DEUTSCHLANDRADIO KULTUR COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Länderreport 2.9.2010 Aktien und Ackerland - Strukturveränderungen in Mecklenburg-Vorpommern Autorin: Agnes Handwer ÜN-Redaktion: Claudia Perez Atmo_01 Foyer Curio-Haus mit Hintergrundsound und Publikum Sprecherin Hauptversammlung der KTG Agrar in Hamburg. Ein Sortiment hoch gewachsener Hafer- , Weizen- und Kartoffelpflanzen im Foyer des Curio-Hauses stimmt die Aktionäre auf die Dividende von 10 Cent ein, die die börsennotierte KTG Agrar in diesem Jahr erstmals ausschüttet. Die Aktiengesellschaft ging im Herbst 2007 in Frankfurt an die Börse. Der Slogan vom "ersten Bauern an der Börse" und die Werbung mit Landwirtschaftsaktien als krisensichere Geldanlage war erfolgreich und brachte der KTG 32 Millionen EUR frisches Kapital ein. Mit der Devise " Gegessen wird immer" überzeugt der Vorstandsvorsitzende Siegfried Hofreiter noch immer Kleinanleger von der Krisenfestigkeit der Aktie - so wie den pensionierten Bahnbeamten Herrn Freter, der zur Hauptversammlung nach Hamburg kam. O-Ton_01 Landwirtschaft wird immer gebraucht. Die Menschen müssen sich ernähren und die Großbetriebe werden überleben. Es konzentriert sich wie in der Industrie. Und da sehe ich bei dieser Aktie eine große Chance in der Entwicklung des Unternehmens. Sprecherin Damit die Potenz industrieller Landwirtschaft Anleger auf den ersten Blick überzeugt, hat Siegfried Hofreiter am Eingang des Curio- Hauses und neben den weißen Stadthäusern am Rothenbaum fabrikneue und PS-starke Traktoren postieren lassen. Der Vorstandsvorsitzende gibt sich gern unkonventionell und tritt auch nicht in Anzug und Schlips, sondern im schwarzen Poloshirt vor seine Aktionäre. Er stellt sich gern als einfacher Bauer dar und setzt bei seinen Gesprächspartnern offenbar ein hohes Maß an Naivität und Unkenntnis voraus, wenn er seine Geschichte erzählt, wie er mit seinem Bruder den Agrar-Konzern aufgebaut hat. O-Ton_02 Als wir vor 15 Jahren angefangen haben, haben wir mit null Hektar Eigentum und 100% Pachtflächen begonnen. Wir sind nun im 18. Jahr tätig und wir konnten jedes Jahr 1% unserer Flächen erwerben. Somit sind wir bei 18% Eigentumsfläche. Das ist eine stolze Quote. Das ist letztendlich nur der Spezialsituation der neuen Bundesländer zu verdanken. Wenn Sie Landwirtschaftsbetriebe in Westeuropa oder Westdeutschland ansehen, schafft das eine Generation, den Betrieb um 3 oder 5 % zu vergrößern! Hier waren die Rahmenbedingungen in den neuen Bundesländern besonders günstig. Sprecherin Zu den "günstigen Rahmenbedingungen", unter denen Siegfried Hofreiter den Agrarkonzern aufbauen konnte, gehören die großen Anbauflächen, billig gepachtet oder gekauft nach der Wende. Die KTG Agrar bewirtschaftet heute sage und schreibe 30.000 ha Acker- und Grünflächen. Ein Teil liegt in Litauen, der größte in Sachsen, Sachsen- Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Atmo_02 Trommeln eines Spielmannszugs.... Sprecherin Innerhalb der letzten 65 Jahre haben sich die Eigentumsverhältnisse im Agrarland Mecklenburg-Vorpommern zwei Mal radikal verändert. Nach dem 2. Weltkrieg enteignete die Sowjetische Besatzungsmacht Großgrundbesitzer mit mehr als 100 ha und verteilte Land an Flüchtlinge und Landarbeiter. Nach einem politischen Kurswechsel in der damaligen DDR mussten die neuen Landbesitzer und Bauern ihre Anbauflächen an die LPGs, die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften, abtreten. Nach der Wende bekamen sie es zurück, aber ein großer Teil der landwirtschaftlichen