Feature / Hörspiel / Hintergrund Kultur Das Feature WAS IST NATUR? (II): EINE FRAGE VON MANAGEMENT UND WERTERMITTLUNG Autor: Frank Kaspar Regie: Friederike Wigger Redaktion: Tina Klopp, Ulrike Bajohr Produktion: Dlf 2017 Sendung: Freitag, 02.06.2017, 20:10-21:00 Uhr Sprecher Sprecherin: Claudia Hübbecker Sprecher: Hüseyin Michael Cirpici / Simon Boer Urheberrechtlicher Hinweis Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Die Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 44a bis 63a Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. (c) - unkorrigiertes Exemplar - Atmo - außen, Park, Vögel zwitschern O-Ton - im Park: Marion Poschmann liest: "Moosgarten" Großes Kranzmoos / Schattenhainmoos / Pappelkegelmoos ... O-Ton - Barbara Unmüßig, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung Ökosysteme, und das ist für mich auch das Verständnis von biologischer Vielfalt, (...) die sind hoch vernetzt, hoch komplex... O-Ton - im Park: Marion Poschmann liest: Felskettenmoos / Ufermoos / Pupurmoos / Schwanenhalssternmoos O-Ton - Barbara Unmüßig: ...sie reinigen die Luft, das Wasser, sie sind Erholungsgebiet, sie erfreuen uns, und sie sind standortgebunden, biologische Vielfalt ist standortgebunden. O-Ton - im Park: Marion Poschmann: Tannenmoos / Zartes Tujamoos / Flutendes Sichelmoos. O-Ton - Barbara Unmüßig: Die Vielfalt, die wir schützen müssen, ist für mich der Wert, um den es geht, ohne dass ich dem einen ökonomischen Wert gebe, sondern "wertschätze" im besten Sinne des Wortes. Bei uns wird aber "Wert" immer gleich mit "Preis" verwechselt. MUSIK Ansage: Was ist Natur? Teil zwei: Eine Frage von Management und Wert-Ermittlung Feature von Frank Kaspar O-Ton - Aufn. im Park: Marion Poschmann liest: "Moosgarten" Echtes Goldmoos / Falsches Goldmoos / Ausgerandetes Geldbeutelmoos / Fettglänzendes Ohnnervmoos / Muschelmoos / Grünes Perlmoos / Silberbirnmoos / Mondbechermoos / Leuchtmoos / Goldenes Frauenhaar. O-Ton - Joachim Radkau, Umwelthistoriker Was ist Natur? Es gibt ja so ein altmodisches Wort, was heute gar nicht mehr gebraucht wird, (...) die "Mannigfaltigkeit". - Die "Mannigfaltigkeit der Erscheinungen", auch als etwas, das die menschliche Seele erfreut. Und ich meine, die "Biodiversität" steht noch in der Tradition dieser alten Mannigfaltigkeit, die man noch genoss. Sprecher "Biodiversität" O-Ton - Thomas Brey, Biologe, Alfred-Wegener-Institut Wir müssen, aufgrund der Macht, die wir als Menschen haben in der Natur das, was wir tun mit und in den Ökosystemen, irgendwie managen ... O-Ton - Bernd Hansjürgens, "Naturkapital Deutschland" Wir gehen eigentlich vor wie Buchhalter. Sprecher "Naturkapital" O-Ton - Prof. Dr. Bettina Matzdorf, Projekt "Agora Natura" "Naturkapital" oder auch dieser Begriff "Ökosystemleistung" hat immer den Link zum Nutzen. O-Ton - Bernd Hansjürgens, "Naturkapital Deutschland" Wir sagen: Die Natur ist auch ein Kapitalbestand - genauso wie "Humankapital" oder "Sachkapital", und aus diesem Bestand werden Leistungen erbracht. O-Ton - Prof. Dr. Bettina Matzdorf, Projekt "Agora Natura" Also, ich muss versuchen, in Nutzenkategorien zu denken. Klang O-Ton - Nicole Schuck, bildende Künstlerin Nutzen, was ist Nutzen? Klang O-Ton - Andreas Weber, Philosoph und Biologe Es gibt eine reale Nachfrage nach Biodiversitätsdienstleistungen, die haben wir einfach, weil wir auf dieser Welt überleben wollen. Und diese Nachfrage wird nicht befriedigt durch einen Markt, der die nicht sieht. Das ist Versagen, das ist "Marktversagen". Atmo - umstürzender Baum Atmo - offenes Gelände, entfernt: Vogelstimmen Musik Sprecher - Zitat: Robert Macfarlane "Karte der Wildnis" (S. 7) Wind zog auf, und ich beschloss in den Wald zu gehen. Sprecherin So beginnt der englische Schriftsteller Robert Macfarlane sein Buch "Karte der Wildnis". Sprecher - Zitat: Robert Macfarlane "Karte der Wildnis" (S. 7) Zu Fuß folgte ich den Straßen, die aus der Stadt führten, und dann, zwischen Hecken aus Weißdorn und Haselnuss, den Wegen entlang der Feldkanten. Sprecherin Es ist das Buch eines Stadtflüchters und Naturliebhabers. O-Ton - Robert Macfarlane, Naturschriftsteller Yes, it is about leaving, it is about getting up and stepping out and walking away ... Sprecher - Zitat: Robert Macfarlane "Karte der Wildnis" (S. 10, 11) Jeder, der in der Stadt lebt, kennt das Gefühl, schon viel zu lange dort gewesen zu sein. Die Spuren, die die Häuserschluchten in uns ziehen, das Gefühl, etwas hält uns fest, der sehnsuchtsvolle Wunsch, anderes zu sehen als ständig Glas, Ziegel, Beton und Asphalt. O-Ton - Robert Macfarlane, Naturschriftsteller We are made and shaped by the places we move through and the landscapes we inhabit. These are not just backdrop or scenery. In a way (...) our thought is motion-sensitive and our knowledge is site-specific So, I guess, philosophically this comes out of a phenomenological tradition, the idea that we are much more porous to the world, we are made of gaps as well as joins, and our thought and our sensations are shaped by nature ... Sprecherin Robert Macfarlane ist davon überzeugt, dass die Art und Weise, wie wir Wahrnehmen, Fühlen und Denken, ganz entscheidend durch unsere Umgebung geprägt wird ... O-Ton - Robert Macfarlane, Naturschriftsteller Our thought and our sensations are shaped by nature by landscape, whatever word we want to use to describe that compound of weather and air and people and textures and slopes. Sprecherin ... durch die "Natur", die "Landschaft" oder wie auch immer wir diese Mixtur von Wetter, Luft und Leuten nennen wollen, von der Beschaffenheit des Geländes und seinem Auf und Ab. Musik Sprecher - Zitat: Robert Macfarlane "Karte der Wildnis" (S. 7f.) Ich ging den Wald hügelauf, bis ich (...) an meinen Baum gelangte: eine große, grauborkige Buche, deren Äste so stehen, dass man leicht hinaufklettern kann. (...) Am unteren Stamm warf und buchtete sich die Rinde wie ein faltiger Elefantenfuß. In vielleicht drei Metern Höhe bog sich ein Ast zu einem scharfen Haken. (...) In zehn Metern Höhe, nahe dem Wipfel, wo die weichere Rinde der Buche silbern schimmert, erreichte