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Der Fahrer reißt das Lenkrad herum, zieht einen engen Halbkreis. Der Trecker ruckelt, kommt vor einem Nebengebäude zum Stehen. Atmo 4: stellt Motor ab... In der Fahrerkabine sitzt ein Mann Ende Vierzig, kurzes graumeliertes Haar, Overall. Ein Foto, auf dem dieser Mann ein sehr ernstes Gesicht macht, wird vor gut einem Jahr in allen Zeitungen abgedruckt: Es ist Paul François - der Pestizid vergiftete Bauer, der im Februar 2007 vor Gericht gegen den US-Chemieriesen Monsanto gewinnt. Die Hände noch immer auf dem Lenkrad, bleibt der Landwirt ein paar Sekunden bewegungslos sitzen, als müsse er sich besinnen. Atmo 5: Ähhh... vous allez bien? Er steigt vom Trecker, muss ganz schnell ins Büro. Atmo 6: F. geht ins Büro, tippt /kurz frei, dann unters Skript. Der Landwirt setzt sich an den Computer, schreibt eine Mail. Hinter ihm, auf einem Aktenschrank, sind blaue und rote Modelltrecker aufgereiht. Darüber hängt ein großer Fotorahmen: zwei hübsche Mädchengesichter blicken in die Kamera. Meine beiden Töchter, sagt Paul François. Sie waren noch Kinder, als der Alptraum im Frühjahr 2004 beginnt. O.TON 1: "Le soir je ... tout le corp." Overvoice Bauer François: Ich wollte abends meinen Raps mit einem Insektizid spritzen. Dafür musste der Tank der Spritze gereinigt werden, mit der ich vormittags das Monsanto- Unkrautmittel Lasso ausgebracht hatte. Die Spritze hat ein automatisches Selbstreinigungssystem. Ich wollte kontrollieren, öffnete von oben den Tank. Aber ich hatte was falsch eingestellt, der Tank war nicht leer und die Pestizidreste von der Sonne aufgeheizt. Ich habe die Dämpfe eingeatmet und mir noch gesagt - oh lala! Plötzlich hatte ich das Gefühl, dass sich mein ganzer Körper aufheizt. Der Landwirt lässt sofort alles stehen, geht ins Haus. Auf den Rat seiner Frau, einer ausgebildeten Krankenschwester, zieht er sich aus, duscht. Was dann passiert ist, weiß Paul François nur aus ihren Erzählungen. Er verliert das Bewusstsein, seine Atmung wird schwach. Er wird in die nächste Notaufnahme gebracht. Seine Frau erzählt den Ärzten vom Unfall, hat sogar das Pestizid-Etikett des Herstellers Monsanto mitgebracht. Paul François stockt. Das Wort "Hersteller" will nicht über seine Lippen kommen. Neurologische Sprechstörungen - eine Folge seiner Pestizidvergiftung, entschuldigt er sich. O.TON 2: Le service d'urgence... souviens non plus. Overvoice (Bauer François): Die Notärzte haben gleich beim Toxikologie-Zentrum in Bordeaux angerufen. Dort hieß es: Behalten Sie ihn zur Beobachtung da, er kommt wieder zu Bewusstsein, kein Grund zur Sorge. Als ich wieder aufgewacht bin, hab ich Blut gespuckt. Ein paar Tage später haben sie mich nach Hause entlassen. Daran erinnere ich mich aber auch nicht. Atmo 7: Bauer F unterbricht, redet mit Arbeiter... Ein Mann mit schwarzem Schnauzer und breitem Kreuz steht im Türrahmen. Es geht um eine Bewässerungsanlage. Ob der Chef mal eben aufs Feld kommen kann? Atmo 8: Trecker, Bauer gibt Anweisungen Paul François will zu Fuß zum Feld gehen. Atmo 9 : Bauer François zu Fuß, erklärt... Der Landwirt zeigt auf eine alte Steinmauer. Sie zieht sich kilometerlang über die