DEUTSCHLANDFUNK Sendung: Hörspiel/Hintergrund Kultur Dienstag, 29.04.2014 Redaktion: Karin Beindorff 19.15 ? 20.00 Uhr Indien ganz rechts Die Karriere des Hindunationalisten Narendra Modi Von Dominik Müller URHEBERRECHTLICHER HINWEIS Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. ? Deutschlandradio - Unkorrigiertes Manuskript - O-Ton Anand Sharma, Wirtschaftsminister Would you insult at hundreds of million of voters in India? .... Respect democracy, respect our country! Sprecher 1 Würden Sie hunderte Millionen Wähler in Indien beleidigen? Würden Sie ihnen vorschreiben, wie sie zu entscheiden haben? Schreiben wir anderen Ländern vor, wie ihre Wähler abstimmen sollen? Respektieren Sie die Demokratie, respektieren Sie unser Land! Atmo Nachrichten CNN-IBN Erzähler Anand Sharma, der amtierende indische Wirtschaftsminister, ärgerte sich, als die US-Bank Goldman Sachs Anfang November 2013 eine Prognose über die Entwicklung der Wirtschaft in Indien veröffentlichte. Schon der Titel ?Modi-fying our view? war eine wenig subtile Wahlempfehlung für den Spitzenkandidaten der größten Oppositionspartei: Narendra Modi von der BJP, der Bharatiya Janata Party, der Indischen Volkspartei. Die mächtige US-Bank machte Stimmung: Sprecher: (Modi ist) ein Agent des Wandels, der Indien von einem Leichtgewicht zu einem Marktschwergewicht aufwerten würde. [..] Die BJP und ganz besonders Herr Modi haben sich in der Vergangenheit auf Infrastruktur und Investitionen konzentriert; eine von der BJP geführte Regierung wäre aus unserer Sicht für eine erhöhte Nachfrage nach Investitionen zuträglich. Musik Ansage Indien ganz rechts Die Karriere des Hindunationalisten Narendra Modi Ein Feature von Dominik Müller Atmo Nachrichten Hindi Erzähler Der Zeitpunkt der Veröffentlichung der Goldman Sachs Prognose war mit Bedacht gewählt: Wenige Wochen später fanden Wahlen in fünf Bundesstaaten statt ? Richtungsentscheidungen mit Blick auf die Wahlen zum Indischen Unterhaus im Mai 2014. Als die Ergebnisse der regionalen Wahlen Anfang Dezember 2013 veröffentlicht waren, schossen die indischen Aktienkurse auf ein Rekord-Hoch. Sprecherin 1: In Neu Delhi und Chhattisgarh wurde die hindunationalistische BJP stärkste Partei, in den beiden bevölkerungsreichen Bundesstaaten Rajasthan und Madhya Pradesh mit absoluter Mehrheit. Erzähler: Ein wichtiger Erfolg für Narendra Modi. Er wird nicht müde, seinen Aufstieg vom Teeverkäufer zum aussichtsreichsten Kandidaten auf das Amt des indischen Premierministers zu betonen. Seit 2001 regiert er den Bundesstaat Gujarat als Chefminister. Atmo BaphraTempel Erzähler Ich bin nach Gujarat gefahren. In der Altstadt von Ahmedabad, der Wirtschaftsmetropole des Bundesstaates, steht ein großer Hindutempel. Mehr als sechs Millionen Menschen leben in der Stadt. Der Tempel ist weiträumig abgesperrt, ein Wachmann kontrolliert, wer hereinkommt. Während sich die Gläubigen drinnen in Ekstase singen und tanzen, betrachten die Neuankömmlinge draußen an den Toren die großflächigen Plakate der BJP. Viele Tempel in Ahmedabad sind Hochburgen ihrer religiösen Frontorganisation, VHP, der Weltrat der Hindus. Atmo BaphraTempel O-Ton Metha Sprecher 3 Ich heiße Kaushik Metha und bin Generalsekretär des Weltrates der Hindus hier in Gujarat. In diesem Bundesstaat gibt es insgesamt 18.000 Dörfer, Städte und Gemeinden. In 10.000 davon haben wir unsere Netzwerke und arbeiten dort. Erzähler Kaushik Metha ist ein mächtiger Mann in Gujarat, ein Hindu-Ideologe. O-Ton Metha Sprecher 3 Schauen wir uns doch um auf der Welt: Überall, wo sich Muslime niederlassen, da gibt es Probleme, da gibt es Gewalt. Mit uns Hindus ist das völlig anders. Wenn wir irgendwo hinkommen, dann werden wir Partner, wir kooperieren mit der Gesellschaft, die wir vorfinden. Aber egal wo die Muslime hingehen, ob nach China, Russland oder sonstwohin, überall auf der Welt machen sie Probleme. [..] Man muss nur den Koran aufmerksam genug studieren, dann erkennt man die Einförmigkeit der muslimischen Psyche. Das könnte auch erklären, warum aus dieser Religion so viele Terroristen hervorgehen. Damit muss man sich ernsthaft auseinandersetzen. Musik Sprecherin 1 150 Millionen der 1,2 Milliarden Menschen in Indien bekennen sich zum Islam. Atmo Tempel Sprecherin 1 Das Rückgrat der hindunationalistischen Bewegung ist der nationale Freiwilligendienst Rashtriya