ich den "Ausguck" (...). Aus dieser Höhe lag das Land unter mir ausgebreitet wie eine Karte. Musik weg - Karte wird ausgebreitet.... O-Ton - Volker Schäfer, "Stiftung 7000 Eichen" Knistern der Karte (Stadtplan) Hier gibt es den wunderbaren Kulturstadtplan, wo alle Beuys-Bäume, die gepflanzt sind - es sind ja 7000 -, eingezeichnet sind ... Sprecherin Volker Schäfer ist Vorstandsvorsitzender der Stiftung "7000 Eichen" in Kassel. O-Ton - Volker Schäfer, "Stiftung 7000 Eichen" Das heißt, man kann die Ausdehnung des Kunstwerks, was sich wirklich über das gesamte Stadtgebiet, von Ost nach West, von Süd nach Nord durchzieht, nachvollziehen. // (2:18) Und dadurch, dass man sich in die Vogelperspektive begibt, kriegt man eine leise Ahnung davon, was das für eine Dimension ist. Sprecherin 1982 kündigte der Künstler Joseph Beuys an, im Rahmen der "Documenta 7" in Kassel 7000 Eichen zu pflanzen. Die Aktion sorgte für große Aufregung. O-Ton - DLR-Archiv: Protest gegen Beuys' "7000 Eichen" Was will denn Herr Beuys?! Sprecher : Beuys - Bäume O-Ton - DLR-Archiv: Protest gegen Beuys' "7000 Eichen" Also, ich spreche im Namen vieler. Herr Beuys will die Leute für dumm verkaufen! Denn was man hier sieht, das ist keine Kunst, die Steinhalde, sondern das ist mehr oder weniger verkrachte Kunst. Sprecherin Die Steine des Anstoßes waren 7000 Basalt-Stelen, die Beuys auf dem Vorplatz des Museums Friedericianum aufschichten ließ. Jeder neu gepflanzte Baum sollte als Begleiter einen solchen Stein erhalten. Unterstützer der Aktion bekamen für 500 Mark pro Baum und Stein ein "Baumzertifikat". O-Ton- Volker Schäfer, "Stiftung 7000 Eichen" Es gab viel Kritik, aber Beuys war ja (...) sehr schlitzohrig. Der hat gesagt: Das versteht er sehr gut, dass die Menschen möchten, dass die Steine da weg kommen. Das heißt, je besser die Pflanzaktion unterstützt wird, umso schneller ist auch der Friedrichsplatz wieder frei. (...) So gesehen war der riesengroße Basalt-Keil, der wie so eine spitze Nadel auf dem Friedrichsplatz lagerte, (...) das war so etwas wie eine monströse Sanduhr: Man konnte an dem Steinhaufen sehen, wie er so langsam durchrann bzw. weniger wurde, und so war es, wie uns Beuys das ja beigebracht hat, wirklich eine "soziale Plastik": Da gab es so viele Player, die an dieser Plastik mitgestaltet haben, und den Verlauf konnte man (...) jeden Tag, jede Stunde in den Blick nehmen. Maschinen-Musik - Atmo Waldrauschen.... Sprecherin Joseph Beuys wollte den Wald in die Stadt holen. O-Ton - Helmut Böse-Vetter, "AG Freiraum und Vegetation" Und seine Vokabel "Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung" zeigt ja auch ein bisschen die Unkonventionalität, mit der er auftrat. Astknacken Sprecher: "Stadtverwaldung" O-Ton - Helmut Böse-Vetter, "AG Freiraum und Vegetation" Und das ist natürlich genau der Punkt, der in der Zeit auch auf unserer Seite (...) eine große Analogie enthielt oder eine große Gemeinsamkeit. Sprecherin Helmut Böse-Vetter hat Ende der siebziger Jahre die "Kasseler Schule" der Freiraumplanung mitbegründet, einen Kreis von Landschaftsplanern mit neuen Konzepten für Grün in der Stadt. Als Beuys Fachleute für seine Pflanzungen brauchte, waren sie gefragt. O-Ton - Helmut Böse-Vetter, "AG Freiraum und Vegetation" Es gab plötzlich die Möglichkeit, Dinge zu verwirklichen aus unserer Sicht, mit dem Vehikel Beuys als "Trojanisches Pferd", könnte man sagen, // (23:12) es eröffnete sich damit die Chance, (...) zu zeigen, wie man es richtig macht. Sprecherin Falsch fanden die Planer die im Kassel der Nachkriegszeit vorherrschende Politik der autogerechten Stadt. Sie wollten Bäume zurück in die Innenstädte bringen, dorthin, wo die Leute sie am nötigsten brauchten. O-Ton - Helmut Böse-Vetter, "AG Freiraum und Vegetation" Da kommt wegen meiner auch die Natur ins Spiel, aber nicht die Natur als "Natur", sondern als Schatten und als (...) Luftfeuchtigkeit, also die Aufenthaltsqualität in der Straße mit Ziel auf die Menschen, die sich dort bewegen. Klang Sprecher : "Aufenthalts-Qualität" O-Ton - Helmut Böse-Vetter, "AG Freiraum und Vegetation" Zumal der Beuys-Baum dann den Nimbus hat: Den pflanzt man nicht und sägt ihn nach zehn Jahren wieder ab, das ist kein Verschiebegut, sondern er ist ein Platzhalter. Das war, glaube ich, für uns ganz wichtig, dass die Bäume Platzhalter sind für einen sicheren Freiraum. Sprecher : "Freiraum" O-Ton - Helmut Böse-Vetter, "AG Freiraum und Vegetation" Die sichern den Freiraum. Weil sie 100 Jahre, 200 Jahre alt werden. Die versprechen eine gewisse Konstanz der Lebensumgebung. Klang Atmo: Blätterrauschen - Kassel: Pferdemarkt O-Ton - Rhea Thönges-Stringaris, Kuratorium "7000 Eichen" Hier waren die ersten Sieben. (...) Die ersten sieben von den Siebentausend. Sprecherin Der Pferdemarkt in Kassel. Nach der Pflanzung des ersten Baums vor dem Museum Friedericianum brachten Joseph Beuys und seine Helfer hier am 16. Juni 1982 die ersten Bäume in ein Wohnviertel. Rhea Thönges-Stringaris hat damals das Projekt "7000 Eichen" mitorganisiert. O-Ton - Rhea Thönges-Stringaris, Kuratorium "7000 Eichen" Und das hat mit diesem sozialen Zusammenhang zu tun, dass wir (...) auf den Gedanken gekommen sind, dass es nicht nur eine Angelegenheit der Stadt sein soll, wohin die Bäume kommen, sondern dass es auf die Mitarbeit der Bürger angewiesen ist, dieses Projekt. Die "7000 Eichen" sollten mit einbeziehen die Wünsche und die Sehnsüchte der Bürger. Und die waren die ersten hier, die ersten, die sich gemeldet haben. Sprecherin Beuys wollte, dass die Leute in Kassel das Grün in der Stadt zu ihrer Sache machen. Die Bäume am Pferdemarkt haben das immer noch nötig. Das Gelände wurde lange vernachlässigt. Inzwischen kümmert sich ein Kreis von Anwohnern und Unterstützern darum. Eine von ihnen ist Elke Bockhorst. O-Ton - Elke Bockhorst, Unterstützerkreis Pferdemarkt Wir treffen uns regelmäßig und sammeln den ganzen Müll ein, wir haben auch das Unterholz schon ordentlich aufgeräumt. Es stand hier viel höher, so dass man die Basalt-Stelen zu den Beuys-Bäumen gar nicht mehr sehen konnte. Sprecherin Für den Anwohner