Felder. Alles, was innerhalb der Mauer liegt, gehört uns, sagt Paul François stolz. Außerdem bewirtschaftet er noch einen anderen Hof. Insgesamt 400 Hektar. Der ehrgeizige Bauer - und vor ihm sein Vater - haben das Land der ehemaligen Domäne nach und nach gekauft. O.TON 3: Ca m'est arrivé ... très difficile. Overvoice (Paul François): Als ich mich vergiftet habe, war ich 40. Bis dahin habe ich enorm viel gearbeitet, mein Betrieb lief auf Hochtouren. Ich habe Saisonkräfte beschäftigt, bin regelmäßig nach Osteuropa gefahren, weil ich in Rumänien einen Landwirtschaftsbetrieb aufbauen wollte. Als dann der Unfall passierte, wurde das sehr schwierig. Atmo 10: Bauer F erzählt unterwegs... (unters Skript) Fünf Wochen nach seinem Unfall macht sich Paul François wieder an die Arbeit. Migräne- Anfälle, Sprechstörungen und Schwindel steckt er weg. Doch bald funktioniert sein Gedächtnis nicht mehr, er schafft die Büroarbeit nicht, seine Angestellten beschweren sich über unsinnige Anweisungen. Ende des Sommers fällt er wieder ins Koma, wird ins Pariser Universitätskrankenhaus La Salpêtrière eingewiesen. Atmo 11: sein Smartphone klingelt, Bauer meldet sich/ frei, dann unters Skript Am Telefon ist ein Mitglied vom Verein "Phyto-Victimes" - Pflanzenschutz-Opfer, Paul François hat die Selbsthilfe-Initiative vor zwei Jahren gegründet. Atmo 12: Telefonieren, Schritte / kurz frei, dann unters Skript Die Landwirtschaftliche Sozialkasse hat gerade den Antrag des Vereins auf eine Studie über die Pestizidgefahren für Landwirte abgelehnt. Die mauern sobald sie das Wort Pestizide hören, schimpft Paul François, steckt sein Smartphone ein. Die fürchten die hohe Dunkelziffer, die vielen Landwirten, die vom jahrelangen Umgang mit der Agrarchemie krank und arbeitsunfähig geworden sind, sagt er. Fast täglich melden sich beim Verein Angehörige kranker Bauern, die Hilfe suchen. Die Anfragen kommen aus ganz Frankreich. So viele, dass der Verein inzwischen eine Vollzeitkraft beschäftigt. Atmo 13: auf Feld, Schaufelgeräusche Auf dem Feld stehen zwei Männer hüfttief in einem frisch ausgehobenen Graben, mehrere hundert Meter lang. Sie schaufeln, werfen Kalksteine heraus. Cyril - Mitte zwanzig, festangestellt auf dem Hof - hievt lange Plastikrohre vom Treckeranhänger. Atmo 14: Bauer F. steigt in Traktor... Paul François steigt auf den Trecker, fährt im niedrigsten Gang mit dem Anhänger am Graben entlang. Cyril platziert die Rohre unten an der richtigen Stelle. OTON 4: En France les... occupe du traitement. Overvoice Paul François: In Frankreich müssen Beschäftigte aus der Landwirtschaft jährlich zur medizinischen Berufsuntersuchung. Nach über 10 Jahren haben die Ärzte Cyril jetzt zum ersten Mal gefragt, ob er sich auch um den chemischen Pflanzenschutz kümmert. Atmo 15: Fahrerkabine, Paul François erzählt... (bis Szenenende unter Skript) Das Gesetz des Schweigens, nennt das der Landwirt. Im Pariser Universitätskrankenhaus schließen die Ärzte von Anfang an aus, dass seine schweren Krankheitssymptome mit dem Pestizid-Unfall zusammenhängen. O.Ton 5: Quand je vois ... j'ai respiré. Overvoice Paul François: Als der Toxikologe vom Krankenhaus mit uns spricht, sieht er meine