Deutschlandfunk GESICHTER EUROPAS Samstag, 22. November 2014, 11.05 ? 12.00 Uhr "Von Innsbruck herauf wird es immer schöner" Der Brenner-Basistunnel und die Zukunft des Alpentransits Mit Beiträgen von Gerwald Herter Moderation: Britta Fecke Musikauswahl: Babette Michel Urheberrechtlicher Hinweis Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Die Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 44a bis 63a Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. © - unkorrigiertes Exemplar ? T r a i l e r Mod.: Den ehemaligen Bürgermeister aus Südtirol kann das Großbauprojekte nicht überzeugen: O-Ton: ..." Es wird ein sehr teures Grab. Der Brennerbasistunnel wird zu einer Kathedrale in der Wüste. ( ... )" Mod: Simon Lochmann von der Baugesellschaft kennt die Kritik: O-Ton: ...." Großprojekte erzeugen immer Angst. Genau deshalb ist es wichtig, dass man der Bevölkerung immer genau erklärt, was da passiert ( ... )" Mod.: Gesichter Europas: Von Innsbruck rauf wird es immer schöner: Der Brenner-Basistunnel und die Zukunft des Alpentransits Mit Reportagen von Gerwald Herter Am Mikrophon begrüßt sie Britta Fecke. Mod 1: Wenn der Reschenpass vereist und der Gotthard schon gesperrt ist, ist er in der Regel noch befahrbar: denn der Brenner ist mit einer Höhe von knapp 1400 Metern der niedrigste Pass der Alpenregion. Auch die Steigung von nur sechs Prozent auf der Autobahn macht ihn besonders für den Schwerverkehr zur attraktivsten Transitstrecke von Nord- nach Südeuropa: 1.760.000 LKW haben die Alpen im letzten Jahr über die Brennerautobahn passiert. Dass sind am Tag knapp 5000 Laster und Sattelschlepper, dazwischen drängen sich die PKW, ihre Zahl übersteigt, die der LKW noch um ein fünffaches! Im jährlichen Durchschnitt nutzen 10 Millionen PKW diesen Alpenpass. Der Brenner ist damit schon seit Jahrzehnten, der am stärksten befahrene Pass im gesamten Alpenraum. Stoßstange an Stoßstange schlängelt sich der Abgasspeiende Autokonvoi durch die engen Täler Tirols: laut, umweltschädlich und zudem geschäftsschädigend für die örtliche Tourismusindustrie. Atmo: Tunnel, Sprengung Einen Teil der Emissionen und des Lärms soll künftig der Brenner-Basis-Tunnel schlucken. Auf der wichtigen europäischen Verkehrsachse München-Verona wird der Stollen zwischen Innsbruck und Franzenfeste/Fortezza durch den Berg getrieben. Mit einer Länge von 55 Kilometern wird dieser Durchstich dann zu einem der längsten Eisenbahn-Tunnel der Welt. Züge sollen nach der geplanten Fertigstellung einen Teil des Güterverkehrs auf den Schienen und durch den Berg transportieren, von Österreich nach Italien und zurück Doch soweit ist es noch nicht: Auf italienischer Seite wird schon an den Hauptröhren gearbeitet, in Österreich bei Wolf sprengen die Mineure noch einen der drei Zugangstunnel aus dem Berg, sie dienen nicht nur der Erkundung des Gesteins, sondern werden später als Notausgänge genutzt. Andrea Lusso leitet die Bergbaustelle bei Wolf: Beitrag 1: 1500 Meter unter der Erde - Im Labyrinth der Tunnel-Baustelle O-Ton Tunnel Atmo mit Sprengung Der Druck auf den Ohren ist nicht besonders stark und lässt gleich wieder nach ? das Geräusch verhallt irgendwo in der Ferne. Eine der kleineren Sprengungen, sagt der Tiroler Andrea Lussu, die gibt es hier öfters - in diesem komplexen System aus Zugangs-, Erkundungs-, Hilfs- und Lagertunneln. FAHRGERÄUSCH. Wir befinden uns jetzt ca. 1,2 Kilometer im Berg, es geht stetig nach unten. Mit 10 Prozent Gefälle. Und wir nähern uns der Ortsbrust, wo die Arbeiten derzeit stattfinden. ca. 23 Passage mit Gemurmel Autor: "Die Ortsbrust" einer von vielen uralten Begriffen, die deutlich machen, wie lange "Mineure" schon Tunnel bauen und "durchs Gestein fahren". Allerdings müssen Tunnel früher viel kleiner gewesen sein. Jetzt fahren riesige Lastwagen hindurch, Förderbänder müssen Platz finden, schon die Frischluftleitungen unter der Decke sind meterdick. Vermessungspunkte sind in regelmäßigen Abständen an den Tunnel-Wänden zu erkennen, sie werden täglich von Technikern kontrolliert, damit sie feststellen können, ob sich das Gestein noch bewegt. Dann müssen die Anker eben verstärkt werden, sagt Lussu. Ingenieure wie er, mussten früher damit rechnen, dass es pro hundert Meter Tunnelbau zu einem tödlichen Unfall kommen würde. Das hat sich geändert. Die Sprengungen sind nicht mehr das Hauptproblem, sondern der Verkehr. Je tiefer man kommt, desto wärmer wird es: Fahrgeräusch, lauter Je näher wir der Ortsbrust kommen, desto schlechter wird auch die Fahrbahn, versuchen wir in gutem Zustand zu halten, aber bei Sprengungen alle 5 bis 6 Stunden ist das sehr schwierig, weil das Material einfach ständig anfällt. HANDBREMSE, ATMO LAUTER, LASTWAGEN Das Geräusch, das wir jetzt hören, das ist der Bohrvorgang ... .Das ist das Geräusch, das man jetzt hören kann. BOHREN, sehr lang Autor: Ein Spezialfahrzeug treibt Bohrer in eine Art Felspodest. Später wird der Sprengstoff dort hineinkommen. Das Gestein darüber ist schon weggesprengt worden, doch nun gilt es den Querschnitt der Röhre noch zu vergrößern. Von dort aus, wo Vermesser, Geologen und Ingenieure arbeiten, kann man gerade noch in ein schwarzes Loch blicken: Helme, Gehörschutz, Zeichen und Gesten, der ungeheure Lärm scheint niemanden abzulenken. Atmo kurz hoch Autor: Auf dem Rückweg nach oben, erklärt Andrea Lussu, dass erst in den Haupttunneln eine große Bohrmaschine zum Einsatz kommen wird, allein der Bohrkopf ist 60 Tonnen schwer. Noch ist es nicht so weit. Hier im