Swayamsevak Sangh, kurz RSS. Seine Gründerväter betrachteten Faschismus und Nationalsozialismus als Vorbild. Die Kaderorganisation hat etwa sechs Millionen Mitglieder und unterhält mehr als 20.000 Schulen. Die BJP ist der politische Arm des Netzwerks, die meisten Spitzenpolitiker sind auch Mitglieder der RSS. Narendra Modi selbst hat schon als junger Mann neue Mitglieder für den RSS in den Dörfern Gujarats rekrutiert. Musik Erzähler Die Offensive der Hindunationalisten begann im Dezember 1992 mit der indienweiten Kampagne gegen die Babri-Moschee in der zentralindischen Stadt Ayodhya. Mehrere zehntausend Anhänger des RSS, der BJP und des Weltrates der Hindus zerstörten die Babri Moschee und polarisierten die indische Bevölkerung. Als die Hindu-Fanatiker die Moschee dem Erdboden gleichgemacht hatten, kam es in mehreren indischen Städten zu blutigen Ausschreitungen zwischen den Glaubensgemeinschaften. Seither befindet sich die BJP im Aufwind. Eine ihrer Hochburgen ist Gujarat. O-Ton Benaifer Sprecherin 2 Mein Bruder und ich hatten gerade Unterricht hier in unserer Siedlung, meine Mutter machte die Wäsche. Außerhalb der Siedlung mussten alle ihre Geschäfte zumachen. Leute waren gekommen und sagten: ?Heute sind alle Läden in Gujarat geschlossen, es wird gestreikt?. Ein Muslim stand vor seinem Laden. Meine Mutter hat gesehen, wie zwei, drei Leute kamen und einer von denen ihm ein Messer in den Bauch stach. Sein jüngerer Bruder kam herein und schrie, dass draußen Leute seinen Bruder umbringen. Wir schlossen die beiden Stahltore unserer Siedlung. Draußen war die Menge auf mehrere Tausend Menschen angewachsen. Es dauerte nur Minuten, da fingen sie schon an, uns anzugreifen. Die Polizei stand auch dabei. Die Angreifer warfen Steine und Benzinbomben, hatten Schwerter und Dreizacke bei sich. Wir waren hauptsächlich Frauen und Kinder, denn die Männer waren fast alle arbeiten. Ich lief mit meinem Bruder nach Hause. Meine Mutter sagte uns, dass diese Leute gekommen wären, um uns zu töten. Wir flüchteten uns dann in das Haus von Ahsan Jafri, einem bekannten Politiker in der Siedlung. Meine Mutter glaubte, dort seien wir sicherer und er könnte uns retten. Erzähler Benaifer Mody weinte nicht, während sie mir das erzählte. Sie nahm eine beobachtend-distanzierte Haltung ein, so als würde sie einen Film anschauen. Sie stammt aus einer Parsenfamilie und ist mit Narendra Modi weder verwandt noch verschwägert. Zur Zeit der Unruhen war sie elf Jahre alt und lebte mit ihrer Familie in der Gulbarg Siedlung in Ahmedabad. Bis zum 28. Februar 2002, dem Tag, an dem der Weltrat der Hindus einen Generalstreik in ganz Gujarat ausgerufen hatte. O-Ton Binaifer Sprecherin 2 Mein Bruder, meine Mutter und ich kamen schließlich in Jafris Haus an. Dort hatten sich 50 bis 70 Menschen hin geflüchtet. Dann wurde das Haus von außen in Brand gesteckt. Jafri telefonierte mit Narendra Modi, unserem Chefminister, und fragte ihn, warum der Mob ungestört herum wüten könne, was überhaupt los sei. Meine Mutter stand direkt dabei und konnte die Antwort des Chefministers hören. Der hat einfach gesagt: ?Ihr seid ja noch am Leben! Ich dachte, ihr wäret tot.? Erzähler Ahsan Jafri, der ehemalige Abgeordnete des indischen Unterhauses, überlebte den Tag nicht: Der Mob hackte ihm mit Beilen und scharfen Messern Arme und Beine ab und zündete ihn dann an. 68 Menschen kamen bei dem Massaker in der hauptsächlich von Muslimen bewohnten Gulbarg Siedlung ums Leben. Binaifar und ihrer Mutter gelang es zu fliehen. Aber dabei haben sie den 14-jährigen Bruder und Sohn, den eher verträumten Azhar, verloren, erzählten sie mir. Es blieb nicht die einzige brutale Attacke gegen die muslimische Minderheit im Bundesstaat Gujarat an diesem Tag. Musik Sprecherin 1 Zahlreiche Menschenrechtsorganisationen und UN-Kommissionen untersuchten die Pogrome gegen die muslimische Minderheit in Gujarat. ?Wir haben keinen Befehl, euch zu retten?, so betitelte die US-amerikanische Organisation Human Rights Watch ihren Bericht, in dem sie staatliche Behörden der Passivität, viele auch der aktiven Beteiligung an den Attacken beschuldigt. Erzähler Ich verabredete mich mit Muhammad Sharif Malik. Er war damals zwanzig Jahre alt und hat das Massaker in Naroda, einem Vorort von Ahmedabad, überlebt. Dort kamen 97 Muslime ums Leben. Muhammad Sharif Malik war einer von mehreren