Deutschlandradio Kultur, Nachspiel 16. März 2014, 17.30 Uhr Die Lautsprecher - Stimmungsmacher in Stadien und Sporthallen Von Wolf-Sören Treusch Stadionsprecher, Hallensprecher, Ansager bei Sportveranstaltungen - fast alle sind sie Überzeugungstäter. Den Lebensunterhalt verdienen sie sich hier nicht. Im Stadion, auf dem Sportplatz oder in der Halle: da sind sie mit Herzblut und Leidenschaft dabei. "Liebe Berliner Volleyballfans in der Max-Schmeling-Halle, bitte erhebt euch von Euren Plätzen." Die Halle ist dunkel. Hunderte orangefarbener Leuchtstäbe fliegen aufs Spielfeld. Ein Verfolgerspot ist auf eine Ecke der Halle gerichtet. Die Cheerleader bewegen Po und Puschel, bilden ein Spalier. Mit einem lauten Knall steigen zwei Stichflammen in die Höhe, und dann kommen sie: die Spieler des aktuellen deutschen Volleyballmeisters, der Berlin Recycling Volleys. Wie ein Entertainer steht Karsten Holland am Spielfeldrand. Er ist weit mehr als einfach nur Hallensprecher. Seit Ende der 90er-Jahre ist er die Stimme der BR Volleys, vormals SCC Berlin. Und er gibt nicht nur den Ansager. Er mischt sich auch konzeptionell kräftig mit ein. Musikeinspieler und Klang-Collagen, Pyro- und Licht- Effekte, Maskottchen und Cheerleader: Karsten Holland ist Teil des Event-Teams. Er ist mitverantwortlich dafür, dass der Besuch eines Volleyballspiels in Berlin neuerdings in ist. "Da gab es die Konstellation: Dritter spielt gegen Erster, damals SCC Berlin Dritter gegen den Ersten VfB Friedrichshafen, wir haben es gemeinsam geschafft, dort knapp 8.000 Zuschauer hinzukriegen, das war damals bahnbrechend für den Volleyballsport, es war eine fantastische Stimmung, mit nem 3:2-Sieg für den SCC, wir waren unglaublich euphorisch und hatten ne knappe Woche später das nächste Highlightspiel, nämlich dann wir als Erster gegen den Zweiten, damals war das Unterhaching gewesen." Sonntagnachmittag, 19. Januar. Knapp 300 Kilometer südlich von Berlin geht es gemütlich zu. Noch. Jens Thielemann bereitet sich auf seinen Einsatz vor. In der Zweiten Deutschen Eishockey-Liga steht das Sachsenderby auf dem Programm: Eispiraten Crimmitschau gegen Lausitzer Füchse, vormals SG Dynamo Weißwasser. Die Stimme von Jens Thielemann ist hörbar angeschlagen. In der vergangenen Nacht hat er kaum geschlafen. Er ist nicht nur Stadionsprecher der Eispiraten, sondern auch der Eisfighters aus Leipzig, eine Liga tiefer. "Wir hatten ein Abschiedsspiel für unseren langjährigen Kapitän und anschließend noch eine Fanparty mit einer ganz tollen Band, und die Stimme hat gelitten, aber es war es wert. Und die Stimme kriegt man schon hin, die Mädels kümmern sich um mich mit heißer Milch und Honig, wir kriegen das hin zum Spiel." Man könnte es jetzt unprofessionell finden, dass er die Nacht mehr oder weniger durchgefeiert hat. Aber: Jens Thielemann lebt Eishockey. Ohne einen Cent damit zu verdienen. Er liebt den Sport, weil er so intensiv ist, sagt er. Genauso hängt er sich als Stadionsprecher rein. Ob in Crimmitschau, in Leipzig oder früher bei den Saaleteufeln in Halle, einem Verein, der mittlerweile