DEUTSCHLANDFUNK Sendung: Feature Dienstag, 28.10.2008 Redaktion: Karin Beindorff 19.15 - 20.00 Uhr Spin Oder: Die Industrialisierung der Meinungsproduktion Von Tom Schimmeck Co-Produktion NDR/DLF/SR URHEBERRECHTLICHER HINWEIS Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. ? Deutschlandradio - Unkorrigiertes Manuskript - Atmo Radio-Collage Erzähler Washington. Montagmorgen. Heerscharen brechen auf aus den Vororten, nehmen das Zentrum ins Visier, drängen in die U-Bahnen und Busse, verstopfen die Highways. Auf dem Beltway, dem Autobahnring, wird es eng. Auf den Brücken über dem Potomac River herrscht Stop and Go. Musik Erzähler Washington, das Hauptquartier der Weltmacht. Hier treffen all die großen und kleinen Interessen der Vereinigten Staaten aufeinander. Im Anzug. Mit blitzblanken Schuhen. Hier fallen milliardenschwere Entscheidungen. Hier tobt die politische Schlacht. Hier werden Stimmungen gemacht, Meinungen fabriziert. Sprecherin Spin oder: Die Industrialisierung der Meinungsproduktion Feature von Tom Schimmeck Atmo Metroankunft Lautsprecherstimme: Door is opening, step back to allow customers to exit, dann U- Bahnsteig-Akustik Erzähler U-Bahnhof Farragut Square. Mitten in Washington. Am oberen Ende der Rolltreppe verteilen zwei Schwarze Gratiszeitungen. Jeder heranbrausende Zug drückt einen Schwall schwülwarmer Luft aus dem Schacht nach oben. Atmo Straßengeräusche Verkehr, Polizistenpfiffe, Bremsen, Busse Erzähler Farragut Square - ein bisschen Grün inmitten der Häuserschluchten. Auf den Parkbänken kauern Obdachlose. Schlafen noch, ihre paar Tüten und Taschen nah am Körper. Bewacht von der Statue des Admirals David G. Farragut; umringt von vier Kanonen; mit Vogelkot garniert. Seine Bürgerkriegs-Flotte trieb er einst mit dem Kommando an: "Zum Teufel mit den Torpedos! Volle Kraft voraus!" O-Ton Tel Berman Monica speaking Telefonistin: Berman and Company, Monica speaking Erzähler Ich versuche es bei Berman and Company. O-Ton Tel Berman Monica Wählen, Klingeln Telefonistin: Berman and Company, Monica speaking ... Erzähler Immer wieder. Rick Berman gilt als einer der abgebrühtesten "Spin Master" auf der K Street. Ein Meister der Verdrehung . O-Ton Tel Berman Telefonistin: OK, ahem, hold on just a minute. Atmo U-Bahn Musik Erzähler Bermans Spin ist überall. Vor allem in der U-Bahn. Über einer Rolltreppe am Kapitol hängt ein Riesentransparent. Es zeigt 30 Frösche, einer leuchtet rot. "Lassen Sie Ihre Botschaft herausragen!", steht darüber. "Berman and Company". Musik O-Ton Tel Berman It is Telefonistin: Tom? It is actually Tim you would need to speak to. And he is, ahem, in a meeting right now. Can I give you his voice mail and he will give you a call back? Erzähler Bermans Telefonistin verweist mich schließlich an einen Tim. Ich hangele mich die Befehlskette hoch. O-Ton Tel Berman Telefonistin: OK, hold on. Erzähler Tim hat die kürzeste Anrufbeantworter-Ansage der Welt: O-Ton Tel Berman Miller voicemail Millers Anrufbeantworter: Tim Miller (peep)... Erzähler Der Politberater und Kampagnero Berman hat den Charme einer Dampframme. Attackiert alle, die der Industrie irgendwo im Weg stehen: Umweltschützer; Tierschützer, unabhängige Wissenschaftler, Gewerkschafter, sogar Mütter, die sich gegen Autofahren unter Alkoholeinfluss stark machen. Große Zeitungen nennen ihn "Dr. Evil". Dr. Böse. Er genießt es. Lässt sich feiern als tapferer Widerpart all dieser, wie Berman es nennt, "Amok laufenden Gutmenschen". O-Ton Ad Unionfacts Lehrer Kinderstimme: Teacher pay dews to union bosses ... Sprecher(Kind)Lehrer zahlen Beiträge an Gewerkschaftsbossen, damit die Bildungsreformen blockieren. Erzähler Lehrergewerkschaften sind ein beliebtes Ziel von Bermans TV- Werbespots. Sprecherin Gewerkschaftsbosse bluten die Steuerzahler aus und verschwenden Beiträge an Politiker. Erzähler Auf einer Konferenz konservativer Führer in Nevada legte Rick Berman im Herbst 2007 seine Strategie dar: Lehrer kennt jeder. Wer es schafft, ihre Gewerkschaft zu diskreditieren, ruiniert den Ruf aller Gewerkschaften. Darum geht es ihm: Die "Vergewerkschaftung Amerikas" zu verhindern. Zitator (Bermans Overvoice-Stimme, Zitat Berman) "Dies ist eine kleine Front in einer viel größeren Schlacht um die Zukunft der Arbeiterbewegung und ihre Rolle in der amerikanischen Politik." Erzähler Zur Erläuterung seiner Strategie bediente er sich einer alten Weisheit des Mafioso Al Capone: Zitator "Mit netten Worten und einer Waffe erreichst Du weit mehr als nur mit netten Worten." O-Ton Carpinelli auf Straßenatmo So this is the vaunted K Street. Runs through the main downtown section of DC. It's the crossroads for your lobbyist, special interest, influential business and other organizational interests in Washington DC. Sprecher 3 Das ist die berühmte K Street. Sie läuft quer durch die Innenstadt. Sie ist der Brennpunkt für alle Lobbyisten, Sonderinteressen, einflussreiche Industrie- und sonstige Organisationen in Washington DC . Erzähler Die ungewählte Macht. Mein Begleiter schiebt mich weiter. O-Ton Carpinelli It's grown considerably. You don't just have small players. You have a cross-section of lobbyists that spend hundreds of thousands or millions of Dollars. And all that ads up to more than a billion dollars. Obviously the top lobby spenders are going to be your large corporations, your large labour unions. But you have lobbyists that cut a cross-section of groups. It's a billion-dollar-industry. Sprecher 3 Sie ist mächtig gewachsen. Das sind nicht mehr nur kleine Fische. Hier sitzen Lobbyisten, die hunderttausende oder Millionen kosten. Natürlich sind die größten Geldgeber Konzerne, auch Gewerkschaften. Aber man findet hier Lobbyisten für ganz verschiedene Gruppierungen. Es ist jetzt eine Milliardenindustrie. Erzähler auf Straßen-Atmo Steve Carpinelli hat sein Büro am Ferragut Square, 