Zugangstunnel muss alles freigesprengt werden - 1000 Kilo Sprengstoff täglich, allein an diesem Baulos: O-Ton: Wenn ich ein sehr gutes Gebirge habe, wie zum Beispiel auf der italienischen Seite, dann kann ich auch Abschläge machen bis zu vier Meter pro Sprengung. Hier in Wolf, wo wir eben diesen Bündner Schiefer haben, der eben die Neigung hat solche Platten zu machen, dort habe ich die sogenannte Sargbildung,. Das ist ein Ausdruck im Tunnel, wo sich eben größere Gesteinsbrocken am Tunnel-Oberrand bilden, die dann runterfallen können. Deshalb versucht man die Abschlagslänge zu reduzieren auf 1 Meter 50, 1 Meter 70. Dadurch kann ich das vermeiden. O-Ton Atmo Tunnelgeräusch leiser, Autor: Lussu hat offenbar für alles eine Lösung. Das ist schließlich sein Beruf. Er ist für diesen riesigen Bauabschnitt "Wolf" verantwortlich. Seelenruhig sagt er, dass hier 1500 Meter Gestein über dem Tunnel liegen und dass es irgendwann, nahe am Brenner 2000 Meter sein werden. O-Ton Jetzt fahr ma (in Tunnel) eini. TÜRENSCHLAGEN,. FAHRGERÄUSCH über Stock und Sein. Lachen, Murmeln, Wassertruck, Bewetterung, wird wahrscheinlich zum Schneeräumen verwendet. Geht's den Tunnel runter, SUMMEN lauter. Autor: Dieser Zugangstunnel führt direkt unter den Schienen der bestehenden Brenner-Eisenbahn-Strecke in den Berg, davor, im Freien parken Baustellenfahrzeuge zwischen Containern. Besprechungs- und Aufenthaltsräume befinden sich in einigen Wohnhäusern, die die BBT den Eigentümern abgekauft hat. Der Ort Wolf liegt in Österreich, im Nordtiroler Wipptal, durch das auch die Brennerbundesstraße führt. Oben, an der Autobahn ist eine eigene Baustellen-Einfahrt errichtet worden, damit die Lastwagen mit dem ausgebrochenen Gestein auf dem kürzesten Weg weiterfahren können. Von hier oben lässt sich der oberirdische Teil der Tunnel-Groß-Baustelle Wolf überblicken. O-Ton Atmo Autobahn, Brummen, passt schon, Handbremse, Türen. Autor: Andrea Lussu zeigt auf das Padastertal gegenüber. In ihm soll ein großer Teil des ausgesprengten Gesteins deponiert werden. Dafür muss ein ganzer Bach kanalisiert und später, wenn der Talgrund aufgefüllt ist, höher gelegt werden. Eine Station zur Trinkwassergewinnung wurde verlegt, eine Kapelle abgerissen und an einer anderen Stelle wieder errichtet. Mit dem Besitzer einer Alm verhandelt die BBT über Entschädigungszahlungen, weil ihm die Gäste wegbleiben. Und Wolf ist nur eine von drei riesigen Baustellen, auch in Italien und weiter unten, Richtung Innsbruck, befinden sich Zugangstunnel, denn die eigentlichen Bahn-Tunnel sollen von drei Stellen aus gleichzeitig gebohrt werden. Sonst würde alles noch länger dauern und wohl noch teurer werden. O-Ton Also ich bin überzeugt, dass sich das lohnt. Ich bin ja nicht nur ein Arbeiter, der hier arbeitet, sondern ich lebe, seit ich geboren bin in diesem Tal. Ich weiß, was der Verkehr hier, äh, wie der gewachsten ist und was der ausmacht. Mein Elternhaus stand zwischen Bahn und Autobahn und das war zu spüren mit Lärm und Verschmutzung. Ich glaube, dass der Tunnel zuerst eine Umweltverbesserung ist, sowohl im Süden, wie auch im Norden. Autor: Andrea Lussu ist seit zehn Jahren mit der Planung und dem Bau dieses Tunnels beschäftigt, wenn alles so weiterläuft, sagt er, dürfte er am Großprojekt Brenner-Basis-Tunnel noch zehn Jahre weiterarbeiten. Literatur 1 auf Musik: Zur Grand Tour des europäischen Adels und reicher Bildungsbürger gehörte immer ein längerer Aufenthalt in Arkadien. Und so machte sich auch Johann Wolfgang von Goethe 1786 auf den Weg nach Italien. Diese autobiographische Schrift ist mehr lyrische Landschaft-Dichtung als Reisebericht. Und dennoch wie bei dem Universalgelehrten üblich, fehlen auch hier die handfesten - in dem Fall geologische Beobachtungen - nicht. Wie bei seiner Passage über den Brenner: "Die Kalkalpen, welche ich bisher durchschritten, haben eine graue Farbe und schöne, sonderbare, unregelmäßige Formen, ob sich gleich der Fels in Lager und Bänke teilt. Aber weil auch geschwungene Lager vorkommen und der Fels überhaupt ungleich verwittert, so sehen die Wände und Gipfel seltsam aus. Diese Gebirgsart steigt den Brenner weit herauf. In der Gegend des oberen Sees fand ich eine Veränderung desselben. An dunkelgrünen und dunkelgrauen Glimmerschiefer, stark mit Quarz durchzogen, lehnte sich ein weißer, dichter Kalkstein, der an der Ablösung glimmerig war und in großen, obgleich unendlich zerklüfteten Massen anstand. Über demselben fand ich wieder Glimmerschiefer, der mir aber zärter als der vorige zu sein schien. Weiter hinauf zeigt sich eine besondere Art Gneis oder vielmehr eine Granitart, die sich dem Gneis zubildet, wie in der Gegend von Elbogen. Hier oben, gegen dem Hause über, ist der Fels Glimmerschiefer. Die Wasser, die aus dem Berge kommen, bringen nur diesen Stein und grauen Kalk mit. Nicht fern muss der Granitstock sein, an den sich alles anlehnt. Die Karte zeigt, dass man sich an der Seite des eigentlichen großen Brenners befindet, von dem aus die Wasser sich ringsum ergießen." 