insolvent ist. "Es heißt nicht umsonst Heimspiel, das heißt für mich auch: Der Sprecher hat erst einmal für die Heimmannschaft da zu sein und für die Fans. Klar, mittlerweile bin ich 44, und als ich begonnen habe, war ich knappe 30, da ist man auch am Mikrofon noch ein ganz anderer Heißsporn, ich war früher schon, gerade in meiner Zeit bei den Saaleteufeln Halle, anders drauf. Highlight: ein Spielabbruch beim Heimspiel drei Minuten vor dem Ende, weil der Schiedsrichter total entnervt zu mir ins Kampfgericht gefahren kam und sagte: 'Ich kann nicht mehr, wir brechen ab, Schluss, aus, die Sicherheit der heimischen Mannschaft ist nicht mehr gewährleistet.' Weil wir - mit meiner Hilfe sicherlich - das ganze Stadion so hoch gebracht haben, dass die Gästespieler komplett ausgetickt sind und sich sogar mit den Zuschauern geprügelt haben, aber an solchen Geschichten lernt man halt auch, wenn man sagt: passiert so was noch mal im Leben, lieber ein bisschen mehr bremsen, es kann auch mal schief gehen." Jens Thielemann ist eher schmächtig. Er trägt ein Sweatshirt des mehrmaligen Stanley-Cup-Gewinners Pittsburgh Penguins, um den Hals den Schal der Eispiraten. In der einen Hand den Thymiantee, in der anderen ein altes Tastentelefon. Er begibt sich zur Sprecherkabine an der Bande. Dort warten auch noch zwei Flaschen Wasser auf ihn. Hat er eine Standleitung zur Toilette? "Manchmal erwartet man die Drittelpause sehnsüchtig, aber es geht schon. Das Wasser ist einfach nur der praktische Effekt, dass die Stimmbänder nicht austrocknen, dass der Hals feucht bleibt, einfach nur weil wir auch geheizt haben, die Luft so trocken ist. Und es ist manchmal auch ein Nervositätsventil, dass man einfach was zu tun hat. Ich bin ja eigentlich der schüchternste Mensch der Welt. Es ist für mich jedes Mal ein Kampf, da raus zu gehen, aber ich muss." Auf einem Banner über der Tribüne steht: "Herzlich willkommen im lautesten Stadion der Liga". 3513 Zuschauer erwarten heute nicht nur ein gutes Spiel ihrer Mannschaft, sie erwarten auch, dass ihnen der Stadionsprecher hilft, ihrem Ruf gerecht zu werden. 468 Kilometer westlich von Crimmitschau ist Regiebesprechung. Samstag, 15. Februar. Dreieinhalb Stunden bis Spielbeginn. In der BayArena trifft Gastgeber Leverkusen am Abend auf den FC Schalke 04. Es ist das Top-Spiel der Fußball- Bundesliga am 21. Spieltag. Petra, genannt Pitti, Dahl und Klaus Schenkmann sind die beiden Stadionsprecher. Aber sie sind noch mehr: Sie moderieren das BayArena-TV und präsentieren das Rahmenprogramm der Bundesligapartie. Sieben Seiten Regieplan - zügig gehen sie ihn durch. Klaus Schenkmann ist schon lange dabei, Pitti Dahl seit 2009. Sie ist die einzige Frau unter den Stadionsprechern der Ersten Fußball-Bundesliga. "Ich bin da nix Besonderes. Dass ich das machen darf, das finde ich ganz, ganz toll. Aber ich bin da ganz normal. Ich muss den Kies begrüßen." Unter der Woche arbeitet sie in der Marketing-Abteilung von Bayer 04. Wenn sie aber mitten im Interview losstürmt, um Leverkusens Top-Angreifer Stefan Kießling zu begrüßen, spürt man: