Feature / Hörspiel / Hintergrund Kultur Das Feature Kupfer - Element der Zwietracht Eine Geschichte vom ewigen Kampf Autor: Michael Faulmüller Regie: Matthias Kapohl Redaktion: Karin Beindorff Produktion: Dlf 2017 Erstsendung: Dienstag, 18.07.2017, 19.15 Uhr Mitwirkende: Autor: Sascha Tschorn Göttin: Justine Hauer Sprecherin: Siristimme Urheberrechtlicher Hinweis Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Die Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 44a bis 63a Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. (c) - unkorrigiertes Exemplar - Göttin Sagt nicht, ich hätte euch nicht gewarnt. Ich bin gefährlich, bin streitbar und stark. Große Helden sind an mir gescheitert. ‚Löwin' bedeutet einer meiner vielen Namen. Seht euch vor. Die Wahrheit über Kupfer? Da kommt ihr an mir nicht vorbei. Ich BIN Kupfer. Sprecherin Kupfer war das erste Metall, das die Menschen zu nutzen lernten. Ordnungszahl im Periodensystem: 29. Wegen seiner guten Leitfähigkeit, seiner Korrosionsbeständigkeit und seiner antibakteriellen Wirkung findet Kupfer Verwendung in allen Lebensbereichen. Autor Bei Google bringt das deutsche Suchwort Kupfer fast 30 Millionen Treffer, das englische copper knapp eine halbe Milliarde. Berge von Daten, Fakten und "alternativen Fakten", wie man heute sagt. Ich versuche daraus eine Geschichte des Roten Metalls zu Tage zu fördern - jenseits seiner chemisch-physikalischen Eigenschaften. Göttin Meine Geschichte. Hoffentlich übernimmt er sich nicht! Autor Woran liegt es, dass das Element Kupfer auffallend häufig im Spiel ist, wenn es irgendwo auf der Welt richtig Ärger gibt: Verkehrschaos wegen geklauter Signalkabel, internationale Handelskonflikte, Widerstand gegen den Landraub durch Kupferminen, Staatsstreiche, Bürgerkriege - die ganze Palette. Göttin Ja und? Kein Leben ohne Tod, kein Glück ohne Leid, keine Liebe ohne Gewalt. Ich bin der Stern des Schlachtrufs. Autor Knappheit durch den steigenden Bedarf an Kupfer ist keine ausreichende Erklärung. Zwar hätten wir ohne die hohen Recycling-Quoten und das allmählich in Gang kommende Urban Mining schon längst eine Kupferkrise. Aber das Phänomen ist älter. Seit Jahrtausenden schlagen sich die Menschen wegen Kupfer und mit Hilfe von Kupfer gegenseitig die Köpfe ein. Fast scheint es, als wären diese endlosen Konflikte dem Element irgendwie inhärent. Göttin Tja, du Schlauberger, ich kann den Bruder gegen den Bruder kehren, den Freund gegen den Freund. Vielleicht kommst du der Wahrheit über mich langsam ein bisschen näher. Ansage Kupfer - Element der Zwietracht Eine Geschichte vom ewigen Kampf Ein Feature von Michael Faulmüller Sprecherin Mit Fug und Recht, so heißt es in einer Broschüre des Berufsverbands Deutsches Kupferinstitut, könne man sagen, dass Kupfer DAS Metall der Menschheit ist. Nicht umsonst oft als wichtigstes Metall bezeichnet, ist Kupfer in fast allen Gebieten des menschlichen Lebens zu Hause. Autor Ohne Kupfer kein Strom, keine Kommunikation, kein Internet. Ohne Kupfer keine E-Bikes, keine Energiewende. Aber auch keine Killerdrohnen, keine Laserwaffen, kein Cyberwar, keine blutig niedergeschlagenen Demonstrationen von Minenarbeitern. Von den gigantischen Umweltschäden ganz zu schweigen. Sprecherin: Kupfer wird teils als Schmuckmaterial, teils als Industriemetall verwendet. Seine hervorragendste Eigenschaft ist die hohe Leitfähigkeit für Wärme und Elektrizität. Kupfer ist weich und lässt sich leicht formen - durch intensive Bearbeitung aber wird es hart und spröde. Als Spurenelement ist Kupfer für den Menschen lebenswichtig - und ist zugleich ein toxisches Schwermetall. Wenn das Rote Metall korrodiert, nimmt es die Komplementärfarbe Grün an. Autor Die inneren Gegensätze sind es, die mich an Kupfer interessieren! Und die äußeren Widersprüche, zu denen sie in ganz unterschiedlichen Bereichen führen. Auch in der Landwirtschaft zum Beispiel. Sprecherin Beim Anbau von Wein, Hopfen, Kernobst und