DEUTSCHLANDFUNK Redaktion Hintergrund Kultur / Hörspiel Redaktion: Ulrike Bajohr Tel. (0221) 345 1503 Dossier Zum Beispiel Feldwebel Jenny. Frauen bei der Bundeswehr. Von Christiane Kaess Sprecher: Gregor Höppner und Christiane Kaess Redaktion/Regie: Ulrike Bajohr Ton und Technik: Hans- Martin Renz und Petra Pelloth Musik: Kapsanum /Mania Ballkanike URHEBERRECHTLICHER HINWEIS Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. ? DeutschlandRadio Sendung: 6. Juni 2008 A3a Kaserne/Meldung, laut. Dann Musik: Kapsamum/Tr.5, Anf. bis 1`12 01 O-Ton Jenny 1 "Mein Traumberuf war schon immer zur Bundeswehr hin als kleines Mädchen - ich wollte raus aus Büro und Alltag - was sehen und erleben - und wie jetzt: Einsatz-bezogen. Ich hab schon mit der Einstellung gelebt, wenn ich bei der Bundeswehr eintrete, dass ich dann auch ins Ausland muss, und das wollte ich auch." 02 O-Ton Mutter ) "Die Gedanken gehen dahin: könnte ihr irgendwas zustoßen oder wird sie eine Veränderung mit nach Hause bringen, die vielleicht sehr negativ für ihr weiteres Leben verläuft. Vielleicht aber auch positiv." 03 O-Ton Jenny "Ich hatte gar keine Bedenken. Das einzige, was war - klar - während ich bei der Bundeswehr bin, habe ich geheiratet...da kam mal kurz der Gedanke hoch.... 04 O-Ton Ehemann ... Sie hat so einige Hobbies, die so untypisch sind. Und da kann man ihr auch keine Steine in den Weg werfen." 04a O-Ton Feuerwehrmann Frauen sind heute überall, warum sollen sie nicht auch in den Kosovo gehen? Und von der Gefährlichkeit her - Feuereinsätze, Brandeinsätze sind manchmal gefährlicher als wenn sie da Dienst macht. Deshalb also, ich finde das ganz in Ordnung. (Musik weg) Sprecherin Zum Beispiel Feldwebel Jenny. Frauen bei der Bundeswehr. Ein Feature von Christiane Kaess (von A3a: Hat das Jeder? Jawohl!) Sprecher Fakten : Im Jahr 1996 reichte die Elektrotechnikerin Tanja Kreill beim Verwaltungs-Gericht in Hannover eine Klage ein. Sie hatte sich als Instandsetzungs-Elektronikerin bei der Bundeswehr beworben. Dort waren bis zu diesem Zeitpunkt uniformierte Frauen nur im Sanitätsbereich und als Militärmusikerinnen zugelassen. Tanja Kreill wurde abgelehnt - ihre Klage aber landete vor dem Europäischen Gerichtshof. Der entschied am 11. Januar 2000, dass die Richtlinie der Europäischen Union zur beruflichen Gleichbehandlung der Geschlechter auch auf die Bundeswehr anzuwenden sei. Die Folge: Bundestag und Bundesrat änderten noch im selben Jahr das Grundgesetz. Jetzt war der Weg für Frauen zum - so wörtlich - "Dienst an der Waffe" frei. Und damit auch für Einsätze im Ausland. 05/A1 Atmo packen/ O-Ton Jenny ...zum Beispiel auch so Kleinigkeiten ... . da hab ich zum Beispiel bekommen: Glücksbringer oder halt eben was ich auch wichtig brauch: Ersatzschlösser für den Spind ... " Musik: Kapsamum/Tr. 5 Sprecherin Juni 2007 in einem kleinen Ort im Rheinland. Jenny S. packt. Ihre Katzen streichen um ihren Rucksack. Eine Ersatz-Uniform, eine olivgrüne Feldhose, eine Feldbluse, Socken und schwarze, lederne Kampfstiefel steckt Jenny hinein. Das meiste Gepäck wurde schon vor Wochen verschickt - in Seesack und Kiste. Viel Platz für persönliche Dinge gibt es jetzt nicht mehr. Einen MP3-Player, eine Digital-Kamera, einen Brief der besten Freundin und Fotos von der Familie nimmt Jenny mit. Sie lässt noch ein Parfum-Fläschchen in den Rucksack fallen. 06 O-Ton Jenny "Das - hm - ist eine lange Geschichte. Und zwar hab ich schon damals in der Grundausbildung - ich musste unbedingt mein Lieblings-Parfüm überall bei der Übung mit haben, immer wenn wir im Gelände draußen waren. Und da meine beste Freundin - die war damals auch bei der Bundeswehr gewesen - sich immer drüber lustig gemacht hat, über das Parfüm, hat sie mir halt eben als Glücksbringer für den Einsatz das Parfüm wieder mit eingepackt, so nach dem Motto: Denk an unsere Grundausbildung und, dass sie halt eben so bei mir ist, wenn ich schlechte Tage hab und ich weiß: aha, das muntert mich auf - darüber muss ich lachen." Sprecherin: Jenny hatte Glück - sie bekam zwei Wochen vor dem so genannten "In", also dem Abflug ins Krisengebiet, Bescheid. Manche erfahren den Termin erst drei Tage vorher. Medizinische Fachbücher und ein Englisch-Lexikon legt Jenny noch zum Gepäck. Als Soldatin im Sanitätsdienst wird sie sich in der multinationalen Truppe im Kosovo auch mit Ärzten aus anderen Ländern verständigen müssen. Die sportliche 29jährige ist ausgebildete Rettungsassistentin und will schon lange im Bereich der Notaufnahme arbeiten. Und zwar etwas "extravaganter", wie Jenny es nennt. Das heißt für sie: nicht im zivilen Bereich, sondern bei der Bundeswehr - Luftrettung und Notfallhilfe bei Auslandseinsätzen reizen sie. 07 O-Ton Jenny 4 "Ich hab durch das Anerkennungsjahr als Rettungsassistent, da ich auch ehrenamtlich als Rettungsassistent bei der Feuerwehr fahre, schon Unfälle gehabt, chirurgisch halt eben, schwere Verkehrsunfälle, wo auch leider Patienten ums Leben gekommen sind, Da hab ich schon auch einiges gesehen." Musik: Kapsamum/Tr. 4 ab 1`43 , als Zäsur Sprecher Fakten 2: Am 2. Januar 2001 traten die ersten 244 Soldatinnen bei der Bundeswehr an - begleitet von heftigen Diskussionen. Vor allem