Frau an und sagt: Das Mittel, mit dem Sie ihre Haare färben ist gefährlicher als das Pflanzenschutzmittel, das ihr Mann eingeatmet hat. Der Landwirt presst seine schmalen Lippen zusammen. Er hat Monate im Krankenhaus verbracht. Doch statt die Pestizidvergiftung zu behandeln, diagnostizieren die Ärzte psychische Störungen und Depressionen, pumpen ihn voll mit Psychopharmaka. Ein Jahr nach seinem Unfall, erneutem Koma mit drohendem Herzversagen, ist Paul François am Ende seiner Kräfte. O.TON 6: La par contre ... bui-bui làbas Overvoice Paul François: Da habe ich gegen den Rat der Ärzte das Krankenhaus verlassen. Ich habe mir gesagt: Wenn ich sterben muss, dann lieber hier zuhause. - Nicht in ihrem Saftladen von Krankenhaus. Seine Frau - mehr denn je von einer Pestizidvergiftung überzeugt - kontaktiert auf eigene Faust Professor André Picots. Der Chemiker und Toxikologe weist schließlich eine schwere Monochlorbenzol-Vergiftung nach, hochgefährlicher Inhaltsstoff des Monsanto-Herbizids Lasso. Das zentrales Nervensystem, sein Immunsystem und die Nieren sind schwer geschädigt. Er rät eine Entgiftungstherapie auf Algenbasis, die auch bei Dioxinvergiftungen eingesetzt wird. O.TON 7: J'ai suivi ce ... même géniale. Overvoice Paul François: Ich habe die Medikamente drei Wochen eingenommen. Seither sind in meinem Blut keine Clorbenzolrückstände zu finden, ich bin nie wieder ins Koma gefallen, meine geistigen Fähigkeiten sind nach und nach zurückgekehrt. Wirklich genial. Sein Verein Phyto-Victimes schickt hilfesuchende Landwirten seitdem sofort zu kompetenten Medizinern. Kommen sie aus der Region - zu Eric Ben-Brik ins 70 Kilometer entfernte Poitiers. Er ist Arbeitsmediziner am Städtischen Krankenhaus, unterrichtet und forscht an der Fakultät für Medizin und Pharmazie ... Einblenden Atmo 16: Halle Medizinfakultät ...ein modernes Gebäude aus Glas und farbigem Beton am Stadtrand von Poitiers. Ben- Briks Büro befindet sich in der ersten Etage. Atmo 17 frei: Klopfen an der Tür, Begrüßung (teilweise auf Deutsch)... Er ist fast 2 Meter groß, Ende 40, kräftig. Wache Augen schauen über den Rand seiner dezenten Brille. Atmo 18: Ben-Brik über seine Mutter (Französisch) ... Meine Mutter war 1959 Miss Germany - platzt es aus ihm heraus. Dann setzt er sich in seinen Schreibtischstuhl, schlägt die langen Beine übereinander und erzählt. Dass er acht Landwirten in den vergangenen Monaten attestiert hat, dass Pestizide sie krank gemacht haben: Krebs und Parkinson. Meistens reagieren sie mit einer Mischung aus Schuldgefühlen und Resignation. O.TON 8: Les agriculteur qui ... la famille etcetera. Overvoice Ben-Brik: Die Landwirte schämen sich. Sie erzählen mir, dass sie von den anderen Bauern wie Aussätzige behandelt werden. Hinzu kommt der finanzielle Druck. Sie sagen immer, dass sie nur diesen Beruf gelernt haben, den Hof um jeden Preis am Laufen halten müssen. Dass sonst alles den Bach runtergeht, der Hof, die Familie und so weiter. In der Regel dauert es 10 bis 20 Jahre, bis die Krankheiten ausbrechen. Es ist schwierig, den verantwortlichen chemischen Wirkstoff im Nachhinein zu identifizieren, sagt Bren-Brik, und noch komplizierter, eine Berufskrankheit