2 Mod. : Der Brenner ist nicht die kürzeste Nord-Süd-Verbindung durch die Alpen, sondern der Gotthard, die letzte Schwelle wurde in dem Schweizer Eisenbahntunnel vor wenigen Wochen verlegt. Und damit verlegen die Eidgenossen auch den transalpine Frachtverkehr auf die Gleise: Zwei von drei Tonnen Frachtgut schickt die Schweiz schon jetzt über die Schiene, in Österreich sind die Verhältnisse genau umgekehrt: zwei Drittel des Frachtaufkommens wird mit dem LKW befördert, der Rest mit der Bahn. Atmo: Tunnel, Sprengung in der Ferne Mit der Eröffnung des Gotthart-Basis-Tunnels im nächsten Jahr wollen die Schweizer den Gütertransport fast vollständig auf die Schiene legen, zum Schutz der Alpen, ihrer Umwelt und am Ende auch der Menschen. Diese verkehrspolitische Verpflichtung hat in der Schweiz Verfassungsrang. Das gilt für den Brenner nicht. Eine Beschränkung des Straßenverkehrs ist nicht vorgesehen, zudem sind auch die Mautgebühren in Italien noch günstiger als in der Schweiz, sodass viele LKW-Fahrer nicht den kürzesten Weg über den Gotthard, sondern den billigsten über den Brenner nehmen. Atmo: noch mal kurz als Zäsur hoch Vor wenigen Jahrzehnten fürchteten die Tiroler noch, vom Rest der Welt abgeschnitten und umfahren zu werden. Nun werden sie von den Blechlawinen überrollt. Und es stellt sich die bange Frage, ob der Tunnel überhaupt ausreicht, um die Täler vor dem Verkehrskollaps zu bewahren? Beitrag 2: Die Angst der Tiroler vor der Umfahrung - ist Verkehr noch Leben? Atmo: Ah so, ok Seegrube, Gemurmel, Frage nach Parkkarte, später Kassiererin lacht herzhaft, Münzen, Kassengeklapper Direkt daran: Atmo Mit der Karte durchs Drehkreuz Pieps, doing und noch mal, jetza! Autor: Die Moderne hat auch hier Einzug gehalten. Wer hinauf will, muss seine Seilbahn-Fahrkarte über elektronische Lesegeräte ziehen, ähnlich wie eine Bordkarte am Flughafen. Dennoch ist die Nordkettenbahn ein Museumsstück geblieben ? ein Kleinod der Tiroler Verkehrs- und Tourismusgeschichte. Schon vor dem 1. Weltkrieg hatte es kühne Pläne für den Bau einer Seilbahn von Innsbruck hinauf auf die Nordkette gegeben. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren sich die Ingenieure allerdings noch nicht sicher, ob die Stahlseile auch halten würden. Wolfgang Meixner sagt, dass erst die Erfahrung, die die Österreicher im 1. Weltkrieg mit Material-Seilbahnen in den Dolomiten gemacht hatten, der Idee zum Durchbruch verhalf: O-Ton 1 Wie das gebaut wird, war abenteuerlich. Man musste Behelfsseilbahnen bauen. Es hat hier Träger gegeben, die haben Lasten von 70 Kilo mehrmals am Tag hier hinauf getragen. Das waren Pinzgauer. Und man hat die Bahn sehr rasch errichtet und dann in Betrieb genommen. Das war eine Sensation! Autor: -1928 und die Stahlseile hielten. Die Talstation wurde im Stil der Zeit erbaut, Funktionalität mit Tiroler Anklängen in Holz. Mit viel Aufwand wird dieser Stil bis heute bewahrt ? bis hin zur Sitzecke. Kabel, Stützpfeiler und Kabinen sind, wie die gesamte Technik, jedoch längst erneuert worden. In ein paar Minuten geht es heutzutage nach oben: Atmo 5, Aus der Bahn und Hinsetzen, ( ... .)Schöne Sicht, besser könnt's net sein! Gehen wir vielleicht da hin? Verzeihen Sie, sind da vielleicht noch 2 Plätze frei? Wir gehen auch gleich, ja natürlich! Autor: Hier ist Wolfgang Meixner in seinem Element. Weil der Wind nun doch ein wenig weht, zieht er ein Stirnband über und holt die Sonnenbrille heraus. Der erste Schnee ist schon da. Als Tiroler kennt Meixner die Berge, außerdem aber ist er Fachmann für die Geschichte des alpinen Tourismus und damit des Verkehrs. Die Bergstation Seegrube liegt auf gut 1900 Metern Höhe. Viele Alpen-Gipfel sind im Süden zu erkennen, aber auch die alte Brennerstraße, die Brenner-Bahn und die Brenner-Autobahn, deren Trassen sich durchs Wipptal hinaufziehen: O-Ton 2 ( ... ) Die Römerstraße war ja hier, nicht wo's heute ist in der Mitte, sondern sie hat sich am Patscherkofel entlang geschmiegt und trifft dann oben in Matrei aufs Haupttal. Autor: Die meisten deutschen Kaiser waren hier durchgezogen, um sich in Rom krönen zu lassen, Güter wurden in größerem Umfang schon im Mittelalter zwischen Venedig, Florenz und Mailand auf der einen, deutschen Handelsstädten wie Augsburg und Nürnberg auf der anderen Seite hin und hertransportiert. Auch frühe Touristen, wie Goethe reisten über den Brenner und mit allen ließ sich Geld verdienen. Die alte Brennerstraße zieht sich durch die Dörfer. In den 1950er-Jahren wurde der Bau der Autobahn aufgenommen und in den 60er-Jahren nach und nach vollendet. Viel Zeit wollten sich die Tiroler lieber nicht lassen: O-Ton 3 Dann gibt's ein ( ... ) Phänomen, das uns heute unbegreifbar ist. Man hatte Angst vor der Umfahrung! Die Schweizer hatten angefangen auszubauen und die Tiroler hatten Angst, dass sie rechts oder links liegen gelassen werden. Autor: Die Touristen sollten lieber über Österreich nach Italien reisen oder in den Tiroler Bergen bleiben. Wolfgang Meixner versichert, dass die riesige Europabrücke auch gebaut wurde, damit die Brennerautobahn direkt am Stubaital vorbeiführt, wo ein großes Skigebiet entstand, das auf einem Gletscher liegt. Als die Brennerautobahn aber Anfang der 70er-Jahre fertig war, hatte sich ein Nebeneffekt eingestellt, der immer noch anhält: Ein großer Teil des Güterverkehrs verlagerte sich von der Bahn auf die Straße. An der alten These nach der Verkehr Leben ist, zweifelten in Tirol immer mehr Menschen: O-Ton 4 Das fängt an mit Grundstücksfragen ( ... .) Dann kommt schon langsam das Bewusstsein, dass Autos auch einen Ausstoß haben, ja, da ist ja noch vom Blei im Benzin die Rede. Dann in den 80ern kommt der Lärm. Autor: Und längst war von einem riesigen Tunnel die Rede, der von Garmisch bis fast nach Verona führen sollte. Jetzt wird der Brenner-Basis-Tunnel gebaut, wenn er auch nicht ganz so lang wird. Warum ausgerechnet hier, wo es schon drei Verkehrswege gibt ? Bahn, Brennerstraße und