Frank Schiller ist der Pferdemarkt ein ganz besonderer Ort. O-Ton - Frank Schiller, Anwohner Pferdemarkt, Kassel Es ist so was wie "Wald": Wir stehen hier auf einer dicken Blätterschicht, die so ein bisschen zumindest was von Wald hat, und von daher ist das hier für mich der einzige Ort, wo diese Grundidee "Stadtverwaldung" auch umgesetzt worden ist, und deswegen bin ich an diesem Ort auch interessiert, dass der funktioniert ... Zweiter Anwohner: Und nicht zur Müllkippe verkommt! - Schiller: ... und nicht zur Müllkippe verkommt, wobei man sagen muss, dass es doch ein bisschen mehr bedarf, als dass wir uns jetzt drei Mal hier treffen zum Aufräumen, um diesen Ort auch zu beleben. Nur, da müssen natürlich viele Hände eingreifen: die Stadt, die Wohnbau-Gesellschaft, die Privateigentümer - und natürlich auch die Anwohner. Sprecherin Im Lebensraum Stadt brauchen Bäume Unterstützung. Klang Sprecher : "Stamm-Erziehung" O-Ton - Hannes Volz, "AG Freiraum und Vegetation" "Sorge für Großes, so lange es klein ist!" Musik O-Ton - Hannes Volz Damit ein Baum richtig alt werden kann, muss man ihn in seiner Jugend, wenn er klein ist, "erziehen": Man muss eine "Stamm-Erziehung" machen, man muss den Kronen-Ansatz in die Höhe schieben, das, was die Bäume im Wald gegenseitig machen, das passiert in der Stadt alleine nicht. Sprecherin Hannes Volz gehört ebenfalls zur "Kasseler Schule" der Landschafts- und Freiraumplanung. O-Ton - Hannes Volz, "AG Freiraum und Vegetation" Wie dieser Baum hier: Der hat einen niedrigen Kronenansatz und sehr starke Äste gleich unten an der Krone. (...) Das ist gut für ihn, weil der Baum mit möglichst wenig Aufwand eine große Oberfläche bildet. (...) Das ist schlecht für die Leute, die hier zum Beispiel ihr Auto parken wollen. (...) "Was müssen das für Bäume sein, wo die Elefanten spazieren gehen können?" Das ist jetzt plötzlich eine Frage der Freiraumplanung: Wie will ich eigentlich einen Freiraum organisieren, damit er gut nutzbar ist? Die Bäume in der Stadt können, wenn sie klug gemacht sind, das Leben schöner machen. Astknacken Sprecherin Joseph Beuys dachte dabei über ein einzelnes Menschenleben weit hinaus. O-Ton - Joseph Beuys, Gespräch: "Kunst und Künstler" Ich wollte einen Baum haben, der eigentlich erst nach 300 Jahren gut wird, also, einen Baum, der nicht irgendwie ein schnellwüchsiges Ding ist und eine kurze Lebenszeit hat, sondern ich wollte eigentlich einen Baum haben, der, wie es bei der Eiche ja unter optimalen Bedingungen möglich ist, über 2000 Jahre alt werden kann. Ich wollte also dieses Zeitelement, dieses zukünftige Element hineinbringen. Sprecherin Die Pflanzung der 7000 Eichen war für Beuys ein erster Schritt, um "die gegenwärtige Notlage der Umwelt" - ja, "der Welt" - anzugehen. O-Ton - Volker Schäfer, "Stiftung 7000 Eichen" Ich glaube, dass eine der zentralen Denkfiguren von Joseph Beuys immer mehr Relevanz bekommt. Und das ist seine Vorstellung, dass der Reichtum, den wir haben, nicht wirklich das Geldkapital ist. Sprecherin Beuys war Gründungsmitglied der "Grünen". Er verstand Politik als Teil seiner künstlerischen Arbeit - und Kunst als "die einzige Form, in der Umweltprobleme gelöst werden können". O-Ton - Joseph Beuys, Gespräch: "Kunst und Künstler" Vielleicht bin ich ein wiedergeborener Höhlenzeichner und bin in eine Kultur versetzt, die ihn mit solchen elementaren Fragen regelrecht bombardiert, und diese "Würde des Menschen", von der so viel die Rede ist, und die "Würde der Natur" und der Tiere und so weiter einmal in den Mittelpunkt des gefühlsmäßigen Erlebens stellt. Also, sagen wir mal, dieses erste gefühlsmäßige sich Einstellen auf das, was ja eigentlich abgetötet und zerstört wird in unserer Welt, ist der Anfang, auf diese plastische Theorie, auf diese Gesellschaftstheorie, auf diese Geldtheorie, auf den Kapitalismus-Begriff, usw., es ist also ein logischer Anfang. Es bildet sich erst einmal eine volle Bilderwelt, aus der sich dann nach und nach die Begriffe herauslösen. Klang Sprecher "Gesellschafts-Theorie" Sprecherin: Was ist Natur uns wert? Sprecher: "Geld-Theorie" Sprecherin: ...und woran machen wir das fest? Atmo - Atelier: ein großer Papierbogen wird ausgebreitet O-Ton - Nicole Schuck, Künstlerin, "Tier - Wert - Bezeichnen" Hier sind wir in Interlaken, und das ist ein Teil der Kartographie, des Straßennetzes von Interlaken. Hier zum Beispiel, das nennt man Höhenmatte, das ist eine große Wiese (...), wo verschiedene Sachen drauf stattfinden. Sprecherin Nicole Schuck ist bildende Künstlerin. O-Ton - Nicole Schuck, Künstlerin "Tier - Wert - Bezeichnen" Und hier sieht man schon ein bisschen im Tier selbst die Struktur von Rasen, könnte man darin wiedererkennen ... Sprecherin Sie interessiert sich für die Beziehung von Tieren zu ihrem Lebensraum. O-Ton - Nicole Schuck, Künstlerin, "Tier - Wert - Bezeichnen" Die Idee ist quasi, dass du durch das Tier wiederum die Landschaft sehen können musst - oder kannst. Musik Sprecherin In Nicole Schucks Zeichnungen greifen Tier und Umwelt ineinander. Die Beschaffenheit des Geländes wiederholt sich in der Tiergestalt. Zum Beispiel bei einer Gelbbauch-Unke. O-Ton - Nicole Schuck, Künstlerin, "Tier - Wert - Bezeichnen" Ich finde, diese Struktur des Tieres, wenn man durch die Landschaft läuft, dieses Hügelige, das findet sich in diesen Warzen der Haut des Tieres wieder. Also, die Struktur des Tieres bildet in einem anderen Maßstab sozusagen die Landschaft wieder. Und hier ist es eben kombiniert mit dem Straßennetz von Interlaken, was ja menschengemacht ist, es kann aber auch wie so ein Ausadern sein, des Tieres. Atmo - außen, Park, Vögel zwitschern.... Sprecherin Als Stipendiatin des Hanse-Wissenschaftskollegs in Delmenhorst beschäftigt sich Nicole Schuck mit der Bewertung von einzelnen Tierarten. O-Ton - Nicole Schuck, bildende Künstlerin Durch die künstlerische Arbeit in den letzten Jahren, die sich hauptsächlich auf Wildtiere bezogen hat, (...) bin ich immer mehr auf dieses Thema "Inwertsetzung von Natur" aufmerksam geworden ... Machete Sprecher : "Inwertsetzung" ? Sprecherin: Unter "Inwertsetzung" verstehen