DEUTSCHLANDFUNK Redaktion Hintergrund Kultur / Hhörspiel Redaktion: Ulrike Bajohr Tel. (0221) 345 1503 Wächter des Wartens. Vollzugsbeamte in Berlin Ein Feature von Paula Schneider Sprecher: Redaktion: Ulrike Bajohr Ton und Technik: Regie: Thomas Wolfertz Produktion: 9.- 11. Juni 2008 URHEBERRECHTLICHER HINWEIS Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. ? DeutschlandRadio Sendung: 11. Juli 2008 (Musik/Atmo) Blümel (murmelt): Ich nehm das gar nicht mehr so wahr. Schlüssel - Tür auf B: Die 10 Jahre, die ich arbeite hier.. Tür zu, Musik aus Zelle B: (leise) Da ist Frau Günter-- Frau Günter: Hallo Herr Blümel. B: Hallo Frau Günter. Na? G: Na? B: Stehen Sie hier schon lange? G: Nee, gerade ebend. Wächter des Wartens Vollzugsbeamte in Berlin. Ein Feature von Paula Schneider. (Blümel) Hier kriegen Sie bestimmt auch ein paar kritische Stimmen. Gelächter von 4 Frauen 2. Frau: Hat er sich mal die Couch angezogen. Blümel(leis): Nee letztens saß ich da. Frau G (laut): Aber die is noch schlimmer. Sie merken schon, wir brauchen neue Couchen. Blü: Na die sind eigentlich so, dass man, na ich meine - 2.Frau: Dass man nicht mehr aufstehen will. Blü: Als ich letztens da saß, dachte ich auch, ach jetzt n gemütlichen Fernsehabend hier... Stimme 1: Die schiefe Couch steht neben zwei weiteren müdegesessenen Sofas und einem flachen Tisch. Weiter hinten Regal, Wasserkocher, Fernseher. Auf der Couch sitzen vier Frauen und ihr Direktor. Blümel: Wenn ich Ihnen jetzt n Kuchen hole, dann ist das wieder- Fr 2: Wenn sich das rumspricht. B: Genau. G: Ihr juter Ruf, ey! Völlig ruiniert! Blü (leise): Kuchen, Kuchen. Hier n Kuchen, da n Kuchen... Stimme 1: Im Stadtteil Lichtenberg im Osten Berlins. In einem Gebäude, das sich zwischen Mietskasernen versteckt, und das der kleinen Straße eine offiziöse kühle Schulter zeigt. Mielkes geknackte Stasizentrale ist nur einen Steinwurf entfernt, an der stark befahrenen Frankfurter Allee. Und auch hinter dieser Fassade, die eine Farbe hat wie nasser Sand, haben Geheimdienste residiert. Die Staatssicherheit exekutierte hier Untersuchungshaft, und vorher, in den Kinderjahren der DDR, tat das der sowjetische Geheimdienst. Der hatte auch seinen Henker dabei. Heute ist die sandfarbne Burg Hauptsitz der Berliner Justizvollzugsanstalt für Frauen. Stimme 2: Geschlossener Vollzug. Frau G: Da brauch man auch dit Schlüsselgeklapper, damit dit dann authentisch ist. 2.Frau: Die Zellentüren. G: Die Blechnäpfe, die klappern. (Lachen) B: Ja, genau, die Schreie der Gefolterten. (läuft weiter) Blümel: Wir hatten hier eine Delegation aus dem Irak da. Und da haben sie gefragt: werden Sie denn hier gefoltert? (G: Hehe.) Und dann hat eine Frau gesagt - nee eigentlich nicht. Aber das Essen! (lachen) .... G: Essen Sie dit och? B: nein, aber ich habs mir angeguckt. lachen G: Herr Blümel, ick bin ja echt stolz auf Sie! Sie haben sich unser Essen angekiekt! Wahnsinn! (läuft weiter) Stimme 1: Regierungsdirektor Mathias Blümel ist Chef der JVA für Frauen. 56jährig, Silberhaar. grauer Schnauzbart. Seit 10 Jahren im Dienst bleibt er noch immer gelassen. (leise) Bayerin: Ja. Ich hab ihn noch nicht anders erlebt. Nee. Du kennst n doch am längsten von uns. G: Softie. Bayerin: ich glaub der steht da drüber. Er war ja früher mal Sozialarbeiter, ne? 2.F: Ich denk mal, er muss es ja auch irgendwie mit sich vereinbaren, was er hier so tut. Und so ist für ihn die beste Lösung. Wenn er hier auf Kämpfer durch und - weiß nicht, da macht er sich ja selber mehr Stress, als nötig ist. Und die unangenehmen Sachen werden ihm ja eh abgenommen. Stimme 2: Zum Beispiel im Aufnahmebereich. Der ist die erste Station für jede Inhaftierte. G: Ja, Zugang ist n schwieriger Bereich. Da kommen die Frauen alle an, und da ist auch n janzen Tag zu, und da wird nur dit nötigste geschlossen, und gearbeitet und so. Stimme 1: So wirken die Beamten auf dem Zugang? G: Na kürzer anjebunden. Weniger Bock, mit den Inhaftierten großartig Aktion zu machen. Da beschließt sich halt alles aufs wegschließen und uffschließen und so. Bay: Und wenn die n schlechten Tag haben, die lassen es schon auch aus an den Leuten. G: Arbeitsunfreudiger sind die da drüben. Bay: Ja, sind ekelhaft, zum Teil. G: aber dit hat ja nichts mit uns hier zu tun. G: Und wenn dann genug Beschwerden sich angesammelt haben, dann wird mal irgendwann wat unternommen. Dit dauert aber allet seine Zeit. Oder muss halt janz massiv sein, weeß ick nich, Gewaltandrohung. Oder anjebaggert oder irgendwat. Ganz selten. Bayr. Frau (leise): Und da ist, also hier; Beamte in Berlin und in Bayern, - himmelweiter Unterschied. Also hier kann man sagen, es sind Menschen. Und da unten würd ich jetzt kein Wort dafür sagen. Stimme 1: Das ist schon ein besonderer Knast hier, sagt die Bayerin. G: Also die Männer sind natürlich rücksichtsvoll. Platzen nicht einfach so in deine Hütte rin oder so. Bay (leise): manche Frauen auch, also - G: Ja. Na gut, ja, aber bei ner Frau kannst du- Bay: Wenn Schopper hier durchrennt, letztens mit der blonden, der hat einen Lärm gemacht! G: Nee, ich meine nur, dass se nicht direkt in der Hütte stehen oder so, weißte, weil du könntest ja auch nackt da irgendwie rumliegen oder so. (leise Rockmusike) Allet schon dajewesen! Pünktlich zum Einschluss! So, ausjepellt, und halbnackt im Bett jelegen. Uuaah.. (lachen) Stimme 1: Und dass Beamte Frust abreagieren -so was gibt es nicht? G: Also eher dann von unserer Seite, dass mal jemand explodiert. So die Bediensteten, die ham ja auch draußen irgend n Pol, weeßte, die könn sich ja ooch draußen ausleben. Währenddessen wir natürlich immer hier drinne sind, da kann dit natürlich mal leichter passieren. Ham wa letztens jehabt, is nach Vechta verlegt