Kartoffeln werden Kupferpräparate als Fungizide eingesetzt, um Pilzbefall zu bekämpfen. Der Vorteil: die Pilze werden gegen Kupfer nicht resistent. Im Gegensatz zu synthetischen Fungiziden. Der Nachteil: Kupfer baut sich nicht ab, sondern reichert sich im Boden und in Gewässern an und schädigt die dort lebenden Organismen. Die Biodiversität wird verringert. Autor Mit einem Verbot des Kupfer-Einsatzes in der Landwirtschaft würde man ausgerechnet die Ökobauern treffen- denn im Gegensatz zu ihren konventionell arbeitenden Kollegen können sie nicht auf chemisch-synthetische Mittel ausweichen. Sprecherin In der konventionellen Landwirtschaft kommt viel mehr Kupfer zum Einsatz als in der ökologischen. Alleine die deutschen Hopfenbauern spritzen jährlich Fungizide, die rund 150 Tonnen Kupfer enthalten. Auf die Fläche bezogen benötigt ein Bio-Bauer oder Bio-Winzer mehr Kupfer als ein konventionell wirtschaftender, weil er auf synthetische Präparate verzichtet. Autor Paradox: mit dem Erstarken des ökologischen Landbaus nimmt die Verwendung von schädlichem Kupfer immer weiter zu. Natürlich wird seit Jahren intensiv nach Alternativen zum Kupfer-Einsatz geforscht. Bislang leider ohne Erfolg. Göttin Tja, es gut zu meinen, reicht eben nicht aus. Nicht so leicht, mir mein Element streitig zu machen. Autor: Ein anderes Paradox besteht im viel zitierten Rohstoff-Fluch - die Tatsache nämlich, dass ausgerechnet die Länder mit den wertvollsten Vorkommen an Bodenschätzen immer ärmer werden. Die Minengesellschaften und Rohstoffhändler dagegen streichen satte Renditen ein. Kupfer ist ein Musterbeispiel dafür. Einige der Schurken in diesem Drama sind heute noch dieselben wie vor über hundert Jahren. Aber die Konflikte reichen noch viel weiter zurück. O-Ton Christoph Türcke Wir wissen aus der Frühzeit der Kupfergewinnung, dass sie verbunden wurde mit großen Muttergöttinnen. Sprecherin Der emeritierte Philosoph Christoph Türcke O-Ton Christoph Türcke allein schon das Kupferland Zypern, kypros, cuprum, das gehörte ja zusammen - das Kupferland - hatte eine Gottheit, die Cypris genannt wurde. Eine weibliche Gottheit, naja, und die war das Gestirn, welches bei uns heute die Venus heißt. Der Abend- und Morgenstern. Göttin Cypris? Ja. Doch mein bekanntester Name ist Ishtar. Wurde er ausgesprochen, erbebten Himmel und Erde. Denn ich war die große Göttin der Liebe UND des Krieges. Der ungezügelten Sexualität UND der jungfräulichen Reinheit. Eine gewaltige Gottheit, gefürchtet. Meist trat ich in weiblicher, manchmal auch in männlicher Gestalt auf. Sprecherin Die Göttin spielte vom Neolithikum bis in die Antike eine zentrale Rolle im östlichen Mittelmeerraum und Vorderasien. In Mesopotamien nannte man sie Ishtar. Andernorts hieß sie Inanna, Astarte oder Labbatu - die Löwin. In domestizierter Form lebte sie im griechischen Pantheon als Aphrodite fort, bei den Römern als Venus. Göttin Aphrodite, dieses Püppchen - lächerlich! Göttin der Schönheit und der Liebe, nach ihr heißen heute gerade noch griechische Tavernen!! Sprecherin Bereits in der Antike gab es die Tendenz, Männlichkeit mit Gewalt, Weiblichkeit mit Gewaltlosigkeit zu verbinden, schreibt die US-amerikanische Autorin Barbara Ehrenreich, und in der Neuzeit verhärtete sich diese Auffassung zum Dogma. Die ursprüngliche Göttin, die Tiere jagte und Blut trank, wurde wie Aphrodite zur Verführerin geschönt oder wie Demeter oder Ceres zur mütterlichen Gestalt, die die Gartenarbeit liebt. Autor Der mächtigen und durchaus widersprüchlichen ursprünglichen Göttin Ishtar wurde neben dem Stern, den wir Venus nennen auch das Element Kupfer zugeschrieben. Für beide, für Kupfer wie für die Göttin selbst stand das Venus- Symbol, das wir noch heute verwenden, der Kreis mit dem Kreuz darunter. Sprecherin Das Venussymbol gilt als stilisierte Darstellung des Handspiegels der Göttin Venus. Es steht in Astronomie und Astrologie für den Planeten Venus, in der Biologie für das