17. Straße Ecke K Street. Sein Job? Gänzlich untypisch für diese Gegend: Steve schaut dem großen Geld auf die Finger. Er arbeitet beim Center for Public Integrity, einer gemeinnützigen Stiftung, die sich bemüht, politisches Geschehen transparenter zu machen. Unparteiisch und akkurat. O-Ton Carpinelli mit Atmo One that the Center has covered and is certainly one of the largest if not the largest depending on what legislative activity is going on the Hill is the pharmaceutical lobby. Which in the last ten years has spend more than a billion dollars to lobby. You also have groups like the American Chamber of Commerce, which represents small businesses and large businesses throughout the US. They spend hundreds of million of dollars lobbying. Labor unions: The AFL-CIO, teamsters, steel workers unions, all of these are very large lobby groups. And your insurance, real estate, finance lobbyists ... Sprecher 3 Wir haben uns viel um die Pharmaindustrie gekümmert, die den stärksten Einfluss auf die Gesetzgebung nimmt. Sie allein hat im letzten Jahrzehnt über eine Milliarde Dollar für Lobbyarbeit ausgegeben. Wichtig ist zum Beispiel auch die Amerikanische Handelskammer, die große und kleine Firmen im ganzen Land vertritt und hunderte Millionen für Lobbying ausgibt. Oder große Gewerkschaften: Transport- und Stahlarbeiter etwa. Und natürlich Lobbyisten für Versicherungen, Immobilien, Finanzen. Erzähler auf Atmo Endlose Büro-Quader. Die Architektur eckig, nüchtern. Wir laufen an glattglänzenden Fassaden entlang, Marmor und Glas. Im Eingang der spiegelblanken Empfangshallen stehen Ständer mit Plastiktüten - für nasse Regenschirme. Und einem Schild: "Halten sie unsere Lobby trocken." O-Ton Carpinelli mit Atmo Well, if you look at the return of investment than it certainly is a good bang for your buck. I mean these are groups that are obviously spending money for a purpose. That may be for a particular set of legislation or the attention of particular members of Congress. So if that's their goal then they have succeeded. And that's why they spend that money. It's a business investment. It's obviously to get a return. Sprecher 3 Wenn du dir die Rendite anguckst, bekommst Du wirklich was fürs Geld. Es fließt ja für einen bestimmten Zweck: Für ein passendes Gesetz, für die Aufmerksamkeit bestimmter Abgeordneter. So erreichen sie ihr Ziel. Das ist eine geschäftliche Investition. Dabei soll offensichtlich ein Gewinn herausspringen. Erzähler auf Atmo Auf Bundesebene gibt es in den USA heute etwa 25 000 aktive und registrierte Lobbyisten. Beständig wächst das Heer der Verpackungskünstler - der Lobbyisten, Meinungsforscher, Medienberater, Spin Doktoren und Public Relations Profis, die für Geld Stimmung machen, den Worten jenen Spin geben, der dem Kunden nützt. Die Kräfteverhältnisse verrutschen. Die Medien bekommen eine immer wichtigere Rolle im großen Spiel: Als Spielball. Die Redaktionen der Zeitungen und Sender sind notorisch unterbesetzt, heruntergespart bis auf die Knochen. Kaum mehr in der Lage, die wachsende Menge der Statements und Storys zu verdauen. Erzähler auf Atmo Steve muss zurück in seine Büroetage. Im Fahrstuhl frage ich ihn, ob das System noch funktioniert. O-Ton Carpinelli It's working as long as anyone here in the US has the ability to find out: What these groups are doing? Who are they meeting with? Where they are spending their money? But another important question is: Even with all the new ethic laws and changes you still have record amounts of money being spent. And you still have the revolving door on both ends. From members of Congress who then become lobbyists themselves. It is still quite significant. (Pause 0:03) You know everyone in politics who plays by the same rules has equal benefits when it comes to the representation of their chances having their views being heard. What lobbying does: It throws money into the equation. So it obviously is not so much who has the loudest voice, it's who has the deepest pockets. Sprecher 3 Das System funktioniert, solange jeder im Land herausfinden kann: Was tun diese Gruppen? Wie hängen sie zusammen? Wo geben sie ihr Geld aus? Trotz vieler neuer Ethik-Bestimmungen werden Rekordsummen ausgegeben. Und auch die Drehtür funktioniert weiter: Aus dem Kongress in die Lobbyfirmen und zurück. Wenn alle in der Politik nach gleichen Regeln spielen, haben sie auch die gleiche Chance gehört zu werden. Lobbyismus wirft viel Geld in die Waagschale. Plötzlich geht es nicht mehr darum, wer die kräftigste Stimme, sondern wer den prallsten Geldbeutel hat . Atmo Williard Intercontinental Erzähler über Atmo Ich sitze in der Lobby des feinen Hotel Willard Intercontinental. Hier wurde der Begriff Lobbyist geboren. Um 1860. Die Gattin von Präsident Ulysses Grant, so geht die Legende, mochte es nicht, wenn er daheim im Weißen Haus trank. Also ging er oft auf einen Schluck um die Ecke ins Willard. Und bald hing jeder, der etwas vom Präsidenten wollte, in der Lobby herum. O-Ton Telefon Besetzt Erzähler Es ist mühsam. So emsig Lobbyisten und PR-Leute ihre Botschaft verbreiten, so lustlos sind sie, wenn es um Fragen zu ihrer Zunft geht. O-Ton Telefon Predial Erzähler Vorab habe ich Dutzende Emails verschickt. Keine Antwort . O-Ton Tel Wartemusik Bandstimme: Please enjoy the music while your party is reached ... Erzähler auf Atmo In einem Cafe auf der K Street traktiere ich das Telefon. O-Ton Telefon We are sorry, your call... Bandstimme: We are sorry, your call can not be completed as ... Erzähler Ich probiere es beim Nuclear Energy Institute. Eine Lobbyorganisation der Atomindustrie. O-Ton Tel NEI Läuten. Telefonistin: Good morning, Nuclear Energy Institute. How may I direct your call? Erzähler Ich möchte den Admiral treffen: Frank Bowman aus Chattanooga, Tennessee. Freunde nennen ihn "Skip". Bis November 2005 diente er