worden. N Beamten angegangen. Bay: Ja, getreten, geschlagen. Wie sie n halt erwischt hat. Aber ich glaub nicht lang. G: Bei Alarm werden immer erst mal alle weggeschlossen, aus Angst vor Meuterei. (lacht stolz) Ja.. Meuterei auf der Bounty. Stimme 1: Und nach einer Meuterei, was passiert da? Stimme 2: Dann - ab in den "Bunker"! Frau G (laut): Gesondert gesicherter Haftraum. ( +TV-Ton) Bay: Wenn man eine Gefahr für sich selber darstellt oder für andere. G: Da ist nichts drinne. Außer n Steinklotz und ne Matratze druff. Blü: Toilette ist auch noch drin. G: Ja. Aber auch so dass de se nicht rausruppen kannst. I: Und gibt's oft Schlägereien? G: Nein, wenig. Also Frauen sind sehr friedlich. Oder friedrich. Fried- - friedlich-er, Rrrrrr! Blümel:. Wenn Sie die Statistiken sehen, merken Sie ja, dass es in Berlin etwa 5000 inhaftierte Menschen gibt. Davon sind 250 Frauen. Also das ist ein Zeichen dafür, dass es doch Unterschiede zwischen Männern und Frauen geben muss. Frauen haben andere Lebensprioritäten Stimme 1: Von 5000 Menschen offiziell hinter Gittern in Berlin sind also 250 Frauen. Um die 100 hier in Lichtenberg. Das klingt überschaubar. (+Wasserkocher) G: Davon mal abgesehen, ist hier viel zu wenig Personal. Hier ist ja teilweise der Knast zu, weil keiner da ist. Na dass kein Aufschluss ist, dass die Frauen nur unter Verschluss sind. Auch jetzt generell. Dass hier nicht ständig jemand kiekt oder so. Ist ja gar nicht das Personal für da. Stimme 1: Gerade die Vögelchen aus dem Jugendbereich können manchmal ziemlich laut zwitschern. 1.Mädch. (laut): Also, jetzt mal kack auf dit Angebot, was da vielleicht entsteht, aber wir sind trotzdem immer noch im Einschluss. B: Naja das eine hängt ja mit dem anderen zusammen. Wir haben einen hohen Krankenstand, und der führt dazu, dass wir hier sehr wenig sind, und die Sicherheit- 1.Mä: Warum stellen Sie keine neuen ein? 2.Mä: Kein Etat! Na sag mal! Dit weeß man doch! B: Das Land Berlin ist ziemlich blank. 1.Mä: Aber die janzen kranken Leute hier, die Beamten, die wegen Faulheit krank sind. - Oh, tschuldigung. Äh, die kriegen noch n Haufen Kohle in Arsch gebrettert, ich fass es nicht, ehrlich. Die könnten doch wenigstens mal - was heißt Verweis, mal ne Ermahnung, oder irgendwas kriegen. Das muss doch bei den Beamten nicht ausgeschlossen sein, damit die mal n bisschen klarkommen da in ihrem Nischel. Von uns wird verlangt, wir sollen uns zusammenreißen, bla und hin und her. Mä: Wir wissen doch mehr als die Beamten! Wat kommen die überhaupt hier noch arbeiten? Dit einzige wat se wirklich können, is Zelle auf u zuschließen. Mehr können die nicht! Und vielleicht noch n bissel Essen austeilen u Post austeilen. Aber das machen wir ja och noch, U telefonieren, telefonieren. Soviel Bürokram.. Eh, ich fass es nicht. Stimme 1: Herr Blümel steht daneben und bleibt ruhig. Also: ein Beamter in einer JVA braucht ein Abonnement auf innere Ruhe. (Handyklingeln) B: (leis) Ich kann nicht! Ja gut, tschüß. (lachen) 2.M: Dit scheint Ihnen ja hier echt sehr wichtig zu sein. B: was? Das Gespräch hier. B: warum meinen Sie, dass es mir nicht wichtig ist? 1.Mä: Weil Ihr Handy an ist, u dit macht man nicht. In soner Art Meeting. Dit müssten Sie eigentlich wissen. Mä (lacht): macht mans eigentlich lautlos! (Musik) G: Manchmal ist dit auch für uns schwer, hier irgendwie den Sinn zu finden. In dem Ganzen. Manchmal ist es halt so, du hast hier absolute Narrenfreiheit, weeßte. Und am andern Tag hat jemand anders Dienst und äh dreht dir den Strom ab, weil die Mugge n bisschen zu laut ist. Franz: Also ich träume sehr wenig von der Arbeit oder so. Einer meiner anstrengendsten Träume war mal, dass ich selber inhaftiert war, in U-Haft, weil ich angeblich versucht habe, heißes Wasser in meiner Thermoskanne hier in die Haftanstalt zu schmuggeln. Stimme 1: Sebastian Franz. F: Und ich hab dem Richter immer die ganze Zeit gesagt, was für Schwachsinn das wäre, ich könnte den Wasserkocher anstellen, wenn.. Aber es war nichts zu machen, er hatte kein Erbarmen, ich musste weiter in Untersuchungshaft schmoren. Daran erinnere ich mich noch. Aber sonst sehr wenig. Man schaltet dann auch ab irgendwie. (+ Spatzen) Stimme 1: Herr Franz, 50 Jahre. Berlin Pankow. Wie ein trutziges Schloss steht da die Filiale der Frauen-JVA, eng eingemauert, auf einer Insel zwischen Straßen und Wohnblocks. Stimme 2: Lichtenberg und Pankow sind die einzigen noch für den Strafvollzug genutzten Gefängnisbauten im Osten Berlins. F: Es ist ein sehr wichtiger Aspekt einer humanen Gesellschaft und eines humanen Strafvollzuges, dass man grundsätzlich auch akzeptiert, dass auch der Schuldige, Straftäter oder so; in keiner Weise das Recht verliert, Wünsche zu haben und sie auch zu äußern. Es gibt natürlich unendlich viele Wünsche, spätestens der Satz: darf ich nach Hause, wo man Nein sagen muss. Aber es ist für mich persönlich immer ein Grundsatz: die Frage dürfen sie stellen. F: Und da man das bei allen zulässt, ist im Grunde das auch nicht relevant, ob da ne Schuld vorliegt. F: Das ist auch so `n Punkt, den man bedenken muss: ich bin nicht zum Strafen hier in irgendeiner Weise. Sondern, ähm das was der Justizvollzugsbeamte machen soll oder macht, ist ne Betreuungstätigkeit und keine Bestrafungstätigkeit. Stimme 1: Herr Franz betrachtet nachdenklich die Thermoskanne auf dem Tisch. Einer von 33 Mitarbeitern im allgemeinen Vollzugsdienst in Pankow. Stimme 2: Kein "Schließer" oder "Wärter": ein Gefängnis ist kein Zoo. F: Nein, schikanieren, das äh gibt es mit Sicherheit nicht. Also, auch sag ich mal, strenge Eltern sind ja nicht Eltern, die jetzt ihre Kinder misshandeln oder so. Aber die haben eben dann vielleicht mehr die Position: also das sage