Brennerautobahn? O-Ton 5 LACHEN, Ja, man kann sich schon die Frage stellen, warum gerade hier, wo man an der geologisch sensibelsten Stelle ist, warum nicht weiter östlich, wo man doch durch sicheres Gestein fährt? Ja, letztendlich entscheiden tut die Politik! Autor: ... wie seinerzeit über den Bau der Innsbrucker Nordkettenbahn. Wolfgang Meixner sagt, dass zumindest in der Vergangenheit Verkehrswege auch Verkehr geschaffen haben. O-Ton 6 Gebe es die Seilbahn nicht, würde hier kaum jemand hinaufkommen? Ja, dann wäre hier wahrscheinlich niemand! Atmo Talfahrt Autor: Und dann geht es mit vielen anderen Passagieren in der Gondel wieder hinunter in die Stadt. Weltcup-Skirennen finden an der Nordkette nicht mehr statt, dafür kommen die Mountainbiker, außerdem wurde ein Klettersteig angelegt. Neue Möglichkeiten also, die alte ersetzt haben und auch deshalb ist die historische Seilbahn beliebt. Dass der Tourismus in den Alpen grenzenlos weiter wachsen kann, glaubt Wolfgang Meixner allerdings nicht. Durch den Klimawandel tauen Permafrost-Zonen auf, ganze Wegenetze kommen ins Rutschen, Hütten werden unrentabel, Wirte und Wanderer haben das Nachsehen. So scheint sich ein kleiner Kreis zu schließen, denn Verkehr ist nicht die einzige, aber eine sehr wichtige Ursache des Klimawandels. O-Ton Die Alpen sind ein Brennglas, wo der ganze Wandel viel schneller und viel stärker spürbar wird. Lit 2 auf Musik: Mit Beginn des 17. Jahrhunderts reisten immer mehr Bildungshungrige Franzosen, Briten und Deutsche in das Land ihrer Träume ? auch Goethe. Er nahm den Weg über den Brenner nach Italien: "Von Innsbruck herauf wird es immer schöner, da hilft kein Beschreiben. Auf den gebahntesten Wegen steigt man eine Schlucht herauf, die das Wasser nach dem Inn zu sendet, eine Schlucht, die den Augen unzählige Abwechselungen bietet. Wenn der Weg nah am schroffsten Felsen hergeht, ja in ihn hineingehauen ist, so erblickt man die Seite gegenüber sanft abhängig, sodass noch kann der schönste Feldbau darauf geübt werden. Es liegen Dörfer, Häuser, Häuschen, Hütten, alles weiß angestrichen, zwischen Feldern und Hecken auf der abhängenden hohen und breiten Fläche. Bald verändert sich das Ganze; das Benutzbare wird zur Wiese, bis sich auch das in einen steilen Abhang verliert. ( ... ) Nun wurde es dunkler und dunkler, das Einzelne verlor sich, die Massen wurden immer größer und herrlicher, endlich, da sich alles nur wie ein tiefes geheimes Bild vor mir bewegte, sah ich auf einmal wieder die hohen Schneegipfel vom Mond beleuchtet, und nun erwarte ich, dass der Morgen diese Felsenkluft erhelle, in der ich auf der Grenzscheide des Südens und Nordens eingeklemmt bin." Mod 3: Allein in den letzten 25 Jahren hat sich der LKW-Verkehr über die Alpen verfünffacht. Und die Tendenz ist - nach einem kleinen Einbruch während der Euro-Finanzkrise - weiter steigend. Schon jetzt stellt sich die Frage, ob all der transalpine Frachtverkehr durch den Brenner-Basistunnel passt. Ab 2026 sollen durch die beiden Röhren des Tunnels Hochgeschwindigkeitszüge für den Personenverkehr rauschen und Güterzüge. Dieser Mischbetrieb schränkt die Kapazität des Brennerbasistunnels für den Frachttransport von vorneherein ein. Viele hatten dafür gekämpft, ausschließlich den Güterverkehr durch den Tunnel zu schicken und die Personenbeförderung über die Bestandsstrecke durchs Wipptal zu führen. Atmo: Probebohrungen, Planung und Bau werden nach Angaben der österreichisch-italienischen Baugesellschaft BBT-SE 8,6 Milliarden Euro verschlingen, durch die Preissteigerung könnten es bis zur Fertigstellung 10 werden. Viel Geld! Einige finden, dass man es besser in die Bestandstrecke investiert hätte. Seit 1867 quälen sich hier die Lokomotiven über eine Steigung von stellenweise 25 Prozent und durch enge Kurven. Täglich bewältigen rund 240 Züge diesen Abschnitt zwischen Innsbruck und Bozen und damit ist die Kapazitätsgrenze erreicht. Die Schallgrenze ist dagegen schon lange überschritten, immer wieder, wenn die alten Wagons scheppernd und quietschend durch Tirol lärmen. Beitrag 3 "Bestehendes verbessern, statt Milliardengräber schaufeln" Atmo 1, Zugansage und Zugdurchfahrt, "Attentione ... .binario, dann deutsch, Achtung! Zug fährt auf Gleis 1 durch, bitte treten Sie von der gelben Linie zurück" Autor: Das kleine Bahnhofsgebäude von Klausen ist auch ein Museum. Von der Schalterhalle aus können Reisende den Arbeitsplatz eines Eisenbahners aus den 60er-Jahren bestaunen. Wählscheiben-Telefone, Schreibmaschine, außerdem mechanische Steuermodule für Signale und Weichen. So ähnlich dürfte es einmal in allen kleineren Bahnhöfen auf der italienischen Seite der Brennerstrecke ausgesehen haben. Atmo hoch In der Halle wird aber kein Schalter mehr geöffnet, denn hier sitzt längst kein Eisenbahner mehr vorm Schreitisch, um Auskunft zu geben. Stattdessen digitale Neuzeit: ein Flach-Bildschirm zeigt die Abfahrtszeiten der Züge an, an einem Automaten können Reisende Fahrkarten lösen, die sie an einem anderen entwerten müssen. Atmo 3, Bahnhof Klausen Autor: Der Südtiroler Sepp Kusstatscher hat sich an all' das gewöhnt, sein Verhältnis zur italienischen Eisenbahn gleicht dennoch einer enttäuschten Liebe. Das Auto lässt er gerne stehen, wenn es nur irgendwie möglich ist. Auf dem Bahnsteig von Klausen wartet Kusstatscher jetzt auf den Zug nach Bozen. Ja, sagt er, in den letzten Jahren habe es tatsächlich Fortschritte gegeben. So hat das Land Südtirol den Bahnhof Klausen wie viele andere von der