Sie ist vor allem Fan ihres Vereins. Eine Stunde bis Spielbeginn. Die beiden Stadionsprecher stehen im Innenraum und legen los. Fan-TV und Rahmenprogramm gehören längst zum Alltag in der Fußball- Bundesliga. Ein Freizeitforscher hat es einmal so formuliert: Der emotionale Kick ist genauso wichtig wie der Profi-Kicker. Das erlebnishungrige Publikum verlange nach mehr. Werbung, Gewinnspiele, Fanaktionen, Bilder von der Heimmannschaft und ihren Fans: Die beiden Moderatoren präsentieren nichts, was man so oder so ähnlich nicht auch bei einem der anderen 17 Erstligisten sieht. Und so richtig interessiert wirken die Zuschauer auf den sich langsam füllenden Rängen auch nicht. "Ich finde, dass das gar nicht mehr wegzudenken ist. Nicht nur beim Fußball, sondern bei jeglicher Sportveranstaltung kenne ich es eigentlich auch nur so und genieße das auch, wenn drum herum noch ein bisschen was geboten wird, man ein bisschen lachen kann, man sich selber auf der Anzeigetafel sieht als Fan, der gerade auf der Tribüne steht, oder mitverfolgen kann: Fanquiz, was der Klaus ja bei uns macht und die Antwort weiß und dann hört, dass derjenige, der gerade mitspielt, die falsche Antwort gibt, das sind Sachen, die macht man gerne und hört man sich auch gerne an und schaut man sich gerne an." 15 Minuten bis Spielbeginn. Nun trennen sich die Wege der beiden Stadionsprecher. Pitti geht hoch unters Dach in die Regie, hält Kontakt zur Polizei und dem Sicherheitsdienst. Klaus bleibt am Spielfeldrand in der Nähe des Vierten Schiedsrichters. Und der Fans. "Als ich angefangen habe, da hatten wir eine Kamera, die hing an so einer Funkstrecke, und dann haben wir uns bemüht, damit den Moderator auf die Videowand zu bringen. Mittlerweile machen wir hier TV mit drei Kameras, mit einer Regie, mit allem, was man braucht, um eine Fernsehproduktion zu machen." Zurück in Berlin - Sonntag, 2. Februar. Spitzenspiel in der Volleyball-Bundesliga: die BR Volleys gegen den VfB Friedrichshafen. Hallensprecher Karsten Holland ist in seinem Element. "Die Gegengerade wird richtig laut, macht mal noch eine schnelle Runde, klasse, und jeder gibt seinem Nachbarn einen riesigen Applaus, das sieht klasse aus, haltet die Welle durch. Durchhalten, weitermachen, nicht nachlassen! Eine Runde schafft ihr noch." "Der Mensch, der ich da bin, mit Mikrofon in der Hand, möchte ja was von dem Publikum. Nämlich dass es im Idealfall zweieinhalb Stunden durchklatscht. Wenn so ein Spiel fünf Sätze geht. Und dazu gehört aus meiner Sicht, dass man ein bisschen spielt, dass man variiert, dass man sich einfallen lässt, immer wieder was anderes zu bringen." Mehr als 7000 Besucher bei einem Volleyballspiel. Das ist in Deutschland immer noch die Ausnahme. 