weibliche Geschlecht, als Gender-Symbol für Weiblichkeit, Frau und Feminismus, in der Alchemie für das Planetenmetall Kupfer. Göttin Die Alchemisten, DIE verstanden sich noch auf Symbolik. Die Menschen von heute begreifen nichts, gar nichts. Ich BIN Kupfer, BIN der rote Stern. Mein ist jeder Wechsel von der Finsternis zum Licht und vom Licht in die tiefe Finsternis; Leben spenden und töten. Autor Auf Zypern hat die Archäologie klare Beweise für die untrennbare Verbindung von Metallurgie und Kultus gefunden: Zu den Tempelanlagen gehörten fast immer auch Kupferwerkstätten. Hier wurden vermutlich kleine Opferfiguren hergestellt, die historisch an die Stelle lebender Opfertiere getreten waren. Göttin Ach Zypern. Mein armes reiches Zypern. Sprecherin Von der Jungsteinzeit bis ins Jahr 1974 kam das Kupfer für den gesamten Mittelmeerraum von Zypern. 1974 wurde die Kupferinsel durch eine türkische Invasion in einen griechischen und einen türkischen Teil gespalten. Der griechische Süden ist als Republik Zypern EU-Mitglied - und damit völkerrechtlich die ganze Insel. Autor Die Republik Zypern ist eine Spielwiese für Steueroptimierer, Spekulanten und Waffenschieber. Von zwei exterritorialen britischen Militärbasen auf der Insel wird der Nahe Osten ausgespäht - und das Blickfeld der Geheimdienste reicht bis nach Russland hinein. Der Norden ist ein Marionettenstaat der Türkei, seine unermesslichen und einzigartigen Kunstschätze wurden restlos geplündert und über den internationalen Antiquitätenmarkt verschachert. Sprecherin Auf Zypern wird heute kein Kupfer mehr abgebaut. Autor Im Süden der geteilten Insel liegen die ehemaligen Bergwerke - auf Satellitenfotos sind die farbenfroh leuchtenden Tümpel und Abraumhalden wunderschön anzusehen. Im Norden rosten die Verladeeinrichtungen an der Küste sehr pittoresk vor sich hin. Aber hier tickt eine Zeitbombe. Aus dem hoch gelegenen Fördergebiet in der griechischen Republik Zypern sickern hoch toxische Kupfersalze allmählich in das Grund- und Oberflächenwasser - und stehen kurz davor, auf der anderen, türkischen Seite der Grenze ein Gebiet von 100 Quadratkilometern zu vergiften. Göttin Toxische Kupfersalze. So geht's, wenn man mich in die Vergessenheit stößt, der Schakal geht auf Lämmerjagd. Autor Akut bedroht sind die Bewohner der Stadt Lefke ebenso wie auch der Obst- und Gemüseanbau in der weiteren Umgebung. Die türkischen Nordzyprer sind alarmiert und können nichts tun. Die Griechen im Süden haben weder Geld noch Lust, etwas zu unternehmen. Die EU erklärt sich für unzuständig. Und für den seinerzeitigen Minenbetreiber, die Cyprus Mines Corporation, gibt es keinen juristisch greifbaren Nachfolger. Göttin Ist es nicht Euer Glaubensbekenntnis? Der kleine Gott, der Markt, wird alles regeln und richten. Wenn alles gut geht, streichen Einzelne den Gewinn ein. Und wenn nicht, tun sie's genauso. Und immer kommen die blöden Lämmer für die Schulden auf. Sprecherin Die Geschichte der Cyrus Mines Corporation nach 1974: Nach zahlreichen Fusionen und Übernahmen ging das Unternehmen 2007 in Freeport auf, dem größten Kupferproduzenten der Welt. Autor: Von diesem Konzern ist für die Katastrophenprävention in Zypern wohl kaum Geld zu erwarten. O-Ton: Christoph Türcke Das Wort Geld stammt keineswegs, wie viele glauben, von Gold - sondern es kommt vom angelsächsischen guilt, und das heißt so viel wie Schuld, Schulden. Sprecherin: Christoph Türcke O-Ton: Christoph Türcke weiter Und damit waren anfangs nicht etwa irgendwelche Privatschulden gemeint, sondern die Schulden, die archaische Kollektive den höheren Mächten gegenüber zu haben glaubten. Gilde hieß ursprünglich nicht etwa Handwerkerzunft, sondern Opfergemeinschaft. Und geopfert wurden keine hübschen kleinen Metallscheibchen, sondern lebendige Wesen. DAS war guilt, das war Geld. Autor Kupfer spielte also schon in einer frühen Phase des Abstraktionsprozesses eine Rolle, den das Geld beziehungsweise das Opfer