COPYRIGHT: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von DeutschlandRadio / Funkhaus Berlin benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Länderreport Gasgräberstimmung im Münsterland - Die Suche nach Erdgas in Nordrhein-Westfalen - Autorin Friederike Schulz Mod./Red. Stucke, Julius Sendung 06.07.2011 (13 Uhr 07) In Nordrhein-Westfalen gibt es Erdgasvorkommen. Gas, das sich meist sehr tief unter der Erde befindet. Um es zu fördern, müssen verschiedene Gesteinsschichten aufgebrochen werden - mit einem Gemisch aus Wasser, Sand und hochgiftigen Chemikalien. Hydraulic Fracturing nennt sich die Technik, kurz Fraccing. Die Lizenzen für die Suche nach dem Gas sind bereits vergeben - das halbe Bundesland ist in "Claims" aufgeteilt. Erdölkonzerne wie Exxon aber auch die Stadtwerke wittern Profit und versichern, alles sei ganz ungefährlich. Umweltschützer fürchten dagegen, dass in ganzen Landstrichen das Trinkwasser vergiftet wird ... - Manuskript Beitrag - ATMO (Wiese) AUTORIN Grüne Weizenfelder, dazwischen einige Bauernhöfe aus rotem Backstein, Pferdekoppeln: Drensteinfurt ist ein beschauliches Städtchen im Münsterland, eine beliebte Ausflugsgegend bei Radfahrern. ATMO (bis hier, kurz frei, dann abreißen lassen) AUTORIN Mit der Idylle könnte es bald vorbei sein, fürchten viele Bewohner. Denn der Mineralöl-Konzern ExxonMobil vermutet hier, wie auch in anderen Gegenden Nordrhein-Westfalens, große Erdgas-Vorkommen und hat sich schon mal vorsorglich die Erkundungsrechte gesichert. Es geht möglicherweise um viel Geld, rund 2.000 Kubik-Kilometer Gas werden unter der Erde vermutet - das zweitgrößte Feld Europas. Das Problem: Der Rohstoff befindet sich tief unter der Erde in sogenannten "unkonventionellen" Lagerstätten, das heißt, das Gas ist in Schiefer- und Kohleschichten gebunden. Um es zu fördern müsste man eine Methode nutzen, die "Hydraulic Fracturing" oder "Fraccing" genannt wird: Dabei wird ein Gemisch aus Wasser, Sand und giftigen Chemikalien in die Erde gepumpt, um das Gestein aufzubrechen. Dagegen regt sich Widerstand. Im ganzen Münsterland haben sich Bürgerinitiativen gegründet. Sie fürchten eine Verseuchung des Bodens und des Trinkwassers. In Drensteinfurt organisiert Stefan Henrichs den Protest. O-TON (Stefan Henrichs) Das Wichtigste ist für mich der Schutz des Trinkwassers, ganz wichtig ist auch der Umweltschutz. Ich bin ganz bewusst hier in den ländlichen Bereich gezogen, weil ich es liebe, hier mit meinem Hund und meiner Familie spazieren zu gehen, joggen zu gehen, Sport zu treiben an der frischen Luft, weil ich die Ruhe und das Münsterland sehr, sehr schön finde. Ich habe Angst, dass das alles zerstört wird. AUTORIN Eine Angst, die nicht unbegründet erscheint. Die Bürgerinitiative "Gegen Gasbohren" verweist auf ihrer Internetseite auf einen verstörenden Dokumentarfilm aus den USA, dort "fraccen" Mineralölkonzerne seit Jahren in großem Umfang. "Gasland" des Regisseurs Josh Fox war im vergangenen Jahr für den Oskar nominiert. AUTORIN Eine besonders eindrucksvolle Szene spielt in der Küche eines Wohnhauses: Über der Spüle hängt ein handgeschriebener Zettel mit der Aufschrift "Trinken Sie dieses Wasser nicht". Der Besitzer dreht den Hahn auf, Wasser fließt heraus. Dann hält der Mann ein Feuerzeug daran - und das Wasser beginnt zu brennen. Josh Fox ist durch 24 Bundesstaaten gefahren und hat mit betroffenen Anwohnern von Bohrlöchern gesprochen. O-TON (Fox) Ihr Wasser wird schwarz, es schmeckt salzig oder hat Gasblasen, die man anzünden kann. Wenn die Bohrlöcher nah sind, bemerkt man den Gestank 24 Stunden am Tag. Die Menschen bemerken Rauch und Gerüche. Sie bekommen Kopfschmerzen, ihnen wird übel - sie haben Atemprobleme. AUTORIN Inzwischen ist die Politik in den USA auf das