Dutzend Zeugen für die Sonderermittlungskommission des Obersten Gerichtshofs, die erst 2008 mit ihren Untersuchungen in Gujarat begann. O-Ton Sharif Sprecher 1 Maya Kondnani, eine Abgeordnete der BJP und Jaideep Patel, Präsident des Weltrats der Hindus in Gujarat, hatten eine führende Rolle bei den Angriffen. Ich habe gesehen, wie sie im Auto nach Naroda kamen und der Mob sie umringte. Beide beklagten die 58 toten Hindus, die am Tag vorher in einem Zugwaggon in Godhra verbrannt waren. Beide forderten, man dürfe die Muslime nicht einfach so davon kommen lassen, sondern müsse ihnen eine Lektion erteilen. Danach haben sie den Mob angeführt. Erzähler Muhammad Sharif Malik erzählte mir, dass die Bewohner des Stadtteils von der Attacke des Vortages auf den Zugwaggon im 150 Kilometer entfernten Godhra - wenn überhaupt - nur aus den Medien erfahren hatten. Der Zug war voll besetzt mit Hindunationalisten, die den zehnten Jahrestag der Zerstörung der Babri-Moschee in Ayodhya gefeiert hatten. Einige sollen bei einem Zwischenstopp am Bahnhof von Godhra muslimische Teehändler provoziert und geschlagen haben. Muslime hätten dann die Waggons angegriffen, die später in Brand gerieten. Chefminister Narendra Modi sprach direkt nach dem Zugbrand in Godhra von einer geplanten terroristischen Attacke der Muslime. Viele Hindunationalisten wie Praveen Togadia, internationaler Präsident des Weltrates der Hindus, riefen ihre Glaubensbrüder bei Kundgebungen in Gujarat unverhohlen zur Gewalt gegen Muslime auf. O-Ton Praveen Togadia, internationaler Sekretär VHP Sprecher 3 Weil unser Land Gandhi folgt, konnte sich der Terror am Bahnhof von Godhra entfesseln. [..] So lange wir seiner Politik der Gewaltfreiheit folgen und vor den Muslimen niederknien, kann der Terrorismus nicht ausgemerzt werden. Brüder, wir müssen Gandhi über Bord werfen! (Beifall) Atmo Sinha?s Büro, klicken Computer, ?you see the picture? Erzähler In seinem Haus am Stadtrand von Ahmedabad besuchte ich den Menschenrechtsanwalt Mukul Sinha. Er hat viele der Pogromopfer juristisch vertreten und hat auch die Todesfälle in Godhra untersucht. Spät am Abend ? es ist schon dunkel - sitzen wir bei ihm zu Hause vor dem Computer. Seine Frau Nirjhari Sinha bringt uns einen heißen, starken Gewürztee. Sie wohnen in einer einsamen Gegend, das nächste Haus liegt mehr als einhundert Meter entfernt. Der Wind weht kräftig. Jedesmal, wenn draußen ein Knacken oder Klappern zu hören ist, zuckt Nirjhari Sinha zusammen. Sie hat Angst, fürchtet sich vor einem Überfall. Mukul Sinha zeigt mir die Fotos von den verkohlten Leichen der Kinder, Frauen und Männer aus dem Pilgerzug in Godhra und der Beerdigung am nächsten Tag. Die ermittelnden Behörden hätten weder den Tatort richtig untersucht, noch die Leichen vorschriftsmäßig obduziert. O-Ton Sinha Sprecher 1 Die wahre Todesursache wurde gar nicht untersucht, die Leichen wurden einfach abtransportiert, damit sie am nächsten Morgen rechtzeitig zur Beerdigungsprozession in Ahmedabad waren. Denn solche Beerdigungszüge sind doch die Orte, an denen sich die Gefühle der Menschen zeigen. Diese Gefühle wollten sie nutzen und sie in Gewaltattacken gegen die Muslime verwandeln. Hier sieht man die Bilder, es war ein riesiger Beerdigungszug. Tausende sind mitgelaufen, und dort sieht man die Leichen, die sie tragen. [..] Wenn man einer solchen Menschenmasse zeigt, wie fürchterlich die Toten gestorben sind, was passiert mit der Stimmung der Leute? Sie werden wütend und zornig! Dann muss man ihnen nur noch sagen, dass die Muslime die Mörder sind. Das wars. Dann hat man eine Bombe, dann hat man einen Genozid. Das war ihr Plan. Wir nennen ihn einen tödlichen Plan. Musik Sprecherin 1 Innerhalb von drei Tagen wurden in Gujarat mehr als 1000 Menschen ermordet, mehr als hunderttausend Muslime suchten Zuflucht in Flüchtlingscamps. Atmo Wahlkampf, Parolen Erzähler ?Hier kommt der Löwe von Gujarat?, begrüßten im Herbst 2002, ein halbes Jahr nach den Pogromen, überall in Gujarat Anhänger der Indischen Volkspartei BJP ihren Spitzenkandidaten. Narendra Modi war auf Wahlkampftour, der indische Dokumentarfilmer Rakesh Sharma hat dabei gefilmt. ?Final Solution ? Endlösung?, heißt sein international preisgekrönter Film. Atmo Kinder Erzähler Ganze Schulklassen sind zu sehen, die ihrem Chefminister zujubeln und Parteifahnen schwenken. Aus ihren