ich jetzt und fertig. Ähm während die anderen: na gut, dann reden wir noch mal drüber, oder so. Also, auch das muss man immer ganz klar sagen, es ist ja nicht so, dass jetzt so ´n liberaler Anspruch; ein Versuch, vielleicht auch so in Grenzen ne angenehme Atmosphäre zu schaffen; die muss ja auch nicht jedem gut tun. F: Und auch ich habe im Anfang meiner Tätigkeit in der Frauenhaftanstalt das mal erlebt, dass die Inhaftierten -das war im Drogenbereich- dann auch zur Psychologin gegangen sind und gesagt haben: Mit dem kommen wir überhaupt nicht klar, der ist immer so freundlich; will der uns verscheißern oder was. Stimme 1: Herr Franz trägt einen Vollbart; um den Mund rötlich, sonst grau. Der wächst frei, wie der humane Geist des Hauses sein möchte. F: Ansonsten bin ich seit 10 Jahren bald im Strafvollzug, und früher habe ich mal im Theater gearbeitet. . ... Und war dann die Entscheidung, ob man sich was anderes sucht. Es war wirklich eigentlich so ne Zufallsgeschichte: dass man die Anzeige gelesen hat, und: Mensch, kannste dich ja auch da mal drauf bewerben. Ich meine, ich könnte jetzt auch sagen, ich hab gesagt: warum soll man sich die Tragödien erst inszenieren, wenn man das alles life haben kann. Stimme 1: Also: in der Uniform steckt ein Theatermann. Also ich hab s nicht bereut. Also wenn der Wecker zum Frühdienst klingelt, dann ist das vielleicht etwas anders, aber sonst im Ganzen, denke ich, war `s ne gute Entscheidung. Ist natürlich ne große Umstellung, so was. Und man muss natürlich ne starke innerliche Tendenz zu Betreuungsberufen oder so was haben, sonst wird es schwierig. ` Stimme 2: Dienstkleidung. Uniform trägt niemand hier. F (weiter weg): es wird immer in der Vorstellung überbewertet, so, weiß ich nicht, mit Übergriffen und Gewalttätigkeiten. Meine Frau arbeitet im Geistigbehindertenbereich. Die bezieht unvergleichlich mehr Prügel als ich. Aber so, dass jetzt hier irgendwie Übergriffe auf Bedienstete oder so alltäglich wären, also das ist nicht... F: Gar nicht. Da ich auch den Anspruch hier habe, mich nicht bei `ner Inhaftierten, die nach 20 Jahren entlassen wird, entschuldigen zu müssen. - Wenn ich jetzt nicht im Sozialdienst sondern im Stationsdienst bin, dann ist mein Büro so an der Durchgangsstelle zum Gruppenraum. Und wenn man dann so das Gefühl hat, Menschenskinder, Frau Müller, die haste seit 2 Stunden nicht gesehen, dann guckt man einfach mal. Ähm, so dass man auch n bisschen mitkriegt, ob irgendwas schief läuft. Wer plötzlich depressiv irgendwie in der Ecke sitzt oder so. (lauter) Wobei, auch das, auch solche Sachen werden meistens von den Frauen eben so: können Sie mal gucken, Frau Sowieso, die heult heute nur. Das wird schon an einen herangetragen. Stimme 1: Herr Franz sitzt in einem Büro ganz oben über dem viereckigen Hof, wie in einem Schwalbennest. Der Eindruck wieder: Das kahle geschlossene Karree unten könnte ein Schulhof sein. Das Einfahrtstor... Müde Leere, wie in einer 5. Stunde. Fenster, in denen Licht brennt, obwohl es noch Sonnenreste gibt. Hinter manchen steht ein Tetrapack, hängt eine Jacke. Schwalben schwirren keine durch den Hof, nur Spatzen manchmal. F: So, wenn ich irgendwie zuschließe, Hafträume oder so, das ist ganz selten, dass man das überhaupt irgendwie wahrnimmt; ........dass man jetzt wirklich - du schränkst jetzt dort wirklich jemanden ein oder so. Also über die Jahre, da ist man sich sicherlich mehr bewusst gewesen, dass man so `ne Funktion hat. Dass man jetzt hier zumacht, eben wirklich ne Grenze schafft. (Tür zu) Stimme 1: Und da am Fenster das Gitter? F: Also, registrier ich gar nicht. Weil es für mich ja auch keine Einschränkung irgendwo ist, und das muss man natürlich sagen. Ich geh nach 8 Stunden dann eben auch wieder und so. Stimme 1: Eigentlich heben sich die Gitter vor den Hoffenstern wirklich nur wie Staub von den Scheiben ab. Solange es hell ist. F: Man sollte schon versuchen, ähm dass die Leute auch selber die Haftzeit als - einen Erfahrungsraum oder so was anerkennen. Stimme 1: Also: ein JVA-Beamter hat viel ehrlichen, guten Willen. F: Das ist, glaube ich, das Tolle an der Arbeit, dass sie wie in kaum einem anderen Beruf selber die Möglichkeit haben, das rauszusuchen, was Sie selber-. Also ich sag mal, wenn Sie ein leidenschaftlicher Ordnungsmensch sind, dann achten Sie mehr auf Sicherheit und Ordnung. Wenn Sie mehr so ein Betreuungstyp sind, dann können Sie das auch ausleben. Ähm, ja ich bin sicherlich mehr so n bisschen der Betreuungsmensch, und äh, dadurch hab ich nie das Gefühl: oh Gott, was machst du da, oder so was. Also das ist schon mit der Freude durchaus ernst gemeint, das ist nicht irgendwie ironisch oder sonst irgendwas. F: Also, was die Inhaftierten im Grunde fühlen? Ich möchte raus, ich möchte raus, ich möchte raus! (lacht) Das ist natürlich, also das ganz gravierende Problem ist natürlich die Langeweile. Also Warten, Langeweile und Ungewissheit. In der Untersuchungshaft vor allem. Das sind natürlich so die drei ganz, ganz, ganz gravierenden Faktoren..... Äh (pause) die liegen dann teilweise bis 10 im Bett oder 11 im Bett am Tage, na ja, was sollen sie sonst machen, ne. Also Institutionen können sagen, um sechse wird aufgestanden. Aber dann müssen sie auch den Waldlauf für 2 Stunden anbieten. So und nicht sagen, um 6 wird aufgestanden und dann machen wir gar nichts mehr. (Musik) Stimme 1: Überflüssige Zeit füllt so eine JVA, Sekunde für Sekunde gesammelt, wie Tonnen von Sand. Sinken nicht auch Vollzugsbedienstete da manchmal ein, in dieser Wüste aus Zeit? F: Also das ist nichts was ich irgendwie wahrnehme. Aber ist sicherlich ein sehr individueller Punkt, und -- kann man nicht mehr so völlig realisieren, wie man das am