konservative Politiker fürchteten um die Kampfkraft der deutschen Streitkräfte, um den letzten Rückzugsraum für Männer. Gegner der Bundeswehr sahen darin eine Niederlage in ihrem Bemühen, die Truppe ganz abzuschaffen. Deutschlands prominenteste Feministin, Alice Schwarzer, hatte sich schon seit Ende der 70er Jahre für das Recht von Frauen auf Militärdienst und gleichzeitig vehement gegen die allgemeine Wehrpflicht eingesetzt. Die Debatte um die Wehrpflicht wurde nun wieder angefacht. Nach wie vor legt Artikel 12 a des Grundgesetzes fest: "Frauen dürfen auf keinen Fall zum Dienst mit der Waffe verpflichtet werden." Dass Männer zur Bundeswehr müssen und Frauen dürfen, führten Totalverweigerer als Beleg für Ungleichbehandlung an. In der Truppe selbst war einer Studie des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr zufolge ein harter Kern von einem Viertel völlig gegen Frauen in der Armee. Knapp die Hälfte aller befragten Soldaten und Offiziere wollte Frauen nicht vollständig in die Bundeswehr integrieren. Befürworter der Neuerung beschwichtigten: Es bedürfe eben der Gewöhnung. Musik: Kapsamum/Tr 4 weiter 08 O-Ton Mutter "Es war kein Freudensprung (lacht) - man muss ja ehrlich sein - wir haben ´s mit gemischten Gefühlen aufgefasst, wir haben uns viel von ihr erklären lassen und heute sagen wir: wir stehen hinter Jennifer und ich glauben, das ist auch eine Position, wo Jenny weiß, dass sie immer wieder zurück greifen kann, wenn irgendwas ist. So hat sie ihren Mann und uns." Sprecherin: Auf dem hellgelben Sofa in Jennys Wohnung sitzt neben der zierlichen Mutter der Vater - hager, groß. Dass seine Tochter sich für die Bundeswehr entschieden hat: kein Problem, sagt der wortkarge Mann. Er habe ihr sogar dazu geraten. Für ihn ist die Bundeswehr schlichtweg ein sicherer Arbeitgeber. Ein Einsatz im Ausland sei die logische Konsequenz. 09 O-Ton Vater "Wenn ich mich verpflichte gehört das dazu. Ich kann nicht alles anderen überlassen. Ich mach mir keine Sorgen. Ihr kann genauso gut im zivilen Leben etwas zustoßen. Ja, ich war selber bei der Bundeswehr - neun Jahre. Mir hat ´s sehr gefallen da." 10 O-Ton Ehemann "Ansonsten telefonieren wir eigentlich täglich abends mal eben - was es so in der Kaserne gegeben hat, oder was es hier zuhause neues gegeben hat. Das sind jetzt die Sachen, die weg fallen. Wir haben aber die Hoffnung, dass es ja klappt dann, ein bis zweimal die Woche zumindest ausgiebig zu telefonieren, dass wir auf dem Laufenden bleiben. Ob es klappt - ist ja auch fraglich, ob die Verbindungen immer stehen, aber ich bin da mal ganz zuversichtlich. Wenn andere Einsätze noch folgen, dann muss man abwarten, wie sich das da vor Ort auch entwickelt. Aber jetzt sich schon den Kopf zu machen - dann mal vielleicht Afghanistan oder irgendwein anderes Land - weiß ich nicht - das halt ich für verfrüht: Ich mach mir dann Gedanken, wenn´s soweit ist und nicht im Vorfeld und vor allem lass ich mich nicht verrückt machen, auch nicht durch die Medien." Sprecherin: Und das ist Jennys Mann. Drahtig, Brille, 29 Jahre, redselig, hauptberuflich auf einer Rettungsleitstelle der Feuerwehr. Die Bundeswehr, sagt er schmunzelnd, kenne ihn nur vom Papier. Er sei wegen des Katastrophenschutzes drum herum gekommen. Er arbeitet in Schichten, muss oft auf Abruf los - und Jenny absolviert vor ihrem Einsatz im Kosovo Lehrgänge im gesamten Bundesgebiet. Das Paar ist es deshalb gewohnt, nur unregelmäßig Zeit miteinander zu verbringen. Allerdings: eine so lange Trennung wie jetzt bevor steht, hatten die Beiden noch nie. 11 O-Ton Ehemann : "Die Faszination von meiner Frau: Sie hat so einige Hobbies, die so untypisch sind. Und da kann man ihr auch keine Steine in den Weg werfen. Von den Lehrgängen wenn sie zurück kommt, da wird man erst mal mit Fachbegriffen tot geschlagen. Und ansonsten rennt sie grundsätzlich wenn´s piept zur Feuerwehr, und macht die Feuer in unserer kleinen Gemeinde aus.(ab hier A2/12 unterlegen: ... alles klar ... Löschzug antreten ... ) In der freiwilligen Feuerwehr sind wir gemeinsam - das ist das Hobby von uns beiden. Wenn der Alarm kommt, dann ist hier in der Wohnung richtig Action angesagt." A2/12 weiter: " ... .alles klar - Löschzug antreten! Ja Kameraden, wie ihr ja wisst: Jennifer ist von der Bundeswehr abkommandiert in den Kosovo, wird uns also hier nicht zur Verfügung stehen. Jenny wir wünschen Dir für die Zeit im Kosovo alles Gute, komm heil wieder nach Hause. Unserer Jenny ein dreifach kräftiges: Gut - Chor: Wehr! - Gut Wehr! Gut Wehr! - Feuerwehrmann: Schönen Dank, wer sich selber noch von ihr verabschieden möchte hat jetzt die Gelegenheit dazu. (Lachen) A2/12 unterblenden unter: Sprecher Fakten: Frauen in der deutschen Armee sehen die Bundeswehr vor allem als zuverlässigen Arbeitgeber, der Karrierechancen bietet. Die Möglichkeit, den Job auch im Ausland zu machen, erscheint vielen attraktiv. Heldenromantik spielt so gut wie keine Rolle. Im Gegenteil. Die meisten stehen ihren militärischen Aufgaben nüchterner und kritischer gegenüber als die Männer in der Armee. Viele Frauen wählen nach wie vor einen eher traditionellen Bereich: Sanitätsdienst, Versorgung, Logistik... Nur ein kleiner Anteil