der Marine, zuletzt als Direktor für Atomantriebe. Nun ist er Präsident des Nuclear Energy Institute, kurz NEI. Ein wackerer Botschafter der Atomkraft. Aber für mich leider nicht zu sprechen. Das NEI entstand 1994 bei der Verschmelzung von vier Pro-Atom- Organisationen. Die Linie geht zurück bis zum "Atomindustrie Forum" von 1953, aus der Zeit von Präsident Eisenhower. O-Ton Eisenhower (vor der UN Vollversammlung 1953) Erzähler Eisenhower entwarf damals vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen eine Vision von Frieden und Glück in der Welt; versprach, die tödlichen Waffen abzubauen und die Energie für das Wohlergehen der Menschheit zu nutzen. Bekanntlich gibt es die Waffen immer noch. Dazu allerlei Probleme mit den Kraftwerken und dem anfallenden Müll. Die Euphorie ist dahin. O-Ton Tel NEI Sekretärin: Ok, and your name again? Erzähler Das Institut kämpft für eine Atom-Renaissance. 2001 startete es in der "Washington Post" und Polit-Fachblättern wie "CongressDaily und "The Hill" eine Anzeigenserie. Um das geplante Atommülllager in den Yucca Mountains von Nevada zu pushen. Atomkraft ist nun die "Clean Air Energy? - die "Saubere-Luft-Energie". O-Ton Nuclear Ad Frauenstimme auf Musik: Nuclear - Clean Air Energy! Erzähler 2004 deckte in Texas ein Reporter des "Austin Chronicle" auf, dass so manche begeisterte Wortmeldung Atomkraft-freundlicher Professoren in amerikanischen Zeitungen gar nicht aus deren Feder stammte. O-Ton Tel NEI Buero Bowman Sekretärin: What I'd like to do, Sir, ...transfer you to his executive assistant... it's not going to be easy to arrange something with Mister, ahem, with Admiral Bowman... Erzähler Über Jahre bekamen die Herren solche Hymnen fix und fertig geliefert, setzten nur ihren Namen und Titel ein und schickten sie weiter. Die Adressen der Zeitungen standen auch schon dabei. Die Ghostwriter kamen von der Potomac Communications Group, einer PR-Firma in Downtown Washington. Ihr Auftraggeber saß wenige Blocks entfernt: Das NEI. O-Ton O-Ton NEI Ad Radio Männerstimme: You may already know, that nuclear power is a clean and safe energy alternative that produces no greenhouse gases... Erzähler Seit 2006 macht das NEI richtig ernst. Der PR-Gigant Hill & Knowlton verbreitet jetzt die frohe Kunde von der "nuklearen Renaissance". Die Industrie will bald Vorschläge für neue Kraftwerke präsentieren. Und endlich ein Lager für den Strahlen-Müll. Und Wiederaufarbeitungsanlagen. Man braucht mehr Begeisterung bei Gesetzgebern und beim Volk. Die Regierung ist schon überzeugt. O-Ton Tel NEI how can I help Telefonistin: Good morning, NEI, this is ... speaking, how can I help you? Erzähler Die Atomlobby und ihre PR-Profis bauen einen neuen Tarnkappenbomber: die "Clean and Safe Energy Coalition". An die Spitze kommen frische Kronzeugen: Die Republikanerin Christine Todd Whitman, einst Chefin der US-Umweltbehörde EPA. Und Patrick Moore, ein Greenpeace-Veteran, der die Seiten wechselte, nun für genveränderte Pflanzen, Pestizide, PVC et cetera wirbt und gerne gegen das Kyoto-Protokoll und die alten Gefährten wettert. Der Trick funktioniert. Viele Zeitungen zitieren Moore schlicht als "Umweltschützer". Für Atomkraft. O-Ton TEL NEI Good afternoon Erzähler Im September die nächste Stufe der Werbekampagne. Die Rüstungskonzerne Lockheed Martin und Northrop Grumman sind jetzt mit an Bord der Atom-Allianz. Admiral Bowman ist erfreut. O-Ton Ad NEI Clean Frauenstimme: Electricity - you flip a switch, the lights go on ... Today nuclear energy ... Erzähler Neue Fernsehspots zeigen blaue Himmel, grüne Wiesen, hübsche Frauen und viele, viele fröhliche Kinder. Blitzsaubere Energie. O-Ton Forts. frei: ...We need to reduce our... Sprecherin Wir müssen unsere Abhängigkeit von ausländischer Energie senken. Und wir brauchen saubere Luft. Mit Kernenergie schaffen wir beides. Kernenergie. Saubere-Luft-Energie. Erzähler Die Saat geht auf. Im Frühjahr 2007 bearbeiten das NEI und Banken gemeinsam die Regierung. Die Industrie will das Risiko abwälzen. Der Staat soll den Löwenanteil der Investitionen für neue Atomkraftwerke absichern. Das Ministerium bietet schließlich 90 Prozent Deckung. Insgesamt 18,5 Milliarden Dollar. O-Ton Ad NEI Radiospot Sprecher: Americas 104 commercial nuclear plants are reliably producing electricity ... Erzähler Sofort schickt das NEI die nächste Front Group ins Feld: Clean Energy America. Sie sendet junge Ingenieure und Wissenschaftler als Botschafter der Atomkraft aus. O-Ton Tel Smith&Harroff Bandstimme (verwaschen): You've reached Smith & Harrow, if you know ... Erzähler Die Adresse führt zu Werbern auf der anderen Seite des Potomac: Smith & Harroff, gestählt in politischen Kampagnen. Dutzenden Republikanern stand die Agentur in Wahlkämpfen bei. Ihre vielseitigen Spezialisten machen Image-Kampagnen für Sprühflaschen und Weihnachtbäume. Und für Atomkraft. Schon 1982 trainierte die Firma "Wahrheitsschwadronen" - so die interne Bezeichnung - und schickte sie durchs Land. Westinghouse und das NEI zahlten. O-Ton Tel Smith&Harroff Bandstimme: The party you have called is not available ... Erzähler Aber leider ist nirgendwo irgendwer zu sprechen O-Ton Tel NEI Bye Sekretärin: Hold on. Musik Jump Down Spin Around Harry Belafonte / Belafonte Returns to Carnegie Hall Comp: William Attaway/Harry Belafonte O-Ton Siegel Spin - creates the atmosphere you work in. Erzähler Robert Siegel arbeitet seit 30 Jahren in Washington. Er ist ein politischer Kopf von NPR, dem nationalen Radio. Spin - das ist für ihn der anschwellende Lärm auf der politischen Baustelle. O-Ton Siegel out there We now have any number of cable television channels, which are actually viewed by very few Americans. But among those few are all the people in journalism. So what is being spun and what the political partisans are saying is what you inhale in the morning