Umweltökonomen die Beurteilung von Natur nach ihrem Nutzen. O-Ton - Nicole Schuck, bildende Künstlerin Ich halte diese Art von Bewertung (...) für sehr kritisch, soweit ich mit meinen Recherchen bin, weil ich das Gefühl habe, es wird sehr viel ausgeschlossen. Sprecherin In ihrem Projekt "Tier - Wert - Bezeichnen" will Nicole Schuck die Bewertung von Wildtieren exemplarisch durchspielen und hinterfragen. O-Ton - Nicole Schuck, bildende Künstlerin Wie gehen Biologen vor Ort wirklich vor? Was ist interessant an so einem Tier? Ist die Farbvielfalt z.B. auch interessant? Oder hat es besondere Verhaltens-eigenschaften, die "wertvoller" sind als andere? Wo und wie werden Bewertungsmethoden entwickelt und angesetzt? Und wie will man ein einzelnes Tier, was ja immer in einem Ökosystem verortet ist, eigentlich bewerten? Baum fällt Sprecher - Zitat: Jürgen Dahl "Der unbegreifliche Garten ..." (S. 76 / 67) Die Ökologie ist keine Gesetzessammlung, die sich zu einer Umwelt-Ethik umformen ließe. (...) Was ökologisch falsch und was richtig ist - die Auskunft darüber ist gar nicht aus der Ökologie zu erlangen, vielmehr ist jedes Urteil darüber von den Wünschen und Wertsetzungen dessen abhängig, der das Urteil abgibt. Sprecherin Welche Natur schützenswert ist und weshalb, das versteht sich nicht von selbst. Der Publizist Jürgen Dahl stellte schon 1984 grundsätzliche Fragen nach den Motiven für Naturschutz. Sprecher - Zitat: Jürgen Dahl "Der unbegreifliche Garten ..." (S. 76) Alles, was unter dem Etikett der Ökologie an Vorschlägen und Vorschriften (...) annonciert wird, beruft sich zwar auf nachgewiesene ökologische Zusammenhänge, - aber die Wertung dessen, was als unerwünscht und erlaubt, was als sündhaft und verwerflich zu gelten hat, liegt außerhalb der Ökologie. Sprecherin Dahls Essay-Band "Der unbegreifliche Garten und seine Verwüstung" trägt den Untertitel: "Über Ökologie und über Ökologie hinaus". Sprecher - Zitat: Jürgen Dahl "Der unbegreifliche Garten ..." (S. 71) Denn die Ökologie beschreibt, was ist, und nicht, was sein soll. Sprecherin Aber woran bemisst sich der Wert von Natur, wenn die Natur selbst sich darüber in Schweigen hüllt und die Naturwissenschaft kein Eichmaß dafür hat? Atmo - Meereswellen / Möwen O-Ton - Prof. Dr. Thomas Brey, Biologe, Alfred-Wegener-Institut In der wissenschaftlichen Beziehung zwischen Mensch und Natur hat sich in den letzten 30, 40 Jahren eine deutliche Veränderung abgespielt. Vor 30, 40 Jahren haben Naturforscher Natur als eigenes Ding untersucht und sich selbst draußen gesehen. (...) Heutzutage sehen wir den Mensch als Teil der Natur. Das bedeutet: Wenn ich Naturschutz machen will, muss ich gleichzeitig Soziologie machen. Sprecherin Thomas Brey ist Professor für funktionelle Ökologie am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven. 2017 hat er ein neues Institut für Marine Biodiversität in Oldenburg mitbegründet. O-Ton - Prof. Dr. Thomas Brey, Biologe, Alfred-Wegener-Institut Also, ich muss auch betrachten, warum und wie der Mensch mit der Natur interagiert. Was sind die Bedürfnisse der Menschen? Wie sehen die Menschen Naturschutz? Das ist das, worauf das neue Institut in Oldenburg abzielt. Das wollen wir verstehen, und darauf aufbauend wollen wir Konzepte entwickeln, wie man Naturschutz effizienter und erfolgreicher gestalten kann. Sprecherin Für Natur- und Artenschutz steht auch das Alfred-Wegener-Institut. Auf Helgoland züchten die Meeresforscher den "Blauen Hummer" nach, um das selten gewordene Tier in der Nordsee wieder auszuwildern. - Warum gerade den Hummer? O-Ton - Prof. Dr. Thomas Brey, Biologe, Alfred-Wegener-Institut Wenn man es ganz trocken sieht, kann man sagen: Den Hummer braucht niemand. Die Nordsee kommt auch gut ohne Hummer klar, denn die Lücke, die der Hummer hinterlassen hat im Ökosystem, ist von anderen, vom Taschenkrebs und ähnlichen, schon gut ausgefüllt. Musik Andererseits, der Hummer ist das, was man ein "charismatisches Tier" nennt, so wie Wale und große Seevögel, da hängt so ... Sprecher "Ein charismatisches Tier" O-Ton - Prof. Dr. Thomas Brey, Biologe, Alfred-Wegener-Institut ....das Herz der Menschen dran. Wenn Sie mal einen lebenden Hummer gesehen haben, in seinem Habitat und nicht in einem Restaurant, eingesperrt in ein Aquarium, dann wissen Sie: Das ist ein ganz tolles Tier! Dass wir dieses Tier verloren haben, ist einfach schade. Denn es sind (...)solche charismatischen Tiere, die die Öffentlichkeit für ein Ökosystem interessieren. Und wir brauchen die Unterstützung der Öffentlichkeit (...), damit wir den politischen Hebel haben, zum Schutz des Systems etwas erreichen zu können. Machete Sprecher: Die Natur braucht den Hummer nicht. Sprecherin: Aber der Naturschutz braucht ihn! O-Ton - Thomas Brey, Biologe, Alfred-Wegener-Institut Das, was wir tun mit und in den Ökosystemen, müssen wir irgendwie managen, und dafür ist mir jedes Werkzeug recht, mit dem ich alle relevanten gesellschaftlichen Gruppen, die daran Interesse haben, an einen Tisch kriege. Sprecherin Thomas Brey war jahrelang an Verhandlungen über ein Naturschutzgebiet in der Antarktis beteiligt. Er weiß, dass Umwelt-Management ein zähes Ringen ist. Und dass ökonomische Argumente dabei einiges bewegen können - je nachdem, wer mit am Tisch sitzt. O-Ton - Thomas Brey, Biologe, Alfred-Wegener-Institut Es nützt mit ja nichts, wenn ich die Fackel des Naturschutzes emporhalte und radikal bedingungslos den Schutz von allem und jedem fordere, wenn ich das gegen den Widerstand von bedeutungsvollen gesellschaftlichen Gruppen machen möchte. Das mache ich doch lieber mit denen. Und meiner Überzeugung nach ist nachhaltiges Management von marinen Ökosystemen für alle Interessensgruppen wichtig, die einen längerfristigen Horizont haben. Für Leute, die nur mal rasch rein wollen, um Geld zu verdienen, und dann wieder verschwinden, ist das natürlich nicht interessant. Aber für alle, die an, mit und von dem System leben, ist es immer interessant. Und diese Leute kann man auch überzeugen, dass sie sich zusammensetzen und überlegen, wie sie es am besten machen können. Atmo - Meereswelle