COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Länderreport Am braunen Ostseestrand NPD-Hochburgen in Mecklenburg-Vorpommern Autor Marx, Peter Redaktion Stucke, Julius Sendung 07.03.2012 - 13 Uhr 07 Gebräunt gingen die Badeorte auf Usedom aus der vergangenen Landtagswahl hervor. Mehr als 20 Prozent der Wähler entschieden sich für die NPD, etwa in der Gemeinde Heringsdorf. Bei Kurdirektoren und Bürgermeistern der Kommunen ging die Sorge um, dies könne dem Tourismus in der Region schaden. Wie geht man mittlerweile mit dem Thema um? Welche Maßnahmen wurden ergriffen und wie ist das Klima, mal abgesehen vom Wetter, auf Usedom? Der Länderreport geht dem nach. M A N U S K R I P T B E I T R A G Heringsdorf im März: Von Seeseite pfeifen Sturmböen über die Gemeinde, ein Zusammenschluss der "Drei Kaiserbäder" Albeck, Heringsdorf und Bansin auf der Insel Usedom. Gäste spazieren auf der Promenade, sitzen dick eingemummt in Bistros oder lassen ihre Kreditkarten in Designershops, Schmuckläden und Galerien glühen. Das alles vor den Fassaden von restaurierten oder neu gebauten Vier,- und Fünf-Sterne-Hotels. Ein nobles Ambiente, das den Eindruck erweckt: Der stetige Strom an Touristen - täglich durchschnittlich 30 000 - spült viel Geld auf die Insel und den Einheimischen geht es daher gut. Doch dieser Eindruck täuscht. Hinter den Fassaden der Gründzeitvillen, Plattenbauten, Bungalows und schmucken Fischerhäusern gärt es. Viele Usedomer fühlen sich als Verlierer der Wende, ärgern sich über die hohe Kriminalität auf der Insel, über fehlende Job-Angebote und zu teurem Wohnraum. Das interessierte die etablierten Parteien im Wahlkampf kaum, die rechtsextreme NPD dagegen schon. Das Ergebnis: Bei den Landtagswahlen im September vergangenen Jahres entschied sich jeder vierte Einwohner der noblen Kaiserbäder für die NPD. (Seelige-Steinhoff) Wir sind selber erschrocken gewesen, denn damit hat man nicht gerechnet. Was vorher nicht so wahrgenommen wird, zeigt auf einmal ein Blüte, die wir hoffnungslos unterschätzt haben. Das sagt Rolf Seelige -Steinhoff, Inhaber von 15 Hotels auf der Insel in seinem schmalen Konferenzraum. Seine Familie hat gleich nach der Wiedervereinigung auf der Insel Millionen investiert und Hunderten von Einheimischen einen Job besorgt. Die Entwicklung der Insel garantierte weitere Investitionen. (Johannsen) Viele Bürger haben das auch ein Stück weit unterschätzt und haben es abgetan, dass sind alles Protestwähler. Es sind viele Protestwähler, Menschen die unzufrieden sind. Aber es ist auch mittlerweile so, dass man auch akzeptieren muss, es gibt Menschen, die dieses Gedankengut so verinnerlicht haben, dass die das auch aus Überzeugung wählen. Das sagt Beate-Carola Johannsen, Vorsitzende des Tourismusverbandes der Insel. Die Kaiserbäder sind wieder wie früher die "Badewanne" der Berliner und Hamburger. Ein Boom-Jahr folgte auf das andere. Eine Erfolgsgeschichte. Dass sich gleichzeitig immer mehr Nazi-Kameradschaften auf der Insel tummelten und ihr Einfluss immer stärker wurde, nahm Hotelbesitzer Seelige-Steinhoff nur "am Rande" wahr. Man muss natürlich gestehen, dass so eine Insel wie unsere weniger von den etablierten Parteien lebt sondern primär von Interessensgruppen die aus regionalen Strukturen gewachsen sind. Die SPD findet hier gar nicht richtig statt. Die CDU ist sehr stark vertreten, aber es geht mehr um Gruppierungen die Inselinteressen, kommunale Interessen vertreten. Und da, die Auseinandersetzung mit der rechten Szene ist sicherlich noch nicht in dem Maße erfolgt, wie es hätte erfolgen müssen. Zeit genug hatte die politische und wirtschaftliche Elite der Insel. Trotzdem entwickelte sich Usedom kontinuierlich zur Braunen Insel, sagt