durchlief und weiter durchläuft. Es ist ein Abstraktionsprozess von den Menschenopfern prähistorischer Zeiten über die Tieropfer, die kupfernen Opfermarken oder -figuren, die Münzen, die Wechsel und das Papiergeld bis zu den Chipkarten, Bitcoins und Zahlungs-Apps unserer Tage: O-Ton: Christoph Türcke In allen Kulturen steckt das Opfer. Eine Maßnahme, durch Wiederholen des Schrecklichen den Schrecken aus der Welt zu schaffen. Und in diesem Zusammenhang oder an diesem Punkt hat wirklich unsere ganze Zahlerei ihren Ursprung, weil nämlich diese Wiederholungen - als Zahlungen interpretiert - anfangen, dem verzweifelten Wiederholen der Schutzmaßnahme so etwas zu geben wie einen höheren Sinn. Zahlungsmittel bringen gleichsam Sinn in die Welt und bekämpfen Schrecken. Autor Vermutlich soll auch mit den Ablasszahlungen, wie sie im Handel mit Emissionszertifikaten geleistet werden, der Schrecken eines ökologischen Infernos gebannt werden. Und liegt der neoliberalen Vorstellung von so genannten "Ökosystemdienstleistungen", mit der die gesamte Natur der Logik des Geldes untergeordnet wird, nicht eine Sinnsuche zugrunde? Göttin Schrecken bekämpfen, Sinn in die Welt bringen. Mächtige Götter habt Ihr gebraucht, und als die Eure lähmenden Ängste nicht mehr zähmen konnten, habt Ihr immer raffiniertere Formen von Geld erfunden. Und Schrecken hat euch trotzdem noch im Griff. Sprecherin Die frühesten Münzen bestanden aus Gold, Silber oder einer Legierung aus beidem. Kleingeld aus Kupfer beziehungsweise Bronze ist erst aus römischer Zeit überliefert. Papiergeld gibt es in Europa seit dem 17. Jahrhundert. In China hatte man das Papiergeld zu diesem Zeitpunkt vorübergehend schon wieder abgeschafft. Als erste europäische Banknote gilt das Pfund der 1694 gegründeten Bank von England. Autor Tatsächlich hatte schon Mitte des 17. Jahrhunderts die schwedische Reichsbank Banknoten ausgegeben, die durch Kupfer gedeckt waren. Skandinavien besaß kaum Gold, wenig Silber, aber sehr ergiebige Kupfervorkommen. Mit Hilfe der Banknoten löste man ein Problem: bis dahin mussten nämlich für größere Transaktionen enorme Mengen an Kupfergeld transportiert werden. Seit die letzten Versuche, den Goldstandard aufrecht zu erhalten, gescheitert waren, und 1971 das "Goldfenster geschlossen" wurde, wie die Ökonomen sagen, können die Zentralbanken Geld drucken oder digital erschaffen. Geld ist heute eine Schöpfung aus dem Nichts. Gerade so, wie der altsteinzeitliche Priester dem geopferten Menschen oder Tier durch ein Ritual die Fähigkeit anzauberte, den Göttern gefällig zu sein und von ihnen angenommen zu werden. Im Austausch gegen die Erteilung von Hilfe und Schutz. O-Ton: Christoph Türcke Und so wird Papier oder Pixeln heutzutage Kaufkraft durch eine Zentralbank angezaubert - und das ist, nicht mal im übertragenen Sinne, sondern ganz wörtlich und direkt: Priestertätigkeit. Göttin Eure Geldmänner haben bis ins Detail den Gestus der Priesterkaste übernommen! Ihre Göttersitze sind in den höchsten und prächtigsten Gebäuden. Sie sehen alle nadelgestreift gleich aus, aber mit subtilen Rangabzeichen. Sie sammeln, was sie für teure Kultur halten und spenden für die Armen. Betet sie an! Autor Die Priesterkaste in den Zentral- beziehungsweise Notenbanken braucht für ihre Kulthandlungen modernste Informations- und Kommunikationstechnik - und in sämtlicher Hardware vom Smartphone bis zum Serverpark ist Kupfer DAS Material schlechthin. Sprecherin Aufgrund der hohen Leitfähigkeit dieses Metalls kommen drei Viertel des weltweit verwendeten Kupfers in der ICT zum Einsatz, der Information and Communication Technology. Im zivilen, im militärischen und im paramilitärischen Bereich steigt mit der Bedeutung der ICT auch der Bedarf an Kupfer. O-Ton: Anton Klassert Es ist immer das Wettrennen dazwischen, welche Lösung die technologisch beste, die wirtschaftlichste ist - so spielt sich das ab und hat mal der eine mal der andere Werkstoff die Nase