Nutzflächen ging in den Besitz des Bundes über. In dessen Auftrag privatisiert seit 1992 die BVVG, die Bodenverwertungs- und verwaltungs GmbH, das Land. Der Wirtschafts- und Sozialgeograph Helmut Klüter von der Universität Greifswald hat untersucht, wie sich die Besitzverhältnisse in der Landwirtschaft seitdem verändert haben. O-Ton_03 Wenn man berücksichtigt, dass Mecklenburg-Vorpommern mit etwa 15.000 qkm² Landwirtschaftlicher Nutzfläche gerade mal fünftausend landwirtschaftliche Unternehmen hat, dann merkt man schon, wie stark die Flächenkonzentration auf wenige Betriebe hier in Mecklenburg-Vorpommern fortgeschritten ist. Die Landverteilung, das muss man sagen, ist dergestalt, dass die Betriebe mit mehr als 1000 ha fast über die Hälfte der agrarischen Nutzflächen verfügen und diese Landverteilung ist feudalistischer als die, die wir 1910 gehabt haben. Da war Mecklenburg-Vorpommern noch Großherzogtum. Aber selbst damals war die Position der Großagrarier nicht so stark wie heute. Sprecherin Über den Prozess der Privatisierung hat der Autor und Landwirt Jörg Gerke ein faktenreiches Buch mit dem Titel "Nehmt und euch wird gegeben" geschrieben. Der größte Skandal ist für Jörg Gerke, dass diese LPG-Nachfolgebetriebe heute mit hohem Gewinn verkauft werden können, mitsamt dem Grund und Boden, den sie - aus dem Vermögen des Bundes - zu bevorzugten Bedingungen erworben haben. O-Ton_04 Die öffentlichen Flächen in der Hand der großen LPG-Nachfolger oder auch in Privatbetrieben, die die DDR-Agrarkader gebildet haben nach der Wende, die haben verbilligt von der BVVG bspw. pro Kopf etwa 200 ha kaufen können für im Durchschnitt 2000 - 2500 EUR pro ha. Heute liegen die Marktpreise für dieselben Flächen, die sie vor 8 Jahren gekauft haben bei ca 25.000 EUR pro ha. Und sie dürfen sie nach 15 Jahren verkaufen. D.h. sie machen allein mit diesen 200 ha eine Handelsspanne über 20.000 EUR. Das sind bei 200 ha mehr als 4 Mill EUR. Wenn diese die großen, mit öffentlichen Flächen arrondierten Betriebe verkaufen, machen sie einen gigantischen Gewinn. Allein durch den Verkauf ihres Anteils an BVVG Flächen kann eine einzelne Person eine Handelsspanne machen von mehreren Millionen Euro. Sprecherin Wolfgang Horstmann, Geschäftsführer der BVVG, sieht keine Handhabe, dagegen etwas zu unternehmen. O-Ton_05 Wir sehen natürlich auch, dass z.T. größere Konzerne in den neuen Bundesländern unterwegs sind und die landwirtschaftlichen Unternehmen erwerben, auch solche in der Rechtsform einer GmbH oder Genossenschaften, die Flächen der BVVG entweder gekauft haben oder jetzt noch auf Basis von Pachtverträgen bewirtschaften. Das ist für uns aber ein Vorgang, der weder von der BVVG gesteuert werden kann, noch könnten wir so etwas verhindern. Sprecherin Das Aufkaufen von LPG-Nachfolgebetrieben hat die KTG Agrar zu ihrem Geschäftsmodell gemacht. Angefangen haben Siegfried Hofreiter und sein Bruder als Berater für Fragen der Marktwirtschaft und EU-Subventionsanträge. O-Ton_06 Es war die Phase `95 bis 2000, wo sich viele Betriebe Partner gesucht haben, bspw. einen wie KTG. Wir haben immer gesagt: Wir wollen die Produktionskompetenz vor Ort lassen und haben den Betriebsleitern angeboten, dass wir uns um die betriebswirtschaftliche Seite kümmern. Atmo_03 Stille, Schwalben.... Sprecherin Eine der 30 Tochtergesellschaften der KTG ist der Landwirtschaftsbetrieb Ahrendt, 80 km östlich von Hamburg in Karft, einem kleinen mecklenburgischen Dorf mit 276 Einwohnern. Alle paar Monate rücken großeTraktoren mit dröhnendem Getöse