verpflichtet sich in den Kampftruppen. Musik: Kapsamum/Tr. 4 ab 2´00 unter Titelzeile Sprecherin Sprecherin : Mitte Juli 2007 in einer Kaserne im Westerwald. (Musik überblenden in A3: Auf geht`s, Gewehr reinigen!, A3 unter Text) Jennys letzter Arbeitstag vor ihrem Abflug in den Kosovo. Jenny durchlief die gleiche Grundausbildung bei der Bundeswehr wie ihre männlichen Kollegen. Sie hat gelernt, wie man ein Sturmgewehr bedient oder sich im Unterholz tarnt. Heute bildet sie selbst Rekruten aus - Teil ihres Alltags in der Kaserne. Es ist heiß. Draußen erklärt ein Ausbilder Rekruten mit geschminkten Gesichtern verschiedene Bewegungsarten. Jenny, ihre Gruppenführerin, bringt sie anschließend zu den Stuben zurück. Die elf jungen Männer im grünen Flecken tarn und mit schweren schwarzen Lederstiefeln müssen sich auf dem kahlen langen Gang aufstellen - vor sich einen Holzstuhl, darunter eine Isomatte. Darauf legen sie die auseinander geschraubten Einzelteile ihrer Heckler und Koch G 36 - des derzeitigen Standard-Gewehrs der Bundeswehr. A3 hoch, unter O-Ton weg 13 O-Ton Jenny Ausbildung "Wir sind halt eben eine Ausbildungskompanie. Das fängt an von der Waffenausbildung, wo halt eben der Zivilist, der bei uns rein kommt, halt eben das Soldatenleben so langsam lernt. Von der Waffenausbildung bis hin zum, ja, halt eben Ersthelfer. Wir befinden uns ja im Sanitätsdienst und dort wird der Rekrut halt eben auch ausgebildet in erster Hilfe. Dass es auch schon so ein bisschen einsatzbezogen ist, die Ausbildung." 14 O-Ton Jenny noch Ausbildung "Wie zerlege ich zum Beispiel eine Waffe - wie setze ich die zusammen. Genauso wie ich eine Waffe reinigen muss. Das ist wichtig. Und das ist der sichere Umgang, weil sie machen ja auch Wachdienst und da haben sie halt auch die Waffe am Mann." A3 hoch und weg: Sprecherin: Jenny bleibt wenig Zeit, über den kommenden Einsatz nachzudenken. Der volle Dienstplan sei die beste Ablenkung, meint sie, um nicht nervös zu werden. Ihr Mann hat sie nach dem Wochenende zur Kaserne gebracht. Noch können sie jeden Abend eine Stunde lang miteinander telefonieren. Im Kosovo wird das nicht mehr möglich sein. Auf die privaten Herausforderungen bereitet Jenny niemand vor. Trainiert wird in sogenannten einsatzbezogenen Lehrgängen nur das, was der Dienst braucht: 15 O-Ton Jenny Vorbereitung "Es werden dort Fälle durchgeübt mit den Soldaten, wie zum Beispiel jetzt für uns wichtig für den Sanitätsdienst, im Medizinischen: ein Massenanfall von Verletzten, zum Beispiel so was wird durchgeübt, durch gespielt. Dann auch besprochen, wie das dort aussieht, wie dort die Einheimischen reagieren, wie wir zu reagieren haben, dass wir so ein bisschen darauf sensibilisiert werden auf das Einsatzland und auf das Geschehen." Musik: Kapsamum/Tr. 4 weiter, als Zäsur Sprecher Fakten : Mittlerweile, so belegt auch der jüngste Jahres-Bericht des Wehrbeauftragten der Bundesregierung, Reinhold Robbe, betonen viele Vorgesetzte in der Bundeswehr, die ihnen unterstellten Soldatinnen seien leistungsorientiert und motiviert. Mit ihrem Ehrgeiz spornen die Soldatinnen ihre männlichen Kollegen offenbar an. Die nehmen die Frauen deshalb aber auch als Konkurrenz wahr. Im Sanitätsbereich haben viele Männer den Eindruck, sie seien jetzt das benachteiligte Geschlecht. Dennoch sind Frauen in den oberen Diensträngen deutlich unterrepräsentiert. Offiziell heißt es, die Zeit sei zu kurz gewesen, als dass Soldatinnen schon hätten aufsteigen können. Außerdem bewerben sich Frauen selten als Berufs-Soldatinnen. Sie bevorzugen eine begrenzte Laufbahn auf Zeit - verpflichten sich also nach dem Grundwehrdienst für zwei bis höchstens zwölf Jahre als aktiver Soldat. Sprecherin: Mitte Juli 2007, Militärflughafen Penzing in Bayern, Abflug nach Pristina Musik hoch, verblenden mit A4/Transall innen, unter Text In Jennys Gruppe fliegt auch eine Rekrutin mit, die sie ausgebildet hat. In der bauchigen Transall-Maschine sitzen die Soldatinnen und Soldaten längs der Flugzeugmitte dicht nebeneinander. Auf Bänken aus Segel-Tuch schnallen sie sich an. Ohrstöpsel gegen den betäubenden Lärm werden verteilt. Zwei bis drei Stunden dauert der Flug nach Pristina, der Hauptstadt des Kosovo. A4 verblenden mit A5, Autofahrt, unter Text und O-Töne bis Ende O 17 Von da aus geht es mit Militär-Jeeps weiter ins südliche Prisren, wo Jenny für die nächsten zwei Monate stationiert ist. Der Weg führt durch eine hügelige Landschaft. Auf grünen Anhöhen grasen friedlich Kühe. Dann wieder schlängelt sich die gut ausgebaute Straße durch steile Schluchten. Nur der Müll, der an den Straßenrändern der kleinen Ortschaften liegt, durch die der grüne Jeep rumpelt, erinnert daran, dass noch nicht alles so organisiert ist, wie die internationalen Kräfte vor Ort es sich wünschten. In den Dörfern weisen nationalistische Schmierereien hier und da an Hausmauern darauf hin, dass es unter der Oberfläche des scheinbar friedlichen Lebens brodelt. Allerdings müsse man unterscheiden können, erklärt Oberstleutnant Lothar Piepenbreier, der Jennys Tross begleitet. Und er erzählt vom "Happy Shooting", wie es der Soldaten-Jargon nennt - einer Tradition bei lokalen Festen. 