vorne. Sprecherin Anton Klassert, Geschäftsführer des Deutschen Kupferinstituts. O-Ton: Anton Klassert Aber letzten Endes der Kupfereinsatz seit über 100 Jahren steigt im Mittel um 3,9 % pro Jahr. Einfach deswegen, weil immer neue Anwendungen gefunden werden, entwickelt werden, bei denen Kupfer das Material der Wahl ist. Autor: Spätestens seit auch die so genannten Schwellenländer im größeren Umfang Rohstoffe benötigen, verläuft diese Entwicklung keineswegs kontinuierlich. Vor allem das Auf und Ab der chinesischen Wachstumsraten macht die Börsenkurse für Kupfer zur Achterbahnfahrt, setzt ganze Staatshaushalte unter Druck. Leidtragende sind nicht zuletzt die Minenarbeiter und ihre Familien. Sprecherin: In den Jahren 2009 und 2010 stieg der Kupferpreis um rund 200%. Von Anfang 2011 bis Ende 2015 fiel er um rund die Hälfte. Im Oktober 2016 begann ein neuer Anstieg. Autor Seine frühere Rolle als "Fieberthermometer der Wirtschaft" hat der Kupferpreis offenbar verloren. O-Ton Michaela Hessling Es wird ja oft von "Dr. Copper" geredet als Frühindikator auch für die Wirtschafts- entwicklung. Und in den letzten Jahren zunehmend Aktivitäten institutioneller Anleger. Sprecherin Michaela Hessling, Leiterin Konzernkommunikation bei Aurubis, dem größten Kupferproduzenten Europas. O-Ton Michaela Hessling Das ist ganz klar abzusehen. Oft löst sich der Kupferpreis ein wenig von den fundamentalen Marktgegebenheiten, von Defizit/Überschuss, wie ich es eben erwähnt habe. Manchmal hat der Kupferpreis-Verlauf damit verdammt wenig zu tun, wenn man sich die Kurven ankuckt. Autor Also bestimmen Spekulanten den Kupferpreis zumindest mit. Wenn auch nicht so deutlich wie bei Gold und anderen Edelmetallen. Göttin: Spekulanten sind ein Löwenfrass! Edle Götter haben keine Preise. Autor Ist Kupfer überhaupt ein Edelmetall? Die Physiker sagen ja, die Chemiker sagen nein. Allenfalls den Status "Halbedelmetall" gestehen sie ihm zu. O-Ton: Christoph Türcke Edelmetalle - warum heißen die "edel"? Nicht, weil sie so schön blinken, sondern weil dieses Blinken verstanden wurde als der Widerschein, der irdische Widerschein von Himmelsmächten. Es ist ganz sicher, dass in manchen Weltgegenden also auch Kupfer zunächst einmal als Edelmetall verstanden wurde, nämlich geadelt - und daher edel. Geadelt durch eine Gottheit. DAS heißt ursprünglich Edelmetall. Also wenn wir heutzutage von Edelmetall sprechen, befinden wir uns immer noch in der Terminologie der Astralreligionen. Nur wir wissen's nicht mehr. Göttin ‚Nur wir wissen's nicht mehr!' Erinnerung habt ihr vernichtet. Zählen, zählen, zählen, nur Erzählen könnt Ihr nicht mehr. Autor Für die Techno-Politiker der Nazis war die Sache klar: 1934 erließ das Reichswirtschaftsministerium die "Verordnung über unedle Metalle". Darin nahm Kupfer einen prominenten Platz ein. Es erhielt den Status eines "Sparmetalls". Seine Verwendung für "Festabzeichen, Plaketten, Reklame- und Büroartikel" wurde verboten. Und gegen dieses Verbot zu verstoßen, war kein Kavaliersdelikt. Die eigens eingerichtete "Überwachungsstelle für unedle Metalle" drohte, Sprecherin: Ich zitiere: Unerbittlich wird der Staatsanwalt angerufen, und die deutschen Gerichte haben sich in der Beurteilung von Rohstoffvergehen jeder unangebrachten Milde entäußert. Autor Man unterschied zwischen "deutschen" Metallen und denen, die - wie Kupfer - aus dem Ausland nur schwer zu beschaffen waren, wegen Devisenmangels. Wenige Jahre später versuchte das untergehende NS-Reich, das kriegswichtige Kupfer zu gewinnen, indem in Deutschland und den überfallenen Gebieten rund 90.000 Kirchenglocken abgehängt und zum Einschmelzen nach Hamburg gebracht wurden. Sprecherin In Hamburg befindet sich der Sitz des Unternehmens "Aurubis", das bis 2009 "Norddeutsche Affinerie" hieß. Autor: So wie in Hamburg den Glockenfriedhof, gab es in Leipzig eine Sammelstelle für Denkmäler aus Bronze. Trotzdem musste beispielsweise die U-Boot-Produktion 1942 