nachzuweisen. In seinen Gutachten für die landwirtschaftliche Sozialkasse muss der Arbeitsmediziner lückenlos rekonstruieren, welche Pestizide in welchen Mengen der Landwirt in diesem Zeitraum gespritzt hat, welchen Giftdosen er ausgesetzt war. O.TON 9: Quand je reçois ... qui le fera Overvoice Ben-Brik: Wenn wir Glück haben, hat der Landwirt noch die Kaufbelege in seiner Buchhaltung oder irgendwo in Kartons auf dem Dachboden. Meistens handgeschriebene Notizen, die wir Posten für Posten entziffern müssen. Dann haben wir die alten Markennamen, aber nicht die Wirkstoffe. Es gibt kaum zuverlässige Datenbanken, die Hersteller geben ihre Pestizidrezepte nicht preis. Enorm zeitaufwändige Recherchen! Aber als Arzt fühle ich mich dazu verpflichtet, erledige die Arbeit an der Uni oder privat. Denn, wenn wir das nicht machen, wer sonst kümmert sich darum?! In intensiv bewirtschafteten Agrargebieten der Region Poitou-Charente - in der auch Paul François Ländereien liegen - treten bei den Bauern häufig Parkinson und Krebserkrankungen des Lymphsystems auf. Das haben Ben-Brik und seine Universitätskollegen in einer Studie herausgefunden. Vor allem im Raum Cognac, wo Wein angebaut und besonders große Mengen Chemie versprüht werden. Aber Pestizide verursachen nicht nur Krebs und Parkinson. Atmo 19: Ben-Brik sucht in Papieren... Ben-Brik kramt in den Unterlagen auf seinem Schreibtisch, zieht einen Hefter heraus. Eine Veröffentlichung italienischer Forscherkollegen. O.TON 10: "Ils ont trouvé... de moyens, malheureusement. " Overvoice Ben-Brik: In einer Studie von 2010 haben sie zum ersten Mal nachgewiesen, dass der Umgang mit Pestiziden auch das Alzheimer-Risiko erhöht. Außerdem die Pick- Krankheit, eine andere Form der Demenz. Aber wir wissen noch nicht, welche Pestizidfamilien und Wirkstoffe das verursachen. Das ist nicht geklärt. Und es wird sich über Jahre hinziehen, weil es überall an den nötigen Forschungsgeldern fehlt. Trotz eindeutiger Krankheitsbilder und detaillierter Gutachten Ben-Briks hat die landwirtschaftliche Sozialkasse nur die Hälfte der Fälle als Berufskrankheit anerkannt. Der Arbeitsmediziner lässt die Schultern hängen. Das Ganze erinnert ihn an die Asbest- Skandale der 80er und 90er Jahren, die bis heute Frankreichs Justiz beschäftigen. Damals hatten Regierungspolitiker und die Asbest-Lobby auch Hand in Hand die Gesundheitsrisiken wider besseren Wissens heruntergespielt. Atmo 20: Schritte über Vorplatz... Nicht weit von Paul Francois Hof Beauregard ragen rostige Getreidesilos in den blauen Himmel. "Coopérative agricole" - Landwirtschaftliche Genossenschaft steht auf dem Schild neben der Grundstückseinfahrt. Atmo 21 ...Mann im Halleneingang Im Eingang eines Flachbaus aus den 60er Jahren steht ein Mann in Jeans, eine Aktentasche unterm Arm. Der Außendienstmitarbeiter der Genossenschaft, zuständig für Pflanzenschutzberatung und Verkauf der Pestizide. Atmo 22: gehen in Halle, er erklärt, zeigt... Er zeigt das große Verkaufslager: Auf Paletten und in Regalen stapeln sich Plastikbehälter und Kanister. Dutzende Pestizidsorten - von Bayer, Monsanto, BASF und Syngenta. Dazwischen Hochglanz-Werbetafeln: Bilder von goldenen Weizenfelder; glückliche