italienischen Bahn übernommen und der Gemeinde dann zur Verfügung gestellt ? nur deshalb konnte das Museum entstehen. Außerdem sind viele der Züge, die auf der Brennerstrecke fahren, leiser geworden, sodass Kusstatscher sie hoch oben im Tal, wo er wohnt, nicht mehr hört. Ältere Lokomotiven und Wagons machen aber immer noch sehr viel Lärm - auch der Zug, der jetzt einfährt, er stammt aus den 70er-Jahren. O-Ton 1 Die bestehende Eisenbahn, da wär' dringender Renovierungsbedarf. Ich lad' jeden ein, am Brenner haltzumachen, sich den Bahnhof anzuschauen. Da braucht man gar nichts zu reden. ( ... .) Aber auch, wenn man die Bahnhöfe von Trient, Bozen, Verona anschaut, ach. Autor: Kusstatscher war Bürgermeister und Berufsschuldirektor, später Landtagsabgeordneter der Südtiroler Volkspartei und schließlich Europaparlamentarier auf der Liste der Grünen. Mittlerweile ist er im Rentenalter, doch er setzt sich immer noch für kleine Verbesserungen ein, statt auf die große Lösung zu hoffen: Weniger Lärm, pünktlichere Züge, bessere Information der Bahnkunden. Der Brenner-Basis-Tunnel, davon ist er überzeugt, wird an den Missständen nichts ändern: O-Ton 2, Es wird ein sehr teures Grab. Der Brennerbasistunnel wird zu einer Kathedrale in der Wüste. ( ... ) Atmo Zugansage italienisch/deutsch und Einfahrt, ca. 4' Kombinieren mit: Autor: Zunächst rollt der Zug durch ein paar Südtiroler Dörfer, ein paar Minuten später ist kein Tageslicht mehr zu sehen und im Abteil wird es sehr laut. Sich jetzt noch zu unterhalten, macht deshalb große Mühe. Kusstatscher fühlt sich bestätigt und weist auf Probleme hin, die hier seit längerem bestehen: O-Ton 3 Wir sind jetzt im Schlärntunnel, der 13 Kilometer lang ist und der auch das eigentliche Nadelöhr der Strecke von München nach Verona ist. Wir haben hier jeden Vormittag zwei Stunden lang keinen Zug, weil hier Wartungsarbeiten sind und aus Sicherheitsgründen kein regionaler und kein internationaler Zug durch fährt. Atmo 5 Aussteigen in Bozen Trink mehr einen Kaffee, eine Stunde, Autor: Dem Bahnhofsgebäude von Bozen ist anzusehen, dass es aus der Zeit Mussolinis stammt. Selbst an diesem Sonntag wird es auf den Treppen und in der Unterführung eng. Die Bahnreisenden müssen sich drängen, um hier umzusteigen oder, so wie Kusstatscher vom Bahnsteig in die Innenstadt zu kommen. Auf dem Weg räumt er ein, dass der Widerstand gegen den Brenner-Transit-Verkehr längst nachgelassen habe. Und auch der Widerstand gegen den Brenner-Basis-Tunnel sei nicht mehr so lebhaft, wie noch vor einigen Jahren: O-Ton 4, ( ... ) Die Leute, denen wird so viel Sand in die Augen gestreut. So wie es keinen Sinn hat gegen das gute und schlechte Wetter oder die Mondfinsternis anzuschimpfen, sowie das keinen Sinn hat, sagen sie auch, das wird gemacht, da kannst Du nichts machen.(..) Autor: Kritische Studien zur Verkehrsbelastung, beklagt Kusstatscher, tauchten in den Tiroler Medien kaum noch auf, er spricht auch davon, dass die BBT an ihren "Tagen des offenen Tunnels" tausende Mittagessen spendiere. Die beiden Tunnel-Informationszentren, die gerade in Steinach und Franzensfeste gebaut werden, betrachtet er ohnehin kritisch: O-Ton 5 Mit viel, viel Geld wird Öffentlichkeitsarbeit gemacht und auch diese Informationszentren noch dazu. Man ist so weit gegangen, dass man das auch noch als touristische Attraktion, die Landschaftszerstörung als Tourismuswerbung hernimmt, schon recht sonderbar. Autor: Beim Kaffee in der Sonne in Bozen sagt der Südtiroler, die Öffentlichkeitsarbeit der BBT-SE könne noch so gut sein, doch an den Fakten könne sie nichts ändern: O-Ton 6 Sie machen auch recht geschickt Werbung und da wird immer gesagt, relativ einfach gesagt, ja, wir wollen, dass Ihr in den recht engen Tälern den Verkehrslärm wegkriegt. Das klingt sehr plausibel und überzeugend und jeder ist froh, wenn die alten, klapprigen Lastenzüge wegkommen. Das Hauptproblem, das bleibt ist aber, dass gerade auf der Bestandsstrecke weiterhin die alten, klapprigen Züge mit den gefährlichen Gütern fahren werden und unter uns hindurch der moderne Personenverkehr fahren wird und dann fragt man sich, ob sich so ein teures Projekt für die paar Fahrgäste, die von München nach Verona fahren müssen, ob sich so etwas überhaupt nur annähernd rechnet. Autor: In das Gesamtkonzept der italienischen Bahn dürfte die Verbindung jedoch passen. Auch weiter im Süden entstehen neue Tunnel und Schnellzugstrecken. Kusstatscher ist Südtiroler, er beteuert aber, sein Widerstand gegen den Brenner-Tunnel habe mit Konflikten zwischen den Sprachgruppen in Italien nichts zu tun. Dann macht er sich wieder auf zum Bahnhof und immerhin, auch der Zug zurück nach Klausen wird heute pünktlich sein. O-Ton Atmo 5 /Bahnhof Bozen drunter legen Lit 3 auf Musik Vom Äußern des Menschengeschlechts habe ich so viel aufgefaßt. Die Nation ist wacker und gerade vor sich hin. Die Gestalten bleiben sich ziemlich gleich, braune, wohlgeöffnete Augen und sehr gut gezeichnete schwarze Augenbraunen bei den Weibern; dagegen blonde und breite Augenbraunen bei den Männern. Diesen geben die grünen Hüte zwischen den grauen Felsen ein fröhliches Ansehn. Sie tragen sie geziert mit Bändern oder breiten Schärpen von Taft mit Franzen, die mit Nadeln gar zierlich aufgeheftet werden. Auch hat jeder eine Blume oder eine Feder auf dem Hut. Dagegen verbilden sich die Weiber durch weiße, baumwollene, zottige, sehr weite Mützen, als wären es unförmliche Mannesnachtmützen. Das gibt ihnen ein ganz fremdes Ansehn, da sie im Auslande die grünen Mannshüte tragen, die sehr schön kleiden. 