gedrosselt werden, weil der Kriegsmarine ganze 400 Tonnen Kupfer fehlten. Das entspricht knapp neun Minuten der heutigen Weltproduktion von raffiniertem Kupfer. Neun Minuten! Göttin Zahlen, Zahlen, ein Haufen nutzloser, weil geschichtsloser Masse. Seht mich an: Göttin des Kupfers als Mittel zur Macht; Ishtar, die Göttin der Götter, die Gerechte, die Todesbotin. Seit wann betet Ihr den Krieg nicht mehr an? Autor: Kupfer war für die Herstellung eines Bronzeschwertes vor tausend Jahren ebenso unverzichtbar wie heute für den Bau von Killersatelliten, Drohnen oder Hochenergie-Laserwaffen. Sprecherin: Eine Legierung aus 90 % Kupfer und 10 % Zink heißt im Englischen "gunmetal" - Aus solcher Bronze wurden bis Mitte des 19. Jahrhunderts die Geschützrohre gegossen. Autor: Man nutzt das Rote Metall in der Kriegführung nicht nur für Waffen und Munition, sondern auch zur Finanzierung - ganz abgesehen von der Informations- und Kommunikationstechnik. Mir fällt der Dreißigjährige Krieg ein. Er ist den modernen asymmetrischen Kriegen in vielem ähnlicher als die zwischenstaatlichen Kriege der vergangenen Jahrhunderte. Die Verflechtung wirtschaftlicher, machtpolitischer, militärischer und ideologischer Interessen war fast so komplex wie heute. Dubiose Kriegsherren beherrschten auch damals die Szene. O-Ton: Klaus Koniarek Das so genannte Goldene Zeitalter der Niederlande, das wir heute nur aus den Museen kennen, in Gemälden von Rembrandt und anderen Künstlern, die heute in Panzerschränken verschwinden, deren Werke natürlich, ist nicht so sehr der kulturellen Blüte und der Tulpenkultur zu verdanken, sondern diesem Waffenhandel. Autor Der studierte Theologe, promovierte Ingenieur und passionierte Historiker Klaus Koniárek arbeitet seit mehr als zehn Jahren über diesen meist als Konfessionskrieg bezeichneten Konflikt. Einerseits verwüstete und entvölkerte dieser Krieg ganze Landstriche, andererseits machte er einzelne Städte und Personen unermesslich reich. In Hamburg und Amsterdam etwa blühte der Handel mit Kriegsgerät. O-Ton: Klaus Koniarek Das, was die Niederlande in dem Goldenen Zeitalter auszeichnete, die Lebensart, der Reichtum, ist ausschließlich durch das Geschäft mit dem Tod bestimmt. Göttin So was wie unblutiges Geld gibt es nun mal nicht. Kulturelle Blüte! Verleugnet Ihr die Gewalt, verleugnet Ihr die Kultur, die Zivilisation. Sprecherin Schwedisches Kupfer diente einem europaweiten Kaufmannsnetzwerk als Währung im Gewürzhandel mit Indien und Ostasien. Autor Die Landkarte Mitteleuropas sähe heute anders aus, wäre der schwedische König Gustav Adolf nicht mit 13.000 Mann in Pommern gelandet und bis zum Rhein und ins Voralpenland vorgedrungen. Ermöglicht wurde diese Intervention durch die Gewinne, die Schweden mit seinem Kupferbergwerk in Falun erzielte. O-Ton: Klaus Koniarek Die großen Profiteure waren, wenn wir schon bei Schweden bleiben wollen, natürlich der schwedische Staat an sich. Gustav Adolfs Sendungsbewusstsein resultiert ja nicht auf seinem, aus seinem religiösen Glauben, sondern war überhaupt erst mal möglich durch die Tatsache, dass er seinen Feldzug waffentechnisch selbst ausrüsten konnte. Und durch die Gelder aus dem Export des Kupfers und der Kanonen war er relativ autark und wurde ja, nebenbei gesagt, auch von Glaubensgegnern wie Frankreich finanziell unterstützt. Autor Die wirklich großen Vermögen wurden allerdings nicht mit ehrbarem Waffenhandel gemacht, sondern schlicht mit Betrug. Das Silber in Münzen wurde planmäßig und im großen Stil durch das billigere Kupfer ersetzt. Autor Auch viel gerühmte Feldherren wie Wallenstein oder Liechtenstein waren sich für dieses Geschäft nicht zu schade. O-Ton: Klaus Koniarek Die Großen haben enorme Vermögen damit gemacht. Es hat Leuten wie Wallenstein nichts genutzt. Wenn man genügend Neider hat bringt man sich um. Aber Liechtenstein ist ein Beispiel dafür, wie es gelingt, aus dem Reichtum einer Nation so weit und so viel für sich