Schulbüchern haben sie gelernt, dass Muslime, Christen, Parsen und Juden, ?Ausländer? seien. Adolf Hitler wird darin als bewundernswerte Persönlichkeit beschrieben, der habe ?viel für sein Volk getan?. Atmo Kundgebung Erzähler Auf jeder Kundgebung sprach Narendra Modi über die verbrannten Pilger von Godhra. Über die getöteten Muslime verlor er kein Wort. Atmo Modis Wahlkampf Sprecher 4 Wer sind die Schuldigen von Godhra? Sagt es mir! Wenn nichts passiert wäre, hätte dann auch nur ein einziger einen Stein geworfen? Atmo ?Nej? Erzähler ?Nein?, tönt es aus vielen tausend Kehlen. Atmo Ahmedabad Wahlkampfsieg Erzähler Am 15. Dezember 2002 zogen die Anhänger der BJP auf LKW, motorisierten Zweirädern, mit Feuerwerk und Freudentänzen jubelnd durch die Straßen Ahmedabads. ?Fickt die Mütter der Muslime?, hört man im Dokumentarfilm einige Jugendliche im Siegestaumel rufen. Narendra Modi war gerade in seinem Amt bestätigt worden. Mit absoluter Mehrheit. Atmo Parole, Tehelka Newsboard Erzähler Ende 2007 standen dann die zweiten Wahlen nach den Pogromen in Gujarat vor der Tür. In der Zentralredaktion des investigativen Nachrichtenmagazins Tehelka in Neu Delhi muss die Spannung groß gewesen sein. Denn wenige Wochen vor dem Urnengang in Gujarat veröffentlichte Tehelka die Ergebnisse einer mehrmonatigen verdeckten Recherche. Ashish Khetan, ein Journalist, hatte sich als Doktorand einer Universität in Neu Delhi ausgegeben, Spross einer radikalen Familie von Hindu-Nationalisten, die angeblich seit Generationen zum Nationalen Freiwilligenverband RSS gehöre. In Wirklichkeit ist der 30-jährige Hindu ein Gegner der Hindu-Nationalisten. Verheiratet ist er mit einer Christin und hat eine kleine Tochter. O-Ton Ashish Khetan Sprecher 5 Ich war ziemlich aufgeregt wegen dieser Geschichte. Ich dachte, es könnte das letzte Wort über die Ausschreitungen von Gujarat 2002 sein, die so schrecklich [..] waren und die Zivilgesellschaft so entsetzt haben. Fünf Jahre waren vorüber, es gab die Version der Menschenrechtsorganisationen, die Version der Zeugen, die der Opfer. Aber die Beschuldigten, die Regierung und Narendra Modi behaupteten immer noch, die Attacken auf die Muslime seien lediglich spontaner Natur gewesen, ohne vorsätzliche Planung, ohne Verschwörung, ohne Beteiligung der Regierung oder Teilen des Sangh Parivar, des Dachverbands der Hindunationalisten. Mein Gott, sagte ich mir, das ist meine Geschichte. Ich werde diese Gewalttäter, die Verschwörer, die Funktionäre des Sangh Parivar, all diese wichtigen und respektierten Leute vor die Kamera bekommen, die mit der weißen Weste, die mir berichten, was sie selbst gemacht haben, was die Polizei, was die Regierung und was Narendra Modi, der Chefminister höchstpersönlich. [..] Diese Leute werden ihre Taten zugeben und hinter Gittern verschwinden. Das war die Hoffnung. Erzähler Ashish Khetan hat viele Funktionäre mit angesehenen Berufen getroffen: Buchhalter, Anwälte, Abgeordnete und Staatsanwälte. Alle waren überzeugt von der Richtigkeit dessen, was sie getan hatten, erzählt er mir. Er habe sich dann beeindruckt von ihren Geschichten gezeigt, was diesen Männern offensichtlich schmeichelte. Aber ihn habe nicht nur die Hoffnung begleitet, die Hintergründe der Pogrome aufdecken zu können, sondern auch die Angst davor, enttarnt zu werden. O-Ton Ashish Khetan Sprecher 5 Ich hatte dem Staatsanwalt meine angebliche Herkunft und die Art die Arbeit, die ich mache, vorgetragen und er erzählte mir, wie er muslimische Zeugen und Opfer gedrängt und bedroht hatte, keine Anklage gegen Gewalttäter zu erheben oder sie fallen zu lassen. Während der einen Stunde unseres Gesprächs beschrieb er mir außerdem, wie er selbst einige der Gewalttaten angeleitet und später einige der muslimischen Zeugen mit Geld bestochen hatte. Nach dem Interview saß ich mit meinem Fahrer kaum zehn Minuten im Auto, als das Telefon klingelte. ?Ich weiß nicht, wer Du bist?, sagte er mir und fing an, mich wegen meiner Identität auszufragen. Er habe einen Anruf von jemandem erhalten und habe Zweifel. Er fragte mich gerade heraus, ob ich ein verdeckter Agent sein. Nach dem Telefonat sagte ich meinem Fahrer, er solle sofort zum etwa 100 Kilometer weit entfernten Flughafen von Ahmedabad fahren. Ich rief in der Redaktion an, sagte ihnen, sie sollten mir den nächsten Flug buchen, egal wo hin, Hauptsache