2011 beschlossen die Verantwortlichen der BR Volleys, ihre Heimspiele nur noch in der Max-Schmeling-Halle auszutragen. Eine mutige Entscheidung, denn nur wenige Gegner sind so attraktiv wie der VfB Friedrichshafen. Doch in der Sportstadt Berlin mit ihren vielen Alternativangeboten müssen die Volleys eine unverwechselbare Atmosphäre schaffen. Sonst gehen sie unter. Schnell liegen die Gastgeber nach Sätzen mit 2:0 in Führung. Doch trotz aller Beschwörungen ihres Stimmungsmachers verlieren sie Satz Nummer 3 und 4. Die Partie geht in den Tie-Break. Im normalen Leben ist Karsten Holland Doktor Karsten Holland. Orthopäde, Unfallchirurg, Sportmediziner. Aber was heißt bei ihm schon normal. Er ist nicht nur Lautsprecher der BR Volleys, auch hochkarätigen Leichtathletikevents wie dem Berlin-Marathon oder dem IStaF leiht er seine Stimme. In seiner Praxis hängen viele großformatige Sportfotos. Auch eine Totale vom ausverkauften Olympiastadion. Wäre das nicht der nächste Karriereschritt: Stadionsprecher bei Hertha BSC? "Aus Entertainmentsicht muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen, dass mir der Volleyball mehr Vergnügen macht, weil ich viel flexibler bin. Ich kann viel mehr mit der Musik spielen, ich kann viel mehr in Interaktion mit dem Publikum treten als das im Berliner Olympiastadion der Fall ist." Beim Fußball ist das der Job der Fans. Die Lautsprecher sind meist unter den Ultras zu finden. Mit dem Rücken zum Spiel, das Megafon vor dem Mund feuern sie ihre Leute an. Zurück in Leverkusen. Im Topspiel der Bundesliga gerät die Werkself früh in Rückstand. Stadionsprecher Klaus Schenkmann kann seine Enttäuschung kaum verbergen. Will er auch nicht. Dazu ist er viel zu sehr Fan von Bayer 04. "Ja, ich bin Fan dieser Mannschaft seit 1979, ich war hier im Stadion, als wir noch nicht in der Bundesliga gespielt haben und würde diesen Job als Stadionsprecher auch niemals machen wollen und können, wenn ich nicht Fan dieses Vereins wäre." "Und ich finde es auch sehr schön, dass der Klaus hier 'Tooor für die Werkself' brüllt, denn gerade so eine Frauenstimme kann ja schnell schrill klingen, unangenehm fürs Ohr, und ich höre es, glaube ich, auch lieber von einem Mann." Petra, genannt Pitti Dahl, seine Kollegin als Stadionsprecherin, ist dafür inzwischen bei Länderspielen der Frauennationalmannschaft in Leverkusen aktiv. Die Bundesligaspiele der Männer verfolgt sie von oben, von der Regie aus. Halbzeitpause - im VIP-Bereich lässt sich Lothar Matthäus von einem Schuhputzer die Schuhe putzen, Pitti verteilt über die Lautsprecherboxen Geschenke. ATMO 18 (Halbzeit, bei 0:36) 0'18 hoch, wieder drunter (Pitti) Wir sagen: Glückwunsch, und damit gebe ich nach unten zu Klaus, da ist ja jede Menge los bei dir auf dem Rasen. (Klaus) Luke-Ball-Kick heißt die ganze Nummer, bin gespannt, was passiert, so ganz weiß ich es noch nicht, aber wir werden jetzt spektakuläre 90 Sekunden hier erleben. Auf geht's ... AUTOR 25 Nach 55 Sekunden bricht Klaus das Spiel ab. Er spürt: keiner schaut wirklich zu. Show-Acts dieser Art gehen im riesigen Stadionrund unter. Nicht alles, was für die so genannten Konsumorientierten Fans ins Programm genommen wird, funktioniert auch. Die Legende sagt, der Stadionsprecher von Borussia Mönchengladbach habe in der Halbzeitpause früher Werbeslogans für einen nahe gelegenen Puff vorgetragen: ,Ob Süden, Norden, Osten, Westen. Heppos Frauen sind die Besten'. Diese Peinlichkeit