Anfang wahrgenommen hat. (überlegt) Aber man hat ´s natürlich einfacher. Also was man so `n ganz bisschen mitkriegt, wenn man hier immer sitzt: man sieht von hier ja immer, wenn das Auto, der Gefangenentransporter unten reinfährt. Also das ist das einzige, wo man so ´n bisschen den Mechanismus der Inhaftierten vielleicht anfängt zu übernehmen: Oh, wer kommt denn da. Weil eben sonst durch diese Abgeschlossenheit dieses Kreises nichts passiert. Das ist natürlich so ´n Punkt, dass man eben im Grunde gar keine Außenwahrnehmung hat. Das einzige was man sieht, sind die Flugzeuge, die drüber fliegen, und im Grunde was hier in´ Hof reinkommt. Stimme 2: Doch so viel kommt nicht. Stimme 1: Also betreuen die Beamten die Zeit mit. Bewachen die Ungeduld, die Langeweile. Spröde, müde, fiese Klienten. Atmo Auto Frau Ditt: (ruft) Zentrale? Sagst du mir kurz vorher Bescheid, bevor du anhupst, dann muss sie etwas runter drehen. (+ Stationsgetümmel) Bevor du hupst, sagste mir vorher Bescheid? Ich steh hier. Ja? (leise) Wie gesagt, alles geht jetzt hier über den Stern. Stimme 1: Alles geht jetzt über den Stern, sagt Frau Ditt. Wir stehen auf dem Stern in der Teilanstalt 2 der JVA Tegel. D: .. 1 - 2 - 3 - 4. Das ist der Bertaflügel: 5 - 6 - 7 - 8. Und dort der Cäsarflügel, 9 - 10 - 11 - 12... Stimme 1: Stern, das heißt: In vier Richtungen Gebäudeflügel des Hauses, ölgelbe Flure, vier Etagen hoch. Jede Etage eine Station mit 40 Männern. Metallene Treppen, Laufgalerien aus Metall, quergespannte Netze; und in den Gängen Tür an Tür an Tür. Stern heißt: oben an der Flure-Kreuzung sitzt die Zentrale, gläsernes Auge und Ohr der Beamten. Ditt: Mahlzeit! (Klopfen (Bauarbeiten?), Männer: Mahlzeit!..).. Stimme 2: 7 Teilanstalten hat der Tegeler Vollzug. Jede ein Gebäudekomplex für sich. Von den hundertjährigen Trutzbauten aus Ziegeln bis zu hellen Bettenburgen mit Plattenbaukomfort. 2.Gef.: Unser Engel auf de Station. D: Sie sollen nicht lügen. 2.G: doch, die macht unmögliches möglich. H: Versucht es jedenfalls. D: Alles im Rahmen des möglichen. So wie `s in den Wald reinruft.. 2.: Genau. Wenn man nett ist, ist sie och nett. Wenn alle so wären wie sie, dann hätten wirs ne Ecke leichter hier in Tegel. Stimme 1: Marlies Ditt arbeitet im wohl unbequemsten Haus in Europas größtem Knast für Männer. Stimme 2: Seit 17 Jahren in Tegels Teilanstalt 2. Herr H: Nicht jeder Beamte ist so - hat n offenes Ohr. Aber den Beamten sind auch die Hände gebunden. Weil letzten Endes - die Sozialarbeiter sind die Chefs von den Beamten. Kann man nichts machen dagegen. (Doppelgong + Durchsage wie auf Urlaubs-Fähre) H: So war dit ja auch bei mir gewesen. Ick hab sehr gutes Verhältnis zu den Beamten, aber eben zum Sozialarbeiter nicht. Stimme 1: Neben dem Inhaftierten H., schmal wie seine Zelle, wirkt Frau Ditt nicht klein. Die meisten anderen der 1606 Männer überragen aber die energische Frau mit dem kupferhellen kurzen Haar um mindestens einen Kopf. Atmo Araber: Muss nur sagen: hier, is wunderbar! Ich bleibe hier noch paar Monat! Es ist ok, alles gut hier! Man kann nichts sagen - später eingeschlossen, wenn wir sagen falsch! Richtig Demokratie! (lachen) ..Die Sozialarbeiter, die schreiben falsche Stellungnahmen... Aber diese Frau ist nett! Stimme 2: Auf die 1606 Gefangenen in Tegel kommen 825 Mitarbeiter: Gruppenbetreuer, Werkdienst, Krankendienst... Ein Mitarbeiter - zwei Insassen etwa, alles in allem. Diese Rechnung passt fast immer. Stimme 1 Darf bloß nicht noch jemand krank werden. D: Wir sind eigentlich richtig die Gruppenbetreuer. Man kann auch sagen Stationsbedienstete, das ist das gleiche. Aber wir sind Gruppenbetreuer. Weil sie sind ja von uns auch betreut. Der Betreuungsbedarf der Inhaftierten ist viel höher. Sie haben ja auch Wünsche. Wer Geld hat, will sich was bestellen. Kontoauszüge.. Ist schon mehr geworden, Personal weniger, aber Aufwand größer. Stimme 2: Frau Ditts Station hat 42 Männer. Doch meist muss sie noch mindestens eine zweite Station betreuen. Das ist dann schon eine hübsch große Gruppe auf einen Gruppenbetreuer in der Teilanstalt 2: 80 schwere Kerle. D: Jetzt: (Tröö--) Einschluss. In der gesamten Anstalt werden jetzt die Insassen eingeschlossen und gezählt. Und morgens ist Lebendkontrolle. Beamter, entfernend. Geht, schließt dabei immer wieder D (Telefon): JVA Tegel Gruppenleitervertreterin Ditt..? D: Wir haben auch die Möglichkeit, ihn von der Zentrale zu erreichen, und umgekehrt geht's genauso. Kann er dann sein Gebrechen oder so vorbringen. Wir hatten ja bis vor kurzem, die Anlage ist ja recht neu, so ein Metallstück, was der Insasse von innen aus `m Haftraum nach außen geschoben hat und geklopft hat. Man nannte es Fahne. Fahne schmeißen. War so ein Schleifgeräusch. Ne breite Metallplatte und vorn rot angemalt. Er hat die rausgeschoben, und das ratscht natürlich über die Mauersteine. Und wie `ne Fahne hast du eben gesehen: aha, da ist es. Wenn das alle machen, bist am Laufen wie `n Hase. Stimme 1: Die neue Gegensprechanlage, mit der Zentrale verbunden, gibt es -- vielleicht seit einem dreiviertel Jahr, sagt Frau Ditt, an das Gute gewöhnt man sich immer so schnell. D: Es gibt eine sogenannte Gitterzulage. Und das ist einfach, dass du halt hier hinter den Gittern arbeitest. Nein, um Gottes Willen, heißt jetzt Zulage Justiz psychisch. D: Du hast zwar `n Dienstplan und so. Aber wir können jetzt nicht sagen: eine Woche früh, eine Woche spät, eine Woche nacht. Und dann passiert `s eben sehr oft, (schnell) dass du angerufen wirst, dann machst du Überstunden. Du hast natürlich die Möglichkeit, dich da in einem Dienstwunschbuch einzuschreiben, wenn du irgendwie langfristige Termine hast oder so. kurz - Splittern, Männer auf Station D: (lacht) Also in meinem Büro hab ich den Schreibtisch so gestellt, dass die Gitter hinter mir sind. So. Ja, manche sagen sogar, Sie sind auch bloß eingesperrt. Nur Sie dürfen nachher nach Hause gehen. Das ist normal, hm. Oder: hätten Se nicht was Vernünftiges werden können, oder so. Meine Frau dürfte hier nie arbeiten. Das ist kein Beruf für Frauen. - So ´ne Sprüche kommen natürlich. Eher von unseren ausländischen Insassen. Es gibt auch welche, die Komplimente machen, natürlich, klar. Oder die einem anbieten, och wenn ich entlassen werde, dann gehen wir schön Kaffee trinken und überhaupt, na klar, logisch. Stimme 1: Manchmal ist es auch ganz lustig, sagt Frau Ditt. D: Weil wenn du jeden Tag hier nur mit `m Gesicht wie `n Fragezeichen oder wie `ne Kneifzange - nee, da machst du dir das Leben selber schwer. So, es gibt immer so kleines lustiges Späßchen oder `n Detail, oder irgendwie-. Ja, und dann ist man auch selber mal dran. Muss man auch mit leben, ja. Stimme 1: Also: ein JVA-Beamter braucht Humor. Stimme 2: Nur - manchmal wird er ziemlich strapaziert. D: Bei so dynamischem Gruppenverhalten, so nenne ich das jetzt mal, da bin ich vorsichtig. Weil ich gelernt hab, dass es darunter Menschen gibt, die waren auch draußen keine dummen. Die haben gelernt, sich zu strukturieren.. Da hoff ich für jeden von uns, dass da wirklich nie was passiert. Ist so, dass ich da `n Heidenrespekt vor hab. Meistens Machtgehabe, und ne gewisse Spur Respektlosigkeit, vielleicht auch nur um den Beamten zu testen, wie weit der das erträgt, diesen Psychoterror. D: Und die Insassen haben viel Zeit, und sie beobachten dich. Ne. Und bevor das eskaliert, dass da das Gespräch erst mal abgebrochen wird. Aber es passiert auch, dass man das nicht mehr so kann. Und für`n Mann ist das noch `n bisschen anders, dass das da schon mal `n bisschen lauter wird. Da läuft das dann vielleicht auch mal `n bisschen aus m Ruder. Stimme 1: Wenn sie trotzdem grinst, spannt wettergegerbte Haut auf ihren Wangen. Über 50 ist sie, und wirkt dann frech wie ein Teenager. Metallklirren, dann männliches Lachen, entfernt Stimme 1: Also: Eine JVA-Beamtin braucht auch Widerspruchsgeist. Stimme 2: Frau Ditt gehört ja zur ersten Generation Frauen, die in Tegel arbeitet. Als ich angefangen habe, gab`s auch noch die sogenannten Hardliner, die die Einstellung hatten, Frauen gehören hintern Herd. Und die haben mir dann auf ´n Kopf zugesagt, kannste mir mal sagen was du hier willst? Und da musste ich mir ja was zurechtlegen. Mein guter Job ist kaputtgegangen, hab ich da gesagt, weil die Firma in Konkurs gegangen ist, und für`n Puff bin ich zu alt. Ja, dann war ruhig. Jetzt ist es 17 Jahre her, hat sich viel geändert. Erst mal sind mehr Frauen im Dienst. Und die Hardliner - einige sind längst zu Hause in Pension. Und die anderen haben sich schon dran gewöhnt. Wobei, ich denke mal, der eine oder andere würde sich schon noch die reine Männerdomäne wünschen. Auch von den jüngeren. Der Ton ist eben schon `n bisschen `n anderer, wenn Frauen dazwischen sind - Manchmal auch nicht, egal. Ich wusste, wo ich anfange, dass es kein Mädchenpensionat ist. Und ich kann damit gut zurechtkommen. Ich meine, wir unterscheiden uns in der Dienstkleidung. Wir haben diese, ich sage mal, hässliche Dienstkleidung. Und die Männer eben so blau-grau. Da ist eben schon von der Optik n Unterschied. Stimme 1: Braun-beige. Unvorteilhaft für blasse Gesichter. . Stimme 2: Der Kleidungsunterschied soll aber abgeschafft werden. Es gab sogar schon eine Modenschau. So Mann-Frau (-Tröö-) Es gibt ja reine Frauenberufe und Männerberufe. Und ich denke mal da ist irgend `ne heile Welt kaputt gemacht worden, indem weibliche Wesen eben da reingesetzt wurden. D: Wir sind genau so ausgebildet wie die Männer. Das ist natürlich auch so vorgesehen, wenn etwas passiert, das wir genauso mit zugreifen. Nur, wenn viele Männer im Dienst sind, dann hast du als Frau gar keine Chance, du kommst da gar nicht ran. Da wirst du beiseite gedrückt-. Die Brille; Funkgerät jetzt nicht, ihnen abzunehmen. Die Uhr oder so. Ferne Geschäftigkeit D: Früher wenn Bemerkungen kamen, hast du eben geschluckt. Oder bist rot geworden, je nachdem um was es ging. Und heute merk ich schon richtig, dass es auch `n Bedürfnis ist, was gegen zu setzen. Musik, darauf Stimme 4 : Willkommen auf der Internet-Seite der größten JVA Deutschlands, der JVA Berlin-Tegel! Wir wünschen viel Freude und danken für Ihr Interesse! Stimme 2: Für ein Leben ohne Straftaten bieten wir differenzierte Behandlungsformen an. Wir erstreben durch geeignete Maßnahmen ein gewaltfreies Klima in der Anstalt. .. S 4: Blazer! Weste! Kombihose S 1: - Bekleidung wird gestellt - S 4: Dienstblusen, langärmlig Strickrolli Plastronette ? Thermounterhose... Summer Praktikantin Keller (beschwingt): Ursprünglich wollte ich mal Polizistin werden, also so ganz abwegig war´s dann doch nicht. Das war mein Traumberuf, Polizistin. Viel unterwegs, immer draußen, immer mit Menschen arbeiten, und vielleicht auch ´n bisschen was erreichen, vielleicht ´n bisschen Ruhe auf die Straßen. Was man sich halt als Kind so alles vorstellt. So hat sich das bei mir eingeprägt. Stimme 1: Kathrin Keller, eine blasse junge Frau mit blondem Pferdeschwanz. Und warum keine Polizistin? K: Weil ich zu klein bin! Also ich war damals, als ich mich nach der Schule für die Polizei entschieden hatte und mich beworben hab, grundsätzlich schon zu klein gewesen. Aber ich bin älter geworden. Und ich bin doch auch noch ein Stück gewachsen (lacht). Stimme 2: 1,60m. Praktikantin in Pankow. K: Ich bin mit harten Jungs in Moabit groß geworden, und da, ich glaub, die Hälfte davon saß schon mal in Plötzensee. (hihi) Ich glaube, da habe