Thema aufmerksam geworden. Im April veröffentlichten die demokratischen Mitglieder des Energieausschusses im Repräsentantenhaus einen Bericht zu den Gasbohrungen. Daraus wird deutlich, welche enorme Bedeutung diese Methode der Rohstoffgewinnung in den USA mittlerweile hat: Man könne dank dieser Technik so viel Erdgas fördern wie seit Jahrzehnten nicht mehr - heißt es in dem Bericht. Der Haken an der Sache: Ohne Chemie geht es nicht. Denn der Sand und das Wasser, die unter großem Druck in die Erde gepumpt werden, müssen sich miteinander vermischen. Dafür wird ein Gemisch aus zum Teil giftigen und krebserregenden Chemikalien beigemengt. Die Verfasser halten fest: ZITAT Zwischen 2005 und 2009 verwendeten die Unternehmen 95 Produkte, die 13 verschiedene karzinogene Stoffe enthalten, darunter Benzol. Insgesamt leiteten die Unternehmen 45 Millionen Liter Frac-Flüssigkeit in das Erdreich, die mindestens ein Karzinogen enthielten. AUTORIN Auch in Deutschland gibt es bereits Erfahrungen mit Fraccing. In Niedersachsen hat ExxonMobil das Verfahren in den vergangen Jahren rund 300 Mal angewendet. Auf der Internetseite des Konzerns gibt es zu den Bohrungen eine für Laien unverständliche Tabelle, die die verwendeten Stoffe auflistet. In einer zusammenfassenden Erklärung wird erwähnt, der Cocktail enthalte 7,8 Kilogramm giftige und 1,4 Kilogramm umweltgefährdende Chemikalien, Benzol ist nicht darunter, dafür aber Methanol und ein Stoff mit dem Namen "prop-2-yn-1-d". Dazu heißt es auf der Internetseite "Chemical Book", einer Informationsplattform der Chemie-Branche: ZITAT Die Substanz reizt Augen, Haut und Atemwege. Möglich sind Auswirkungen auf Leber und Nieren mit nachfolgenden Funktionsstörungen. Exposition oberhalb der Arbeitsplatzgrenzwerte kann zum Tod führen. Ärztliche Beobachtung notwendig. AUTORIN Seit Bürgerinitiativen in Niedersachsen und im Münsterland seit einigen Monaten Demonstrationen veranstalten und Diskussionsrunden mit Politikern und Wissenschaftlern organisieren, hat ExxonMobil eine Informationsoffensive gestartet. Auf einer umfangreichen Internetseite hat das Unternehmen eine Liste von häufig gestellten Fragen gesammelt - und beantwortet diese: ZITAT - Welche Risiken sehen Sie bei der Frac-Technologie? - Wir sehen keine Risiken, die nicht beherrschbar sind. Denn sonst wäre es unverantwortlich dieses Verfahren anzuwenden. AUTORIN Eines der Argumente: Das Gas befindet sich in mehr als 1000 Metern Tiefe. Dort unten gibt es kein Grundwasser, mit dem die Chemikalien in Berührung kommen könnten. ZITAT Zusätzlich wird zum Schutz des Trinkwassers das Bohrloch in unterschiedlichen Abschnitten mit einzementierten Stahlrohren gegenüber den Gesteinsformationen abgedichtet und die Zementation vor der hydraulischen Behandlung auf ihre Dichtheit getestet wird. Darüber hinaus werden während der Arbeiten zusätzliche sicherheitstechnische Maßnahmen ergriffen, um die technische Integrität der Bohrung zu gewährleisten. Zum Schutz vor obertägigen Flüssigkeitsaustritten während der Arbeiten wird der Bohrplatz versiegelt und mit einem umlaufenden Rinnensystem und Auffangbecken ausgestattet. AUTORIN Werner Zittel hat sich als einer der ersten in Deutschland wissenschaftlich mit der Suche nach unkonventionellem Erdgas beschäftigt. Er arbeitet für die Ludwig-Bölkow-Systemtechnik GmbH - ein Unternehmen, das im Auftrag von Wirtschaft und Politik wissenschaftliche Studien zu Energiefragen erstellt. Sein Papier zur Förderung von Erdgas war das Ergebnis einer internen Recherche - aus reinem Interesse, wie Werner Zittel betont. Sein Fazit zu den verwendeten Chemikalien und einer möglichen Gefährdung des Grundwassers: O-TON (Zittel) Es sind relativ harmlose Substanzen dabei, es sind natürlich sehr biozide Chemikalien und