along with your newspaper; the arguments, the polemics. And if they make enough noise, it reaches a point, where you feel as a journalist: It's out there. People are saying all this. We must address it. Sprecher 5 Wir haben jede Menge Nachrichten-TV-Sender. Die übrigens wenige Amerikaner gucken. Aber alle Journalisten. Was dort gesponnen wird - argumentiert, polemisiert wird - inhalierst du morgens zusammen mit den Zeitungen. Und wenn sie genug Lärm machen, denkst du irgendwann: Da draußen geschieht etwas. Wir müssen auch etwas machen. Musik Erzähler Dazu kämen die Talk Radio Shows, sagt Siegel. Und jetzt die Blogs. O-Ton Siegel And of course the blogs, which are the latest component of this. Erzähler Siegel lehnt sich zurück, schmunzelt, krault die Bartstoppeln. O-Ton Siegel The level of discourse in our politics - it is debased. I don't want to get too rhapsodic about what it was in some earlier time, because we come out of a rip- roaring tradition of libel and smear that's been going on for a long time. But at this moment we've reached a point where, I think, the most striking thing is, that out-and-out falsehoods can be launched into the air and then be repeated. Even after they've been debunked. Even after that . Sprecher 5 Der politische Diskurs hier ist verdorben. Ich will jetzt nicht begeistert von alten Zeiten schwärmen, denn Verleumdung und Diffamierung haben bei uns eine enorme Tradition. Das erstaunlichste heute ist, dass man komplette Lügen abfeuern - und ständig wiederholen kann. Auch nachdem sie längst entlarvt sind. O-Ton Ad Lucky Strike alte Lucky Strike Radio-Werbung, There's never a rough puff in a Lucky Erzähler Eine simple Geschichte zu erzählen, ein Bild zu erzeugen, das ist die große Kunst. Man muss Ereignisse kreieren, das Medienbiest füttern, das Kundeninteresse in den Nachrichtenstrom rühren. Schon 1929 schickte der PR-Pionier Edward Bernays Frauen auf eine Osterparade in Manhattan. Mit Zigaretten im Mund. Rauchende Frauen mitten auf der 5th Avenue! Damals ein Tabubruch. Bernays taufte die Glimmstengel "Fackeln der Freiheit". Und ließ das "Ereignis" ausgiebig fotografieren. Die Sensationsbilder erschienen im ganzen Land. Frauenbefreiung war nicht sein Motiv. Die Tabakindustrie hatte ihn beauftragt, etwas gegen den schwindenden Absatz zu tun. Atmo Halle Monica Erzähler auf Atmo Und dann ist es so weit: Audienz bei Rick Berman. Vermont Avenue, Ecke K Street. Telefonistin Monica treffe ich in der Halle. Sie nimmt mich im Aufzug mit. Die Höhle des Löwen liegt im 8. Stock. Ich muss warten. Darf eine ganze Wand voller Auszeichnungen bewundern. "Polly Awards" für furchtlose Propaganda, verliehen von der "American Association of Political Consultants". "Telly awards" für herausragende Fernsehspots. "Bulldog Awards" - Tapferkeitsmedaillen für tollkühne Feldzüge. O-Ton Tim Hey Tom, what's going? Nice to meet you. Rick is doing an interview with the Washington Post right now. When he's ready we'll bring you in there. Erzähler Tim nimmt mich in Empfang. Der schlaksige Assistent. Er hat mal bei John McCain gearbeitet. Sein Chef steckt noch in einem anderen Interview. Atmo Berman Büroatmo Erzähler auf Atmo Ich bekomme ein Glas Wasser. Und, nach artigem Bitten, einen kleinen Bürorundgang. Tim erzählt von den vielen Front-Organisationen, die seine Firma erfunden hat. Das American Beverages Institute etwa, das amerikanische Getränkeinstitut. Das kämpft gerade gegen eine neue Technik, die bei Alkohol-Wiederholungstätern Anwendung finden soll: Ein im Auto eingebautes Gerät, in das der Fahrer pusten muss, bevor sein Auto anspringt. Die Getränkeindustrie ist dagegen. Bermans Pseudo-Institut produziert passende Argumente. O-Ton Tim Erzähler Institut klingt immer gut. Das "Employment Policy Institute?, das Institut für Beschäftigungspolitik, war eine frühe Kreation Bermans. Dazu kam die "Minimum Wage Coalition to Save Jobs" - die Mindestlohn-Koalition zur Arbeitsplatzrettung. Die natürlich für sehr, sehr niedrige Mindestlöhne streitet. Tim erklärt mir begeistert, wie sie jetzt die neuen Gewerkschaftsgesetze attackieren, die gerade im Parlament zur Abstimmung stehen. Und mit denen es für Gewerkschaften deutlich einfacher würde, sich in Betrieben zu organisieren. O-Ton Ad Unionfacts Kernige Stimme: Labor union bosses have a new scheme to effectively eliminate secret ballot votes in the union organizing campaigns. They call it: "the employee free choice act?. But it's not about freedom. Or choice. It's about hijacking workplace democracy ... Sprecher 6 Gewerkschaftsbosse haben einen neuen Trick, geheime Wahlen zu unterwandern. Atmo/O-Ton Tim Erzähler Bei den Anti-Gewerkschafts-Spots sind Berman and Company besonders kreativ. Außerdem gibt es hier viel zahlende Kundschaft. Über Auftraggeber spricht man nicht gern. Und der Clou: Die Frontorganisationen sind meist steuerbefreit. Dienen sie doch "wohltätigen und erzieherischen Zwecken". Musik Spin Me Around, Kip Boardman (Hello, I Must Be...) O-Ton Berman Rick Berman! Erzähler Und dann taucht Rick Berman auf. Reckt mir die Pranke entgegen. O-Ton Berman How are you, Tom Schimmeck? Erzähler Man hat ihn mit dem Tabak-Mann aus der schönen PR-Komödie "Thank You for Smoking? verglichen. Aber Berman ist besser. O-Ton Berman I never sleep Erzähler Ein Stier. O-Ton Berman You want short answers or long answers? Erzähler Ein Profi. O-Ton Berman Lachen Erzähler Das Büro ist riesig. Ich frage ihn erst einmal artig, was er seiner Ansicht nach eigentlich tut. O-Ton Berman What we do is: We advocate on behalf of points of view that my clients have and which I agree with . Sprecher 1 Wir vertreten die Sichtweisen unserer Kunden. Sofern ich mit ihnen übereinstimme. Erzähler Rick Berman, der Anwalt. Er guckt jetzt wie ein Wohltäter. Aber sein Lächeln zeigt den bösen Wolf. O-Ton Berman There are people that are