4 Mod: Der Brenner-Basis-Tunnel wird das Kernstück der Eisenbahnverbindung von München nach Verona und die ganze Strecke ist zudem eingebunden in das transeuropäische TEN-Programm, als Teil der Hochgeschwindigkeitsachse Berlin-Palermo. Dieses größte grenzüberschreitende Bauprojekt zwischen Italien und Österreich wird zu gleichen Teilen von beiden Länder finanziert, einen geringen Anteil der Kosten trägt die EU. Atmo: Die Aktionsgemeinschaft Brennerbahn betont auch auf ihrer Internetseite, dass "die Gesundheit der Bevölkerung vor der Freiheit des Warenverkehrs kommt." Und tatsächlich werden jetzt nach Abschluss der Umweltverträglichkeitsprüfungen die Auflagen zum Lärm- und Emissionsschutz umgesetzt. Auch bemüht sich die Betreibergesellschaft BBT-SE um eine transparente Informationspolitik, um die ohnehin schon lärmgeplagt Bevölkerung des Wipptals für das Jahrhundertprojekt zu begeistern. Und wenn nicht das, um wenigstens keine "Stuttgart 21-Stimmung" am Brennerbasistunnel zu provozieren. Die Sorgen der Anwohner werden deshalb nicht nur gehört, sondern manchmal auch berücksichtigt. So wurde zum Beispiel eine Baustelle auf italienischer Seite verlegt. Um solchen Ärger in Zukunft zu vermeiden, will die BBT-SE die Bevölkerung von vorneherein über jeden Bauabschnitt und alle Folgen - von der Umleitung einzelner Flüsse bis zur Straßensperrung - informieren: Beitrag 4: Die zweite Baustelle - lokale Wertschöpfung, Informationszentren und Tunneltheater Atmo1, vor Infozentrum Franzensfeste O-Ton 1 Heinz, wann isch des 2007 oder? Jo! 2007 wurde der Infopoint hier, man sieht es ja, ein bisserl provisorisch damals, aber damals hat man ja erst mit den Bauarbeiten begonnen ( ... ). Autor: In Tirol ist man überall schnell "per Du". Simon Lochmann ist Südtiroler, Mitte 30 und seit 2009 der oberste Öffentlichkeitsarbeiter der BBT-SE. Den Brenner-Basistunnel-Infopoint hatte es da schon gegeben. Diese Informationsstelle ist in einem Nebengebäude des italienischen Bahnhofs Franzenfeste untergebracht, doch hält sich der Andrang in Grenzen. Einiges, was hier auf Schautafeln steht, ist schon wieder überholt und das gilt auch für das Gesamt-Konzept. In der Ecke grinst eine Schaufensterpuppe, der man Kleidung und Ausrüstung eines Tunnelarbeiters verpasst hat: Schutzhelm, gelbe Gummistiefel, blauer Overall, Rettungsgerät und Stirnlampe. Daneben liegen Bohrkerne, die zeigen, mit welchen Gesteinsarten es die Mineure im Berg zu tun haben: Schiefer, Granit, Porphyr und so weiter. Simon Lochmann will nichts Schlechtes über die Arbeit seiner Vorgänger sagen. Er hat sich jedoch vorgenommen, die Tiroler und den Rest der Welt mit größerem Aufwand und moderneren Mitteln vom Nutzen des riesigen Brenner-Tunnels zu überzeugen: O-Ton 2, Nichtsdestotrotz bin ich der Meinung, dass wir eine moderne Verbindung schaffen im Sinne der Mobilität des 21. Jahrhunderts und wir können von Innsbruck nach Bozen fahren in 50 Minuten und nicht, wie das heute der Fall ist in zwei Stunden, dass das eine wirkliche Verbesserung ist. Und wer weiß, vielleicht wird das dann interessant, von Bozen nach München zum Oktoberfest zu fahren oder nach Verona, um sich eine Verdi-Oper anzuhören. Autor: In Franzensfeste/Fortezza wird der Basistunnel auf der italienischen Seite beginnen oder enden - je nach Blickrichtung. Eine neue Schnellbahn-Trasse soll künftig in Richtung Bozen führen. Mitte des 19.Jahrhunderts gehörte der Talabschnitt bei Franzenfeste noch zur Doppelmonarchie. Die Habsburger hatten seine strategische Bedeutung erkannt. Kaiser Franz der Erste ließ hier eine Festung planen, die es seinen Truppen ermöglichen sollte, feindliche Armeen zurückzuschlagen noch bevor sie den Brenner hinaufkommen würden. Dort in der alten Festung entsteht nun das neue italienische Informationszentrum der BBT, vom Bahnhof aus sind es mit dem Auto nur ein paar Minuten: O-Ton 3 Großprojekte erzeugen immer Angst. Genau deshalb ist es so wichtig, dass man der Bevölkerung immer genau erklärt, was da passiert. ( ... ) O-Ton 4 Atmo Baustelle Franzenfeste Also hier ist der Bereich ( ... ), hier hat man einen Saal hinübergebaut. Das ist der Kongresssaal möchte ich es nicht nennen, Sitzungssaal für für alle größeren Veranstaltungen, die man hier machen kann. Frage: Hat das einen tieferen Sinn, dass der direkt über der Bundesstraße liegt? Nein, das hat hier am besten reingepasst, ohne den Charakter der Festung zu verändern. Hier sieht man schon richtig alte Gemäuer, es ist wirklich was Besonderes. Hier sieht man: der Saal ist direkt über die Straße rübergebaut. Autor: So lang und teuer der Tunnel auch sein wird, so komplex die Zusammenhänge und so verwirrend die Berechnungen schon jetzt sind, Lochmann will, wie er sagt, alles soweit herunterbrechen, bis es zu verstehen ist. Gerade die Erfahrungen mit Großprojekten in Deutschland, von Stuttgart-21 bis zur Elbphilharmonie haben ihn darin bestärkt. O-Ton 5 Das Projekt selbst, das braucht Gesichter ? überhaupt diese Großprojekte, das sind irgendwelche Monster, die irgendwo rumschweben, mit Summen, die sich sowieso kein Mensch mehr vorstellen kann. ( ... ) Wir stehen hier Rede und Antwort. ( ... ) Autor: Für alles fühlt sich Simon Lochmann aber trotzdem nicht verantwortlich. Die BBT-SE, sein Arbeitgeber, führt einen, wenn auch gigantischen Bauauftrag aus. Italien, Österreich und der Europäischen Union bleibt, wenn alles fertig ist, aber eine Aufgabe, die