raus aus Ahmedabad. Ich glaube, sie waren hinter mir her, aber mein Fahrer raste zum Flughafen und erst als ich in der Abflughalle war, wusste ich: Jetzt bin ich sicher. Atmo Haresh Bhatt Erzähler Ashish Khetans Handwerkszeug war ein Laptop mit eingebauter Web-Kamera und Mikrofon. Auch der Abgeordnete Haresh Bhatt, ein untersetzter Mann in traditioneller Kleidung mit einem großen, geschwungenen Oberlippenbart, schilderte ihm freizügig, wie die Waffen verteilt und organisiert worden sind. Nach dem Brand in Godhra habe Narendra Modi auf einem nächtlichen Treffen mitgeteilt, sie hätten bis zu drei Tagen Zeit um zu tun, was zu tun sei, erzählt Haresh Bhatt in dem verwackelten und grobkörnigen Video. Aber es gab noch schrecklichere Aktivisten als diesen Abgeordneten der BJP, berichtet Ashish Khetan: O-Ton Ashish Khetan Sprecher 5 Es war fürchterlich, ich traf diesen Mann Babu Bajrangi insgesamt vier Mal. Beim ersten Treffen hat er sich noch nicht völlig geöffnet. Er erzählte nur wenig. Dabei war er einer der Hauptverschwörer und nahm an einem der schlimmsten Massaker in Ahmedabad im Stadtteil Naroda teil. Erzähler Täter brüsteten sich damit, Menschen bei lebendigem Leib verbrannt oder mit ihren Schwertern zerstückelt zu haben. Auch Babu Bajrangi, der eigentlich Patel heißt und den Zweitnamen aus enger Verbundenheit mit der radikalen Hindu-Organisation Bajrang Dal angenommen hat. O-Ton Babu Bajrangi Sprecher 3 Es stand in der Strafanzeige gegen mich geschrieben: Da war diese schwangere Frau, die ich aufgeschlitzt habe. Ich habe diesen Schwesterfickern gezeigt, zu was wir in der Lage sind, wenn unsere Leute getötet werden. Erzähler Man dürfe niemanden schonen, hetzte Babu Bajrangi gegenüber Ashish Khetan weiter, man müsse verhindern, dass sie sich vermehrten. Egal ob Frauen oder Kinder, alle müsse man niedermachen. Babu Bajrangi berichtete Ashish Khetan außerdem, wie er nach der Tat von Narendra Modi geschützt wurde. O-Ton Babu Bajrangi Sprecher 3 Einer der Kommissare übermittelte mir den Befehl, ich solle fliehen. Narendra Modi ließ mich in einem Haus der Regierung verstecken. Dort blieb ich viereinhalb Monate. Anschließend wurde ich festgenommen und war für sechs Monate im Gefängnis. Narendra Modi sorgte dafür, dass ich wieder frei kam. Was er für Gujarat getan hat, dazu ist sonst niemand in der Lage. Erzähler Und Babu Bajrangi ist offenbar kein Einzelfall. O-Ton Ashish Khetan Sprecher 5 Es gab viel Druck seitens der Oppositionsparteien, weil Polizei und Regierung in Gujarat völlig untätig blieben, obwohl diese Gewalttäter drei, vier Tage Amok gelaufen waren. Zwar schrieb die Polizei viele Namen in ihre Protokolle und verfasste auch Anzeigen. Aber die Ermittlungen haben sie absichtlich schleifen lassen, regelrecht manipuliert. Sie haben wichtige Beweisstücke am Tatort einfach liegen gelassen und sie haben die Aussagen der Augenzeugen, die vor Gericht wichtige Beweise gewesen wären, absichtlich falsch aufgeschrieben. Die Beschuldigten, die sie schließlich festnahmen, haben Polizei und Staatsanwaltschaft nicht einmal verhört. Die staatlichen Anklagen gegen die Gewalttäter waren also ziemlich schwach. Als ich 2007 in Gujarat recherchierte, waren sie fast alle auf Kaution frei, bis auf ganz wenige Ausnahmen. [..] Die Fälle verloren sich im Nirgendwo. Nach meiner Recherche gab es dann eine große, nationale Debatte. Atmo ?Ashish Khetan from Tehelka ? Headlines today? Erzähler Keine Zeitung, keine Radiostation, kein Fernsehsender oder Internetportal, die nach der Veröffentlichung der Sondernummer von Tehelka am 3. November 2007 nicht über die Ergebnisse der verdeckten Recherche berichteten. Sogar das Parlament in Neu Delhi debattierte darüber. Sprecherin 1 Das oberste Kriminalamt Indiens bestätigte auf Anfrage der indischen Menschenrechtskommission die Echtheit des Materials von Ashish Khetan. Atmo ?Narendra Modi acutally allowed the riots to take place?.... Erzähler Doch Narendra Modis Karriere war deswegen nicht beendet. Im Gegenteil: Nur anderthalb Monate nach der Veröffentlichung wurde Narendra Modi und die BJP erneut in Gujarat an die Regierung gewählt - mit einer absoluten Mehrheit von 64 Prozent. Modi berief daraufhin ausgerechnet die Gynäkologin Maya Kodnani als Frauenministerin in sein Kabinett. Gegen sie waren Ermittlungen schon in vollem Gange. Dutzende von Zeugen belasteten