17 O-Ton Piepenbreier Waffen "Der Fall, wenn bei Hochzeiten in die Luft geschossen wird. Ist eine Sache, die gerade jetzt in der Hochzeit-Saison quasi jeden Abend statt findet. Man hört das gerade auch im Feldlager, hört man die Schüsse, man kann die verschiedenen Kaliber auseinander halten, man weiß, ob es jetzt eine automatische Waffe war oder eine Pistole oder ein Jagdgewehr. Heißt aber auch in der Ableitung nix anderes als: Waffen sind da und Munition ist auch da - egal wofür sie benutzt wird." (A5 in Ende A6 , Autotür wird heftig zugeschlagen) 18 O-Ton Jenny Ankunft "Ich hab´s mir ganz anders vorgestellt, von den Erklärungen her. Negativer. Aber von der Umgebung - doch sehr schön landschaftlich. Man hat zwar hin und wieder ein paar Stellen gesehen, die unschön waren, aber allgemein war´s doch ein sehr positiver Eindruck gewesen." Musik: Kapsamum/Tr. 3 Anf. unter Titelzeile Sprecherin Sprecherin: Ende Juli 2007. Prisren, Zentrum der Region südliches Kosovo. Musik hoch, unter Textanfang weg: 100 000 Einwohner, Hauptquartier der Multinational Task Force South - einer Truppe aus sieben Nationen innerhalb der Kosovo Force, kurz KFOR - also die von der NATO-geführte multinationale Operation. Das Hauptquartier der Multinational Task Force South befindet sich an einer Ausfallstraße von Prisren. Über das riesige Gelände verteilt liegen weiß gestrichene Baracken an die Hügel um die Stadt geschmiegt. A7Telefonklingeln - "Notfallaufnahme in Prisren"/überbl. in A7a, unter Text In einer davon das Krankenhaus, in dem Jenny nun seit zwei Wochen arbeitet. Nebeneinander aufgereihte Liegen sind mit weißem Papier überzogen. Das Krankenhaus ist noch neu. Bis vor kurzem musste man sich mit Zelten und Operations-Containern behelfen. Im jetzigen Einsatzlazarett, ELAZ genannt, schiebt Jenny Tages- und Nachschichten. (A8a/Piepen- Oberstabsarzt ... .in A8b, unter O-Ton 19) 19 O-Ton Klinikchef "Diese Einrichtung hier wurde nach deutschen Hygienestandards und baurechtlichen Standards entworfen, geplant und gebaut. Gelegentlich ist es schwierig, diese Verhältnisse hier aufrechtzuerhalten. Im Prinzip funktioniert alles, aber wir sind jetzt in der Phase des Neubezuges. Hier stellt man kleinere Abweichungen fest, die aber im Rahmen einer Nachbesserung durchaus zu beheben sind." Sprecherin: Jenny´s Chef in der Klinik. In den steril wirkenden Räumen arbeiten im Wechsel drei Ärzte, sechs Unteroffiziere und zwei Soldaten im sogenannten Mannschaftsdienst. Weil im Camp die Truppen mehrerer Nationalitäten zusammen kommen, ist alles auf NATO-Standards abgestimmt. Eine deutsche Trage zum Beispiel muss auf ein niederländisches Fahrgestell passen. Im Notfall sind solche scheinbaren Kleinigkeiten wichtig. 20 O-Ton Klinikchef "Das hier ist der Bereich der Notaufnahme - zentraler Anlaufspunkt für Notfallpatienten oder nachts, wenn keine übrigen Kameraden hier eingesetzt sind. Hier ist rund um die Uhr ein 24 Stunden Betrieb mit zwei ausgebildeten Kameraden - und was sehen wir hier? ... ." (O 20 weiter laufen lassen und drüber) Sprecherin: Über den schmalen Liegen sind Anschlüsse für Sauerstoffgeräte in der Wand verankert. Infusionsflaschen hängen an hohen Ständern. Wenn ein Notfall-Patient eingeliefert wird, muss es schnell gehen. A9 Hubschrauber Als Notfälle kommen KFOR-Soldaten wie auch Zivilisten. Dass man im Feldlager der Truppen medizinisch bestens versorgt wird, hat sich auch bei den Bewohnern von Prisren herum gesprochen - wenngleich die Klinik vor allem für das Militär bestimmt ist. Häufig sind es Schwerverletzte von Unfällen auf den unsicheren Straßen des Landes, die von der zuständigen Kompanie oft per Hubschrauber gebracht werden. Jenny hat schon mehrere solche Einlieferungen erlebt seitdem sie hier ist. 21 O-Ton Jenny Klinik "Wo der Patient reinkam und zwar nach dem Verkehrsunfall, wurde direkt ein komplettes Monitoring vorbereitet, das heißt, Blutdruckmanschette dran, wie der Blutdruck ist, wie die Sauerstoffsättigung im Blut ist, wie die Atmung ist, es wurde gehorcht - Herztöne, die Töne von der Lunge, ob dort irgendwelche Verletzungen im Thorax-Bereich sind, wie die Pupillenreaktion ist. Es waren verschiedene Fachbereiche vor Ort: Internisten, Chirurgen, damit auch klar gestellt wird, wenn das doch zum OP muss, dass auch direkt der OP bereit ist, der Chirurg, der Anästhesist direkt vor Ort ist, für die Einleitung der Narkose halt eben. Der Patient hatte mehrere Verletzungen gehabt - und die halt eben auch lebensbedrohlich waren." A 9 Hubschrauber hoch und unter Text weg Sprecher Fakten : Anfang 2008, gut sieben Jahre nach der Öffnung der Armee für Frauen, liegt deren Anteil bei etwa acht Prozent. Gut zwei Fünftel der Soldaten im Sanitätsdienst sind weiblich. Eine Uniform des Heeres tragen dagegen nur rund vier Prozent. Die vorgeschriebene Frauenquote hat die Bundeswehr damit noch lange nicht erreicht. Laut Gleichstellungsgesetz aus dem Jahr 2005 sollten mindestens 50 Prozent Frauen im Sanitätsdienst und 15 Prozent in allen übrigen Bereichen arbeiten. Dabei hat man sich an der Zahl der Soldatinnen in anderen Armeen der NATO- Mitgliedsländer orientiert. Im Bundesverteidigungsministerium ist man der Ansicht, der 15 Prozent-Anteil müsse kontinuierlich