an, berichtet Michael von Klodt, der mit seiner Familie in unmittelbarer Nachbarschaft wohnt. O-Ton_07 Diese Fahrzeuge wiegen 30, 40 Tonnen mit Anhänger und die fahren dann durch die Wohnsiedlung. Die Fahrzeuge werden, weil die Fahrer unter Zeitdruck stehen, voll durchbeschleunigt, so dass sogar bei neuen Häusern die Tassen im Schrank wackeln. Sprecherin Michael von Klodt hat mit dem Geschäftsführer der KTG Agrar schon oft über die Beschwerden der Anwohner gesprochen. Inzwischen ist er sogar Ortsvorsteher, aber erreichen konnte er bisher nur wenig. O-Ton_08 In der Regel ist es immer so, dass die Herren Hofreiter großen Wert darauf legen, einen guten Draht und ein gutes Verhältnis zu den Bürgern vor Ort zu haben und dass sie Belastungen vermeiden wollen. In der Realität sind wir mit ganz anderen Dingen konfrontiert. Da wird mitten im Dorf wird eine große Miete errichtet, was bedeutet, dass die Silage über Tage mit großen Maschinen festgefahren wird. Dann wurde mir versichert: Ja, das ist eine einmalige Sache, das wird in der Form nicht mehr stattfinden. Im nächsten Jahr wird dann wieder eine Miete errichtet. Wenn man nachfragt, heißt es: Das ist nicht unsere Silage, sondern wir verkaufen das an unseren Lohndrescher ab Halm, ab Feld und im Endeffekt ist es dann so, dass es wieder an den Investor verkauft wird und man verschiebt einfach die Verantwortlichkeiten und stiehlt sich aus derselben und vertröstet die Bürger immer wieder in jedem Dorf in der Gegend hier. Und das ist Jahr für Jahr dieselbe Problematik. Sprecherin Für die KTG Agrar ist das Dorf Karft ein Standort mit Anbauflächen unter vielen. Von ihrer Zentrale in Oranienburg aus beordert sie die großen Maschinen zum Pflügen, Ernten oder Säen dorthin. Atmo_04 Milchviehstall Sprecherin In der Nachbargemeinde Tessin führt Wolfgang Lenz einen mittelständischen Landwirtschaftsbetrieb. Kapitalgesellschaften, die neuerdings in Landwirtschaft investieren, sind für ihn ein rotes Tuch. Atmo Milchviehstall O-Ton_09 Im Umkreis von 10 km haben wir schon 10, 12 Biogasanlagen und da können wir uns ja vorstellen, wie viel Mais gebraucht wird. Wenn ich eine Biogasanlage mit Gülle betreibe, dann kann ich ein Zehntel an Energie rausholen. Wenn ich die Biogasanlage mit Mais oder Getreide füttere, dann ist ein höherer Effekt zu erreichen. Aber dadurch steigen die Pachtpreise, die Kaufpreise. Atmo Stall ausblenden Sprecherin Wolfgang Lenz muss seine Investitionen aus dem Erlös seines landwirtschaftlichen Betriebs finanzieren. Kapitalgesellschaften 6 verfügen über andere Möglichkeiten. Einer der größten Investoren ist die Familie Rethmann. Der Unternehmer Norbert Rethmann aus Selm in Nordrhein-Westfalen hat 1994 von der Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH die ehemaligen volkseigenen Güter Sternberg und Wamckow im Kreis Parchim gekauft. Ein Einzelfall, erklärt BVVG- Geschäftsführer Wolfgang Horstmann. 7 O-Ton_11 Diese volkseigenen Güter haben seinerzeit enorme Verluste erwirtschaftet, so dass wir ein Interesse daran hatten, dass die Verantwortung der Bewirtschaftung der Flächen möglichst schnell auf Dritte übertragen wurde. Das ist oft geschehen in dem Pachtverträge abgeschlossen worden sind. In Einzelfällen ist aber auch verkauft worden. D.h. es ist eine Ausschreibung vorgenommen worden. Der Verkauf hat aber stattgefunden, nachdem das Land ausdrücklich dem Verkauf an mehrere Personen aus der Familie Rethmann zugestimmt hat. Sprecherin Inzwischen besitzt Familie Rethmann über 7000 ha Ackerland, Wiesen und Wald. Damit gehört