sie wegen der aktiven Teilnahme am Massaker in Naroda. Atmo Werbevideo Modi Erzähler Den Umgang mit allen verfügbaren Medien beherrscht Narendra Modi wie kaum ein anderer indischer Politiker. Seine Propaganda zielt vor allem auf seine wirtschaftlichen Erfolge ab. Gujarat wird darin als ein moderner und fortschrittlicher Bundesstaat verkauft. Atmo ?Transparency and efficancy is what everybody is looking at.? Erzähler Den größten Coup landete Narendra Modi, als er den Großkonzern Tata dazu bewegte, die Produktionsstätte des Nano, des billigsten Autos der Welt, in Gujarat anzusiedeln. Man wäre ja dumm, würde man als Unternehmer nicht nach Gujarat gehen, sagt Ratan Tata. Er war bis Ende 2012 Vorstandsvorsitzender des gleichnamigen Megakonzerns. O-Ton Ratan Tata Sprecher 2 Wir waren immer sehr beeindruckt, was Herr Modi mit seiner effizienten Art und Weise den Staat zu verwalten erreicht hat. Er hält sein Wort. Die Industrie will Sicherheiten haben, wenn sie ihre Produktionsstätten verlagert. [..] Wir haben wirklich das Gefühl, Herrn Modi vertrauen zu können. Wenn er sagt, dass etwas erledigt wird, dann passiert das auch. Musik Sprecherin 1 Zuvor hatte Ratan Tata seinen Plan aufgegeben den ?Nano? in dem von einem Linksbündnis regierten Bundesstaat Westbengalen produzieren zu lassen. Wegen der damit verbundenen Landnahme leistete die Bevölkerung dort massiven Widerstand gegen die Ansiedlung der Produktionsanlage. Nach dem Rückzug Ratan Tatas schickte ihm Narendra Modi eine SMS: Suswagatham ? Willkommen. Atmo Sprecherin 1 ?Dynamisches Gujarat? heißt der globale Wirtschaftsgipfel, den Modi seit 2003 alle zwei Jahre im Januar in Ahmedabad veranstaltet. Auch 2009, wenige Monate nach dem Tata-Coup, kamen Gäste aus 40 verschiedenen Ländern. Atmo ?Modi has managerial qualities to run a country? Atmo ?If one Narendra Bhai can do so much for Gujarat, imagine what is the possibility for India by having Narendra Bhai as the next leader of India? Erzähler Anfang 2009 waren die prominenten Täter des Pogroms von 2002 noch auf freiem Fuß. Maya Kodnani amtierte trotz der bereits erhobenen Beschuldigungen bis zu ihrer Verhaftung im März 2009 noch als Ministerin unter Narendra Modi in Gujarat. Erst im August 2012 wurden Babu Bajrangi und Maya Kodnani zu lebenslänglicher bzw. 28 Jahren Haft verurteilt, zusammen mit 29 weiteren Angeklagten. Die Urteile gegen die Muslime, die wegen der brennenden Zugwaggons in Godhra angeklagt waren, elf Angreifer wurden zum Tode verurteilt und zwanzig weitere zu langen Haftstrafen, weil sie den Angriff schon am Vorabend geplant hätten. Eine These, die auch nach dem Gerichtsurteil in Expertenkreisen noch immer höchst umstritten ist. Atmo Rede Modi ?India first? ? dann Gujarati Sprecher 4 Indien zuerst ? alles andere kommt danach. Die größte Sache ist die Nation, unser Gefühl, unsere Identität. All das verdanken wir dem nationalistischen Ansatz der Bharatiya Janata Party, unserer Indischen Volkspartei. Atmo Rede Sprecherin 1 Ende 2012 wurde Modi mit noch größerem Stimmenanteil wiedergewählt. In den Mittelpunkt seiner Wahlkampagne hatte er das zweistellige Wirtschaftswachstum in seinem Bundesstaat gestellt. Atmo Rede Erzähler Narendra Modi ist ein charismatischer Redner und versierter Demagoge. Er spricht ohne Teleprompter oder Redemanuskript. Bisweilen peitscht er seine Worte ins Publikum, dann wird seine Stimme wieder leiser. Manchmal liegt in seiner Gestik, seiner Stimme und seiner Mimik etwas Bedrohliches. Dann bekommen seine Sätze einen fauchenden Unterton, und er formt seine Hände langsam zur Faust, als wollte er etwas zerquetschen. Auf vielen Kundgebungen spenden die Leute sogar, um ihm zuhören zu können. Andere Politiker müssen bezahlen, um Claqueure anzuheuern. Zu Narendra Modi kommen bis zu einer halben Million Menschen auf eine einzige Kundgebung. Atmo Rede Erzähler Narendra Modi will nun im Mai 2014 indischer Premierminister werden. Noch rechtzeitig vor der heißen Wahlkampfphase erhielt der Hindunationalist juristische Absolution. Bei den Opfern des Pogroms, das er als Chefminister seines Bundesstaates mindestens duldete und rechtfertigte, hat er sich nie entschuldigt. Narendra Modi spricht nicht gerne in die Mikrophone von Journalisten. Nur mit einem Victory-Zeichen kommentierte er Ende Dezember 2013 die Entscheidung des Stadtgerichts in Ahmedabad, die