Sprecherin Die "Inwertsetzung von Natur" hat an den Verhandlungstischen der Umweltpolitik ein neues Vokabular in Umlauf gebracht. O-Ton - Bernd Hansjürgens, "Naturkapital Deutschland" Wir sagen: Die Natur ist auch ein Kapitalbestand - genauso wie "Humankapital" oder "Sachkapital", und aus diesem Bestand werden Leistungen erbracht. Sprecherin Bernd Hansjürgens ist Professor für Volkswirtschaftslehre und Studienleiter des Projekts "Naturkapital Deutschland" am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig. O-Ton - Bernd Hansjürgens, "Naturkapital Deutschland" Da fließen Leistungen... Klang Sprecher : Ökosystemleistungen O-Ton - Bernd Hansjürgens: Beim Finanzkapital sind es dann Zinsen oder Dividenden, die daraus fließen, und beim Naturkapital sind es "Ökosystemleistungen". Klang Sprecher z.B. die Leistung eines Baumes O-Ton - Bernd Hansjürgens, "Naturkapital Deutschland" Wir gehen eigentlich vor wie Buchhalter: Wir versuchen, die einzelnen Leistungen zu identifizieren, soweit es geht. Was ist jetzt die Leistung eines Baumes: Der filtert soundso viel Luft und reinigt soundso viel Wasser, bindet Feinstaub oder was auch immer. Und dann versuchen wir, einen Wert beizumessen. Sprecherin Dabei geht es um Leistungen der Natur, die selten als solche erkannt werden. O-Ton - Bernd Hansjürgens, "Naturkapital Deutschland" Die Regulierung des Wasserkreislaufs, die Reinigung des Wassers, ein Wald in den Alpen, der als Bannwald vor Lawinengefahr schützt. Das sind ja auch Leistungen der Natur. Oder Schönheit der Natur, kulturelle Leistungen: Tourismus basiert zu einem großen Teil auf kulturellen Ökosystemleistungen, also auf den Leistungen der Natur für Erholungszwecke oder für Menschen, die einfach nur Freude haben an Vielfalt oder Landschaft. Und das betrachten die Umweltökonomen. Atmo: auf dem Berg, leichter Wind... Sprecherin Die Ökonomen wollen den Interessen der Natur Gewicht verleihen. Zum Beispiel, wenn Kommunalpolitiker über die Nutzung einer Fläche entscheiden. O-Ton - Bernd Hansjürgens, "Naturkapital Deutschland" Auf die Waage gelegt werden von den Entscheidern die Vorteile, sprich: die Arbeitsplätze, die Unternehmensansiedlungen, dann die Gewerbesteuereinnahmen oder die Grundsteuereinnahmen, das sind die Vorteile - und auf der Kostenseite werden berücksichtigt: ja, vielleicht die Baukosten, da muss das Gebiet erschlossen werden. Aber es werden eben nicht berücksichtigt bei diesen Entscheidungen: die Kosten der verloren gegangenen Naturleistungen. Die wollen wir sichtbar machen. Fenster zu O-Ton - Andreas Weber, Philosoph und Biologe Die ökonomische Idee war zu sagen: Wir benutzen ja die ganze Zeit Leistungen, die die Natur bereitstellt. Die haben aber gar keinen Wert und gar keinen Preis. Und das Schlüsselwort war: "Ökosystem-Dienstleistungen". Das war sozusagen das kapitalistische Denken, das sich auf den "Oikos", auf den Haushalt der Natur, erstreckt hat Sprecherin Andreas Weber ist Biologe und Philosoph. 2016 erschien sein Buch "Enlivenment. Eine Kultur des Lebens". O-Ton - Andreas Weber, Philosoph und Biologe Ökonomen haben gesagt: Wenn wir ohne die Natur rechnen, dann findet eigentlich so eine Art "Marktversagen" statt. O-Ton - Bernd Hansjürgens, "Naturkapital Deutschland" Wenn wir das "Naturkapital" nicht mit berücksichtigen, haben wir einen falschen ökonomischen Kompass. O-Ton - Andreas Weber, Philosoph und Biologe Und dann haben Ökologen langsam gesehen, dass das möglicherweise (...) die Sprache ist, mit der sie in einer Welt, die ausschließlich in Markt- und in Wirtschaftsbegriffen denkt, die Natur wertvoller machen können. O-Ton - Bernd Hansjürgens "Naturkapital Deutschland" Dahinter steckt so ein bisschen die Erkenntnis: Mein Gott, der Naturschutz hat sich abgestrampelt, (...) irgendwie kommt der argumentativ nicht richtig weiter. Lasst uns doch ergänzend diese ökonomische Perspektive weit nach vorne stellen. Vielleicht können wir damit Entscheidungsträger wachrütteln. Lasst uns versuchen, (...) Leute zu erreichen, die wir mit den üblichen Naturschutz-Argumenten bisher nur schlecht erreicht haben. Sprecherin Ökonomische Argumente verändern unsere Sicht auf die Natur. O-Ton - Andreas Weber, Philosoph und Biologe Wenn wir auf diese Erde geboren werden, dann müssen wir ja nichts dafür bezahlen, dass wir atmen. Und die Menschen vor hunderttausend Jahren mussten natürlich für nichts irgendwas bezahlen, weil es kein Geld gab, und wurden irgendwie als Teil eines Ökosystems ernährt. Aber wenn man sich darauf einlässt und sagt: Okay, wir wollen jetzt Natur als einen marktwirtschaftlichen Faktor einpreisen, weil wir sie sonst zerstören, weil sie keinen Wert hat, dann muss man natürlich Methoden finden, wie man diesen Wert rauskriegt. Und auf diese Weise wird dann Natur zu einem Dienstleister, den man in seiner Bilanz mit rein rechnet. Und das ist einerseits augenöffnend und andererseits auch irgendwie abstrus und hanebüchen. Atmo - Vogelstimmen Sprecherin Ökonomische Argumente für den Naturschutz sind an sich nichts Neues. Schon Martin Luther hat sie ins Feld geführt. O-Ton - Joachim Radkau, Umwelthistoriker Martin Luther liebte die Vögel (...) und ärgerte sich darüber, dass sein Diener Wolfgang Siberger, Jagd auf die Vögel machte Sprecherin Joachim Radkau ist Umwelthistoriker. 