trying to change the world in their image and they are trying to convince the public of a certain point of view. And sometimes they are excessive in what it is what they say in order to chance people's opinion. And I try to balance that unbalanced opinion . Sprecher 1 Es gibt Leute, die die Welt verändern und die Öffentlichkeit unbedingt überzeugen wollen. Manchmal sind ihre Ansichten exzessiv. Ich versuche, diese einseitigen Ansichten auszubalancieren. Erzähler Der Retter der ausgewogenen Debatte. Und sonst? O-Ton Berman Well, I'm a lawyer. I'm interested in public opinion so I guess I'm a public relations executive. I'm also interested in private opinions, which are opinions of legislatures and so I'm a lobbyist on some days . Sprecher 1 Ich bin Anwalt. Mich interessiert die öffentliche Meinung. Da bin ich Public Relations Manager. Mich interessiert auch die private Meinung von Abgeordneten. Also bin ich an manchen Tagen Lobbyist. Erzähler Außerdem, das ist unbezahlbar, glaubt er sich meistens, was er sagt. O-Ton Berman I bring a lot of passion to what it is that I do. And you can't be passionate about something when you're only getting paid to do it. You have to believe in it. Sprecher 1 Ich bringe eine Menge Leidenschaft ein. Und das geht nicht, wenn du einfach nur dafür bezahlt wirst. Du musst daran glauben. Erzähler Ein Veteran. Mitte 60. Vor gut 20 Jahren hat er seinen eigenen Laden aufgemacht. Sich das meiste selbst ausgedacht. Er sei zu den Firmen gelaufen, erzählt er, und habe die Chefs gefragt: Wie könnt Ihr das geschehen lassen? Er plant die Schlacht. Sie geben ihm Geld. Er sagt nie, wer und wie viel. O-Ton Berman The major change is how rapidly information gets distributed and how broadly it gets distributed with absolutely no cost . Sprecher 1 Der größte Wandel besteht darin, dass heute jeder Informationen schnell und weit verbreiten kann - ohne jede Kosten. O-Ton Berman Whether you want to look at the internet, at the proliferation of cable television channels, email - there are an enormous number of groups that can operate on a budget of almost zero. So there are people sitting in their bedroom in their underwear on the internet and they name themselves some group. And the next thing you know you're dealing with some group with a high-minded sounding name and it's just one fellow with a keyboard ginning up all sorts of activity and anxiety on the part of his own personal agenda . Sprecher 1 Ob Du Dir das Internet, die vielen Kabelkanäle oder E-Mail anguckst: Da draußen gibt es jede Menge Leute, die fast ohne Budget agieren. Leute gehen in ihrem Schlafzimmer online, in Unterwäsche. Und plötzlich hast Du da eine Gruppe mit einem hochtrabender Namen. Dabei ist es nur ein Bursche mit einer Tastatur. Der mit seinen Ideen Ängste auslöst. Erzähler Der Horror der Industrie: Ungewaschene, langhaarige Linksradikale, die ihre Produkte mies machen. In Unterhosen. Berman tut etwas dagegen. Er geht ebenfalls online. Im Anzug. Und massiv. Mit noch hochtrabenderen Namen. Sein "Center for Consumer Freedom" etwa kämpft seit Jahren gegen Ökos aller Art. Derzeit zum Beispiel für die Fastfood Restaurants, die lieber keine Kalorienangaben auf ihre Schachteln schreiben möchten. Das Zentrum betreibt eine eigene Website, um Prominente anzuschwärzen, die sich für grüne Belange stark machen: Activistcash.com. Bond-Darsteller Pierce Brosnan findet sich dort, Robert Redford und die Tierschützerinnen Pamela Anderson und Kim Basinger. "Zentrum für Verbraucherfreiheit". Das klingt fast schon nach Orwell. Berman weicht aus. O-Ton Berman The Center For Consumer Freedom is quiet big. And it has a lot of support. We get millions of people coming to our Internet site because we put information, new information on there every day. Sprecher 1 Das Zentrum für Verbraucherfreiheit ist ziemlich groß. Es hat viel Unterstützung. Millionen klicken es an, weil wir da jeden Tag neue Informationen bieten. Erzähler Noch einmal: "Zentrum für Verbraucherfreiheit" - das klingt doch, als würden hier Heerscharen von Konsumenten für ihre Selbstbestimmung kämpfen. Und gar nicht wie eine von Restaurant- Ketten und der Nahrungs- und Getränkeindustrie bezahlte Kampagne. Das ist doch mindestens Irreführung. O-Ton Berman No it's not misleading. Because if you go to the Internet site comsumerfreedom.com, it will tell you who we are. Sprecher 1 Nein, das ist nicht irreführend. Auf unserer Internetseite erfahren sie doch, wer wir sind. Erzähler Zitat von der Website: Sprecher 3 "Das Center ist eine gemeinnützige Organisation zum Schutz der freien Wahl des Konsumenten." O-Ton Berman I don't know that there is any campaign that I'm engaged in that has a conclusion. Because the other side doesn't ever go away. Sprecher 1 Ich weiß nicht, ob irgendeine meiner Kampagnen je zu Ende gehen wird. Weil die andere Seite ja nie verschwindet. O-Ton Berman It's almost like a military operation where two sides are standing on either side of the border and neither one wants to back down. Often times the proponents are such ideological warriors that they wear down either the business community or someone else on the other side. And that is also why having some passion for the issue becomes a very great asset. Because I don't get worn down. Sprecher 1 Es ist fast wie eine Militäroperation: Die Kämpfer stehen an der Grenze und keiner gibt nach. Oft sind die Gegner derart ideologische Krieger, dass sie die Geschäftswelt zermürben. Da ist es von großem Wert, dass ich Leidenschaft einbringe. Mich kann man nicht zermürben. Erzähler Der tapfere Soldat. Speer und Schild der Wirtschaft. Doch selbst Berman plagen manchmal Zweifel, ob die immer potenteren Propagandapanzer der K Street nicht irgendwann im Schlamm landen. Oder sich gegenseitig zermalmen. O-Ton Berman It becomes ever more expensive to get the message