Klage von Zakia Jafri, gegen ihn abzuweisen. Zakia Jafri ist die Witwe eines ermordeten Politikers aus der Gulbarg Society. Sie wollte in erster Instanz den abschließenden Bericht der Sonderermittlungskommission anfechten, der Narendra Modi von allen Anschuldigungen freisprach. Einen Tag später veröffentlichte Modi einen Blog, in dem er sich nach mehr als zehn Jahren erstmals öffentlich zu den Ereignissen vom Februar 2002 äußerte. Sprecher 4 Die Wahrheit hat triumphiert. Die gedankenlose Gewalt, der Unschuldige zum Opfer gefallen sind und die hilflose Familien zurück ließ, [..] hat mich bis ins Mark erschüttert. Gram, Trauer, Elend, Schmerz und Seelenqual sind bloße Worte, die [..] diese Unmenschlichkeit nicht fassen können. [..] Noch am Tag, als der Zug in Godhra gebrannt hat, habe ich die Bevölkerung von Gujarat inbrünstig gebeten, friedlich zu bleiben. In den darauffolgenden Monaten habe ich immer wieder öffentlich die politische Verantwortung der Regierung betont, Frieden zu gewährleisten, Gerechtigkeit herzustellen und die Schuldigen zu bestrafen. [..] Nach 12-jährigen Ermittlungen ist die Sache endlich zu Ende. Ich fühle mich befreit. Musik Erzähler Für Narendra Modi war der Freispruch natürlich ein Fest. Die pompöse Musik, die zu seinen Auftritten bei Wahlkundgebungen gespielt wird, unterstreicht seinen Triumph. Im September 2013 wurde er zum Spitzenkandidaten der Indischen Volkspartei BJP gekürt. Seitdem reißen die Besuche von Wirtschafts- und Politikerdelegationen aus dem Ausland nicht ab. Diplomaten aus den USA und der Europäischen Union revidierten eilig ihre Haltung. Bis dato war Narendra Modi wegen der Pogrome von 2002 eine ?persona non grata? und erhielt keine Einreisevisa. Nun gilt eine andere Marschrichtung, zitiert die Frankfurter Allgemeine Zeitung westliche Diplomatenkreise. Sprecher 2 Man könne nicht einerseits von Indien als der größten Demokratie der Welt sprechen und das Land als Wertepartner preisen, und andererseits das Urteil der indischen Gerichte, wonach Modi an den Unruhen keine Schuld trage, vollkommen missachten. Atmo Juhapura Muezzin Erzähler Pogrome wie 2002 gab es in den vergangen Jahren nicht mehr in Gujarat. Und die Medien, die sich ebenso wie die indischen Konzerne nach zweistelligem Wirtschaftswachstum für ganz Indien sehnen, präsentieren nun gerne Muslime, die sich für Narendra Modi als Premierminister aussprechen, wie Mehbook Ali Bawa, den Vorsteher einer Sufigemeinde aus der Industriestadt Surat in Gujarat. O-Ton Ali Bawa (Gujarati) Sprecher 3 Unter Narendra Modi gab es viel Entwicklung. Warum sollten wir ihn nicht unterstützen? Entwicklung und Marktchancen zählen doch mehr als Entschuldigungen. Atmo Juhapura Muezzin Erzähler Wie lebt die muslimische Minderheit in Gujarat Jahre nach dem Pogrom? Ich besuchte Juhapura, einen Stadtteil von Ahmedabad. Knapp 400.000 Muslime leben hier - durch eine hohe Mauer von den benachbarten Vierteln der Hindus getrennt. Es gibt keine staatlichen Krankenhäuser oder weiterführende Schulen. Was es hier gibt, haben die Bewohner selbst geplant, organisiert und gebaut, erzählte man mir. Manchmal finden sie ein wenig Unterstützung durch Hilfsorganisationen: Ein Spielplatz, wenige Grünflächen und eine weiterführende, englischsprachige Schule entstanden so. Die Stadtverwaltung, durchsetzt von Anhängern der Hindunationalisten, ignoriere die Bedürfnisse der Muslime. Modis Anhänger nennen Juhapura ?Mini-Pakistan?. Es sei, so behaupten sie, ein gefährlicher Stadtteil mit kriminellen Einwohnern. Atmo Juhapura Muezzin Erzähler Trotzdem ziehen viele Muslime nach Juhapura. Denn andernorts werden sie regelrecht ?boykottiert?. In anderen Stadtteilen, die von Hindus dominiert sind, bekommen sie keine Wohnung. ?Nur für Hindus?, steht an Häusern und Wohnblöcken geschrieben. O-Ton Modi Unity (Hindi) Sprecher 4 Ein armer Hindu muss sich gegen Armut wehren, ebenso wie ein armer Muslim. Lasst uns die Armut doch gemeinsam bekämpfen! Atmo Modi Agra Erzähler Dieser Appell Narendra Modis an die Einheit der Religionen Ende Oktober 2013 war schon einen Monat später hinfällig. Ende November setzte er bei einer Kundgebung im Bundesstaat Uttar Pradesh wieder auf die religiöse Spaltung. Vor 100.000 Anhängern sprach er zunächst über die wirtschaftliche Entwicklung Indiens. Aber schließlich bemühte er doch wieder die altbekannten