ihr nun ein Fünftel der Fläche des Landkreises Parchim und als größter Arbeitgeber auf ihrem Gebiet hat sie auch das Sagen. Atmo_07 entfernt Maschinen, im Vordergrund Schwalben.... Sprecherin Norbert Rethmann, Chef eines führenden Konzerns für Abfallentsorgung, hat jetzt das Agrarunternehmen "Mecklenburgische Güterverwaltung" mit Sitz in Wamckow aufgebaut. Norbert Rethmann hat die Region gerettet, hört man von Leuten, die in Wamckow wohnen. Es heißt: `Wenn er nicht gekommen wäre, hätte man hier alles zusammengeschoben`. Atmo_09 Hund bellt, Hühnergegacker.... Sprecherin Der Hof von Manfred Krüger liegt zwischen den Rethmann`schen Gütern. Sein Traktor ist nicht GPS gesteuert und keine Videokamera überwacht sein Anwesen, sondern der Hofhund bellt und es gackern die Hühner, wenn Fremde auf den Hof kommen. Auf ein Schild am Eingang ist die letzte Auszeichnung genagelt, die Manfred Krüger 8 und seine Frau Helga für ihren Zuchtbetrieb im Jahr 2005 erhalten haben. Manfred Krüger war Brigadier bei dem volkseigenen Gut Sternberg und versteht etwas von Landwirtschaft. Als er im Zuge der Privatisierung 34 ha Land zurück bekam, das seine Eltern 1960 an das volkseigene Gut Sternberg abgetreten hatten, wusste er, dass ihm die Fläche nicht reichen wird, um einen rentabel wirtschaftenden Milchviehbetrieb aufzubauen. O-Ton_12 Es wurde uns damals zugesagt, wo wir im volkseigenen Gut aufgehört haben, dass wir Vorpachtungsrecht haben, weil wir Wiederneueinrichter sind und ewig in der Landwirtschaft gearbeitet haben, hätten wir das Vorrecht. Aber es ist leider nicht so gewesen. Es haben solche bekommen, die im Leben noch nie in der Landwirtschaft gearbeitet haben, die haben das gekriegt, wir aber nicht. 20 ha hatte ich dazu gedacht zu zu pachten, dass dieser Betrieb gute 50 ha groß war. Dann hätte man das auch besser überleben können. Sprecherin Doch für die angrenzenden Ländereien erhielt Norbert Rethmann den Zuschlag und nicht Manfred Krüger. O-Ton_13 Es hat mir Spaß gemacht bis vor 2 Jahren. Da war ich noch immer voll dabei. Aber jetzt muss ich sagen, es hat keinen Sinn mehr - müssen wir Schluss machen. Atmo_10 der Hofhund bellt, Hühner gackern... O-Ton_14 Unser Nachbar ist wohl der größte, Herr Rethmann, mit dem wir aber gut klar kommen. Und mit seinen ganzen Brigadieren und Wirtschaftsleitern muss ich sagen, haben wir ein gutes Verhältnis. Der legt für uns Mais und spritzt und so. Wenn wir das absprechen, hat das Hand und Fuß. Wenn die sagen: Wir kommen Montag um 2 Uhr, dann ist das so! Sprecherin Rethmann hilft, Rethmann investiert, Rethmann hat aber auch alles in der Hand. Ein bedrückendes Gefühl beschleicht einen angesichts dieses perfekt geführten Rethmann`schen Agrar-Reichs. Man sieht sich unversehens als Eindringling, der nicht erwünscht ist. `Wollen Sie positiv oder negativ berichten?`, war die erste Reaktion auf die 9 Presseanfrage zu diesem Beitrag. Für ein Gespräch stand letztlich niemand zur Verfügung. Atmo_11 Hintergrund Maschinen... plus Atmo 12 Sprecherin Gut Wamckow, Stieten, Kobrow, Witzin, Borkow, Hohen Pritz und Prestin - Familie Rethmann besitzt inzwischen sieben Güter im Gebiet der Sternberger Seenplatte. Die Verhältnisse in den kleinen Gemeinden, die im Einzugsbereich seiner Güter liegen, sind beinahe vergleichbar mit denen im 19. Jahrhundert, als Großgrundbesitzer nicht nur Arbeitgeber waren, sondern auch Hoheitsrechte hatten. Die großen Agrarbetriebe haben auch heute wieder einen großen Einfluss auf die Gemeindeverwaltungen, erklärt der Wirtschafts- und Sozialgeograph