out. Erzähler Ein verbal-monetäres Wettrüsten. O-Ton Berman There is an escalating arms race when it comes to money. So as one party gets more the other party needs more. Erzähler Das sagen sie auch beim Center for Public Integrity: Geld spielt eine immer prominentere Rolle. Politischer Erfolg könnte bald allein von der Mobilisierung immer gewaltigerer Spendensummen abhängen. Nur: Rick Berman zieht völlig andere Schlüsse: Freie Rede ist für ihn freies Kapital. O-Ton Berman At the end if people want to invest money in someone else's ability to communicate I think they ought to be able to do that. Sprecher 1 Wenn Leute Geld in die Kommunikationsfähigkeit anderer investieren wollen, sollten sie das dürfen. O-Ton Berman My pleasure O-Ton K street Picket line Baustellen und Straßengeräusche, dann immer deutlicher und klarer das Trommeln und Singen der protestierenden Arbeiter Baugeräusche Erzähler Die K Street wächst und wächst. An der Kreuzung K und 11th Street ziehen Bauarbeiter gerade den nächsten Büroklotz hoch. Ein Block weiter, Ecke 19th Street, entsteht der Komplex "901 K". Über 23 000 Quadratmeter "feinste Bürofläche", lobt die Werbetafel. Auf dem Fußweg davor laufen etwa 30 Arbeiter im Kreis. Es sind Tischler. Sie protestieren gegen Lohndumping. O-Ton Ad Nixon Trommeln, Marschmusik, Sprecher: President Nixon doesn't believe we should play games with our national security. He believes in a strong America ... O-Ton Radio noon Sprecherin: WTOP News times, money news every half hour at 25 and 55 ... O-Ton Miller Club Tischgespräch Pub, Erzähler auf Atmo Ein paar Blöcke entfernt Richtung Union Station. Im hinteren Winkel eines ziemlich düsteren, aber geräumigen irischen Pubs treffen sich Polit-Rentner zum Lunch. Jede Woche, seit 20 Jahren. O-Ton ältere Männerstimme: Spin is spin. I don't care, whether it's in Washington or in Hollywood. You have to sell a product. And, whatever they say, it's dedicated to selling a product. Sprecher 2 Spin bleibt Spin, egal ob in Washington oder Hollywood. Und egal was sie sagen: Es geht darum, ein Produkt zu verkaufen. Atmo Miller Club Tischatmo Erzähler Die Herren sind guter Dinge. Tauschen neueste Nachrichten aus, tratschen über alte Bekannte. An der Stirnseite des Tisches thront das Oberhaupt der Runde: Ein weißhaariger Senior: Joseph S. Miller, 87 Jahre alt. Aufgewachsen in New York. Als Kind hat er erlebt, wie die Weltwirtschaftskrise die Familie arm machte. Als junger Mann wurde er Journalist, an der Westküste. 1956 kam er nach Washington, als Kampagnenmanager, diente Demokraten der 50er: Jackson, Church, John F. Kennedy . O-Ton Miller I just love the game. I love the game. And I made money at it. I made a lot more money than I made as a newspaperman. I compounded that money by some pretty skilful betting. People get emotional in politics and they'll vote for losers. And at the Washington Athletic Club bar I caught my share of those. So, politics was really good to me. It always has been good to be. And I love the game. It's just a lot of fun. Sprecher 4 Ich liebe dieses Spiel. Und ich habe Geld damit gemacht. Viel mehr als ein Zeitungsmann. Es begann mit ziemlich geschickten Wetten, in der Bar des Washington Athletic Club. Die Leute werden emotional in der Politik und setzen auf Verlierer. An denen habe ich viel verdient. Politik war immer gut zu mir. Und ich liebe das Spiel. Es bringt einfach Spaß . Erzähler Als Athlet blieb er eine Niete. Sein politischer Instinkt aber war erstklassig. 'Smilin' Joe' Miller sitzt zuhause in seinem Lieblingssessel, zu seinen Füßen Fotos und allerlei Papierhaufen. Die Fernbedienung der Glotze griffbereit. Er hat immer noch Spaß am Politbetrieb. Und eigentlich, findet er, habe sich daran nicht allzu viel geändert, seit die ersten Herrscher Befehl gaben, ihr Antlitz auf Münzen zu prägen. O-Ton Miller Well, I don't think it's all that different. Erzähler Fragt sich, ob in diesem Gewerbe noch irgendwo Platz ist für einen Rest Moral, für ein paar Prinzipien. Miller schüttelt sich. O-Ton Miller Baseball, football, boxing - getting the edge, the advantage, is a primary part of the game. Sprecher 4 Egal ob Baseball, Football, Boxen - einen Vorteil zu kriegen, ist einfach das wichtigste beim Spiel. Erzähler Und natürlich wird geschummelt und gefoult. Hat er auch gemacht. So viel, wie möglich war, ohne erwischt zu werden. O-Ton Miller As much as I could get away with. Atmo Bus War Room Professor Steinhorn; Filmclip aus Computerlautsprecher Erzähler American University, Hurst Hall. Unten die Biologie. Im 1. Stock der "War Room", der Kriegsraum. Einmal die Woche treffen sich Professor Leonard Steinhorn und seine Studenten hier, um die Wahlkampf-Lage zu sezieren. Die Debatte wird im Internet live übertragen, auf Myfox, einem Webauftritt von Rupert Murdochs Nachrichtenkanal Fox News. Atmo War Room Steinhorn und Studenten debattieren Erzähler Wer transportiert welche Themen? Worauf springen die Medien an? Wie sieht der nächste Schritt der Kandidaten aus? Welche Strategie führt sie dorthin? Sie tasten die aktuelle Stimmung bei US-Standardthemen ab: Steuern, Wirtschaftslage, Abtreibung, Waffen. O-Ton Robin You can't be passive James: Yeah. Robin: Just life in general, you can't be passive in learning about these things. Erzähler Man müsse Politik kapieren, meint die Studentin Robin, dürfe da nicht passiv bleiben. Sie stammt aus Pennsylvania. Ist Republikanerin. Aber eine sehr moderate, meint Robin. James aus Michigan pflichtet ihr bei. O-Ton James I kind of grew up with it my whole life - following elections, following campaigns, you know, putting signs out, wearing buttons, which is kind of always part of my life. So this is a natural fit for me. Erzähler Schilder aufstellen, Buttons tragen - das hat er schon als Kind gemacht. Die Eltern sind Republikaner, er auch. Aber kein