ich schon ´ne harte Schule hinter mir. Stimme 1: Nach den zwei Jahren Ausbildung wird es wohl dort auch wieder hingehen. K: (frisch) Ich konnt` s mir leider nicht aussuchen, bin aber ganz froh, dass man mir die Entscheidung einfach abgenommen hat. Weil ich auch vorher überhaupt nicht wusste, wie was in welchen Anstalten so läuft. K: Versuchen, dass sie ihr Rechtsgefühl vielleicht wieder in `ne Waage kriegen. Mal Kummerkasten spielen, und so. K: Ich bin gelernte Einzelhandelskauffrau. Ich hab diese Anzeige in der Zeitung durch Zufall gelesen. Mich `n bisschen informiert, was man halt so an Informationen bekommt. Und hab mich dann einfach mal beworben. Hat halt geklappt. Stimme 1: Also: Den Beruf des JVA-Beamten wählt man sich nicht. Er wählt einen. Ist ein Schicksalsberuf, der in die Stadt geht und sich einfach Kandidaten greift. K: Die kommen aus sämtlichen Berufen. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendeiner von denen jemals gesagt hat: so, jetzt möchte ich Justizvollzugsbeamtin werden. Weil, wie gesagt, man hat so wenig Einblick in den Beruf, und das ist eigentlich `n abgeschirmtes Leben in den JVAs. Dass da großartig äh - das Berufsbild überhaupt auch nicht so in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Stimme 2: Die Kandidaten kommen in die Aus- und Fortbildungsstätte für Justizvollzugsbeamte. "Anwärter" sind sie dort, und nach der Schule würden sie auf Probe verbeamtet werden. Stimme 1: Eingerahmt von Westhafen und Schifffahrtskanal, von Kleingartenidyllen - Neue Hoffnung, Zukunft, Heidefreiheit -, ballen sich am Rand von Berlin- Charlottenburg drei Vollzugsanstalten. Plötzensee. Die JVA Charlottenburg. Und die Jugendstrafanstalt. Die Jungs dort lieben es, wenn ihre Freunde draußen "Handy- und Haschischweitwurf von den Dächern der Laubenkolonie" mit ihnen spielen. Beinahe wäre Berlins Justizsenatorin darüber gestolpert. Stimme 2: Frau von der Aue spricht bei der Neueröffnung der Bildungsanstalt für Vollzugsbeamte. Meine Damen und Herren, auch wenn die Berichterstattung... etwas anderes glauben machen wollte:Die Berliner JVAs haben gut ausgebildetes Personal... würde ich mir wünschen, wenn für diese Berufsgruppe auf die Bezeichnung Schließer und Wärter verzichtet werden würde. Stimme 1: Man hat ihr einen Hocker vor das hohe Mikrofon gestellt. Kippelt der? Das wäre gemein. Woran denkt sie? An die Gefangenen? An die arbeitenden Leute aus ihrer Rede? Foyer/ Buffet D-J: Ich persönlich bin Sozialpädagogin und habe mich schon sehr frühzeitig für diese Arbeit interessiert. Ohne allerdings zu wissen, was auf mich zukommt. Stimme 1: Das ist Frau Dorsch-Jäger. D-J: Die Palette ist von Maurer, bis hin zu einem Physikstudenten. Wir haben sehr viele Berufssoldaten, die nach ihrem Wehrdienst in unseren Bereich eintreten. Anwärter, die selbständig waren. Oder Mütter, die sich erneut ins Berufsleben stürzen wollen. Stimme 1: Eine schlanke ernste Frau, deren würdig ergrauendes Haar kappenstreng den Kopf umschließt. D-J: Wir haben auch die Schießausbildung integriert. Die Kollegen sind keine ständigen Waffenträger, wie bei der Polizei. Aber bei bestimmten Posten: zum Beispiel Ausführung eines Gefangenen, oder Besetzung des Turms. Stimme 2: Auch Frau Ditt - aus Tegel 2 - muss zu Schichten auf den Turm. D-J: Was aber jeden Tag geschieht, morgens, mittags, abends, zu Weihnachten, in der Nacht, das war mir natürlich nicht klar. Und - ich war auch nicht darauf gefasst, dass deren Lebensschicksale sich oftmals ganz wenig nur von meinem unterscheiden. Ja? Das - hat mir auch meine Empathie bewahrt, Gott sei dank. Also Mitleid im Sinne von, ich höre und sehe, jemand leidet, und ich kann versuchen, ein Stück mit zu tragen. Und das betrifft im übrigen nicht nur die gefangenen Menschen, sondern das betrifft genauso gut die Kollegen und Kolleginnen. Denn die leben auch ein Leben im Vollzug, ihr gesamtes Leben, und auch da ist es hilfreich, das Ohr auf zu haben, und die Hand hinzustrecken. Das hilft. Jemand der ohne Angst losgeht, springt vors Auto. (Musik) Stimme 4: Bei der JVA Charlottenburg ist demnächst folgende Stelle zu besetzen! Justizverwaltungsobersekretärin. Stimme 1: Justizvollzugshauptsekretär. Stimme 2: Justizvollzugsamtsinspektorin mit Zulage - Bes.-Gr A 9smZ! Stimme 4: 21 bis 40 Jahre, Schwerbehinderte 45. Mindestens Hauptschule und abgeschlossene Berufsausbildung. Deutsche Staatsangehörige ausländischer Herkunft ausdrücklich erwünscht. Stimme 3: Abwechslungsreiche Aufgaben..: Stimme 2: Bereitschaft zur UK-Kontrolle. Vermehrte Haftraumkontrollen. Stimme 4: Sicherheitstechnik! Vorbild sein. Stimme 3: Angemessener Umgang mit internen und externen Kunden. Stimme 4: Besondere Anforderungen..: Stimme 2: Schichtdienst. Emotionale Belastbarkeit. Stimme 4: Geistige Beweglichkeit! Empathie. Stimme 2: Einwandfreie Umgangsformen. Frustrationstoleranz. Gesucht wird eine gefestigte Persönlichkeit mit positiver Grundeinstellung. (Musik weg) Gardt: Berlin geht ja, was die Art der Demokratie des Strafvollzug angeht, große Schritte voran.. Stimme 2: Herr Gardt, Justizvollzugsanstalt Tegel. G: Ich musste ganz normal den Lehrplan durchlaufen, 2 Jahre Schule, wo viel Gesetzestext vermittelt wird. Und hatte dann das Glück, hier praktisch im Sportbüro eingesetzt zu werden. ........... Ich hatte damals `ne recht schwerwiegende Sportverletzung aus `m Fußball davongetragen. Und war zu dem Zeitpunkt auch aus `m Lehrdienst praktisch außen vor. Und so war das hier für mich eine weitere Möglichkeit, an `ne Verbeamtung zu kommen, zumindest an `ne feste Arbeitsumgebung. Stimme 2: Im Sportbüro. Stimme 1: Also: ein Vollzugsbeamter ist sportlich. Kriminalbeamter wäre er aber auch gern geworden. G: Hätt auch nie gedacht