abzuzwicken, abzuzweigen, dass man durchaus ein neutrales Liechtenstein gründen kann, ein Fürstentum Liechtenstein gründen kann, das sich heute aber WIEDER dieser Finanzierung und dieser, naja sagen wir mal, Geldpflege bedient. Und man verdient nach wie vor nicht schlecht damit. Autor In der Entwicklung des Krieges lässt sich ein ähnlicher Abstraktionsprozess beobachten, wie zuvor beim Geld schon kurz angedeutet. Aus der Summe von Zweikämpfen - Mann gegen Mann -, bei denen man die Wut und die Angst des Gegners buchstäblich riechen konnte, wurde ein immer anonymerer Vorgang. Göttin: Vorbei war's mit Mann gegen Mann. Papst Innozenz der II. - schon der Name - fand die Armbrust ‚unritterlich', später jammerte man über die Arkebuse, mit der man auf 50 Meter kein Scheunentor treffen konnte: sie sei eine Waffe für Feiglinge. Autor Schon in der Antike kämpften die Feldherren nicht mehr mit, sondern lenkten die Schlachten von ihren sprichwörtlichen Feldherrnhügeln aus. Seit dem 19. Jahrhundert residieren die Generalstäbe weit hinter der Front. Hegel sah dann in seiner Rechtsphilosophie gerade in der Distanz des Schützen zu seinem lebenden Ziel einen Fortschritt, da die Distanz, wie er schrieb, "die bloß persönliche Gestalt der Tapferkeit in die abstraktere" verwandelt habe. Sprecherin Am Anfang der elektrischen, später elektronischen, Kriegskommunikation stand der Telegraph. Befehle und Meldungen wurden mit Hilfe von Kupferkabeln übermittelt. Eine andere frühe Nutzung dieser Technik war die Übertragung von Börsennachrichten. Göttin Da ist er ja wieder, Heraklits "Krieg als Vater aller Dinge"! Erst die brillante technische Erfindung und dann bastelt Ihr euch eine dazu passende Moral. Autor Verteidigung mutierte in den 1990er Jahren im Verständnis der deutschen Militärpolitik zu "Konfliktverhütung und Krisenbewältigung". Und um 2012/13 herum flammte mit dem Drohnenkrieg die Debatte um das abstrakte Töten im Krieg wieder auf, Morden mit dem Joystick. Wie die militärische "Krisenbewältigung" aussieht, das bekommen die Menschen in verschiedenen Ländern und Erdteilen zu spüren, in Afrika, im Nahen Osten, in Syrien, dem Irak oder in Afghanistan. In Afghanistan spielt dabei auch der Kampf um Kupfer eine Rolle. Bei ihrer militärischen Intervention 2001 hatten die USA gewaltige Kupfervorkommen durchaus schon im Blick- aber während sie sich in Kämpfe mit den Taliban verstrickten, sicherte China sich Förderrechte: Sprecherin Eine chinesische Staatsfirma hat sich die Rechte an den Kupfervorkommen in Mes Aynak, etwa 35 Kilometer südlich von Kabul gesichert. 700 Millionen Tonnen Erze sollen in Aynak liegen, vor allem Malachit, mit einem Kupfergehalt, der höher ist als in den großen chilenischen Minen. Göttin Die Mächtigen begehren mich um meiner selbst willen, sie wollen mich und ich führe Krieg. Autor Brutal geht es nicht nur beim Kampf um die Ressourcen zu. Im zweiten Jahrhundert unserer Zeitrechnung beschrieb der griechische Arzt Galen die erbärmlichen Arbeitsbedingungen der Sklaven in der Kupfermine von Soloi auf Zypern. Nackt bis auf ihre Fußfesseln schufteten sie sich in Stollen, in denen die Atmosphäre eines Dampfbades herrschte, buchstäblich zu Tode. Die Arbeits- und Umweltbedingungen in der Kupfergewinnung sind noch heute oft katastrophal. Blutige Auseinandersetzungen zwischen Minenbetreibern, Privatarmeen und regulären Militär- und Polizeikräften einerseits - und den Minenarbeitern und ihren Familien andererseits sind im Kupfergürtel der südlichen Hemisphäre keine Seltenheit. Ob in Neuguinea, Sambia, Chile, Kongo oder Peru. O-Ton: Michaela Hessling Wir haben relativ wenig Mittel, wirklich Druck auszuüben. Autor: Michaela Hessling leitet die Konzernkommunikation bei Aurubis. Könnte der Einsatz für gute Arbeitsbedingungen und den Umweltschutz das Konzernimage verbessern? O-Ton: Michaela Hessling Ich glaube, es gibt eine Zahl, die das ganz gut verdeutlicht: Wir sind zwar einer der größten