben verschiedenen Gemüse-Treibhäusern auch einige Dattelpalmen auf seinem Hof hat. OTON 17 EMAN SG #00:00:34-9# I was like: we knew the sequence, so what? Then we thought: OK, let us find something interesting about it. OK, the thing that nobody until now knows about is that: nobody can tell the difference between male and female. Nobody can tell whether its a male or female until 5-8 years. Until it starts polynating. So we thought we could at least make it easier for farmers: they only care about females, because they are the fruiting ones. And some of the cultivors have good quality fruit and they have good properties, like salt resistance and they can grow on very high temperature weather. So the first step to know all that is to know which one is which. When I have that little plant is it a male or female? ÜBERSETZERIN: Ich habe mir überlegt: OK, was machen wir jetzt mit dieser Dattelsequenz? Mir wurde relativ schnell klar, dass es großartig wäre, wenn man zwischen männlichen und weiblichen Palmen unterscheiden könnte. Denn das können die Bauern bislang erst dann wissen, wenn die Bäume etwa 6 Jahre alt sind und die weiblichen die ersten Früchte tragen. Die männlichen Palmen tragen nämlich keine. Es wäre also großartig, wenn man schon bei kleinen Pflanzen wüsste, ob sie weiblich sind oder männlich. Sprecher: Genau diesen kleinen Unterschied im Erbgut konnte Eman Al-Dous ausfindig machen, mit viel Fleißarbeit im Labor. Es stellte sich heraus, dass die Dattelpalmen ein ähnliches XY-Vererbungssystem haben wie die Menschen. Nachzulesen sind ihre Ergebnisse im Fachblatt "Nature Biotechnology". Eman Al-Dous und ihre Kollegen wollen nun weiter mit dem Dattel-Palmengenom arbeiten. Über Einzelheiten redet sie nicht gern. Vermutlich haben sie Patente angemeldet und werden versuchen, eine Art Geschlechtstest für arabische Baumschulen zu entwickeln. In den kommenden Jahren möchte sie einen Master in Molekularbiologie machen. Sie hat sich jetzt an der renommierten John Hopkins Universität in den USA beworben. Mit der Publikation in ihrem Lebenslauf stehen die Chancen gut. OTON 19 MACHACA 11'44 You have to give people freedom. But some of them will come back. Simply because it's home. Home is the place where you grew up, where you feel comfortable. And there is ties. In the long term it will work out. ÜBERSETZER Man muss den Leuten Freiheiten geben, und einige von denen, die wir ausgebildet haben, werden weggehen und wieder zurück kommen. Es werden Bindungen entstehen, Katar wird ein Stück Heimat für sie sein, und sie werden sich hier wohlfühlen. Ich denke, es wird funktionieren, langfristig. Sprecher: Bereits vor 1000 Jahren waren Wissenschaftler, Erfinder und Ingenieure ein wichtiger Teil der arabischen, akademischen Kultur. Sie brachten viele Neuerungen und sorgten für Wohlstand, schreibt Jim Al-Khalili in seinem Buch "Im Haus der Weisheit". Musik Zitator: Eines haben alle mittelalterlichen arabischen Texte über Chemie gemeinsam: eine große auf sorgfältige Experimente gestützte Aufmerksamkeit für Details. Die neuentwickelten Verfahren wurden zur Triebkraft für eine blühende, erfolgreiche Industrie. Sprecher: Heute, in Katars "Education City" hat eine große Ingenieurschmiede, die amerikanische Texas A&M Universität, eine Dependance eröffnet. Nesrin Özalp forscht hier, eine türkischstämmige Professorin für Maschinenbau. OTON 20 NESRIN (Atmo Rascheln) There it is. So. This is her. This is the head of Fraunhofer. .... Sprecher: (darüber) In ihrem Büro bewahrte sie einen Zeitungsausschnitt der "Gulf Times" auf. Darauf ein Foto von Sheikha Mozah bei einer Veranstaltung in Berlin: Links neben ihr sitzt ein Vertreter der Fraunhofer Gesellschaft, rechts ein Repräsentant der sächsischen Landesregierung. Gemeinsam lauschen die drei einem Vortrag von Nesrin Özalp. OTON 21 NESRIN She is sitting there and I was presenting. (Lachen) Sprecher: Nesrin Özalp hat lange in den USA gelebt und befasst sich mit neuartigen Solartechnologien. Sie arbeitet daran, Erdgas direkt zu verwandeln in Kohle und Wasserstoff - ohne dass dabei das Treibhausgas Kohlendioxid entsteht. Dazu will Nesrin Özalp die Methan-Moleküle bei sehr hohen Temperaturen von etwa 1500 Grad Celsius aufbrechen. In ihrem Labor hat sie einen tonnenförmigen Reaktor gebaut, der mit gebündeltem Sonnenlicht aufgeheizt werden kann. Im Vergleich zu Reaktoren anderer Wissenschaftler hat Özalps spezielle Konstruktion einen entscheidenden Vorteil: Er explodiert nicht. OTON 22 NESRIN mit Labor ATMO 18'55 The moment that the