2011 erschien sein Buch "Die Ära der Ökologie. Eine Weltgeschichte". O-Ton - Joachim Radkau, Umwelthistoriker Martin Luther hat also eine kleine Schrift herausgebracht, wo er die Vögel reden lässt, sie seien doch so nützlich, sie fräßen doch schädliche Insekten, sie dienten doch auch den Interessen des ehrbaren Landmannes ... Sprecher - Zitat: M. Luther (zit. nach Radkau, "Mensch und Natur", S. 166) Wir Drosseln, Amseln, Finken, Hänflinge und andere brave, ehrbare Vögel (...) geben euch höflich zu wissen, dass uns glaubhaft berichtet wurde, ein gewisser Wolfgang Siberger, euer Diener, habe sich unterstanden, aus frevelhafter Willkür und großem Zorn und Hass auf uns (...) eine Vogelfalle herzurichten. Sprecherin Luthers Vögel beschweren sich darüber, dass der Jäger nicht andere Vögel ins Visier nimmt, die sich weniger nützlich machen. Sprecher - Zitat: M. Luther (zit. nach Radkau, S. 166f.) Warum richtet er solchen Zorn nicht auf Sperlinge, Schwalben, Elstern, Dohlen, (...) welche euch doch viel Leid zufügen, stehlen und rauben und aus den Häusern Korn, Hafer, Malz und Gerste forttragen? O-Ton - Joachim Radkau, Umwelthistoriker Dieses Bestreben, Ökologie und Ökonomie miteinander in Einklang zu bringen, auch einfach deshalb, weil man die Macht der Ökonomie brauchte, das durchzieht schon die gesamte Geschichte der Umweltbewegung. Es hat oft Zusammenstöße zwischen Ökologie und Ökonomie gegeben. Aber schon von Anfang an war es vielen Naturschützern deutlich: Man muss Naturschutz auch ökonomisch begründen, auch wenn die eigentlichen Impulse nicht ökonomischer Art sind. Fenster zu Sprecherin Eine wichtige Motivation für Naturschützer war von jeher die Sorge um die eigene Gesundheit. O-Ton - Joachim Radkau, Umwelthistoriker Gesundheit spielte eine riesengroße Rolle, schon damals um 1900, zwischen Naturheilbewegung und Naturschutz besteht ein enger Zusammenhang. Ich habe ja auch eine Geschichte der deutschen Nervosität geschrieben, die ihren ersten großen Boom genau zu jener Zeit hatte. Klang Sprecher: "Nervosität" O-Ton - Joachim Radkau, Umwelthistoriker Die Vorstellung, zur Regeneration unserer durch die moderne Zivilisation gestressten Nerven müssen wir in die Natur, das war ein Gedanke, der damals sehr in der Luft lag, übrigens auch in den USA. Musik Akzent und Windharfe Sprecherin Joachim Radkau zieht ein Buch über die Geschichte der amerikanischen Nervosität aus dem Regal. O-Ton - Joachim Radkau, Umwelthistoriker Auf dem Titelbild sieht man Theodor Roosevelt, diesen kraftvollen amerikanischen Präsidenten der Jahrhundertwende, zusammen mit John Muir, dem Gründervater der amerikanischen Nationalparks, wie die gemeinsam durch den Yosemite-Nationalpark gehen. Roosevelt, der sich ursprünglich als sehr nervös vorkam, hatte das Gefühl, in der "freien, stillen Natur" des "Wilden Westens" seine Kraft gewonnen zu haben. Sprecherin In das Naturschutzziel der "biologischen Vielfalt" sind Gesundheits- und Geschäfts-Interessen mit eingeflossen. 1992 verabschiedeten die Vereinten Nationen auf dem Umweltgipfel von Rio de Janeiro eine Konvention zum Schutz der "Biodiversität". Der prominenteste Verfechter dieses Begriffs, der amerikanische Soziobiologe Edward Wilson, verstand darunter auch eine ökonomische Ressource. O-Ton - Joachim Radkau, Umwelthistoriker Edward Wilson würde (...) sagen: Wir wissen noch nicht, was für Pflanzen etwa die Pharma-Industrie oder auch die Lebensmittel-Industrie in Zukunft noch inwertsetzen wird, und deswegen ist es kurzsichtig, die Biodiversität drastisch zu reduzieren. Windharfe, später Park-Atmo O-Ton - Aufn. im Park: Marion Poschmann liest: "Moosgarten" Blattloses Koboldmoos / Sparriger Runzelpeter / Urnenfilzmützenmoos / Graues Zackenmützenmoos / Gedrehtes Glockenhutmoos / (...) Stumpfes Doppelblattmoos Atmo Park Sprecherin Unterwegs mit der Schriftstellerin Marion Poschmann. Im April 2017 erhielt sie den "Deutschen Preis für Nature Writing". O-Ton - Spaziergang mit Marion Poschmann, Schriftstellerin "Natur" ist ja erst mal ein ganz schwammiger Begriff. Man stellt sich die biologische Natur vor, Flora und Fauna, (...) dann spricht man ja auch von der "menschlichen Natur", wenn man über Charaktere redet, über das Innerliche, und dann ist Natur ja auch in der philosophischen Tradition ein geistiger Begriff, im deutschen Idealismus z.B., (...) wo Natur der Kunst die Regel vorgibt. Damit ist ja nicht die Natur in Form eines Baums gemeint, sondern eine innere Kraft des Menschen, die schöpferisch tätig sein kann. Diese verschiedenen Begriffe überlagern sich, wenn man von "Natur" spricht, und man muss eigentlich erst mal vereinbaren, was man gerade meint. Sprecherin In ihrem Gedichtband "Geliehene Landschaften" setzt sich Marion Poschmann mit dem widersprüchlichen Charakter von Parks und Gärten auseinander. O-Ton - Spaziergang mit Marion Poschmann, Schriftstellerin Einerseits ist es ja ein utopisches Projekt, ein Garten, ein Park: Man versucht, eine Idylle anzulegen, ein Paradies zu gestalten, und es ist ja erfreulich, dass auch für die nicht ganz so wohlhabende Bevölkerung so etwas angelegt worden ist. Andererseits hat es die Kehrseite, dass das Ganze zur Erhaltung der Arbeitskraft diente. Also, die Leute sollten spazieren gehen und sich erholen, um dann wieder ans Fließband oder wo auch immer hin zu gehen und wieder fit zu sein. Soundakzent Sprecherin Der Park versetzt Mensch und Natur in einen Verwertungszusammenhang. Im Namen der Erholung sind beide bloß Mittel zum höheren Zweck der Arbeit. O-Ton - Andreas Weber, Philosoph und Biologe Und das ist natürlich ein trostloser Kosmos. Das hat damit zu tun, dass wir uns über Jahrhunderte zurückgezogen haben auf die Position, dass wir unser Recht hier zu sein, durch Arbeit erkaufen müssen, dass "einem nichts geschenkt wird", dass man etwas wert sein muss, dadurch, dass man etwas leistet, etc. Sprecher "Geschenkt wird einem Nichts!" Sprecherin Dabei haben wohl die meisten Menschen den Wunsch, wenigstens einen Teil ihres Lebens von Kosten-Nutzen-Denken freizuhalten. Zum Beispiel in der Familie. O-Ton - Andreas Weber, Philosoph und Biologe Da muss sich unser Kind ja nicht durch effizientes Verhalten Nahrung erarbeiten, sondern es ist ja zumindest im Prinzip klar - auch wenn das vielleicht manche Eltern nicht hinkriegen -, dass ein Kind seine Pflege und Versorgung und unsere Liebe geschenkt erhält. Und wenn wir uns vorstellen, dass es Konzeptionen gibt, in denen Menschen sich das Verhältnis zur Natur so vorstellen wie eine Familie, in der man willkommen ist, dann ist natürlich die Idee "Wir machen die Natur zu einem Markt", die ist jetzt auch "effizient", und wir können sie nur schützen, wenn wir den Markt effizient machen, (...) das ist die Perversion eines Zugehörigkeitsgedankens. Das ist das letzte Gegenteil davon, (...) und es stellen sich einem die Haare auf. Sprecherin Früher war klar: Der Schutz von Natur kostet Geld. O-Ton - Andreas