auch sehr wassergefährdende wie Tetra- Methyl-Ammonium-Chlorid. Die haben eine hohe Toxizität für sich genommen. Die Firmen argumentieren immer: Die werden ja erstens nicht ins Grundwasser versetzt, sondern in den tiefen Untergrund und zweitens so mit Wasser verdünnt, dass sie harmlos seien. Nun würde ich dem entgegenhalten: Zunächst muss man sie oberflächlich konzentriert transportieren, und dann, wenn man die Verdünnung in den Untergrund einspült, selbst wenn ich eine giftige Chemikalie im Prozentbereich habe, das sind 1000 Milligramm pro Liter teilweise. Das ist eine ganze Menge, wenn es um gefährliche Substanzen geht. Und ein weiterer Punkt ist: Wir wissen ja nicht sicher, dass das da unten verbleibt. Das ist die Hoffnung und es ist relativ wahrscheinlich, aber es können immer wieder Fließfähigkeiten geschehen, dass ein Kontakt zum Grundwasser passiert. AUTORIN Werner Zittel ist sich außerdem sicher: Der Goldrausch ist unberechtigt: Denn von den 2.000 Kubik-Kilometern Erdgas ließe sich seiner Einschätzung nach nur ein Bruchteil fördern. Die Risiken stünden in keinem Verhältnis zum Nutzen. Erst vor kurzem wurde bekannt, dass im Jahr 2007 im niedersächsischen Landkreis Rotenburg mehrere Tausend Kubikmeter Erdreich an einer Bohrstelle ausgetauscht werden mussten. Der Leiter der Unternehmenskommunikation von ExxonMobil In Hannover, Norbert Stahlhut, sieht allerdings keinen Zusammenhang zum Fraccing. Der Grund für die Kontamination des Bodens sei sogenanntes Lagerstättenwasser, das bei der Förderung des Gases mit an die Oberfläche komme. O-TON (Stahlhut) Dieses Lagerstättenwasser beinhaltet eben auch Kohlenwasserstoffe, beinhaltet zum Beispiel auch Quecksilber. Diese beiden Ströme, also der Flüssigkeitsstrom und der Gasstrom müssen voneinander getrennt werden. Denn wir möchten ja in den Haushalten keine Schadstoffe haben, sondern wir möchten da reines Methan verbrennen. Das Lagerstättenwasser wird dann über entsprechende LKWs oder Pipelines abtransportiert. In dem Fall in Sölingen ist es nach vielen Jahren der Betriebsdauer eines solchen Leitungssystems zu örtlich begrenzten Austritten von Lagerstättenwasser gekommen, begründet durch Diffusion. Man hat das bei entsprechend regelmäßigen Überprüfungen festgestellt, hat sofort die entsprechenden Behörden informiert, einen Sanierungsplan aufgestellt und dafür Sorge getragen, dass zu keiner Zeit aus diesem örtlich begrenzten Schaden zu keinerlei Zeit eine Gefährdung der Nachbarn oder der Bevölkerung auftritt. Es hat hier aber auch eindeutig keine Leckage gegeben. AUTORIN Die Botschaft des Konzerns: Wir haben nichts zu verbergen, es besteht kein Grund zur Sorge. Vor einigen Monaten hat ExxonMobil einen Expertenkreis mit namhaften Wissenschaftlern aus ganz Deutschland gegründet, geleitet von Professor Dietrich Borchardt vom Helmholtz- Zentrum für Umweltforschung. Dieser, wie Borchardt betont, unabhängige Expertenkreis soll nun ein Gutachten zur Sicherheit und Umweltverträglichkeit erstellen. Auf der Internetseite von ExxonMobil gibt es ein Video mit Ausschnitten von einem ersten Treffen. Dazu eine Liste von kritischen Fragen, die auch gleich beantwortet werden: ZITAT - Wie ist die Neutralität des Dialogs gewährleistet? - Der Wissenschaftliche Leiter kann die von ExxonMobil bereitgestellten Mittel ohne Rückfrage in eigener Verantwortung ausgeben. Im neutralen Expertenkreis werden ausgewiesene Expertinnen und Experten beteiligt, die unabhängig von ExxonMobil sind. Bevorzugt werden Wissenschaftler, die sich in der Vergangenheit weder für die Seite der erdgasfördernden Unternehmen noch für deren Kritiker ausgesprochen haben. Alle Bürgermeister, Bürgerinitiativen und Wasserversorger aus den Gebieten, in denen ExxonMobil Erdgas in unkonventionellen Lagerstätten