Stereotype. Er warf der Kongress-Partei vor, sich nur um 25 Prozent der Bevölkerung zu kümmern und die restlichen 75 Prozent zu ignorieren. In Agra wurde diese Anspielung deutlich verstanden: 25 Prozent ? das sind die religiösen Minderheiten. Atmo Nachrichten Muzaffarnagar Erzähler Vor dem Auftritt Modis ehrte der BJP-Vorsitzende im Bundesstaat Uttar Pradesh unter großem Beifall zwei Abgeordnete seiner Partei und hängte ihnen Blumenkränze um. Sie wurden als ?Helden? gefeiert, die für ?die Sicherheit der Hindus? gesorgt hätten. Beide waren nach einer vorübergehenden Inhaftierung auf Kaution freigelassen worden. Sie sind angeklagt, wenige Wochen zuvor religiöse Hetztiraden und manipulierte Videos verbreitet und damit die Auseinandersetzungen in Muzaffarnagar, einer Stadt im Bundesstaat Uttar Pradesh, angeheizt zu haben. Sprecherin 1 Dort kamen mehr als 90 Menschen ? vor allem Muslime ? ums Leben. Etwa 6000 Flüchtlinge mussten in Lagern untergebracht werden, es gab zahlreiche Mehrfachvergewaltigungen. Am Anfang stand der Mord an einem jungen Muslim, der angeblich eine junge Frau aus der Hindu-Nachbarschaft belästigt haben soll. Atmo Modi Agra Erzähler Narendra Modi, der kurze Zeit nach der Ehrung der Hassprediger die Bühne betrat, distanzierte sich nicht und verlor kein Wort über die vorangegangene Zeremonie. Auf einer früheren Kundgebung hatte er der Regierung in Uttar Pradesh vorgeworfen, die Festnahme der beiden Abgeordneten entbehre jeder Grundlage und diene der Diffamierung der BJP. Atmo Modi Agra Erzähler Die Größen aus Wirtschaft und Politik irritiert das offenbar nicht. Sie setzen auf Modis investorenfreundliche Haltung. Zahlreiche internationale Autohersteller haben sich bereits in seinem Bundesstaat angesiedelt und genießen Vorzugsbehandlung, außerdem die Chemiegiganten Bayer, BASF und Lanxess. Timothy Moe ist der Goldman-Sachs-Analyst für Asien und Pazifik und Mitverfasser der jüngsten Prognose des US-Bankhauses. O-Ton Timothy Moe Sprecher 2 Wir sprechen nicht für politische Parteien und wir machen keine Wahlprognosen. Wir alle beobachten lediglich empirische Fakten, zum Beispiel den Handel auf den Märkten ? und wir sprechen mit heimischen und ausländischen Investoren: Herr Modi wird als ein Agent des Wandels betrachtet. Atmo Werbevideo Modi: ?Narendra Modi, a stout politician, a mass leader who runs his government more like a sunshine-company? O-Ton Rupa Mody Sprecherin 2 Narendra Modi mag Schnellstraßen und Brücken gebaut haben. Aber sie sind auf Leichen errichtet. Erzähler Die ausgebrannten Häuser der Gulbarg-Siedlung haben sich nicht wieder mit Leben gefüllt. Einige der ehemaligen Bewohner kommen nur manchmal hierher zurück. Wie Rupa Mody. Sie will die Suche nach ihrem Sohn Azhar immer noch nicht aufgeben. O-Ton Rupa Mody Sprecherin 2 Wir fanden keine Leiche meines Sohnes. Nach dem Massaker besuchte mein Mann ein Krankenhaus nach dem anderen. Auch ich war manchmal dabei, um mir noch vor der Obduktion die Leichen anzuschauen, die aus unserer Siedlung kamen. Wir haben die Hände und Füße gemessen und die Kleiderreste der oft bis zur Unkenntlichkeit verstümmelten Leichen betrachtet. Aber wir haben nichts gefunden. Wir glauben, dass unser Sohn einfach nur vermisst ist. Er war so ein argloser, gutartiger, ein bisschen weltfremder Junge. Sogar Spielfilme konnten ihm Angst machen. Wir glauben, dass er sein Gedächtnis verloren hat, als er sich diese Brutalität in unserer Siedlung anschauen musste. Atmo Mody Erzähler Rupa Mody lebt heute in einer Mietwohnung in Ahmedabad. In der Nähe ist das Büro von Babu Bajrangi, der damals besonders brutal gewütet hatte. Bis zu seiner Verhaftung 2009 begegnete sie ihm immer wieder auf der Straße. Sie zeigt mir die Bilder ihres Sohnes, die in einer Wohnzimmer-Vitrine stehen und die vielen Freundschaftsbänder daneben, die ihre Tochter Binaifer für ihren Bruder geflochten hat. Als Zeichen der Verbundenheit, wenn er eines Tages wiederkommt. Absage Indien ganz rechts Die Karriere des Hindunationalisten Narendra Modi Ein Feature von Dominik Müller Sie hörten eine Produktion des Deutschlandfunks 2014 Es sprachen: Robert Dölle, Anja Niederfahrenhorst, Bernd Reheuser, Axel Gottschick, Hans Bayer, Rainer Delventhal, Katherina Wolter und Ina Korff Ton und Technik: Wolfgang Rixius und Jutta Stein Regie: Axel Scheibchen Redaktion: Karin Beindorff 1 1 1