glücklicher. Die Macht habe sie korrumpiert. O-Ton James I think the Republicans fell victim to corruption to being in power They saw a chance to enact their agenda and to do away with their principles. It was really offensive to me. Sprecher 3 Sie sahen eine Chance, ihr Programm durchzusetzen und vergaßen dabei ihre Prinzipien. Das fand ich scheußlich. Erzähler Die kolossale Staatsverschuldung für den Irak-Krieg und die Rettung der Banken gefallen James überhaupt nicht. Und dieser Lobbyismus. Aber er will nicht jammern. O-Ton James Unless we, who are disgusted and those of us who don't like what's going on get up and do something about it and we have no reason to complain, we have no reason to expect that things will ever change . Sprecher 3 Wenn wir, die davon angewidert sind, nichts tun, können wir uns auch nicht beklagen. Und nicht erwarten, dass jemals etwas anders wird. O-Ton Robin I think what happened is that people stopped questioning. So early in the Bush term we had 9/11 and all these issues and people decided: OK, we need to be loyal to the leader. But then we went on way too long just being blindly loyal to the government. Sprecherin Ich glaube die Leute haben gleich am Anfang der Bush-Ära aufgehört zu fragen. Sie dachten, sie müssten wegen des 11. September loyal zur Führung stehen. Aber wir waren viel zu lange blindlings loyal. Erzähler Was sie abstößt: Dass immer mehr Geld fließt. O-Ton James Yeah. You do have to have money to play. That's for sure. O-Ton Robin Oh, yes, politics are dirty. Erzähler Robin würde die Wahlkampfspenden gerne kappen. Sie strebt auch nicht ins harte Wahlkampfgewerbe, will keinen Spin produzieren. Lieber ins Ausland gehen - um Menschen wirklich zu helfen, sagt sie. O-Ton Robin Working on the more down-to-earth level of helping people directly. Rather than just putting out spin and trying to get people elected. O-Ton Vote Stevenson Wahlkampfsong 1952 (auf die Melodie von "O Tannenbaum?) Sängerin: Vote Stevenson, vote Stevenson, a man you can believe in ... O-Ton Steinhorn Pull away the curtain and expose the wizard of Oz for who he is. It doesn't mean that they are not fascinated by the spin or that their emotional connection to the campaign isn't driven by the media narrative, but they are able cognitively and intellectually to see what the message meisters are doing in this campaign, what the image masters are doing. Sprecher 6 Ich will den Vorhang wegziehen und ihnen den Zauberer von Oz zeigen. Es mag sein, dass die Stundenten fasziniert sind vom Spin und dass die mediale Aufbereitung der Kampagne sie emotionalisiert. Aber sie sind intellektuell in der Lage zu sehen, was die Meister der Botschaft und der Bilder da treiben. Erzähler Professor Steinhorn ist keiner, der sich groß empört über Spin. O-Ton Steinhorn You know, you go back 150, 160 years and you see campaign managers and campaigns creating narratives and myths about their candidates. Erzähler Schon vor 150 Jahren habe es Kampagnenmanager gegeben, die Mythen um ihre Kandidaten rankten. Nur sind Geschichtenerzähler heute viel zahlreicher und professioneller. Und permanent im Einsatz. O-Ton Steinhorn The storytelling is more permanent, more professional, more pervasive. And more sophisticated. Erzähler Steinhorn arbeitet über die Grundmythen der US-Politik, die stets neu improvisierten Urlegenden, immer hart am amerikanischen Traum. Vom Held aus kleinen Verhältnissen, der sich hoch geschuftet hat gegen Widrigkeiten und ein großer Führer wurde. Der einsam schwere Entscheidungen fällen muss, aber sein Herz für den einfachen Mann behält, für Joe Sixpack. Der betet und in einem Krieg gekämpft hat. Sogar Millionäre verkaufen sich in Wahlkämpfen gern als einfache Durchschnittsbürger. Atmo RNC Convention Erzähler 1700 Kilometer nordwestlich der Universität geht jenes Ereignis über die Bühne, das die Studenten im "War Room? derzeit analysieren: Der 39. Parteitag der "Grand Old Party?, der großen alten Partei, wie die Republikaner sagen. Die Bühne ist gewaltig. Eine Sportarena mit 18 000 Plätzen. Jahrelang haben die Strategen die viertägige Show vorbereitet. Die Farben, die Slogans, die Musik, der Ablauf. Alles ist minutiös und sekundengenau festgelegt. Über 80 Millionen Dollar kostet die Inszenierung des Präsidentschaftskandidaten: Die enormen Aufbauten, die Technik, die Sicherheit, die Filme, die Luftballons, die Räume für über zehntausend Delegierte, Helfer, Medienleute, Ehrengäste. Sogar den Anpfiff der Nationalen Football Liga wurde für die Versammlung verschoben. Atmo RNC Vorhalle Atmo RNC Radio Row geblendete Live-Berichterstattung vieler Radiostimmen O-Ton Adam Since so much of the game now is about coverage this is a way for them to put themselves on every major American TV network for four nights straight. And you can't blame them. I mean, if half the game is name recognition, who doesn't want four nights of free press and prime time coverage? Sprecher 3 auf O-Ton + Atmo Der Partei geht es vor allem um viel Berichterstattung - so sind sie ständig im Fernsehen. Wer wollte ihr das vorwerfen? Sie muss den Namen verbreiten. Vier Tage kostenlose Werbung sind hilfreich. Erzähler auf Atmo Adam B. Kushner ist 27. Und schon "Seniorschreiber" von Newsweek. Ein Spezialist für globale Ideen. Und deshalb hier eher gelangweilt. Ein echter New Yorker: Cool, spöttisch, ein wenig dandyhaft. Der Gedanke, dass hier tausende Journalisten die kunstvoll gedrechselten Slogans von Parteistrategen und Kommunikationsberatern nachbeten, amüsiert ihn. O-Ton I think that's exactly right. That's exactly right. So what happens is that everybody reports the same speech and then they try to give it their own little dash of color. They use whatever adjectives they might be able to think of themselves or they do it in the first person: I watched this, I saw this at this