noch vor Jahren, dass ich hier generell mal n Faible für Vögel kriege. (kichert) Soll auch nicht heißen, dass ich schon `n Vogel bekommen habe. Die haben das Glück, eingeschlossen zu sein, aber nur wegen ihrer, äh, ja, Exotik-keit, sage ich mal. Weil's doch n bisschen preisintensiveres Hobby ist, und, ja, aus Schutz halt. Aber ansonsten, sage ich mal, können die da relativ frei hantieren, meine Vögel. Papageien. Zwitschern Schnarren gurren.. Stimme 1: In der Haftanstalt ist Herr Gardt ein Mann im dunklen Joggingzeug, der wirkt, als ob er nicht viele Worte macht. (teilen) G: Eierkopp. Eierkopp. Stimme 1: Aber hier ist der Garten hinter seinem Haus. Berlin dort im Westen scheint fern, und die Strafstadt Tegel darin noch ferner. G: Wenn wir weg sind, sagstes wieder, ne? Na, und meine Henne kann ich immer zum Tanzen animieren. Singt Jambo. Jambo, quano ... (span. Lied) Papagei antwortet mit Pfiff. G singt weiter Stimme 1: Ein JVA-Beamter braucht einen Ausgleich. Unbedingt. G: Die (Häftlinge) haben oft so `ne, man nennt das oft: Papageienkrankheit, weil wir gerade bei Papageien sind, an sich, die können sich nur auf sich konzentrieren. (Papg. ruft) Wo oftmals diese Eigeninitiative, die aber eigentlich erwünscht wäre, drin, auf der Strecke bleibt. Und ich glaube, die Vollzugshelfer, Bewährungshelfer können die Lawine dann auch nicht auffangen in der Größenordnung. A 21 Papageiensingen Geht über in: Hallenfußball Tegel Stimme 2: Sport in der JVA Tegel. Fußball! Rufe, Laufen. Ball. Quietschen d Schuhe... G: Das sind hier alles keine Waisenknaben. Die sind hier nicht hergekommen, weil sie, äh, ne Taube mal vom Baum geholt haben. .... Stimme 1: Die letzten Jahrzehnte Strafvollzug waren "weich". In nicht wenigen JVAs hat man den Stacheldraht von den Mauern geholt. G: All die Errungenschaften unsrer Demokratie, Abschaffung der Todesstrafe etc sind sicherlich richtig. Aber wir müssen auch sehen das wir viele Intensivtäter haben, da hilft lieb u nett sein manchmal nicht mehr. Für die Regeln unterschreibt ja auch der Insasse ne Haftordnung. Und wir haben den Eid geleistet, sie auch durchzusetzen. Und das stellen wir auch sicher. G: Und dann muss ich eben ankündigen, dass wir auch geeignete Maßnahmen haben, notfalls eben auch durch körperliche Gewalt. Das wird alles angedroht, wenn noch Zeit bleibt. Stimme 2: "Unmittelbarer/n Zwang". G:Die Möglichkeiten besitzen wir, machen wir nicht gerne... Stöhner / Metall G: ... wir hatten hier schon ne Massenschlägerei mal. Das ist sicherlich jetzt schon mindestens 6 Jahre her, auf m Sportplatz. Die Gefahr daran war halt, dass wir recht kräftige Burschen auf m Sportplatz hatten, die alle auch gut Kraftsport gemacht hatten, ja. Die uns sicherlich auch komplett gefährlich hätten werden können. ´n Riesenhaufen, der sich hier ins flicken bekommen hatte. Hilfe kam recht spärlich in dem Falle, aber wir haben ´s doch zu zweit geschafft, die Lage halt zu trennen. Aber hinterher, wie gesagt, kriegt man diesen Adrenalinausschub. Stimme 1: Und danach irgendwann kamen die Papageien in seinen Garten. Musik König: Früher hatten wir mehr Übergriffe.Die körperlichen Übergriffe sind wesentlich seltener, weil auch das Drogenproblem gewechselt hat: Früher mehr Alkohol und jetzt mehr BTM. Stimme 2: - Betäubungsmittel. Sagt Herr König, Chef des Sportbüros. Stimme 2: Doch der Job - bleibt hart Stimme 1: Wenn man angetreten war, auch bereit, Härte zu üben. Und jetzt ist Härte gar nicht gefragt. Gefragt ist: das Warten hüten. Kann da nicht einer bitter werden? Innerlich bitter? Stimme 2: Oder Sehnsucht bekommen nach klaren Regeln. Stimme 1: Ohne die Kann- , Ist- u Soll-Bestimmung, die für die Beamten im Alltag die Entscheidungen oft so verwirrend machen. Stimme 2: Ohne dass der eine Beamte A sagen kann und der andere B.- vom Strafgesetz gedeckt, G: Am schweren Tag eher der Schlager, da brauche ich deutsche Schlagermusik, weiß nicht warum, wahrscheinlich weil ich da schön mitsingen kann. Meine Frau mag das gar nicht. Und an weniger schlimmen kann ´s auch eher so richtiger Rock sein. CCR, Bon Jovi oder so. König: Bisschen frische Luft. Weg vom Eingesperrtsein. Bisschen Freiheit genießen. Stimme 1: Aber vielleicht hilft ja das! OT 93 G: Naja, alles schon erlebt.. wenn's knistert, knisterts (lacht gelangweilt). Alles schon erlebt, inner Plötze. Nee, hier noch nicht. Das ist wirklich auch die absolute Ausnahme. Also das kommt vielleicht alle 7, 8 Jahre eenmal vor, oder alle 10 Jahre. Du kannst dagegen angehen, aber wenn du den anderen da jeden Tag siehst, dann wird dit natürlich schwierig. Dann kiekste erst mal zu, machst dit allet heimlich. Fr 2: Dann macht dit ja dann auch noch Spaß... G: Und irgendwann - fliegts halt doch uff. Na, die Konsequenzen hat dann der Bedienstete. Der Inhaftierten selber passiert überhaupt gar nichts, wird ja nicht bestraft. Aber der Beamte, der fliegt dann halt raus, oder wird versetzt oder so. Aber bin ich nicht unbedingt der Meinung, dass einer bessere Chancen hat, bloß weil er hier mit irgendjemand was anfängt...also, nee.. (Gähnt) Stimme 1: Es hilft nicht sehr. . Gong, Ansage wie Bhf. (Station 4..), fern Hämmern u Schließen. Stimme 2: Bitte warten! Stimme 2: Halten Sie bitte den vorgeschriebenen Abstand zum Vollzugsdienstbeamten ein! Stimme 1: 1,50 Meter. ATMO weg Stimme 1: Und Wut? Insasse F: ach .. egal.. Irgendwann sitzt man und die Zeit läuft einfach. Und man kriegt Falten vielleicht. Jmd trainiert. Ausführlich: Stöhnen, ächzen, tierisch. Metall klirrt. Stimme 3/2: (leise) Bulle. Büttel. Ächzen, tierisch. Metall klirrt. Stimme 2: Ist Wut denn ansteckend? A28 Stimme 1: Sie gedeiht so gut, wo hundert Männer in den selben engen Räume atmen müssen über Monate und Jahre. Und