genauso wichtig und womöglich noch schwieriger ist, als den Tunnel durch die Alpen zu bohren. O-Ton 6 Allerdings bedarf es einiger verkehrspolitischer Rahmenbedingungen, dass eine Verlegung von der Straße auf die Schiene in Zukunft funktionieren kann. ( ... .EU). Autor: Inhaltlich endet die Öffentlichkeitsarbeit von Simon Lochmann und der BBT genau hier, aber bis dahin, bis zu diesem Punkt leistet Lochmann mit all' seiner Fertigkeit Überzeugungsarbeit. Allein mit der "Tunnel-Erlebniswelt", die im Gemäuer der Festung entsteht, wäre es längst nicht getan. Die BBT SE hat sich von Anfang an auch auf ganz anderen Wegen um die Zustimmung der Tiroler bemüht. Sichtbar wird das auf der Fahrt zwischen Franzensfeste auf der italienischen Seite und dem österreichischen Steinach - eine, der größeren Gemeinden im Tal nördlich des Brenners. In fast all' diesen Orten sind Bauarbeiter in Pensionen und Hotels untergebracht worden. Viele der Unterkünfte standen bis dahin halb leer, weil das Tal nicht als touristische Topdestination gilt. Die Bauarbeiter sorgen jetzt über Jahre für sichere Umsätze: O-Ton 7 Man darf nicht vergessen, dass während der Bauzeit eine regionale Wertschöpfung entsteht. Das heißt die müssen irgendwo essen, trinken und schlafen. Das ist ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor für die kleinen Dörfer, wie man sie hier findet. Autor: Daneben profitieren lokale Bauunternehmen und Handwerksbetriebe, weil die großen Tunnelbaufirmen Aufträge an sie vergeben. Die BBT SE versucht zudem Abraumhalden mit großem Aufwand hinter begrünten Wällen zu verbergen. Damit der Lastwagen-Verkehr nicht durch die Dörfer rollt, ist in bei Steinach sogar ein eigener Tunnel gebaut worden, der über einen Kilometer Länge direkt zur Brenner-Autobahn hoch führt. 10 Millionen Euro hat der Bau gekostet. Wahrscheinlich wird alles aber wieder zugeschüttet, wenn der Brenner-Basis-Tunnel erst fertig sein wird. Am österreichischen Steinach wird die Brennerautobahn über eine hohe Brücke vorbeigeführt. Am Fuße der Pfeiler und nicht weit vom örtlichen Skilift entfernt entsteht das österreichische Brenner-Basis-Tunnel Informationszentrum. Der Neubau schließt an ein bestehendes Gästehaus an: O-Ton 8 Also jetzt sieht das alles noch sauber aus. Sie müssen sich vorstellen, dass wir dann in Zukunft sehr viele Modelle hier haben, mit denen man sich beschäftigen kann. Wenn man die Treppen runtergeht, wir wir das jetzt machen, dann kommt man in den Eingangsbereich. Davon führen zwei Tunnelröhren weg. Einmal in den oberen Ausstellungsbereich und dann in den Schautunnel. Autor: Sogar Sprengungen sollen hier simuliert werden. Auf jeden Fall werden sich die Besucher anschauen können, wie der Tunnel entsteht oder entstanden ist. Allein der Rohbau des Info-Zentrums Steinach beläuft sich auf 1,4 Millionen Euro, hinzu kommen die Kosten für den Innenausbau der "Tunnel-Erlebniswelt" und für das Infozentrum Franzensfeste, für Tage des "Offenen Tunnels" und viele andere Veranstaltungen. Was die Öffentlichkeitsarbeit der BBT SE insgesamt kostet, kann Simon Lochmann, wie er sagt, leider nicht beziffern. Atmo Infozentrum Steinach 5 Mod. "Der Brennerbasistunnel ohne Zulaufstrecken ist wie ein Irish Pub ohne Bier", so bringt es der EU-Tunnelkoordinator Pat Cox auf den Punkt. Und ausgerechnet in Bayern scheint es am Bier zu mangeln, wenn man im Bild bleiben will, denn wie und wo die nördliche Zulaufstrecke durch den Freistaat verlaufen soll ist immer noch nicht klar. Das macht nicht nur die Planer auf der anderen Seite der Alpen nervös, auch in Bayern selbst wüssten Anwohner und Bürgermeister gern, wie die Strecke zwischen München und Wörgl gestaltet wird. Atmo: Familie Dudek wäre direkt vom Neubau einer Schnellbahntrasse betroffen. Ihr Haus liegt in Flintsbach, eingeschlossen von den Bahngleisen auf der einen Seite und der Autobahn auf der anderen. Im Mittelalter gab es auf dem Grundstück der Dudeks weder Lärm noch Abgase, nur Pferde. Sie waren nötig, um die Schiffe flussaufwärts durch das damals noch stille Inntal zu ziehen. Zu Wasser wurden Holz, Erz oder Mühlsteine über Inn und Donau von Tirol bis nach Rumänien transportiert. Das dauerte eine kleine Ewigkeit. Heute geht es viel schneller, doch der Preis dafür ist hoch und lässt sich nur schwer in einer Währung fassen. Denn was kostet eine unverbaute Landschaft, reine Luft und Ruhe? Familie Dudek weiß zumindest wie wertvoll ein Lärmschutzwall ist: Beitrag 5: Kein Stuttgart 21 Effekt. wo sollen die Zulaufstrecken für den BBT in Deutschland laufen? Atmo-1, Autobahn, O-Ton 1 ( ... ) "Stellen sich vor, da würd' man jetzt direkt auf die Autos schauen, das war freier Blick auf die Autos, da wird man verrückt? Autor: Georg Dudek wollte im Inntal bleiben, ohne verrückt zu werden. Zusammen mit seiner Frau hat er deshalb auf eigene Faust einen Lärmschutz-Wall zwischen dem Haus der Familie und der Inntalautobahn aufschütten lassen - 280 Meter lang und 8 Meter hoch. Inzwischen ist der Wall schon so bewachsen, dass er sich gut in die Landschaft fügt. Rehe seien dort öfters unterwegs, sagt Dudek. Er hört die Inntalautobahn immer noch, aber nicht mehr so laut wie früher. O-Ton 2 Des wird wattiger, man hat nicht den direkten Knall von dem Lärm. Wenn da ein Laster durchfährt, dann hört man zwar was, aber nicht mehr den Knall, also es bringt schon was und dann natürlich Feinstaubfilter. Die Bäume nehmen doch schon einiges vom Dreck weg. Direkt daran: O-Ton 3 Das ist auch ein Bach, war jetzt vor zwei