anwachsen. Sonst hätten etwa 38.000 weibliche Soldaten gleichzeitig in die Bundeswehr eintreten müssen. Tatsächlich werden weniger Frauen eingestellt als sich bewerben. Begründet wird dies damit, dass sich Frauen in den für sie besonders interessanten Bereichen gegenseitig Konkurrenz machen. A10 Sauerstoffgerät, unter: Sprecherin: Im Schockraum, in dem Schwerverletzte unmittelbar behandelt werden können, kontrolliert Jenny die Sauerstoffgeräte, zählt Medikamente und Material durch. A10 überblenden in A11, Morphine zählen: 23 O-Ton Jenny Klinik In diesem Schrank - ist abgeschlossen - sieht aus wie so ein kleiner Tresor. Da sind unsere Betäubungsmittel drin. Schmerzmedikation, wie zum Beispiel Morphine. Das wird überprüft zusammen mit dem Kameraden auf Vollzähligkeit. Und wird auch in die Liste dort eingetragen, dass es sich auch dort befindet. Das sind also die wichtigsten Medikamente, die wir hier haben." A11 hoch, überbl in Musik: Kapsamum/Tr. 3 weiter, als Zäsur Sprecher Fakten Die Öffnung der Bundeswehr für Frauen fiel in eine Zeit, in der die kontrovers diskutierten Auslandseinsätze für deutsche Soldaten zur Normalität wurden. Derzeit sind rund 7000 Bundeswehr-Soldaten auf dem Balkan, in Afghanistan, vor der Küste des Libanon, am Horn von Afrika, sowie in Beobachtermissionen der Vereinten Nationen in Äthiopien und Eritrea, im Sudan und in Georgien im Einsatz. Etwa 350 von ihnen sind Frauen. Bisher ist kein weiblicher Soldat ums Leben gekommen. In Zukunft sollen auch in den Sonderkommandos der Bundeswehr - wie im KSK, dem Kommando Spezialkräfte, einer Elitetruppe der Bundeswehr - Soldatinnen im Kampfeinsatz Dienst leisten. Im Bundesverteidigungsministerium hält man Frauen für besonders geeignet, um das Vertrauen der weiblichen Bevölkerung in Krisengebieten zu erringen. Und das Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr bestätigt, dass bei Einsätzen zur Deeskalation oder zur Friedenserhaltung im Ausland die kommunikativen und sozialen Kompetenzen der Frauen in Uniform geschätzt werden. Daneben erhofften sich viele Führungskräfte einen besseren Umgangs-Ton und ein angenehmeres Betriebs-Klima durch Frauen in der Truppe. Musik: Kapsamum/Tr. 1, unter Titelzeile Sprecherin, hoch und weg: Sprecherin: Drei Wochen Prisren. Jenny hat das Hauptquartier der deutschen Truppen noch nicht verlassen. Von der Umgebung abgeschottet, kennt sie nur die Stuben, die kleinen Kneipen und Restaurants, die über das Gelände verteilt liegen und die große Kantine des Feldlagers. Mit ihren Diensten in der Klinik könnte sie auch bis Ende ihres Einsatzes so weiter machen. Nach draußen müsste sie gar nicht. Aber sie will. 24 O-Ton Jenny will raus "Wenn man den ganzen Tag hier drin arbeitet, möchte man doch mal ein bisschen raus und was von der Gegend schon sehen. Man ist ja nicht jeden Tag hier unten quasi. Es interessiert mich schon, wie da die Mentalität ist, wie dort die Leute so leben, wie dort der Alltag aussieht." A12a Autofahrt Stadt Sprecherin: An ihrem nächsten freien Tag fährt Jenny mit einer Gruppe Kollegen und einem Übersetzer in die Innenstadt von Prisren. Ihre Uniformen müssen die Soldaten auch hier tragen - obwohl es sehr heiß ist. Im historischen, renovierten Zentrum mit seinen kopfsteingepflasterten Straßen herrscht munteres Treiben. Viele Kosovo-Albaner, die im Ausland leben, sind für die Ferien zurück gekommen. Aus den Hinterhöfen klingt Musik. Lokale Bands üben für die zahlreichen Hochzeiten. Vor einem imposanten Kuppel-Gebäude mit Minarett bleibt der Übersetzer stehen. 25 O-Ton Übersetzer (Atmo am Anfang unter vorig. Text) "Das ist die Sinan-Pascha-Moschee und sie wurde 1615 aufgebaut. Das ist eine der ältesten Moscheen, nicht nur in Prisren, sondern auch auf dem ganzen Balkan. Diese Moschee wurde damals während der Herrschaft des Osmanischen Reichs hier aufgebaut." A13 Innenraum - leiser Gesang schon vorher drunter Sprecherin: Im kühlen hohen Inneren des Gebetshauses hockt eine Gruppe älterer Männer auf abgetretenen Teppichen. Einer von ihnen stimmt einen Gesang an. In einer Ecke sitzen zwei junge Mädchen. Die Schuhe haben alle vorschriftsgemäß vor der Tür abgestellt. Auch die Soldaten müssen ihre klobigen Kampfstiefel ausziehen, bevor sie über die Schwelle treten. Jenny zögert. Sie ist beeindruckt von dem Gebäude, bleibt aber schließlich draußen stehen. 26 O-Ton Jenny Moschee "Ich hatte vielleicht noch so ein bisschen Respekt davor gehabt, dass ich da rein gehe - deswegen also - so grad auch als Uniform-Träger bin ich schon so ein bisschen vorsichtig. Ich weiß nicht ... ." A12 und Muezzin) Sprecherin: Nur wenige Meter von den schön geputzten Straßen und Geschäften entfernt stehen die Ruinen des verlassenen Serbenviertels. Die Dächer der einstigen Wohnhäuser sind eingestürzt, die Dachstühle verkohlt - die Fensterscheiben eingeschlagen, die Mauern von schwarzem Ruß überzogen, von dem Feuer, das sie ausbrannte. 