Günther Hoffmann vom Verein Bunt statt Braun: Mit Stammtischen und Unzufriedenen ist das weniger erklärt. Wir haben einfach die letzten zehn Jahre einen kontinuierlichen Strukturaufbau von rechtsextremen Organisationen, neofaschistischen Organisationen und Parteistrukturen auf der Insel gehabt. Und die konnten dort unbehelligt, ihre Bildungsarbeit und ihre Strukturarbeit machen. Man hat dem ganzen Problem nie eine Aufmerksamkeit geschenkt Wie stark die NPD geworden ist, machen diese Zahlen deutlich. Bei den Landtagswahlen 1990 wählten im gesamten Bundesland 1448 Frauen und Männer die NPD; bei den Landtagswahlen 2011 holte der NPD-Spitzenkandidat Enrico Hamisch im Wahlkreis Ostvorpommern II, dazu gehört die gesamte Insel Usedom, 2679 Ernststimmen. Der 38jährige Koch und Konditor scheiterte nur knapp am Einzug in den Landtag. Hamisch ist Kreisvorsitzender der NPD, Mitglied des Kreistages und der Gemeindevertretung Heringsdorf, sowie angeblich einer der Spitzenmänner des rechtsextremen Kameradschaftsbundes Usedom. Für Günther Hoffmann sind die Nazi-Kameradschaften der "Kern des braunen Übels." Da geht es in erster Linie um Strukturen der freien Kameradschaften. Also man muss dazu sagen, dass die NPD bis zum Jahr 2004 hier in der Region überhaupt nicht vertreten war. Es gab in Wolgast einen kleinen Ortsverband, aber ansonsten spielte die NPD im jetzt neuen Großkreis Greifswald-Vorpommern an sich überhaupt keine Rolle. Dominierend waren von jeher die sogenannten freien Kameradschaften. Erläutern wollte NPD-Mann Hamisch seinen Erfolg nicht. Doch er war nicht der einzige, der sich Fragen verweigerte. Drei Tage lang läst der Bürgermeister der Kaiserbäder, Klaus Kottwittenburg Interviewtermine platzen, wegen angeblich wichtigen Terminen. Anders dagegen Michael Andrejewski, NPD-Landtagsabgeordneter aus der früheren Kreisstadt Anklam, der geistige Führer dieser auffälligen Entwicklung rund um die Insel. Der Grund ist, dass dort viele Leute mit unserer Gesinnung leben. Das heißt sie haben ein großes Aktivistenpotential teils als Partei, teils als Kameradschaften. Und es gibt eine Grundeinstellung der Bevölkerung, die uns zuneigt und es gibt die aktuellen Probleme. Usedom ist für Einheimische wie Touristen eine lebendige Insel. Es gibt in allen Dörfern funktionierende Vereinsstrukturen, Gaststätten, Freizeit - und Sportanlagen, von denen andere Gemeinden im Land nicht einmal zu träumen wagen. Die Vermietung der rund 45000 Betten garantieren Umsätze im dreistelligen Millionen-Bereich. Das sorgt für Aufschwung und für die Gründung neuer Firmen: im Schnitt 100 pro Jahr. Rentner aus allen Bundesländern siedeln über. Nichts erinnert hier an die Dörfer in Vorpommern, die wie Geisterorte wirken. Trotzdem diese Lust auf Braun? Hagen Höhn, Direktor vom Grandhotel Heringsdorf sieht die Ursache in den alltäglichen Veränderungen, denen die Einheimischen ausgesetzt sind: Ihre Gemeinden, ihre Wohnorte sind nicht mehr, dass was sie mal waren. Er hat seine Heimat nicht mehr in der Form, wie er sie früher hatte. Und er lebt in einem Umfeld, wo sich auch Menschen von Extern bewegen, die sehr wohlhabend sind, die sich im Moment nicht zusammen mit ihm auf einer Ebene bewegen. Neid - ist ein weiterer Faktor für das Braune Wir-Gefühl auf der Insel. Neid, auf die Touristen, die es in ihrem Urlaub krachen lassen. Dem gegenüber steht die schlechte Bezahlung der Hotel- und Gaststättenmitarbeiter, von denen viele in der Saison 50, 60 Stunden pro Woche arbeiten müssen. Ein weiterer Grund, zählt Günter Hoffmann auf, die NPD zu wählen. Ja, man muss sich auch die andere Seite der Medaille anschauen. Wir haben sehr viele Arbeitsplätze im Niedrigstlohnbereich, was natürlich auch eine