methane is decomposing to hydrogen and carbon - those carbon particles get together and they attack the exit. But we want them to go one by one so we can collect them at the exit. But the problem right now everyone is facing in France, in Switzerland , Isreal is: that these little carbon particles block t he exit and then boom! So its like a cup of coffee. How can you make it rotate (sugar. In here we cannot take a spoon and stir the reactor. So the the magic is without stirring it without shaking it how can me make the flow inside rotate? That is why this study is very important, a kind of a breakthrough. ÜBERSETZERIN: In dem Moment, wo das Methan zerlegt wird - in Wasserstoff und Kohle - kann es passieren, dass die Kohlepartikel zusammenklumpen, sich in der Nähe des Reaktorausgangs niederschlagen und alles verstopfen. Der Reaktor fliegt dann in die Luft. - Dieses Problem haben alle meine Kollegen: in Frankreich in der Schweiz, in Israel: Meinen Mitarbeitern und mir aber gelingt es nun, das Gas im Reaktor so zu verwirbeln, dass die Kohlepartikel eines nach dem anderen beim Ausgang herauskommen. Das ist sehr wichtig, man kann von einem Durchbruch auf diesem Gebiet sprechen. Sprecher: Nezrin Özalp hat mit Hilfe von Computersimulationen eine besonders günstige Anordnung von Einlassöffnungen für das Methangas gefunden. Die Einzelheiten des Reaktordesigns sind Teil eines Patents, das sie sich mit der Fraunhofer Gesellschaft teilt. Auch das gibt es mittlerweile: internationale Kooperationen. Und das zieht immer mehr Wissenschaftler an. OTON 24 LINKE 4'13 Das spannende in Katar zu arbeiten ist im Endeffekt die Geschwindigkeit hier. Es passiert sehr viel sehr schnell. Und im Endeffekt weiß man auch, dass Katar in der Lage ist, einen guten Plan umzusetzen. Sprecher: Patrick Linke, ein deutscher Professor für Prozess-Systemtechnik, der schon seit vielen Jahren im Ausland arbeitet, ist an die "Texas A&M Universität" gekommen, um einen Wasser- und Energiemasterplan für Katar zu entwickeln. OTON 25 LINKE SG 18'15 In Katar werden keine wirklichen Show-Projekte umgesetzt, sondern die Projekte verfolgen langfristige Ziele, die darauf gerichtet sind, die Wirtschaft zu diversifizieren, die Umwelt zu verbessern und auch das Volk besser auszubilden - für die Zeit nach Öl und Gas. Sprecher: Die Katarer haben der Deutschen Bahn den Auftrag für ein neues, landesweites Schiennetz erteilt, sie engagieren sich für die Einführung erneuerbarer Energien. In jüngster Zeit ist in Katar eine Initiative für umweltfreundlicheres Bauen, die "Green Building Initiative" sehr aktiv. Der Architekt Alex Amato sieht in diesem Wüstenstaat sogar ein zukünftiges Modell für andere Entwicklungs- und Schwellenländer. OTON 26 AMATO If you like the main problems are to get the CO2 footprint per person down for the country. Because it is, depending on how you calculate it, one of the highest in the world. That is one of the key aspirations of Qatar. The problem is how do we deliver that. Is it through regulation how much does transport contribute etc. So there is a whole sort of mapping exercise that needs to occur - before we can find the hotspots and then think of strategies to tackle that. I think, and the reason for me being here is that Qatar can be exemplare for the region and the whole world. They have certainly got the financiall variable to deliver it, and they have got the vision. And it is just a question of harnassing knowledge and developing buildings and indeed city areas that are potentially could be exemplars for the whole world. ÜBERSETZER: Das größte Problem besteht in diesem Land darin, die Treibhausgasproduktion pro Person deutlich zu verringern. Sie gehört zu den höchsten der Welt. Die Katarer wollen daran etwas ändern. Die Frage ist: wie kann das gelingen? Transport und Gebäude sind sicherlich Bereiche bei denen man etwas tun kann. Wir sind jetzt dabei, eine Gesamt-Bilanz aufzustellen und bestimmte Hotspots zu identifizieren, also Problembereiche, die wir dann angehen müssen. Katar hat das Geld und die Vision, um all das in die Tat umzusetzen. Das ist der Grund, warum ich hier arbeite. Wir müssen jetzt das Wissen bündeln - und können dann ein Beispiel werden für die ganze Welt. Musik Sprecher: Ganz offensichtlich verfolgen der Emir und seine Frau eine große Vision, und ihr Volk unterstützt sie dabei. Ob es ihnen aber tatsächlich gelingt, aus Katar ein Haus der Weisheit am Golf zu machen, wird sich erst langfristig zeigen. Die Chancen jedenfalls stehen nicht schlecht. ENDE 16