27 O-Ton Übersetzer Serbenviertel: "Die meisten Häuser dieses Viertels wurden schon nach NATO-Einmarsch, oder nach Einmarsch der Albaner aus Albanien und Mazedonien, die zurück kehrten, hier verbrannt. Und im Jahr 2004 während den März-Unruhen brannten noch die übrig gebliebenen Häuser, die noch standen." A12 Sprecherin: Etwa 7 000 Serben lebten vor dem Krieg in Prisren. Heute sind es nur noch ein paar Familien. Die Stimmung in der Stadt verrät heute nichts von Anspannung oder Konflikt. Die Menschen suchen allenfalls vor der Hitze Schutz. Unter großen Sonnenschirmen schlürfen sie kalte Getränke. Vor einem hippen Café auf dem Marktplatz sitzt dessen Besitzer - ein junger Mann - und zieht an seiner Zigarette. Der Übersetzer dolmetscht für die Soldaten. 28 O-Ton Café- Besitzer (albanisch mit Übersetzung) Sprecherin: Als Besitzer des Cafés sei er gut beschäftigt, erzählt der Mann. Das gelte nicht für viele hier. Doch jetzt werde alles besser. Es werde Arbeit geben und eine bessere Ausbildung für Jugendliche. Serben kenne er keine, es wäre ihm aber auch egal, wenn welche in der Stadt blieben. 28 O-Ton Café- Besitzer (albanisch mit Übersetzung, als Atmo hoch und weg) Sprecher Fakten: Im Sommer 2007 stiegen die Spannungen in der serbischen Provinz. Die Kosovo- Albaner warteten ungeduldig auf die lang ersehnte Unabhängigkeit. Und auch die Regierungen der USA sowie einige EU-Staaten sahen keine Alternative mehr zu einer einseitigen Erklärung der Unabhängigkeit des Kosovo von Serbien. Monatelange Verhandlungen zwischen serbischen Vertretern und denen des Kosovo haben zu keiner Einigung geführt. Belgrad will die Provinz nicht aufgeben. Im Kosovo verspricht man sich von einer Loslösung vom verhassten Serbien einen wirtschaftlichen Boom. A 12 oder 12a oder Muezzin 29 O-Ton Jenny Rundgang "Die ganze Zeit, wo ich jetzt im Lager war, hab ich mich gefragt, wie leben die Leute draußen, wie sieht dort der Alltag aus, und ich bin doch sehr überrascht. Das ist wie so ein normaler Samstag in Deutschland, wo halt eben die Leute durch die Straßen spazieren gehen, in den Straßen-Cafés sitzen. Es beruhigt einen doch ungemein, dass es friedlich ist, die Leute, die reden miteinander. Allerdings, jetzt in dem Serbenviertel hat man schon noch dieses - wie soll ich sagen - Krisengebiet gesehen, mit ausgebrannten Häusern. Und das hat mich doch schon wieder so ein bisschen erschrocken. Ich sag mir: ich lauf hier ja nicht umsonst bewaffnet rum, mit Uniform." Musik: Kapsamum/Tr. 1, weiter: Sprecherin: Die Fahrt hinaus aus der Stadt entlang des Flusses Prizrenska Bistrica führt in ein malerisches Tal. Dann, mitten in der Landschaft, das Erzengelkloster. Auch hier: Spuren des Konfliktes, wie Major Christian von Platen erklärt. 30 O-Ton van Platen Erzengelkloster : "Die Wohngebäude dieses Klosters sind 2004 durch albanischen Mob, sag ich mal, angezündet worden und abgebrannt. Die serbischen Mönche konnten durch KFOR-Kräfte evakuiert werden. Und jetzt ist es so, dass wir hier ständig mit Kräften der KFOR vor Ort sind. Und wenn Sie hier nach rechts gucken auf den Berg, dann sehen Sie oben einen Beobachtungspunkt, so dass KFOR recht frühzeitig erfahren kann, wenn sich Menschenmassen annähern und dann gegebenenfalls Abwehrmaßnahmen einsetzen kann beziehungsweise Straßensperren einrichten kann." Sprecher Fakten: Tatsächlich stellte die im März 2004 explodierende Gewalt der Albaner gegen die serbische Minderheit der KFOR und insbesondere den deutschen Truppen in Prisren ein schlechtes Zeugnis aus. Überrumpelt und überfordert seien sie gewesen, so heißt es. Die Bilanz der damaligen Ausschreitungen im Kosovo: 19 Tote und 900 Verletzte, unter ihnen italienische und griechische KFOR-Soldaten, die serbische Einrichtungen schützen sollten. Das wenige, das die deutschen Kommandeure als Begründung für ihr schwaches Eingreifen vorbrachten: demonstrierende Frauen und Kinder hätten die Ausfahrtswege aus dem Feldlager blockiert. Währenddessen brannte die hasserfüllte albanische Menge serbische Kirchen und Klöster nieder. Die 16 deutschen Soldaten am Erzengelkloster, denen keine Streitkräfte zur Hilfe kamen, als sie sich einem Mob von mehreren hundert Albanern gegenüber sahen, luden als letzten Ausweg die sechs serbischen Mönche in ihre gepanzerten Fahrzeuge und brachten sie und sich durch das flache Wasser der Bistrica in Sicherheit. Der Mythos der Unangreifbarkeit der KFOR als Schutztruppe war dahin. "Die Hasen vom Amselfeld" spottete das Nachrichtenmagazin der Spiegel über die deutschen Einsatzkräfte in Prisren. Ein serbischer Bischof verlangte vor Journalisten: nach allem, was die Deutschen dem Balkan in zwei Weltkriegen angetan hätten, sollten sie sich nicht auch noch als Friedensstifter versuchen. Ihre Mission sei gescheitert. A15 Musik "Tag verschenkt? Sprecherin: Ende Juli 2007. Bergfest im Camp Prisren A15 hoch, darauf Das Bild wirkt martialisch: etwa 200 Soldaten in Uniform haben sich am Fuße der Hügel im militärischen Hauptquartier Prisren versammelt. Auf einer riesigen Bühne spielt eine Band. Auch Sängerin und Sänger tragen Uniform. Soldatinnen und Soldaten eines Kontingents feiern: im Gegensatz zu Jenny, die noch die meiste Zeit ihres Einsatzes vor sich hat, haben ihre Kollegen die Hälfte ihres Auslandseinsatzes überstanden. Der deutsche Kontingentführer, Brigade-General Robert Bund, spricht lobende Worte 31 O-Ton Bund Eröffnung "Wir haben zwei heiße Monate hinter uns. Allerdings, heiß, Gott sei Dank, nur aufgrund