gewisse Unzufriedenheit mit sich schürt. Man hat einen festen Job, in der Saison arbeitet man Überstunden noch und noch. Aber gleichzeitig ist man danach Aufstocker, weil die Löhne nicht reichen eine Familie zu ernähern. Das ist immer zweischneidig zu sehen. Kein Thema, dem sich Hotel- und Restaurant-Chefs gerne nähern, dafür umso lieber die NPD mit Michael Andrejewski: Ja, das ist das Problem der Hoteliers. Die Schuld geben wir auch nicht den Ausländern, sondern wir geben die Schuld der dortigen Tourismuswirtschaft, die die Leute ausbeutet. Es gibt zu viele schlecht bezahlte Jobs - diese Formulierung trifft mehr die Wirklichkeit auf der Insel. Wer auf Usedom arbeitslos ist, hat deshalb nicht unbedingt Lust darauf, jeden angebotenen Job zu übernehmen. Dennoch: Die Statistik des Arbeitsamtes Wolgast - zuständig für Usedom - liest sich wie eine Erfolgsbilanz. In den letzten sechs Jahren sank die Arbeitslosenquote von 29 Prozent auf derzeit rund 17 Prozent. Tendenz weiter fallend. Das Arbeitsamt führt zwei Gründe an: der wirtschaftliche Aufschwung auf der Insel und die demografische Entwicklung. Nicht nur Hotel-Besitzer Seelige-Steinhoff klagt über den schwierigen Usedomer Arbeitsmarkt. Ihm allein fehlen über 10 Mitarbeiter. Also nicht nur in der Saison, sondern das ganze Jahr könnten wir alleine bei uns in den verschiedenen Objekten diverse Stellen besetzen. Das fängt mit den Auszubildenden an, das geht aber auch bis in den Facharbeiterbereich rein. Und wir sind wirklich glücklich, dass wir Leute gefunden haben wie die Polen, die auch hier tätig sind. Die Grenze nach Polen liegt nur zwei Kilometer von den Kaiserbädern entfernt. Während des Wahlkampfes hängte die NPD flächendeckend auf der Insel Plakate auf - mit der Aufschrift "Grenze zu". Ein Affront gegen die polnischen Hilfs- und Fachkräfte, ohne die kaum noch ein Hotel auf der Insel funktioniert. Susanne Gahr aus dem Tourismusbüro der Kaiserbäder sieht diese Entwicklung mit gemischten Gefühlen. Die Polen sind schon wichtig für die Hotelbranche und ich glaube schon, dass es vielen jüngeren Leuten, die eben auch in der Hotelbranche arbeiten oder Fuß fassen wollen, dass es eben für diese Menschen schwer nachvollziehbar ist, warum jetzt der Pole die Stelle bekommt und nicht der Deutsche, der eine ähnliche Ausbildung hat. Was die junge Einheimische nicht anspricht, ist der latente Polenhass, der auf der Insel schon Tradition hat, wie Günther Hofmann es beschreibt, der seit Jahren die Nazi-Szene in Vorpommern beobachtet: Das ist eine Geschichte, die noch aus der Zeit der DDR da ist. und sie dürfen nicht vergessen, dass wir in der ganzen Region sehr viele Leute haben, die aus den ehemaligen Gebieten jenseits der Oder kommen. Wir haben einen sehr hohen Flüchtlingsanteil hier in der Region, die hier auch sesshaft geworden sind. Und dazu kommt die Außenpolitik der DDR, es war zwar der Bruderstaat Polen, aber man hat tunlichst vermieden, dass Kontakte zwischen den Bevölkerungen entstehen. Das polnische Swinemünde war früher das wirtschaftliche Zentrum der gesamten Region. Die Gärtnerei, die Fischfabrik, die Molkerei, die Mühle alle belieferten den Markt in der polnischen Grenzstadt. Doch die meisten dieser Betriebe gibt es heute nicht mehr. Zwar spricht die Landesregierung gerne von einem deutsch-polnischen Wirtschaftsraum, doch davon ist in Vorpommern kaum etwas zu spüren. Wer auf der deutschen Seite der Insel lebt, fährt hauptsächlich aus drei Gründen über die Grenze: Billiges Benzin, billige Zigaretten und preiswerte Prostituierte. Die Arbeitsbedingungen sind nicht immer die besten und die Verdienste sind eben auch nicht gut. Und wenn dann die polnischen Arbeitskräfte hier noch reindrängen, da baut sich