location. Or: I saw it after I had spoken to this person who said that. But mostly it's the same story getting covered in a zillion different media. Sprecher 3 So ist es, genau so. Jeder berichtet über die gleiche Rede und tut seinen kleinen Farbtupfer dazu. Ein paar Adjektive. Oder die Ich- Form: Ich sah dies oder ich hörte das, nachdem ich mit dem und dem sprach. Aber im Grunde ist es die gleiche Geschichte. In Tausenden von Medien. Erzähler Die amerikanischen Medien machen sich eine Menge Vorwürfe. Vor allem im Vorfeld des Irak-Krieges, so die fast einhellige Selbsterkenntnis, haben sie versagt. Sich mit Halbwahrheiten und Lügen abfüttern lassen und kaum nachzufragen gewagt. Weil das als unpatriotisch geholten hätte. Eine Recherche des Center for Public Integrity offenbarte, dass Präsident Bush und seine sieben Spitzenkräfte zwischen September 2001 und September 2003 zu Massenvernichtungswaffen und al-Qaida-Verbindungen im Irak 935 Falschaussagen gemacht hatten. Eigentlich genug Zündstoff für eine funktionierende kritische Öffentlichkeit. Aber Kushner ist da ganz nüchtern. O-Ton Adam Presidential politics, congressional politics everywhere - in this country or any other country, as far as I can tell, where press conferences are given - have largely become manufactured news. Sprecher 3 Hohe Politik hier - und in jedem anderen Land, wo Presskonferenzen abgehalten werden - besteht heute vor allem aus fabrizierten Nachrichten. Atmo RNC Radio Row Collage Collage Präsidentenwahlkampfe Eisenhower, Johnson, Nixon, Carter, Bush, Reagan, McCain, Obama Atmo Lift Lifttür, Piepen, Lifttür O-Ton Greener I couldn't find honest work Erzähler Bob Greener macht Witze. "Ich konnte keine anständige Arbeit finden? sagt er auf die Frage, wie er eigentlich politischer Berater geworden sei. Ich treffe ihn nach der Convention in seinem Washingtoner Büro. Er war der Koordinator der Bühne. Steuerte, was da lief und wie es lief. O-Ton Greener We would say now look; We want Mrs McCain to toemark at 8:34, we want her to be done at 8:58, we want to give you ?til 9:04 to come back, then that's when the video is going to show. Then Senator McCain will come out. We expect that to take two to three minutes of extended applause and then we expect him to toemark at 9.15 and be up there for approximately 53 minutes. So your broadcast will be over at 10:08. Sprecher 2 Wir sagen: Frau McCain muss um 8 Uhr 34 starten und um 8 Uhr 58 fertig sein. Dann habt ihr bis 9 Uhr 4 Zeit, da zeigen wir das Video. Dann kommt Senator McCain raus. Wir planen zwei bis drei Minuten ausgedehnten Applaus. Er startet um 9 Uhr 15 wird etwa 53 Minuten da oben sein. Dann ist eure Sendung um 10 Uhr 08 zu Ende. Erzähler Das ist für ihn effektiv und richtig und wichtig. Das ist sein Job. Er sagt, er sei ein Fulltime-Republikaner. Seine Firma, Greener and Hook, arbeitet viel für Republikaner, aber auch für Frontgruppen und Stiftungen, für Banken Versicherungen, Telefonfirmen und Bierbrauer. O-Ton Greener Basically we try to put together winning arguments, put together the arguments and then deliver them in a strategically sound fashion. Through the execution of the most effective tactics. Sprecher 2 Im Grunde sammeln wir überzeugende Argumente und versuchen sie mit der effektivsten Taktik, strategisch vernünftig rüberzubringen. Erzähler Aber seine Universität läd ihn immer wieder gerne ein, um ihn im Ethik-Unterricht über seine Erfahrungen sprechen zu lassen. Es ist spät geworden. Aber ich habe noch Unterricht an der Graduate School. Eine Probestunde Lobbying bei Julius W. Hobson junior. Die Abendklasse. Von 19 Uhr bis spät. Neun weibliche, sechs männliche Studenten sitzen da. Auch schon ein bisschen müde. Die meisten arbeiten tagsüber in Downtown Washington. Dozent Hobson spricht über die genauen Abläufe im Parlament, erzählt von Glanzfällen und Fehlschlägen des Lobbyismus. Dass man heute mit moderner Technik innerhalb von 48 Stunden eine Massenbewegung inszenieren könne. Zuviel Lobbying aber völligen Stillstand bewirke. O-Ton Hobson There is so much noise that nothing gets done. Because there is noise on both sides of the issue. And everybody who has that capability is doing it. Sprecher 5 Manchmal geschieht gar nichts - weil auf beiden Seiten so viel Lärm gemacht wird. Atmo Erzähler Wir stehen auf der Treppe vor der Uni. Es ist schon dunkel. Hobson ist seit vielen Jahren dabei. Eigentlich, sagt der Lobbyist, sei es ein ehrenwerter Beruf. Nur dass leider nicht einmal seine Familie diese Ansicht teilt. O-Ton Hobson I don't think there is anything we can do to solve that. You know, there is no way that there will ever be a situation where people think nice things about lobbyists. That's just never going to happen. And that's why I say: If that's what you want, if you want to be in a profession where people respect you and think you're doing wonderful things, being a lobbyist is not it. Sprecher 5 Ich glaube da kann man nichts machen. Die Leute werden niemals etwas Nettes über Lobbyisten denken. Niemals. Deshalb sage ich den Studenten: Wenn sie einen Beruf wollen, in dem sie respektiert werden und die Leute sie wunderbar finden - werden sie nicht Lobbyist. O-Ton Ad Kennedy Wahlkampfsong 1960 Chorus: Kennedy, Kennedy, Kennedy, Kennedy, Kennedy, can. Kenney, Kennedy Sänger: Do you want a man for president who's seasoned through and through ... Sprecherin Spin oder: Die Industrialisierung der Meinungsproduktion Feature von Tom Schimmeck. Es sprachen: Christian Redl, Lennardt Krüger, Peter Jordan, Volker Hanisch, Stephan Schad, Wolf-Dietrich Sprenger, Philipp Baltus, Anna-Maria- Kuricova. Technische Realisation: Kerstin Heikamp und Dietmar Fuchs. Regie: Nikolai von Koslowski. Redaktion: Ulrike Toma. Eine Produktion des Norddeutschen Rundfunks mit dem Deutschlandfunk und dem Saarländischen Rundfunk 2008. 30