Bauern auf riesigen Erntemaschinen; ein winziges Pflänzchen in schützender, hohler Männerhand. Atmo 23: Vertreter redet... Die Bauern gehen längst verantwortlich mit Pestiziden um, sagt der Mann von der Genossenschaft. Er fährt mit den Bauern auf ihre Felder, hilft ihnen bei der Diagnose der Pflanzenkrankheiten, der Wahl des richtigen Mittels. Dafür ist er ausgebildet, sagt er, nennt sich stolz "zertifizierter" Pflanzenschutzberater. O.TON 11: "On a des ... la faune auxiliaire, quoi. Overvoice Genossenschaftsmitarbeiter. Wir haben das ganze Jahr über Weiterbildungen. Kommt ein neues Pflanzenschutzmittel heraus, dann werden wir vom Hersteller geschult. Wir haben auch interne Schulungen hier bei uns, mit unserem Technikerdienst, der neue Produkte testet. Das ist nicht mehr, wie die Landwirtschaft vor 20 -30 Jahren, als unsere Eltern mit den Mitteln zur Schädlings- und Unkrautbekämpfung auch gleich alles andere abgetötet haben. Natürlich kennt der Außendienstmitarbeiter auch Paul François. Auch wenn der Kunde bei der Nachbargenossenschaft ist. Und was hält er von dem Fall, von François Klage gegen Monsanto? Der Mann fummelt am Verschluss seiner Aktentasche herum, windet sich. O.TON 12: Si il avait ... dans le coin. Overvoice Genossenschaftsmitarbeiter: Wenn Paul François die vorgeschriebene Schutzkleidung getragen hätte, wäre der Unfall nie passiert. Er macht sich mit seinem Prozess gegen Monsanto in Frankreich und im Ausland wichtig. Aber hier kommt er damit nicht gut an. Er wird von den anderen Bauern wenig unterstützt, ist hier in der Ecke nicht unbedingt beliebt. Atmo 24: Trecker rangieren ... Paul François Pestizidgefährt steht in einer Ecke des Hofes: ein großer, blauer Trecker mit weißem Tank, an den Seiten das zusammen geklappte Gestänge mit den Düsen. Die Ärzte haben dem Bauer den Umgang mit Pestiziden strikt verboten, sein Gesundheitszustand ist zu fragil. Cyril kümmert sich darum. Atmo 25: Cyril zeigt ... Der wortkarge Angestellte zeigt das Pestizidhäuschen hinter dem Spritztrecker. Ein Warnschild hängt an der Tür. Er öffnet sie. Ein strenger Geruch steigt in die Nase. Kleine und größere Behälter stehen in den Regalen, am Boden eine blaue Tonne mit dem Herbizid Roundup, der Monsanto-Verkaufsschlager. Hat Cyril keine Angst vor den Pestiziden? O.TON 13: "Plus ou moins ... un bon équipement" Overvoice Cyril: Mehr oder weniger. Weil, wir sind doch trotz allem ziemlich gut ausgerüstet: Atemschutzmaske, Handschuhe, Schutzanzug und so weiter. Das ist schon eine ganz gute Ausrüstung. Atmo 26: Cyril klappt Mülltonne auf... Neben dem Häuschen steht eine Mülltonne. Darin sammeln sie die leeren ausgespülten Behälter für den Sondermüll. Atmo 27: Paul François spricht mit Cyril... Paul François kommt von der Werkstatt herüber. Cyril soll nachher eine Knoblauchlösung gegen Schädlinge spritzen. In den letzten Jahren hat der Bauer den Pestizidverbrauch um die Hälfte heruntergefahren. Er verzichtet auf die gefährlichsten Mittel, arbeitet immer öfter mit alternativen Methoden. Doch den Hof konsequent auf Bio umstellen - das kommt für den Bauer bisher nicht in Frage. O.TON 14: "C'est possible ... Overvoice Paul François: Vielleicht