Weber, Philosoph und Biologe Wenn ich als Umweltverband 5 Hektar Trockenrasen zur Pflege bekomme, dann muss ich sehr viel Geld aufwenden, ich muss ihn mindestens einmal im Jahr mähen, ich muss das, was ich da gemäht habe, irgendwo hin bringen, und ich muss vielleicht noch Bäume fällen. Das ist erst mal ein Loch in der Kasse für einen Umweltverband. Sagen wir, der NABU kriegt 5 Hektar Trockenrasen geschenkt, dann sagen die: Oh Gott, das kostet uns pro Jahr 10.000 Euro, die haben wir nicht! Wollen wir nicht haben! Sprecherin Das Schlagwort von der "Grünen Ökonomie" nährt dagegen die Hoffnung, dass Naturschutz selbst zu einer lukrativen Einnahmequelle werden könnte. Zum Beispiel auf der Basis von Umfragen, die ermitteln, was Menschen für den Schutz seltener Schmetterlinge oder Vögel bezahlen würden. O-Ton - Andreas Weber, Philosoph und Biologe Für einen Trockenrasen gibt es den Bläuling, und der hat nach der Befragung, wie viele Euros Leute für Bläulings-Besichtigungen ausgeben würden, folgenden Wert, und dann gibt es noch das Braunkehlchen, das rechnen wir alles mal zusammen und stellen fest: Der Trockenrasen wirft im Jahr an Umweltdienstleistungen 15.000 Euro ab. Das heißt, der NABU kann mit dem Trockenrasen 5.000 Euro Gewinn machen. Klang Sprecher "Trockenrasen-Start-up!" O-Ton - Andreas Weber, Philosoph und Biologe Super! Also, her mit dem Trockenrasen! Ich mache ein Trockenrasen-Start-up. Sprecherin Zahlungsbereitschafts-Analysen sind eine Methode, um solche Naturleistungen zu beziffern. Man kann auch berechnen, was es kosten würde, Umweltschäden technisch zu beheben, zum Beispiel einen Liter Grundwasser von Schadstoffen zu reinigen. Manchmal wird auch ein Wert zugrunde gelegt, auf den Experten sich geeinigt haben: Für den Ausstoß von einer Tonne CO2 veranschlagt das Umweltbundesamt Kosten von 80 Euro. - Meist bleiben diese Zahlen aber hypothetisch, weil für die Leistung von Wald oder Wiese niemand bezahlt. O-Ton - Andreas Weber, Philosoph und Biologe Das legt den Finger in die Wunde. Wenn man sich die Umsetzung anguckt, gibt es kein konsistentes System, das Ökosystem-Dienstleistungen bezahlt oder bewertet. Wir haben einen Diskurs, sowohl in der Wirtschaft als auch in der Verwaltung, als auch in der Ökologie. Aber wir haben kein Bewertungssystem dafür. Wir haben das noch nicht im Markt. Musik Sprecherin Ein Projekt namens "Agora Natura" soll das ändern. Agrarwissenschaftler, Ökonomen, Landschaftsplaner und Naturschützer entwickeln gemeinsam einen Online-Marktplatz, auf dem Unternehmen und Privatpersonen künftig in biologische Vielfalt investieren können. O-Ton - Prof. Dr. Bettina Matzdorf, Projekt "Agora Natura" Was wir uns überlegt haben, ist, dass wir alles flächengebunden anbieten werden, das heißt, immer auf einem Quadratmeter oder einem Hektar von einer speziellen Fläche ... Sprecherin Bettina Matzdorf ist Professorin für Umweltökonomie an der Universität Hannover und dem Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung in Müncheberg. Sie leitet das Projekt "Agora Natura". O-Ton - Prof. Dr. Bettina Matzdorf, Projekt "Agora Natura" Und die Fläche ist dann beispielsweise in der Lage, Biodiversität bereitzustellen oder Artenvielfalt, und als Beleg dafür bekommen Sie den Beweis, dass auf dieser Fläche, wenn es sich um Grünland handelt, fünf Arten sind, (...) dann steht da eine Kuckuckslichtnelke, dann steht da aber vielleicht auch ein Rotklee, den ganz viele kennen, Also, Sie haben ein unterschiedliches Portfolio an Arten. Sprecherin Das Projektteam will dieses Portfolio auf seiner Website präsentieren und damit den Erfolg einzelner Naturschutzmaßnahmen messbar machen. O-Ton - Prof. Dr. Bettina Matzdorf, Projekt "Agora Natura" Ich habe einen Hektar und versuche darzustellen, welches Naturkapital kann dort bereitgestellt werden? (...) Naturkapital (...) hat immer den Link zum Nutzen, also: Wie viel von einem nutzbaren Gut (...) kann dort bereitgestellt werden? Musik Sprecherin Ein solches Gut kann die Menge an CO2 sein, die pro Hektar von einem Moor gespeichert wird, oder das Vorkommen bestimmter Pflanzen- und Tierarten. Die zukünftigen Anbieter auf "Agora Natura" sind Landbesitzer oder Naturschutz-Initiativen, die Moore wieder vernässen, Blühstreifen entlang von Feldkanten anlegen oder Ackerland in Grünland zurückverwandeln. O-Ton - Prof. Dr. Bettina Matzdorf, Projekt "Agora Natura" Als Puffer (...) um Fließgewässer herum oder um Sölle, das sind kleine Eiszeitlöcher in der Landschaft, die sind wassergefüllt, ganz spannend zum Beispiel für die Rotbauch-Unken und dergleichen. Sound Rotbauch-Unke Sprecherin Der Hektarpreis für diese und andere Schutzmaßnahmen wird nicht vorab festgelegt. Er soll sich auf dem Marktplatz selbst herausbilden und richtet sich nach dem Pflegeaufwand. O-Ton - Prof. Dr. Bettina Matzdorf, Projekt "Agora Natura" Unser Ziel ist, dass wir nicht den Kuchen für die Spenden im Bereich Naturschutz anders verteilen, sondern dass wir den Kuchen größer machen. Ansonsten wären wir ja nur eine Konkurrenz auf dem aktuellen Spendenmarkt, auf dem sich viele gut etablierte und auch gut funktionierende NGOs bereits tummeln. Sprecherin Auf dem Online-Marktplatz von Agora Natura können Firmen oder private Interessenten dann zum Beispiel freiwillig die CO2-Emissionen ihrer Dienst- und Urlaubsreisen "kompensieren", indem sie ein Zertifikat für die Renaturierung eines Moors erwerben. Sound: Frosch Sprecher: Moorfrosch-Zertifikat! Sprecherin Das Naturschutz-Projekt "MoorFutures" macht vor, wie das geht. Hier kostet ein "Moorfrosch-Zertifikat" 8,50 Euro. O-Ton - Prof. Dr. Bettina Matzdorf, Projekt "Agora Natura" Wenn ich fliege in irgendein anderes Land, kann ich mir ausrechnen lassen, (...) wie viel CO2 ich damit verursacht habe, und wenn ich umweltbewusst genug bin, dann kann ich dort sozusagen "kompensieren", meinen Fußabdruck, und kann sagen: Ich (...) kaufe eine "MoorFutures"-Aktie, die diesen Ausgleich schafft. Musik Sprecherin Ein Linienflug von Köln nach Palma de Mallorca und zurück verursacht nach Angaben der Organisation "Atmosfair" Emissionen von 531 Kilogramm CO2 pro