Kupferproduzenten der Welt - aber es gibt eben so viele in ähnlicher Größenordnung. Vom weltweit produzierten Kupferkonzentrat setzen wir im gesamten Konzern vier Prozent ein. Das verteilt auf viele Minenverträge, die wir haben. Da können Sie sich also ungefähr vorstellen, wie groß wir als Kunde für die einzelne Mine sind, im Zweifelsfall - und wie groß unser Einfluss ist, da tatsächlich Druck auszuüben. Wir gehen also einen anderen Weg, wir setzen da auf den Dialog wenn wir von Missständen erfahren. Autor "Nicht Druck, sondern Dialog" mit den Minenbetreibern - das klingt nach einer zeitgeistigen Diktion. Konsens ist gefragt, Interessengleichheit wird behauptet, als säßen Betreiber und Arbeiter tatsächlich heutzutage im gleichen Boot. Menschenrechte? Wir wollen doch alle dasselbe: saubere Energie, wenig schädliche Emissionen, kein Endlagerproblem, erneuerbare Energien, Solar- und Windkraft, eine schöne neue Welt - jedenfalls auf der Nordhalbkugel. O-Ton: Michaela Hessling Kupferkonzentrate sind vor Ort bei den Minen aufbereitete Kupfererze. Wenn man die Erze aus dem Boden holt, haben die heutzutage meistens nur noch 0,8 oder 1% Kupferinhalt. Des weiteren Schwefel und Eisen, aber auch jede Menge taubes Gestein. So nennt das der Bergmann. Und es wäre natürlich nicht gut für die Umwelt und für niemanden, am Ende auch nicht für den Geldbeutel, wenn man das um die halbe Welt transportieren würde. Und deswegen wird es vor Ort aufbereitet zu einem so genannten Kupferkonzentrat. Das heißt, das ganze taube Gestein wird rausgemahlen und verbleibt vor Ort und dieses Konzentrat enthält dann, wenn es zu uns kommt, ungefähr 30 % Kupfer, 30 % Eisen, 30 % Schwefel und dann noch Edelmetalle und alle möglichen anderen Elemente noch. Autor Jede Menge "taubes Gestein" - dabei handelt es sich um großenteils toxischen Abraum. Sprecherin Für die Umsetzung der Energiewende werden zahlreiche Rohstoffe in enormen Mengen benötigt. Etwa Sand und Eisen für die Windkraftanlagen aus Stahlbeton. Bis zum Jahr 2050 werden nach Berechnungen französischer Forscher etwa 40 Millionen Tonnen Kupfer zusätzlich zum heutigen Verbrauch gebraucht, um Windkraftwerke zu bauen, Elektro-Automobile auf die Straße zu bringen und so weiter. Autor Wenn man die von Michaela Hessling genannten Durchschnittswerte zugrunde legt, entstehen durch diesen Mehrbedarf an Kupfer rund viereinhalb Milliarden Tonnen zusätzlicher Abraum, präzise gesagt: Sondermüll. Das ist eine schwer vorstellbare Menge. Wenn man sie auf einen Güterzug verladen wollte. Wie lang müsste dieser Zug wohl sein? Autor Der Zug müsste aus ungefähr 88 Millionen normalen Schüttgutwagen bestehen. Er hätte damit eine Länge von annähernd 1,2 Millionen Kilometern. Göttin Immerhin: rechnen könnt Ihr ja. Autor Das heißt, er würde fast 30-mal um den Erdball reichen. Göttin Vor einem halben Jahrhundert habt Ihr gottlosen großen Pragmatiker doch schon mal eine "Energiewende" veranstaltet. "Saubere Atomenergie", ich höre Euch noch, ihr schlauen Weltenherrscher: keine Gefahr durch die tödliche Strahlung. Und nun wisst ihr nicht mal, wohin mit den verbrauchten Brennstäben. Autor In Schweden und Finnland entstehen derzeit die ersten halbwegs realistisch konzipierten Endlager. Dafür werden kilometertiefe Tunnel in den Granit gesprengt. Darin soll der radioaktive Müll mehr als hunderttausend Jahre möglichst unangetastet bleiben. Versiegelt in fünf Meter hohen Behältern aus reinem Kupfer. Göttin Hunderttausend Jahre! Bis dahin dürfte sich die Gattung Homo Sapiens aus der Erdgeschichte verabschiedet haben. Autor Und mit uns unsere Götter. Göttin Aber das Kupfer bleibt. Musik Absage Kupfer - Element der Zwietracht Eine Geschichte vom ewigen Kampf Ein Feature von Michael Faulmüller Sie hörten eine Produktion des Deutschlandfunks 2017. Es sprachen: Sascha Tschorn und Justine Hauer Ton und Technik: Christoph Rieseberg und Katrin Fidorra Regie: Matthias Kapohl Redaktion: Karin Beindorff Musik 1