bleibt Klaus immerhin erspart. ATMO 19 (Regieraum) 0'05 frei, dann drunter Der Kies ist einfach super. Haste gesehen, ne? Wie der sich den Ball da geholt hat. Wahnsinn. AUTOR 26 Die zweite Halbzeit läuft. Leverkusen drängt auf den Ausgleich. Pitti verfolgt das Spiel durch ein riesiges Panoramafenster. Jeden Eckball, jede gelbe Karte, jeden Spielerwechsel sagt sie den Kollegen in der Regie an. Obwohl die das Spiel auch verfolgen. Auf dem Monitor. ATMO 20 (Regieraum) 0'09 frei, wieder drunter Das ist ja zeitlich etwas versetzt, was die sehen. Wenn ich schon weiß, dass es daneben geht, fliegt bei denen noch der Ball Richtung Tor. Kies, mach ihn, ohhh, Mann! AUTOR 27 In den 15 bis 20 Sekunden, die es dauert, bis ein Eckball ausgeführt worden ist, schaltet die Regie das Logo eines Sponsors auf die Anzeigetafel. Eine weitere Gelegenheit, Geld zu verdienen. Die Torschützen heute werden beispielsweise präsentiert von einer bekannten Brauerei. ATMO 21 (Regieraum, bei 0:08) 0'11 frei, dann drunter (Pitti) Ausgeführt. Jawoll, ich glaube Kies, 66., (klatsch, klatsch, klatsch) Eigentor? (Klaus aus dem Off) wer ist denn der Torschütze? AUTOR 28 Endlich erzielt Leverkusen den Ausgleich. In der Regie ist es kurz unruhig. Erst die Zeitlupe klärt auf, wer das Tor geschossen hat. Und Klaus kann das tun, was er am liebsten tut. ATMO 21 (Regieraum, bei 0:47) 0'08 hoch, drunter und weg Die 66. Spielminute: durch ein Eigentor heißt es: Tooooor für die (Fans) Werkself. (Klaus) Danke. (Fans) Bitte. Neuer Spielstand: Bayer Leverkusen Schalke 04 1:1. ATMO 22 (Regieraum, bei 0:08) 0'01 frei, dann drunter (lauter Knall außen) (Pitti) Huch. AUTOR 29 Ein lauter Knall. Pitti schreckt auf. Kurzer Blickkontakt durchs Fenster. Ergebnis: Ball flach halten. ATMO 22 (Regieraum, bei 0:17) 0'11 hoch, wieder drunter So, das war jetzt Abstimmung mit Security, da war irgendwo ein Böller, aber wir haben uns abgestimmt: das ist ein Böller, keine Reaktion von uns. Nur achte ich jetzt natürlich mehr auf die Kurve. AUTOR 30 Die Kurve unter ihr ist der Block der Gästefans. Mit Polizei und Sicherheitskräften ständig Kontakt zu halten, das ist die zentrale Aufgabe von Petra Dahl. Der DFB hat im vergangenen Sommer ein 87 Seiten dickes Handbuch für Stadionsprecher und Platzansager veröffentlicht. In Gefahrensituationen oder bei Zwischenfällen seien sie ein wichtiger Verlängerungsarm für die Sicherheitsbehörden im Stadion, heißt es darin. Es gibt eine Reihe von Mustertexten, wie die Stadionsprecher reagieren sollen, wenn ein unvorhergesehenes Ereignis eintritt. Doch statt eines weiteren Böllers bejubeln die Gästefans ein weiteres Tor. Schalke geht erneut in Führung. ATMO 23 (Regieraum, bei 0:33) 0'07 frei, dann drunter (Klatsch, klatsch, klatsch, klatsch) Hnng, komm! Aaahhhhhh, Ecke Leverkusen. ... AUTOR 31 Die Werkself rennt weiter an, trifft auch noch ein Mal die Latte, dann ist das Spiel vorbei. ATMO 24 (Regieraum) 0'03 frei, dann weg Abpfiff. Scheiße. ATMO 25 (Eisstadion, Torjubel) kurz frei, dann drunter AUTOR 32 Zurück beim Sachsenderby in der Zweiten Deutschen