Tagen fast voll bei dem Regen, den wir hatten, Achtung, da ist nass. ... ... .Die Biber kommen jetzt bis hierher. Das ist das Dauergeräusch, das man jetzt hier hat. Gehen wir mal auf die Autobahnbrücke rauf! Autor: Trotz des Lärms ist Dudek kein großer Freund des Brennerbasistunnels, denn er will verhindern, dass auch noch die Schnellbahn-Zulaufstrecke irgendwo am Haus vorbeiführen wird. Eine weitere Trasse ? aus seiner Sicht könnte dann niemand mehr hier leben. Durch das schöne Inntal führen bereits die Autobahn, die bestehende Eisenbahnstrecke, eine Öl- und eine Gaspipeline, eine Hochspannungstrasse und natürlich die Staatsstraße. Nicht zu vergessen der Inn, hier auf der Höhe von Flintsbach mit einer Staustufe. Dudek ist Rechtsanwalt, er hat im Verwaltungsrecht viel Erfahrung gesammelt und ist deshalb bestens informiert, auch wenn er schon auf dem Weg vom Haus zur Autobahn gegen die Informationspolitik der Bundesregierung, der Bahn und der Behörden wettert - und auch gegen die, wie er sie nennt, Baulobby: O-Ton 4 Wenn man ne Schnellbahn baut, braucht man ne doppelte so hohe Brücke, hier im Landschaftsschutzgebiet. Atmo 5, Barbara in Küche Autor: Wie Georg Dudek ist auch seine Frau Barbara um die 70. Beide haben sich an das Leben mit dem Lärm und dem Verkehr im Inntal gewöhnen müssen. Im Gegensatz zu ihrem Mann zerbricht sich Barbara Dudek aber nicht mehr den Kopf darüber, wo die Schnellbahnstrecke entstehen wird, die irgendwann zum Brenner-Basis-Tunnel führen soll: O-Ton 5 So vor zehn Jahren habe ich gedacht, na ja, das wird blöd und dann können wir hier ausziehen. Aber ich glaub, das erleb' ich nicht mehr und meine Kinder auch nicht mehr. Also, ich glaub nicht dass das kommt. Sagen wir mal so. Autor: In der großen Küche bereitet sie das Essen vor, auch hier sind schon vor langem Schallschutzfenster eingebaut worden. Als Barbara Dudek noch mit ihrer Mutter in Flintsbach lebte, waren Urlauber, die im VW-Käfer in den Süden fuhren, noch etwas Besonderes, vom LKW-Verkehr ganz zu schweigen. O-Ton 6 Ja, seit meinem 7. Lebensjahr praktisch bin ich hier und hab' eben miterlebt, wie es früher war. Da konnte man zum Nachbarn zu Fuß rüber gehen und dann 58 dann ist die einspurig gebaut worden. Und mit meiner Freundin, da hat mer Spaß gehabh mit den Arbeitern, wie betoniert worden ist. Da war endlich mal was los. Und dann hat man noch gedacht, Verkehr kommt man nach Rosenheim oder München, ist ja toll hat man nen Anschluss. Autor: Aber das sollte sich als Irrtum, herausstellen. Daran kann sie sich genau erinnern: O-Ton 7 Dann ist die Doppelspur gekommen und da kamen dann die Brücken, wurden dann Straßen verlegt, ( ... ) wir hatten ja damals noch das Hotel und dann hat man noch gedacht, da kommen Gäste und dann wird's besser, das ging ein paar Jahre gut, dann war den Gästen aber der Lärm zu laut. Autor: Georg Dudek drängt ein wenig zur Eile, denn er hat noch so viel zu erzählen. Mit dem Auto geht es vom Haus der Dudeks in Flintsbach ein paar Kilometer das Inntal hinauf in Richtung Kufstein, also Richtung österreichische Grenze. Atmo 11, Autobahn, Autor: Tatsächlich ? hier bei Oberaudorf ist das Tal noch enger. Die Berge sind zwar nicht allzu hoch, Ausläufer schieben sich jedoch an einigen Abschnitten nah an den Fluss heran. Georg Dudek sagt, dass sich eine weitere oberirdische Bahntrasse nur realisieren ließe, wenn viele Hausbesitzer enteignet würden ? die Kosten wären aus seiner Sicht unabsehbar hoch. Wo die Trasse genau entlangführen könnte, ist bisher nicht bekannt: O-Ton 8 ( ... ) Die haben vom Schreibtisch ne Linie gezogen und haben gesagt, da gehen wir durch. Autor: Sicher, die ein' oder andere Informationsveranstaltung fand schon statt, aber Dudek ist nicht der einzige Anwohner, der teilgenommen hatte und tief enttäuscht wieder nach Hause fuhr. Im Sommer hat die Bahn immerhin eine Website eingerichtet, um über die Zulaufstrecken zu informieren, aber allzu konkrete Angaben sind auch ihr nicht zu entnehmen. Dudek überrascht das nicht: O-Ton 9 Eigentlich nur die Aussage, dass die Öffentlichkeit ab 2016 voll informiert werden soll. Aber das bringt ja nichts, dann ist die Sache, ob das Projekt kommt schon längst entschieden. Dann ist der Bundesverkehrswegeplan rechtens, dann ist das "ob" nicht mehr diskutierbar. Autor: Öffentlichkeit schaffen - darin sieht auch er seine Aufgabe. In den 80er-Jahren war der Rechtsanwalt gegen den Betreiber eines Steinbruchs zu Felde gezogen ? erfolgreich, obwohl die Genehmigung für den Abbau gerichtlich schon "durch" war. Später machte Dudek die erste konkrete Projekt-Studie für den Brenner-Basis-Tunnel in Deutschland öffentlich. Der Tipp sei von Josef Kusstatscher gekommen. So wie der Südtiroler, ist sich auch Dudek sicher, dass die Bauwirtschaft eine erhebliche Rolle spielt, wenn es um die Planung von Großprojekten, wie den Tunnel oder die Zulaufstrecken geht und die Politik, so meint Georg Dudek, sei allzu anfällig: O-Ton 10 ( ... ) Da geht es darum, welchem Einfluß die unterliegen und das ist ganz sicher immer wieder die Baulobby, die sich die teuersten Projekte raussucht. Es ist vom Sinn her abartig, aber vom Geschäft her sinnvoll. Musik Abmod. auf Musik Abmod: Gesichter Europas: Von Innsbruck rauf wird es immer schöner: Der Brenner-Basistunnel und die Zukunft des Alpentransits Mit Reportagen von Gerwald Herter Musikauswahl und Regie Babette Michel Die Literaturauszüge stammen aus Goethes "Italienische Reise" gelesen von Thomas Lang Moderation Britta Fecke. 1