sucht, sind Mitglieder in dem Arbeitskreis der gesellschaftlichen Akteure; darüber hinaus kann jedeR Interessierte - über einen einfachen Anmeldeweg - die Sitzungen des Arbeitskreises der gesellschaftlichen Akteure beobachten. Alle Fragen und alle Antworten des Expertenkreises werden veröffentlicht. Alle Arbeitsschritte, Angebote und Ergebnisse des Prozesses werden veröffentlicht. AUTORIN Was bei der Auseinandersetzung mit der Informationsplattform von ExxonMobil stutzig macht, ist die Detailflut. Es drängt sich die Frage auf, wie viele PR-Spezialisten wohl damit beschäftigt sind, die Bedenken zu zerstreuen, die Argumente der Fraccing-Gegner auseinanderzunehmen. Es gibt sogar eine Internetseite mit der Überschrift "Die Wahrheit über Gasland", darunter mehrere Links zu US-amerikanischen Seiten, die dem Filmemacher ungenaue Recherche vorwerfen. Die PR-Schlacht gegen die Bedenkenträger scheint in vollem Gange. Eine der Strategien: Den Gegnern den Wind aus den Segeln nehmen, indem man ihre Argumente aufgreift und Verständnis zeigt. Unternehmenssprecher Norbert Stahlhut: O-TON (Stahlhut) Wenn ich Bilder sehe aus den USA von brennenden Wasserhähnen, dann kann ich diese Sorge durchaus nachvollziehen. Ich wohne auch in Niedersachsen, ich habe auch Familie und wir wollen alle letztendlich sauberes Wasser trinken. Insofern sind auch die Interessen, die hier bestehen, durchaus gleichgerichtet. Auch als Unternehmen haben wir kein Interesse daran, nachhaltig Grund- oder Trinkwasser führende Schichten zu kontaminieren. AUTORIN Das Unternehmen schreibt sich auf die Fahnen, einen offenen Dialog zu führen. Um ein Interview mit Norbert Stahlhut zu bekommen, sind allerdings Geduld und Hartnäckigkeit notwendig. Es dauert drei Wochen, mehrere Telefonate und fünf e-Mails bis das Gespräch zustande kommt. Die Mitarbeiterin der Pressestelle will vorab die Fragen wissen und die Namen der anderen Gesprächspartner, die noch in der Sendung vorkommen. - Einer von ihnen ist Paul Berlage, Bürgermeister von Drensteinfurt im Münsterland. O-TON (Berlage) Zuerst habe ich eigentlich gedacht: Das könnte eine Chance für die Region sein für Arbeitsplätze und möglicherweise sogar ein regionales Energiekonzept. Natürlich auch für die Stadt, für Gewerbesteuern. Das waren so meine ersten Gedanken, denn mit Gasförderung habe ich eigentlich immer ein völlig unproblematisches und auch umweltfreundliches Verfahren verbunden. Die Gefahren habe ich so im ersten Moment nicht gesehen. AUTORIN Berlage bekam im Herbst 2010 Besuch von ExxonMobil: O-TON (Berlage) Ich bin mir nicht sicher, ob das Wort 'Fraccing' mal gefallen ist oder chemische Behandlung, aber über das Gefahrenpotenzial ist nicht gesprochen worden. AUTORIN Ein gravierendes Problem aus Sicht des Bürgermeisters: Bei der Genehmigung von Probebohrungen und anschließendem möglichen Fraccing in seinem Ort hat er bisher kein Wort mitzureden. Denn das Bergrecht, ein Bundesgesetz, das auch die Suche nach Erdgas regelt, sieht bisher keine Beteiligung der Kommunen vor. Genauso wenig wie eine Überprüfung des Vorhabens auf Umweltverträglichkeit. Zuständig für die Erteilung sogenannter "Aufsuchungserlaubnisse" ist die Bezirksregierung Arnsberg. Nordrhein-Westfalen ist in fünf Regierungsbezirke aufgeteilt - die Behörde in Arnsberg hat die Zuständigkeit für den Bergbau, bei dem man in Nordrhein-Westfalen über hinreichend Erfahrungen verfügt. Und so fand die Bezirksregierung vor ein paar Jahren nichts dabei, als Exxon und andere Unternehmen um eine Aufsuchungserlaubnis für die Suche nach Erdgas baten. Damit ist zunächst nur das Recht verbunden, in einer bestimmten Gegend nach Bodenschätzen zu suchen, nicht aber sie zu fördern. Volker Milk ist der Krisen-Kommunikator der Bezirksregierung. Er soll