Person. Sprecher Kompensations-Preis für den Fluggast: 13 Euro. Sprecherin Ein Flug nach Rio de Janeiro und zurück: gut 5 Tonnen CO2 pro Person. Sprecher Kompensations-Preis: 121 Euro! Sound Frosch Sprecherin Kann mehr Markt tatsächlich mehr Schutz für die Natur bewirken? Oder bringt die Orientierung an ökonomischen Maßstäben den Natur- und Umweltschutz in Schieflage? Die Balance zwischen Markt und Staat, zwischen freiwilligem Engagement und Verwaltung ist heikel. Die Politologin Barbara Unmüßig von der Heinrich-Böll-Stiftung warnt vor überzogenen Erwartungen an die "Grüne Ökonomie". O-Ton - Barbara Unmüßig, Vorstand Heinrich-Böll-Stiftung Für mich ist es eine Frage des politischen Willens, was ich schützen will. Da muss ich nicht hundert Berechnungen anstellen. Man kann nämlich auch ohne lange Berechnung feststellen, was vielleicht ein Wald für uns, für unser Ökosystem, für unsere Luft, für unsere Wasser-Regulierung, für unsere Erbauung "wert ist". Sprecherin Die Rechenkünste der Bewerter drohen von anderen Problemen abzulenken. O-Ton - Barbara Unmüßig, Heinrich-Böll-Stiftung Es gibt viel zu wenig Leute, die vor Ort Naturschutz betreiben können, die unteren Naturschutzbehörden sagen: Wir kriegen immer weniger Geld für unsere Arbeit. Das ist je auch eine "Wertschätzung": Wie viel ist uns denn politisch der Naturschutz wert? Dann muss ich Menschen, die den Wald schützen sollen, die Ökosysteme schützen sollen, auch entsprechend mit Personal und Mitteln ausstatten. Das wäre ja auch mal eine politische Wertschätzung! Klang Sprecher: Kein Wald ohne Verwaltung! Sprecherin Und noch eine Gefahr erkennt Barbara Unmüßig in der zunehmen Fixierung auf ökonomische Argumente: Wer bewertet, macht messbar und vergleichbar, was oft nicht zu vergleichen ist. O-Ton - Barbara Unmüßig, Heinrich-Böll-Stiftung Ich kann (...) einen hundert Jahre gewachsenen Eichenwald - ob in England oder in Deutschland - nicht vergleichen mit einem Wald, der die gleiche Menge CO2 absorbiert, wenn ich ihn umwandle in eine Monokultur-Waldplantage. Sprecherin In Form von Daten und Zahlen, lässt sich mit Natur ein fragwürdiger Handel treiben. O-Ton - Barbara Unmüßig, Heinrich-Böll-Stiftung Dieses "Kompensieren": Ich zerstöre hier und kaufe woanders einen Wald oder ein Zertifikat, das ist aus meiner Sicht eine sehr problematische Logik, weil sie nämlich keine Anreize mehr schafft, wie wir bei uns weniger Auto fahren, weniger fliegen, weniger CO2 durch Energieverbrauch emittieren, sondern: Hach, wir können hier fröhlich weitermachen, weil: dann kaufen wir uns irgendwo ein Stück Wald. Deswegen gibt es ja auch dieses Wort der "Netto-Nullemissionen", das ist ja auch so ein neuer Ritt in der Klimapolitik, der suggeriert: Ich kann hier weitermachen wie bisher, weil: irgendwo gibt es einen Baum, ein Moor, das mein CO2, was ich hier emittiere, wieder aufnimmt. Musik Waldatmo O-Ton - Robert Macfarlane, Naturschriftsteller We have a kind of growth-economics-delusion that we can continue to just use the world's resources and waste it, and when we have used this planet we'll go to another planet. Sprecherin Wir machen uns immer noch vor, dass wir unseren Planeten ausbeuten können, wie bisher, sagt Robert Macfarlane. O-Ton - Robert Macfarlane, Naturschriftsteller Fredric Jameson famously says: it is easier to imagine the end of the world than it is to imagine the end of capitalism. I sometimes change that, and I say: It is easier to imagine the extraction of another planet's resources than to imagine the end of capitalism. Sprecher Der amerikanische Publizist Fredric Jameson hat einmal gesagt: Es ist leichter, sich das Ende der Welt vorzustellen als das Ende des Kapitalismus. O-Ton - Robert Macfarlane, Naturschriftsteller We need to think incredibly hard about what we value at the moment, about how bound-up our own world and future is as a species with the planet. Sprecher Man könnte auch sagen: Es ist leichter, sich die Ausbeutung eines anderen Planeten vorzustellen als das Ende des Kapitalismus. Es ist höchste Zeit, dass wir erkennen, wie sehr unsere Zukunft als biologische Art vom Schicksal der Erde abhängt. Musik weg - Atmo bleibt O-Ton - Andreas Weber, Philosoph und Biologe Zu erkennen ist eben, dass wir nicht in einem Marktverhältnis zu dieser Wirklichkeit stehen, sondern dass wir in einem Verwandtschaftsverhältnis zu dieser Wirklichkeit stehen, dass wir die Wirklichkeit selbst sind, dass wir die Natur auch selbst sind, und dass wir das, was wir der Erde antun, uns antun. (...) Also, wenn man konsequent die Dinge zu Ende denkt, dann stellen wir fest, was ihnen eigentlich zugrunde liegt, und das ist etwas ganz anderes als der Markt. Laubrascheln - Machete Sprecherin Gerade wenn wir uns konsequent als Teil der Natur verstehen, schreibt Jürgen Dahl, kommen wir gar nicht umhin zu bewerten, zu urteilen und zu entscheiden, was wir schützen wollen, weshalb und auf welche Weise. Klang Sprecher - Zitat: J. Dahl "Der unbegreifliche Garten ..." (S. 88) Wir müssen den Garten der Welt bestellen, wenn wir darin überleben wollen. Sprecherin Ja - aber es bleibt immer etwas, das sich dabei unserem Zugriff entzieht. Nichts an der Natur ist für uns restlos kontrollierbar. O-Ton - Nicole Schuck, bildende Künstlerin Und das ist sehr, sehr reizvoll, finde ich, dass wir es nicht in der Hand haben, und dass da noch so viel zu entdecken ist, was wir nicht wissen. Warum sind wir interessiert an der Natur? Weil sie eben dieses Unkalkulierbare noch irgendwo verspricht. Das ist das Wertvolle, und gleichzeitig auch das Unkalkulierbare, in der Bewertung. Musik Absage: Was ist Natur? Teil 2: Eine Frage von Management und Wert-Ermittlung Sie hörten ein Feature von Frank Kasper Es sprachen: Claudia Hübbecker, Simon Boer und Hüseyin Michael Cirpici. Ton und Technik: Ernst Hartmann und Kiwi Eddy Regie: Friederike Wigger Redaktion: Ulrike Bajohr und Tina Klopp Eine Produktion des Deutschlandfunks 2017 Den ersten Teil der Reihe: Was ist Natur? Mit dem Titel: "Von der Wildnis in der Stadt" finden Sie - wie auch das heutige Stück - in der Deutschlandfunk-Mediathek zum Nachhören. 32 1