Eishockeyliga. Die Eispiraten Crimmitschau haben endlich getroffen. Nur noch 1:2 gegen die Lausitzer Füchse. Stadionsprecher Jens Thielemann stößt stimmlich an seine Grenzen. [Die Nacht hat ihre Spuren hinterlassen.] ATMO 25 (Eisstadion, bei 0:51) 0'07 hoch, wieder drunter (Thielemann) 32. Spielminute, Toooooor für unsere Eispiraten (Fans) Crimmitschau! ... AUTOR 33 Ende der vergangenen Saison stieß er an andere Grenzen. Im letzten Punktspiel verschenkte die Mannschaft mit einer völlig indiskutablen Leistung gegen den damaligen Tabellenletzten Dresden die Chance, in die Play-Offs um die Zweitliga- Meisterschaft einzuziehen. Jens Thielemann war so enttäuscht, dass er schon während des Spiels über die Lautsprecheranlage Klartext sprach. TAKE 20 (Thielemann) 0'26 Für mich war es dann irgendwann im letzten Drittel so, dass ich auch merkte: auf den Rängen, die Zuschauer, die Stimmung könnte kippen oder die sind bösartigst frustriert, und ich habe einfach nur versucht, das ein bisschen in Worte zu fassen und zu kanalisieren, und hatte dann aus der Situation heraus gesagt, dass dieses Ergebnis von heute eigentlich auch für die Saison hinaus der ,sportliche Super-Gau', so war es wörtlich, für den Standort Crimmitschau ist. AUTOR 34 Es waren zu klare Worte. Dem Stadionsprecher stünde es nicht zu, die Leistung der Mannschaft auf dem Eis in dieser Weise zu kommentieren, echauffierte sich der Trainer. Ein Wort gab das andere. Jens Thielemann dachte an Rücktritt. TAKE 21 (Thielemann) 0'25 Ja, ja. Ich mache das ja nun eigentlich ehrenamtlich, opfere meine Freizeit und vor allem meine Lebenszeit am Wochenende, um hier zwar Spaß zu haben, aber nicht, um mir hier noch Ärger einzuhandeln. Das musst du dir nicht antun, wenn du so missverstanden wirst oder deine Arbeit so anders gesehen wird, dann ist es manchmal besser, man trennt sich, bevor man irgendwie noch was aufbauscht. Es hat sich dann aber schön beruhigt, Gott sei Dank, heute lachen wir alle darüber, aber es ist halt passiert, wir können es nicht weg reden. ATMO 26 (Eisstadion, Torjubel, bei 0:35, Toransage, bei 1:41, Pfiffe, ab 2:10) AUTOR 35 Endlich drehen die Eispiraten richtig auf - Ausgleich. Das Spiel gegen die Lausitzer Füchse aus Weißwasser geht in die Verlängerung. ATMO 26 (Eisstadion, Torschützenansage, bei 2:34) 0'06 hoch, wieder drunter (Thielemann) ... und unser nächster Torschütze, mit der Nummer 9 Scott (Fans) Lee. (Thielemann) Scott (Fans) Lee. (Thielemann) Scott (Fans) Lee. ... AUTOR 36 Jens Thielemann ist froh, dass er seinem Frust über die damaligen Reaktionen nicht nachgegeben hat. Er liebt das Mikrofon, sagt er. Ein Leben ohne Eishockey? Unvorstellbar. Die Arbeit als Stimmungsmacher im Eisstadion ist für Jens Thielemann ein wichtiger Freizeitausgleich. Unter der Woche betreibt er ein Büro für Budgetberatung, Integrationshilfe und Assistenz. Er unterstützt Menschen mit Behinderungen, ihr Recht auf Eingliederung in den Ersten Arbeitsmarkt wahrzunehmen. Oder, wenn sie noch Kinder sind, mit Hilfe von ausgewiesenem pädagogischen Personal in einer ,normalen' Schule