breitet sich irgendwann durch ungeschickte Blicke aus. A28 Brüll... S 3 / 1: Es ist heiß, schwitzt du Wut? S 2: Sind unsere Ziegelburgen Gewächshäuser für Wut!? S3 Quatsch nicht. Du - Schließer. Schlüsselanhänger. Schließmuskel, du. Unruhe Insasse F: (unruhig Hintergr.) Alles was ne Uniform an hat, ist für mich n Bulle. Und - (nah) kein Mensch. Ich hasse die Wichser. Die sperren mich ein, warum soll ich die mögen, Mann. Gibt's coole Beamte und gibt's Hunde. Die kommen einem in die Zelle; das ist so wie Stasimethode. Die machen einen nicht physisch fertig, sondern psychisch. Die machen dann zum Beispiel Glocke, Licht, dissen einen, nehmen einem alles weg. Äh, stürmen die Zelle, lassen einen nicht pennen und so. Hatte ich alles. Haus 1 zum Beispiel, dieser, dieser- Wenn ich dich draußen, du mieser, du, Rrrr. (lacht) Dann sag ich: Tag-chen! Nein, Mann, ich mach ihm nix, Mann. Alles cool, Mann! F bellt wie echter aggressiver Köter ins Mikro. Musik Huntzicker: Ick hab erlebt dass Kollegen verprügelt wurden aufs gröbste, so und wenn man sich dann gewehrt hat, is es jenau umgedreht worden. Stimme 1: Joachim Huntzicker. Es würde eigentlich ausreichen, wenn man Gesetze, die man geschaffen hat, voll auskostet. Das wär ja völlig ok. Kein Wischiwaschi, sondern auskosten. Stimme 1: Im Sommer, sagt er, geh ich in Pension! Ich hab nichts gegen Kollegen aus den neuen Bundesländern; verstehen Sie `s nicht verkehrt. Aber diese Form der Kollegialität, die wir untereinander hatten, die war weg. Stimme 1: Ein selbstbewusster Schatten jetzt, ein Rächer der Bediensteten. H: Frauen im Männerknast -- die können ja gerne im Frauenknast arbeiten......Als Mann im Frauenknast will ich auch nicht arbeiten... Wenn es richtig brennt, geht et anders ab. Da steht man, wie sagt man, seinen Mann H: Ich habe mit Gefangenen also fast nie Ärger gehabt. Grundsätzlich gerade Linie, das wissense, und ich hab n jutes Verhältnis zu all den Leuten. Das Problem sind meine Kollegen. Meine Vorgesetzten. Desinteresse, Faulheit. Und äh, ja, manchmal auch Dummheit. Stimme 1: Noch ein Rest Gardemaß steckt in dem selbstbewussten Körper aus der Zeit, als die Wachtmeister noch Säbel trugen. Als noch Schweine gezüchtet wurden hinter der Mauer, als es noch Kleidergeld gab. H: Äh bedeutend ist eigentlich, dass ich äh keinem mehr was glaube. Weil, ich prüf das immer nach. (lacht) Ich bin äh, kritischer. Wohlgemerkt. Und bei mir läutet auch schneller ne Glocke bei verschiedenen Dingen. Aber - Gut, das hat sich wahrscheinlich verändert. Stimme 1: Eine Berufskrankheit der Beamten: Die Hand warm ausstrecken zum Guten Tag - und schnell kühl wieder wegziehen. Stimme 2: Man braucht jeden Tag ein Werkzeug für Distanz. Wenn hier ´n Therapeut beschäftigt ist, nach was wird denn dessen Erfolg bemessen? Wird ja nicht mal mehr gefragt, was derjenige macht. Dit is so geheim, dit weeß der selber nicht. und dann will man natürlich immer alles so weitermachen wies gewesen ist. Bloß keine Veränderung. Diese Neid, diese Missgunst, die Unfähigkeit selber was zu machen. Ich bin froh, dass ich nur noch sechs Monate habe. Mich kotzt dieses gesamte Mobbing hier sowas von an. Nicht die Arbeit, da würde ich noch 100 Jahre weitermachen. Sondern die Unfähigkeit meiner Vorgesetzten. Wenn ich hier was zu sagen hätte, würde ich ein Leistungsprinzip einführen. Stimme 1: Er sitzt mit grimmiger guter Laune im JVA-Shop, den er mit gegründet hat. Stimme 2: Eigentlich ist sein Platz die Schlosserei. Mein Vorgesetzter strohdoof. Keine Ahnung. Der har draußen in der freien Wirtschaft wahrscheinlich irgendwas ausgefegt. Auch in den Bereichen, wo man Leute eingestellt, sitzen Psychologen, die genau beurteilen, was ist das für einer, würde der mir gefährlich werden. Stimme 1: Nur auf Kinderfesten hat er gern den Clown gemacht. OT 107 Also ich habe nie in meinem Berufsleben so viele Selbstmorde erlebt. Das ist einfach so. Die Belastung ist enorm hoch. und die kommt nicht von den Gefangenen, von der Gefangenenarbeit, sondern die kommt vom Umfeld der Kollegen, Vorgesetzten und so weiter. Das ist der Punkt. Weil sie sind immer ein Alleinkämpfer hier. Immer H: Zum Beispiel, wenn jemand Ausführung hat, und Sie nehmen n Gefangenen, u der haut ab. Und sie müssen von der Waffe Gebrauch machen und weeß ick, müssen schießen, und da fällt meinetwegen n Bürger um. Na wat meinense, was dann los ist. Die BZ dann so voll, ja: Beamter erschoss, bamm. - so, hier, warum hast n dit gemacht? Hätten Sies nicht gemacht, dann würde stehn: ja der Beamte ist blöd, der kann nicht mal dit. So und dann sagt die Anstalt, warum hast n dit hier gemacht. Stimme 1: 25 Jahre hat Herr Huntzicker das Warten bewacht im Dienst der Justiz. Seins und das der anderen. Greift jetzt bei jedem Klirren nach der Tasche, wo der Schlüssel sein muss. Schließen Stimme 2: Aber jetzt ist ja Schluss! Stimme 1: Er hat geschafft, worauf die anderen hinarbeiten. Stimme 2: Die Pension. Das "Endbesoldungsamt". ATMO Gardt: Ich will das auch haben, ganz einfach. Viele, die im mittleren Dienst sind, die gehen mit ihrem Eingangsamt auch nach Hause! (+Flugzeug) Man braucht halt in sonem Beruf auch ne Motivationsgrundlage. Und das geht übers Geld. Letztendlich verlangt man ja den Kollegen auch immer mehr ab, und klar dass man da auch mal was auf die Hand legen muss. ATMO/Gong/Musik Absage: Wächter des Wartens Vollzugsbeamte in Berlin. Ein Feature von Paula Schneider. Es sprachen: Maya Bothe, Regina Gisbertz, Gregor Höppner und Bruno Winzen Ton und Technik: Karl-Heinz Stevens und Beate Braun Regie: Thomas Wolfertz Redaktion: Ulrike Bajohr Wir bedanken uns bei den Mitarbeitern der Berliner Justizvollzugsanstalten. Eine Produktion des Deutschlandfunks 2008. 15