der Temperatur. Denn, das was hier an Wettererscheinung bisher zu beobachten war, ist sehr außergewöhnlich. Und ich weiß um die Probleme, die dadurch entstanden sind. Im Bereich, vor allem der Unterkünfte, aber natürlich auch im Bereich der Einsätze. Und ich kann nur sagen, Hut ab vor dem, was Sie hier leisten, unter diesen Bedingungen. Hut ab auch deshalb, weil durch Ihre Leistungen das Ansehen von uns allen hier im Land auf einer extrem soliden Basis steht." A17 (Pomerlunder), darauf Sprecherin : Tombolas und die Versteigerung von Trikots deutscher Fußball-Mannschaften heizen die Party an. Je später der Abend, desto ausgelassener die Stimmung. A17 Schreie "Zugabe", Sänger: "ich kann Euch nicht hören - alle jetzt mal - auch dahinten - einen gibt's noch - wir fangen ganz geschmeidig an. (singt:) - ein belegtes Brot mit Schinken ein belegtes Brot mit Ei - und dazu eisgekühlten Pomerlunder ... ... !" darauf: 32 O-Ton Jenny Frauen in Armee "Ja, man kommt sich schon so ein bisschen vor, wie wenn man ein Exot ist - im Zoo, sag ich mal. Man merkt das schon, diese vielen Blicke, die auf einen geworfen werden, wie man gemustert wird von oben bis unten. Es ist schon unangenehm. Wenn ich natürlich jetzt mit zwei, drei Kameradinnen zusammen da hin gehe, dann ist es Gruppen-Dynamik, dann stört das nicht so. Aber doch, alleine als Frau ist es doch manchmal ein bisschen unangenehm." A17 Pomerlunder wieder hoch - Mitgegröhle; immer schneller - Applaus; Sänger: "Dankeschöööööhhhn"; darauf: Sprecherin: In der vom Alkohol aufgeheizten Atmosphäre legen die Männer jegliche Hemmung ab. Dass auch Frauen anwesend sind, scheint sie dabei nicht zu stören. Die Soldatinnen halten sich zurück. Nicht nur hier, sondern auch bei ihrer täglichen Arbeit in der Klinik, merkt Jenny den Unterschied der Geschlechter in der Armee. 33 O-Ton Jenny Blicke "Das Problem ist - es ist ja nicht nur der Sanitäts-Dienst hier vertreten, wo es ja normal ist, dass es viele Frauen gibt, sondern es sind auch andere Truppengattungen hier, wo es dann auch wenig Frauen gibt, und dort ist dann eine Frau noch ein seltenes Exemplar. Bis jetzt, vom Eindruck her, haben schon die Holländer und die Deutschen - die sind da schon dran gewöhnt. Und auch die Österreicher und Schweizer. Aber wenn zum Beispiel jetzt die Amis da sind, dann schauen sie schon." Sprecher Fakten : Die Bundeswehr traf vor Ankunft der ersten Frauen Vorsichts-Maßnahmen. Kompaniebefehle schrieben zum Beispiel vor, wie sich Männer und Frauen zu verhalten haben, wenn die Stuben auf demselben Gang liegen. Dann seien die Zimmer in, so hieß es, "angemessenem Anzug" zu verlassen. Sogenannte "Gender Trainings"- also eine Sensibilisierung für Geschlechter-Fragen - gehören mittlerweile zur Ausbildung eines jeden Vorgesetzten. Dennoch: Laut einer Studie des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr geben vier Prozent der in der Bundeswehr tätigen Frauen an, sexuelle Übergriffe seien in Einzelfällen vorgekommen. Sexistische Bemerkungen haben gut 30 Prozent der Frauen ab und an erlebt, fast neun Prozent sprechen von einem häufigen Phänomen. Die Zahlen seien rückläufig, schreibt der derzeitige Wehrbeauftragte in seinem Jahresbericht. Allerdings melden rund drei Viertel der betroffenen Frauen die Belästigung nicht. Die meisten befürchten, es käme ohnehin nichts dabei raus, ihre Stellung in der Truppe würde sich nur verschlechtern. Tatsächlich musste jede fünfte Betroffene feststellen, dass ihrer Beschwerde nicht nachgegangen wurde. Dagegen steht die Erfahrung, dass nach einer ernst genommenen Meldung die sexuelle Belästigung aufhörte. Musik: Kapsamum/Tr. 7,Anfang Sprecherin: Am Morgen nach der Feier. Musik hoch, überblenden in A19 Kirchenglocken Ein paar Soldaten klappen lustlos die leeren Bierbänke zusammen und räumen Müllsäcke beiseite. Nach dem langen Bergfest sind nur wenige in die kleine hölzerne Kirche hinter dem Festplatz gekommen. 34 O-Ton Kirche Gebet) "Allmächtiger, barmherziger Gott, himmlischer Vater, Dir verdanken wir unser Leben - jeden Tag - und die Kraft für unseren Dienst - auch hier im Einsatz - segne uns, damit wir dem Wohl der Menschen dienen können. Durch unseren Herrn und Heiland Jesus Christus. Amen" A 20 Gesang Kirche unter 35 O-Ton Pfarrer 1 Trauma "Also hier haben wir natürlich noch keine schweren Erlebnisse gehabt, hier haben wir noch keine traumatisierten Soldaten. Bei mir am Standort passiert das schon. Wenn Soldaten aus dem Auslands-Einsatz wieder kommen. Wenn sie in Afghanistan waren. Denken wir mal an 2003 - so einen Fall hatte ich eben auch. Als dieser Terror-Anschlag in Kabul war. Vier tote Soldaten und weitere 30, glaube ich waren es, schwerstverletzt." Sprecherin: Solche Ereignisse, wie sie der evangelische Militär-Seelsorger aus Afghanistan schildert, könnten bei den überlebenden Soldaten zu Suizid-Gedanken führen. Die Probleme, mit denen die Soldatinnen und Soldaten im Kosovo zu ihm kommen, bewegen sich in anderen Dimensionen: Heimweh, Geldsorgen, Schwierigkeiten mit dem Partner zu Hause. Manchmal empfehlen die Geistlichen den Truppen-Psychologen. Es geht letztlich um das Gespräch über das Erlebte und die Probleme der Soldaten. Auch für Jenny ist der