zurechtzukommen. TAKE 22 (Thielemann) 0'43 Durch meinen Job die Woche über: ich sehe sehr viel körperliches Leid. Ich sehe Behinderungen und Krankheiten, von denen viele Menschen nicht einmal wissen, dass es sie gibt. Ich übernehme auch sehr häufig Patenschaften für Kinder, die ich einfach auf ihrem Weg begleiten möchte und habe dadurch auch in den letzten Jahren zwei Kinder verloren, die wir zu Grabe getragen haben, was natürlich brutale Lücken reißt und brutale Wunden, das Schöne ist, beim Eishockey weiß ich: hier darf ich das alles mal außen vor lassen, ich darf das ganze Negative oder die schlimmen Erlebnisse in der Seele, die die Woche über aufgetreten sind, einfach mal rauslassen. Ich darf alles mal explodieren lassen und komme mit mir selbst wieder ins Gleichgewicht, dass ich ruhig bin und freue mich dann auch schon wieder auf den Montag, auf die normale Arbeit, wenn ich wieder mit meinen Menschen im Rollstuhl zusammenarbeiten darf. ATMO 27 (Eisstadion, Torjubel, bei 0:07) 0'05 frei, dann drunter AUTOR 37 Heute lassen die Eispiraten die Emotionen in Crimmitschau explodieren. 32 Sekunden vor Ablauf der Verlängerung, also in buchstäblich allerletzter Sekunde, erzielt der Gastgeber das entscheidende 3:2. ATMO 27 (Eisstadion, Toransage, bei 0:55) 0'05 hoch, wieder drunter (Thielemann) 65. Spielminute: Derbysieg für unsere Eispiraten (Fans) Crimmitschau! ... AUTOR 38 Für Stadionsprecher Thielemann eine Erlösung. Die Stimme ist für heute weg. Zum ersten Mal in seiner 15-jährigen Laufbahn hinterm Mikro, sagt er. ATMO 27 (Eisstadion, Toransage, bei 1:11) 0'05 hoch, langsam weg (Thielemann) Damit Endstand: Eispiraten (Fans) 3! (Thielemann) Weißwasser (Fans) 0! (Thielemann) Danke. (Fans) Bitte. TAKE 23 (Thielemann) 0'09 Mir hat die Mannschaft heute den Arsch gerettet. Weil: beim Penaltyschießen muss ich jeden Schützen ansagen, und ich versuche natürlich auch, Spannung aufzubauen, ich weiß nicht, wo es hergekommen wäre noch mit der Stimme. ATMO 28 (Max-Schmeling-Halle) 0'04 frei, dann drunter Auf geht's liebe Volleyballfreunde, Halbzeit in Satz Nummer 5. AUTOR 39 Zurück in Berlin: es steht 8:8 im fünften Satz - das Spitzenspiel zwischen den BR Volleys und dem VfB Friedrichshafen geht in seine entscheidende Phase. Karsten Holland sitzt drei Meter hinter dem Kampfgericht. Am liebsten würde er jetzt direkt zu den Zuschauern gehen und ihnen einheizen. Kann er aber nicht. Er muss nebenbei die Regler bedienen. ATMO 28 (Max-Schmeling-Halle, bei 0:37) 0'06 hoch, wieder drunter Attacke! AUTOR 40 Die Arbeit am DJ-Pult teilt er sich mit einem Kollegen. Anders ginge es inzwischen gar nicht mehr. Zu vielfältig sind die Musikeinspieler und Klang-Collagen über die Jahre geworden. Ein kurzer Blickkontakt nach jedem Ballwechsel: mehr brauchen die beiden nicht, um sich abzustimmen und den richtigen Clip abzufahren. Und nicht nur die Zuschauer haben ihre Freude daran, auch die Spieler. Wie zum Beispiel Publikumsliebling Felix Fischer. ATMO 29 (BR Volleys, Fischer-Musik) 0'04 frei, dann weg TAKE 25 (Fischer) 0'10 Ja ja, klar. Wir stehen ja direkt unter den Boxen. Unter dem Netz sind ja direkt oben die Boxen, die großen Bassdinger, du kriegst das volle Röhre mit. Das kann man nicht nicht mitkriegen. Also er kriegt die Halle immer zum Toben. ATMO 30 (Max-Schmeling-Halle, bei 0:07 Jubel) 0'13 hoch, wieder drunter ... 