Helmut Klüter von der Universität Greifswald. O-Ton_15 In Mecklenburg-Vorpommern ist es so, dass 700 von 800 Gemeinden keine eigene Verwaltung haben. Die sind also sehr klein, haben im Schnitt etwa 1200 Einwohner. D.h. die wirtschaftlichen Geschicke des Dorfes, die in Westdeutschland doch sehr häufig von den Gebietskörperschaften, von Kleinindustrien oder anderen bestimmt werden, werden hier wie im 19. Jahrhundert von Großagrariern bestimmt. Und das bedeutet, dass die großen landwirtschaftlichen Unternehmen die Gemeinden, die von ihnen abhängig sind gegeneinander ausspielen können, auch deren Geschicke bestimmen können. Und auch sagen können, wenn ihr uns da nicht folgt und da nicht folgt, dann setzen wir erst mal wieder ein paar Arbeitskräfte frei und dann werdet ihr schon merken, was ihr davon habt. Und das sind Dinge, die sich hier in den letzten 20 Jahren sehr tief rein gefressen haben und das weiß die Bevölkerung auch und sie hat resigniert. Atmo Kreisfeuerwehrfest 10 Sprecherin Die Kreisfeuerwehren feiern auf dem Sportplatz in Demen ihr Sommerfest. Der Sportplatz gehört zu einer ehemaligen Kaserne, denn die Gemeinde war zu DDR- Zeiten Militärstützpunkt. Nach der Schließung der Kaserne 1998 schrumpfte die Gemeinde fast um die Hälfte auf tausend Einwohner. In der ehemaligen Kasernenküche am Ziolkowskiring, benannt nach dem russischen Pionier der Raumfahrt Konstantin Eduardowitsch Ziolkowski, werden heute täglich sechstausend warme Essensportionen für Grundschulen, Kindergärten, Firmen und Senioren gekocht. Bevorzugt, wie es heißt, mit Produkten aus der Region. Auf dem Kasernengelände konnten mit der Zeit auch weitere Unternehmen angesiedelt werden. Der Wirtschafts- und Sozialgeograph Helmut Klüter macht an Hand von Wirtschaftsdaten der letzten Jahre deutlich, dass sich auch der Tourismus in Mecklenburg-Vorpommern gut entwickelt hat und sogar ertragreicher ist als landwirtschaftliche Großbetriebe. O-Ton_17 Der Tourismus ist in der Anfangsphase auch stark subventioniert gewesen, aber inzwischen hat der Tourismus eine starke Eigendynamik entwickelt und es hat sich auch gezeigt, dass vor allem kleinere touristische Unternehmen mittlerweile auch das Hinterland der Küste erschliessen, vor allem an den Verkehrswegen. Sie können dort aber nur erfolgreich sein, wenn ihnen nicht so ein stinkender landwirtschaftlicher Großbetrieb vor die Nase gesetzt wird. Sprecherin In Mecklenburg-Vorpommern wird die Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH in den kommenden Jahren noch 139 000 ha Pachtland verkaufen. Sie bieten die letzten "Gestaltungsmöglichkeiten" für Gemeinden und das Land. Ob die Landstriche mit noch mehr Schweinemastbetrieben, Biogasanlagen und Energiepflanzenfeldern bewirtschaftet werden oder ob Alternativen wie die Verträglichkeit von Landwirtschaft und Tourismus Priorität erhalten, das entscheidet sich in den kommenden Jahren. Der Vorstandsvorsitzende der KTG Agrar Siegfried Hofreiter plant auf jeden Fall weitere Landkäufe: O-Ton_18 Wir stehen vor wichtigen Schritten in den nächsten Jahren in der europäischen Landwirtschaft. Die Produktionsgrundlage Boden spielt hier eine entscheidende Rolle und da können und wollen wir Schritt für Schritt noch ein bisschen Land zukaufen. Sprecherin D.h. große Betriebe werden noch größer. Sie erhalten damit noch mehr Einfluss - auch auf die Belange der ländlichen Gemeinden. Wenn der Verkauf allein den Mechanismen des Marktes überlassen bleibt, steuert das Agrarland Mecklenburg-Vorpommern womöglich auf neofeudale Verhältnisse zu.