Gedankenaustausch im Auslandseinsatz noch wichtiger als daheim. Hier kann man nicht nach Dienst-Ende oder an den Wochenenden nach Hause fahren. Die Belastungen, so meint Jenny, schleppe man weiter mit. 36 O-Ton Jenny Freundschaft "Ich hab eben jetzt zwei Kameradinnen, mit denen ich ein bisschen mehr Kontakt habe, mit denen ich mehr abends zusammen sitze und private Sachen anvertraue. Das ist fast so wie so eine - ja ich sag mal - beste Freundin. Wo man halt eben sagt, der Tag heute, der lief heut nicht so gut, und das und das hat mich halt eben gestört. Und: wie geht´s zuhause mit meinem Mann. Und ich vermiss das so. Das tut eigentlich ganz gut, dass man da zusammen sitzt .. Sprecherin: Ob sie mit den "Kameradinnen", über ihre Zweifel an ihrer Ehe spricht, verrät Jenny nicht. Die Probleme in der Beziehung, die sie aus der Distanz des Auslands- Einsatzes festgestellt hat, beschäftigen sie. Aber sie braucht Zeit, sich jemandem anzuvertrauen. Musik: Kapsamum/Tr. 7, weiter, als Zäsur Sprecher Fakten: Monatelange Auslandseinsätze belasten die Familien der Soldaten. Es gibt noch keine Studie darüber, ob Ehen von ehrgeizigen Soldatinnen größeren Problemen ausgesetzt sind als etwa die herkömmlichen Offiziersehen. Fest steht: Seit Jahren steigen die Scheidungsraten unter Bundeswehrangehörigen. In einer neueren Studie geben rund 25 Prozent der Soldatinnen und Soldaten gleichermaßen an, ihr Beruf bringe Schwierigkeiten für die Partnerschaft mit sich. Im Jahr 2000 ließ sich ein Sprecher der Streitkräfte und des Sanitätsdienstes noch sinngemäß zitieren: auf Familien könne man keine Rücksicht nehmen. Das würde er heute wohl nicht mehr so formulieren. Allerdings ist über die Hälfte sowohl der Männer als auch der Frauen damit unzufrieden, wie die Bundeswehr die Vereinbarung familiärer Belange mit beruflichem Aufstieg behandelt. Mit dem verstärkten Einsatz von Soldatinnen und dem sich wandelnden Vaterbild hat die traditionelle Männerhochburg Bundeswehr ein ganz praktisches Problem: Muss auch sie zum Teilzeit-Arbeitgeber werden? Musik: Kapsamum/Tr. 9 Anf. unter Titelzeile Sprecherin, hoch und weg: Sprecherin: Herbst 2007 in einem kleinen Ort im Rheinland. Feldwebel Jenny ist bald dreißig. Ihr privates Umfeld erwartet, dass sie an Kinder und eine "richtige Familie" denkt. Jenny sieht das ganz anders. Sie hat ihren Einsatz im Kosovo noch einmal verlängert, zwei weitere Wochen an die vorgesehenen acht dran gehängt. Trotz der Hitze im Krisengebiet, trotz der fehlenden Privatsphäre auf der Stube, die Jenny mit bis zu drei Soldatinnen teilen musste, trotz der vielen Schichten in der Klinik. Ein kleiner Beitrag zum Aufbau der Region sei ihr medizinisches Engagement gewesen, das sie im Kosovo geleistet habe, sagt sie. Die Rückkehr war schwer. Sie sei im Kopf noch lange in Prisren gewesen - es hätte gedauert, bis sie auch gedanklich wieder daheim angekommen sei. Was Jenny an Erlebnissen und Eindrücken mitgenommen hat, konnte sie den Zuhause- Gebliebenen kaum vermitteln. Das trägt man im Herzen, sagt sie - das kann man nicht wirklich mitteilen. Das kann auch heißen: keiner wollte es wirklich wissen. In der kleinen Stadt, in der sie wohnt, hatten viele schon ihr Weggehen misstrauisch verfolgt. 37 O-Ton Jenny Neid "Es gab schon einiges an Neid, wo man gedacht hat, dass deren Leben vielleicht nicht so ausgefüllt ist, und dass sie so ein bisschen meins verglichen haben, und dass das dann schon so ein bisschen rüber kam. Für mich ist bestätigt worden: das war genau das, was ich brauchte, das ist genau mein Ding gewesen. Und für die anderen Leute ist das dann - die sind dann in einer Sackgasse gelandet." Sprecherin: Nach ihrem Auslandseinsatzes ist bei Jenny nichts mehr wie vorher. Sie sitzt allein auf dem gelben Sofa in der ehelichen Wohnung. Sie und ihr Mann leben jetzt als Wohngemeinschaft - bis jeder eine eigene Bleibe gefunden hat. Jenny will sich scheiden lassen. 38 O-Ton Jenny Trennung "Man hat auch im Einsatz die Zeit darüber nachzudenken irgendwo und leider Gottes - ist es auch so, dass man gemerkt hat, es hat nicht mehr für eine Ehe ausgereicht. So dass halt eben nach dem Einsatz die Trennung kam und jeder seinen Weg geht, weil´s für meinen Mann irgendwo auch nicht einfach war, jetzt so im Auslandseinsatz. Es kommen noch mehrere Einsätze auf mich zu. Es hat leider nicht funktioniert. Ich denke, wenn die Beziehung stark genug ist, dann kann man einen Auslandseinsatz auch überwinden - das geht - das klappt. Aber es gibt gewisse Situationen im Leben - es gibt ja für nichts eine Garantie -- ist halt eben privat halt eben so passiert. Es hat sich verändert, aber das ist halt eben so." Sprecherin: Jenny kehrt jetzt in den Alltag der Kaserne zurück. Viele Lehrgänge warten auf sie. Sie rechnet damit, dass sie in etwa zwei Jahren in den nächsten Auslandseinsatz geht. Gut möglich, dass es dann Afghanistan ist. Und Jenny wird gehen. (auf Musik) Sprecher Zum Beispiel Feldwebel Jenny. Frauen bei der Bundeswehr. Sie hörten ein Feature von Christiane Kaess Es sprachen: Gregor Höppner und die Autorin Ton und Technik: Hans- Martin Renz und Petra Pelloth Redaktion und Regie: Ulrike Bajohr Eine Produktion des Deutschlandfunks 2008. 20