eines Tages. Aber ich habe nie behauptet, dass ich dazu in der Lage bin. Ich habe mir vorgenommen, so viel Chemie wie möglich wegzulassen. Ich will umweltverträglich produzieren, meine und die Gesundheit der Anwohner nicht gefährden. Aber ich will auch die Arbeitsplätze auf dem Hof erhalten, also keine Produktionseinbußen. Dass alles zu vereinbaren, habe ich mir für die nächsten 10-15 Jahren vorgenommen. Ich will beweisen, dass das auf einem Hof in meiner Größe möglich ist. Kreuzblende auf Atmo 28: Aufenthaltsraum, Stimmen ... Nach Feierabend sitzt Paul François mit Cyril, der während der Woche auf dem Hof wohnt, am großen Tisch im Aufenthaltsraum. Sie trinken ein Glas Wein. Über den Fernsehbildschirm in der Ecke flimmern die Abendnachrichten. Atmo 29: Fernseher, Paul François erzählt... Erst drei Jahre nach seinem Unfall reicht Paul François seine Klage gegen Monsanto ein. Der Entschluss ist langsam in mir gereift, sagt er, nippt an seinem Weinglas. Das Ergebnis einer Recherche über den Pariser Krankenhausarzt, der das Monsanto- Herbizid als Ursache seiner Krankheit kategorisch ausgeschlossen hatte, bestärkt ihn in seinem Entschluss. O.TON 15: "Un soir un ami ... par Monsanto, voilà." Overvoice Paul François: Eines Abends tippt ein Freund von mir den Namen des Arztes bei Google ein, dazu den Namen von Daniel Goldberg, Monsanto-Chef-Toxikologe in Saint Louis/Missouri, dem Unternehmenssitz. Und siehe da: Beide waren Redner auf ein und derselben Konferenz in Saint Louis, organisiert von Monsanto. Schlimmer noch: Der Bauer erfährt, dass das Herbzid Lasso in vielen europäischen Ländern wegen seiner Gefährlichkeit bereits in den 90 Jahren verboten wurde. Dabei hatte Monsanto Paul François immer versichert, dass ihr Produkt ungefährlich ist. In einem Presse-Kommuniqué des Konzerns heißt es: "Die gründliche Analyse des Falls durch unsere Experten hat ergeben, dass es keinen Beweis gibt für einen Zusammenhang zwischen dem Herbizid Lasso und den Symptomen, von denen Monsieur François berichtet." Als sich dann auch noch herausstellt, dass es fast unmöglich ist, namhafte Mediziner für ein Gutachten zu gewinnen, die Paul Francois seine Berufskrankheit attestieren, hat der Bauer genug. O.TON 16: Chaque foi qu'il ... me laisser faire. Overvoice Paul François: Jedes Mal, wenn mein Anwalt wegen eines Gutachten anfragte, hieß es: Nicht gegen Monsanto, ich setze meine Karriere nicht aufs Spiel! Da hat es mir gereicht und ich habe beschlossen, mir das nicht mehr gefallen zu lassen. Vor gut einem Jahr hat das Gericht in Lyon den US-Konzern verurteilt, den Bauer finanziell zu entschädigen. Doch Monsanto ist inzwischen in Berufung gegangen. Die für Juni anberaumte Verhandlung bereitet er jetzt mit seinem Anwalt vor. Sie treffen sich Morgen zu einer wichtigen Besprechung. Der Bauer leert sein Weinglas. Bevor er aufsteht, hält er plötzlich nochmal inne. Und erzählt von einem befreundeten Landwirt, lange schwerkrank von den Pestiziden - und inzwischen gestorben. An ihn, sagt Francois, muss ich oft denken. Kurz vor seinem Tod besucht er ihn im Krankenhaus. O.TON 17: "Il m'a dit ... même noms. Overvoice Paul François: Er hat zu mir gesagt: Das ist