dann Frust auf. Bürgermeister Jochen Storrer ist ein aufrechter Demokrat. Trotzdem spricht der ehrenamtliche Bürgermeister der Stadt Usedom vom "Reindrängen der polnischen Arbeitskräfte." Vokabular, das von einem NPD-Vertreter stammen könnte. Doch Storrers Worte geben nur wieder, was die Einwohner der Stadt denken. Storrer trägt Jacke, Bart und Bille, aber keine braune Gesinnung. Im Gegenteil. Seit die NPD im Stadtrat zwei Stühle besetzt, führt er einen täglichen Kleinkrieg mit den Braunen. Die Rechten bringen in der Gemeindevertretung nichts Konstruktives. Sie stimmen fast gegen alle Beschlüsse. Wir können tun, was wir wollen, selbst wenn wir versuchen Geld einzuwerben, dann sind sie dagegen. Es könnte ja für uns ein Erfolg werden. Sie sitzen da, sie bringen auch ihre Argumente vor, aber konstruktiv ist das nicht. Storrer sagt, er war tief enttäuscht über das Wahlergebnis. 22,7 Prozent NPD-Wähler, trotz aller Versuche die Stadt liebenswert zu gestalten. Das war viel mehr, als der 69jährige erwartet hatte. Wir in der Stadt leben in der Haushaltskonsolidierung, unsere Gewerbesteuereinnahmen decken nicht mal die Pflichtaufgaben. Und dann möchte man gerne auch noch ein paar freiwillige Aufgaben machen wie Jugendclub, Sportverein, Seniorenbetreuung usw. und da haken die Rechten immer ein und damit machen die auch ihre Politik. Jochen Storrer sortiert auf seinem Schreibtisch Papiere für die nächste Stadtratssitzung. Seit über 10 Jahren ist er Bürgermeister, parteilos, gewählt über eine unabhängige Bürgerliste. Unterstützung gegen die Rechten? "Von wem", unterbricht er kurz und zornig. Herr Caffier, unser Innenminister sagt, wir müssen die Rechten verbieten. Unser Ministerpräsident sagt, wir müssen die Rechten verbieten. Der Thierse sagt das da, wir müssen verbieten. Aber keiner tut was. Wir müssen uns auseinandersetzen, wir hier an der Basis. Und wie das an der Basis aussieht, dafür hat der Bürgermeister ein Beispiel parat. Letztes Jahr am Volkstrauertag, vor dem Ehrenmal für die Gefallenen der letzten Weltkriege. Als wir dort hinkamen, da hatte die NPD dort am Abend vorher eine Veranstaltung gemacht, unangemeldet und hatte dort sieben Gebinde niedergelegt mit faschistischen Parolen, Hetzparolen zum Beispiel. So und dann haben wir uns verständigt, ganz kurz mit zwei, drei Stadtvertretern und dem Pfarrer und dann haben wir gesagt. die Dinger räumen wir weg und in Müll geworfen. Daraufhin wurde ich von der NPD angezeigt und dann hatte ich Vernehmungen durch die Kripo. Es wurde gegen mich ein Verfahren eingeleitet und es hat wirklich ein 3/4 Jahr gedauert bis die Staatsanwaltschaft dieses Verfahren eingestellt hat. Selbst gestohlene Wasserhähne auf dem Friedhof dienen der Kampagne gegen Fremde. Storrer spricht von "Buntmetalldieben, die NPD spricht von Polen und wirft der Polizei vor, nichts gegen die ausufernde Kriminalität zu tun. "Alles Quatsch", sagt Detlef Kern, Leiter des Polizeireviers in Heringsdorf. Der 1. Kriminalhauptkommissar verweist auf die Polizeistatistik, die einen Rückgang der gesamten Kriminalität von 31,5 Prozent ausweist. Und unter den erwischten Dieben war jeder vierte ein polnischer Staatsbürger. Ja, der Anteil der Straftäter oder Tatverdächtigen hinsichtlich der Ausländerproblematik bewegt sich immer zwischen einer Zahl von 200 Tatverdächtigen, 150 bis 200 Tatverdächtige im Jahr. Das wiederum lockt den NPD-Juristen und Landtagsabgeordneten Andrejewski aus der Reserve, der - ohne jeden Beweis - behauptet: Die Statistik lügt offensichtlich, die muss manipuliert sein. Wenn sie sich mit den Leuten unterhalten und davon gehen wir aus, dann ist die Kriminalität massiv angestiegen. Revierleiter Kern spricht von "gefühlter Kriminalität", die nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat, aber das Denken und Handeln der Usedomer tief beeinflusst. "Jeder Diebstahl eines Stallhasen", so Kern, wird gleich zur Einbruchsserie hochstilisiert. Schweigend wird dagegen zur Kenntnis genommen, wenn an eine Hauswand rechte Parolen oder Hakenkreuze gesprüht werden. Lapidar wird von einem Dummen-Jungen-Streich gesprochen. Was vermutlich sogar stimmt, denn die rechten Kameradschaften halten sich aus taktischen Gründen zurück, während sie gleichzeitig ihr Netz über die Insel immer dichter knüpfen. (Hoffmann) Auf Usedom gibt es sicher mehrere Kameradschaften. Als erstes ist da der Kameradschaftsbund Usedom, zu benennen, der nach wie vor aktiv ist. Und das Modell der Kameradschaften, sie können jetzt nicht mit bürgerlichen Maßstäben ran, sondern die sind strikt nach dem Führerprinzip organisiert, haben ein sehr regional beschränktes Handlungsumfeld. Oft sind die auch nach Ortschaften benannt und dort auch ausschließlich aktiv, außer sie fahren zu Demonstrationen oder ähnliches. Es geht auf die Verbotswelle von 1995 zurück, als zwei Hamburger Rechtsextremisten dieses Organisationsmodell erfunden haben, um den Staat keinen Zugriff mehr auf diese Struktur zu geben. Günther Hoffmann, von der Initiative Bunt statt Braun, beobachtet seit Jahren das Treiben der Kameradschaften in Vorpommern. Usedom spielt dabei, so Hoffmann, eine herausragende Rolle. Da haben wir mehrere Geschichten. Auch die Geschichte regionaler Kulturarbeit , Kulturbund Pommern, Jugendarbeit, ehemals Heimatbund Pommern. Also diese Region hier, einschließlich der Insel Usedom, ist seit jeher ein gutes Labor, um neue Geschichten zu entwickeln, die dann tatsächlich auch bundesweit an Bedeutung gewinnen. Beispielsweise der Inselbote, eine unregelmäßig erscheinende Publikation von Neo-Nazis für Neo-Nazis. (Hoffmann) Der Ursprung der Botenreihe, die ja hier im Land flächendeckend verteilt werden, kommt aus Usedom. Der Inselbote war die erste Publikation, die hier im Land produziert wurde im Jahr 2000. Und von Usedom ausgehend hat es das ganze Land ergriffen bzw. diese Regionalblättchen sind inzwischen bundesweit propagandistischer Standard geworden. All das hört Beate Carola Johannsen, Vorsitzende der Usedomer Tourismusgesellschaft, wie sie sagt, zum ersten Mal. Sie wirkt tatsächlich geschockt... Ganz Usedom ist rechts. Also als Destination in die Ecke von Rechts gestellt zu werden, das wäre natürlich für eine solche Region ganz schrecklich. Gleich nach der Landtagswahl haben sich Verbandvertreter zusammengesetzt und über das Wahlergebnis diskutiert. Vielleicht unter dem Eindruck von E-Mails, in denen Feriengäste ihren geplanten Aufenthalt stornierten, weil sie nicht mehr "in braune Scheiße treten wollten", wie einer schrieb. Aber es waren zu wenige. Seit dem - herrscht Schweigen. (Johannsen) Ich möchte nicht ausschließen, dass es für viele schon wieder weggerückt ist. das ist natürlich nicht so, dass wir nur über der Kaffeetasse sitzen und das nur beklagen, dass es so ist. Der Tourismusverband fühlt sich als falscher Ansprechpartner und verweist auf die Landeszentrale für politische Bildung. Sie soll Seminare und Vorträge anbieten, während der Verband sich um die wichtigen Dinge des Lebens kümmert: Trabi-Treffen, kulinarische Strand-Wanderwochen und Modeschauen. Keiner traut sich derzeit zu einer Aktion gegen Rechts: Weder Hoteliers, Gastwirte, Künstler oder Firmenchefs. Sie haben Angst vor den Rechtsradikalen, lähmende Angst. Nichts tun - wegschauen -, damit versuchen die Usedomer über die Runde zu kommen. Bis zur nächsten Wahl und dem nächsten Schock-Erlebnis. Doch darauf können sie sich fünf Jahre vorbereiten. -E N D E- 2