13:12-Führung für die BR Volleys, liebe Volleyballfreunde, es herrscht keine Sitzplatzpflicht in der Max-Schmeling-Halle, erhebt euch von euren Plätzen! Zwei Punkte noch! Kommt! ... TAKE 26 (Fan) 0'09 Das ist mehr als wichtig. Wenn das nicht wäre, wenn keiner wäre, der das mit anheizt, dann würde das Publikum auch nicht mitgehen. Das ist aber normal. Also: du brauchst einen Anheizer. AUTOR 41 Auch der Fanclub ist begeistert. Obwohl beide Seiten wissen: die lauten, etwas schwerfälligen Fan-Trommeln sind nicht immer synchron mit den hippen Musikakzenten des Event-Teams. ATMO 30 (Max-Schmeling-Halle, bei 0:51) 0'07 hoch, wieder drunter ... Zwei Punkte im alles entscheidenden fünften Satz, das machen die Fans von Berlin aus, auf geht's! ... AUTOR 42 Nun, zum Ende des fünften Satzes gibt Karsten Holland alles. Ohne ihn, davon ist Manager Kaweh Niroomand überzeugt, könnten die Berlin Recycling Volleys niemals mit der großen Sportkonkurrenz in der Hauptstadt mithalten. TAKE 27 (Niroomand) 0'28 Ja, der ist enorm wichtig. Weil: er kontrolliert die Stimmung in der Halle, und dadurch, dass gerade unser Hallensprecher ein langjähriger Wegbegleiter des gesamten Projektes ist, kennt er auch natürlich die Stimmung unter den Zuschauern, das Empfinden unter den Zuschauern, er kennt das Ganze auch von unserer Seite, und ich glaube, er ist enorm wichtig, es hat Spiele gegeben, wo ich sage: sein Anteil war nicht unwesentlich, dass es am Ende, wo es knapp war, dass wir auch das Spiel dann gewonnen haben. ATMO 30 (Max-Schmeling-Halle, bei 1:20) 0'02 hoch, wieder drunter ... Matchball Berlin! ... TAKE 28 (Holland) 0'23 Aber wenn die BR Volleys mit 6 Punkten zurück liegen, dann werde ich keine künstliche Stimmung erzeugen können, dann kann ich nichts machen. Wenn die dann mit ein, zwei Punkten rankommen, dann kannst du die Stimmung aufnehmen und dann kannst du auch pushen, und dann kannst du es möglicherweise schaffen, dass der dritte und vierte Punkt auch noch hinterher kommen, weil die Halle kocht. Aber spielen und gewinnen müssen die Jungs von ganz alleine. ATMO 30 (Max-Schmeling-Halle, bei 2:13 Riesenjubel) 0'16 hoch, langsam weg ... Es ist vollbracht, 15:13 in Satz Nummer 5, die BR Volleys bleiben ungeschlagen in der Bundesliga in der Saison 2013/2014. AUTOR 43 Neutral und sachlich informieren, und dennoch hörbar Fan der eigenen Mannschaft sein: es ist ein schmaler Grat, auf dem die Stadion- und Hallensprecher wandeln. TAKE 30 (Thielemann) 0'11 Sobald wir, wie jetzt auch, langsam ins Saisonfinale starten, dann bin ich auch die Woche über im Eishockeyfieber. Komplett. Dann lasse auch ich mir den sprichwörtlichen Play-Off-Bart wachsen, bis zur Niederlage. ATMO 31 (Regieraum) 0'04 frei, dann weg (Klaus) Euch allen noch einen guten Heimweg, bis zum nächsten Mal, Tschüss. (Pitti) Tschüss. 1