ist doch ein verdammt gutes Geschäft, das die da mit uns machen. Bayer, Sanofi, BASF haben mir erst die Pestizide verkauft, die mich krank gemacht haben. Und jetzt sehe ich die Medikamente und Spritzen, die ich bekommen und da stehen die gleichen Namen drauf. Atmo 30: Türklingel Die Pariser Anwaltskanzlei, die Paul François gegen Monsanto vertritt, hat ihre Büros in der Rue des Pyramides, zwischen dem Louvre und der l'Opèra Garnier. Atmo 31: Sekretärin geht voraus zum Konferenzraum... Die Anwälte sind auf Fälle wie den des Bauern aus Bernac spezialisiert. Sie haben unter anderem die Opfer von Frankreichs Atomtests in Algerien und Polynesien vertreten. Atmo 32: Stimmen, Konferenzraum Hinter verschlossenen Türen, an einem Konferenztisch sitzt Paul François mit zwei Anwälten der Kanzlei, einem Arbeitsmediziner und dem Chemiker und Toxikologen André Picot. Seit über drei Stunden diskutieren sie, gehen Punkt für Punkt ihre Strategie für das Berufungsverfahren durch. Paul François Anwalt Maitre Lafforgue schaut auf seine Uhr, schlägt eine kleine Pause vor. Der Anwalt ist zuversichtlich. Er glaubt, dass die Verurteilung der ersten Instanz bestätigt wird, Bauer Paul François in allen Klagepunkten Recht bekommt. O.TON 18: "Cette procedure est ... contracter une pathologie. Overvoice Maitre Lafforgue: Wir haben die Klage gegen Monsanto eingereicht, weil das Unternehmen unseren Mandanten nicht über die Inhaltsstoffe ihres Pestizid Lasso informiert hat, nicht über die Risiken für den Anwender, und weil es keine ausreichenden Angaben vom Hersteller Monsanto gab, wie sich der Landwirt schützen muss, um potenzielle Erkrankungen zu verhindern. Monsantos Strategie wird die gleiche wie im ersten Prozess sein, weiß der Anwalt. Der Konzern wird hartnäckig jede Verantwortung abstreiten. O.TON 19: "C'est siderant ... faire avancer. Overvoice Maitre Lafforgue: Es ist verblüffend. Sie streiten den Unfall von Paul François ab, die Gefährlichkeit ihres Produktes, sie erkennen seine Krankheit nicht an. Es fehlt nur noch, dass sie die Existenz von Paul François abstreiten. Aber wir vertrauen der französischen Justiz, liefern ihr stichhaltige Argumente und Expertisen, die ein Urteil zu unseren Gunsten rechtfertigen. Die zweifelhaften Methoden, das verantwortungslose Verhalten der Pestizidhersteller müssen aufhören! Mit Prozessen wie diesem, in dem die Hersteller zur Entschädigung verurteilt werden, zwingen wir sie, ihre Methoden zu ändern und bringen die Sache voran. Paul François, der seinem Anwalt aufmerksam zugehört hat, nickt. In seinem frühlingshaften, fliederfarbenen Leinenhemd sieht der Bauer heute besonders blass aus. Er ist froh, wenn die Sache endlich vorbei ist. Für sich, seine Frau und seine Kinder. O.TON 20: "J'espère que .... une mafia. Overvoice Paul François: Ich hoffe, nach der Verhandlung können wir laut und deutlich sagen: Seht her, das sind die Arbeitsmethoden der Firma Monsanto. Die gleiche Firma, die heute behauptet ihr Pestizid Roundup sei ungefährlich, ihr genverändertes Saatgut ist ungefährlich. Diese Leute sind gemeingefährlich. Die haben nur eines im Sinn, Geld machen auf Kosten der Gesundheit der anderen. Das ist eine Mafia. ENDE