aufklären und den Schaden begrenzen, nachdem es in den vergangenen Monaten Kritik von Politik und Bürgerinitiativen am Vorgehen der Behörde gab. O-TON (Milk) Das Problem ist, dass es hierzu eigentlich keine Veröffentlichungspflichten gibt. Das Bundesberggesetz sieht dieses bisher nicht vor, und so ist leider der Eindruck entstanden, dass dieses quasi hinter verschlossenen Türen im Hinterzimmer entschieden worden ist. AUTORIN Erst im April war bekannt geworden, dass ein Konsortium aus verschiedenen Unternehmen 1995 bereits einen ersten "Probe-Frac" durchgeführt hatte. Und auf Nachfrage des Wirtschaftsministeriums rückte die Bezirksregierung damit raus, dass ExxonMobil 2008 in Oppenwehe im Zuge einer Probebohrung 25.000 Liter Dieselöl in die Erde geleitet hatte. Damals habe die Bezirksregierung keine Veranlassung gesehen, das Thema publik zu machen, erklärt Volker Milk: O-TON (Milk) Dieser Lagerstättendrucktest mit Dieselöl ist nur unter der Voraussetzung genehmigt worden, dass das Dieselöl komplett rückholbar bleibt und dass es gerade nicht zu einem Aufbrechen von Gesteinsformationen kommen darf. Dort, wo sich diese Bohrung befindet, haben wir es mit einem Ton-Horizont zu tun, wo sich überhaupt kein Wasser in dieser Tiefe befindet, sodass gar kein Kontakt mit Grund- oder Trinkwasser denkbar ist. AUTORIN Derzeit bemüht sich die Behörde um Schadensbegrenzung. Volker Milk und seine Kollegen stellen jedes Dokument zum Thema Gasbohrungen ins Internet. Darunter findet sich seit kurzem sogar ein eigener Entwurf für eine Änderung des Bergrechts - ein ungewöhnlicher Vorgang für eine Bezirksregierung - denn Gesetzesvorschläge bringen üblicherweise nur Abgeordnete oder Minister ein. O-TON (Milk) Wo Menschen handeln, passieren immer Fehler, und ich will gern einräumen, dass auch die Bezirksregierung in manchen Dingen vielleicht nicht sensibel genug war. Wir haben uns inzwischen eine lückenlose Information der Öffentlichkeit über alle Vorgänge auf die Fahnen geschrieben. Vor diesem Hintergrund ist auch unsere Bergrechtsänderungsinitiative zu sehen, wo wir genau die Defizite deutlich gemacht haben, weil wir nämlich sagen, dass die Informationspflichten für die Öffentlichkeit, für die Beteiligung von Kommunen erweitert werden und dass auch der Umweltschutzgedanke, Stichwort Umweltverträglichkeitsprüfung, stärker in den Vordergrund tritt. AUTORIN Die rot-grüne Landesregierung, die seit einem Jahr im Amt ist, verhielt sich zu dem Thema bisher auffallend ruhig. Schließlich wäre Deutschland sein Energieproblem auf einen Schlag los, wenn man den mutmaßlichen Schatz aus dem Boden des Münsterlandes heben könnte. Wirtschaftsminister Harry K. Voigtsberger von der SPD hatte noch im Januar in einem Schreiben an die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses im Landtag erklärt, dass er Erdgas als zentralen Pfeiler für die Energiegewinnung der Zukunft sieht: ZITAT (Voigtsberger) Die Energiegewinnung aus Erdgas ist gegenüber anderen fossilen Energieträgern mit vergleichsweise geringen Treibhausgasemissionen verbunden. Der Ausbau der dezentralen, auf Gas basierenden Kraft-Wärme-Kopplung ist daher eines der wichtigsten energiepolitischen Ziele der Landeregierung. Der nationale Erdgasverbrauch wird derzeit zu ca. 85 Prozent mit steigender Tendenz über Importe zum Teil aus geopolitisch instabilen Regionen gedeckt. Nach Einschätzung der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe könnte eine Erdgasförderung aus unkonventionellen Lagerstätten in Deutschland zukünftig einen signifikanten Beitrag zur heimischen Erdgasversorgung leisten und damit die Versorgungssicherheit erhöhen. Wären dabei jedoch Umweltschäden zu erwarten, etwa wie sie in den USA eingetreten sein sollen, wären diese Aktivitäten nicht genehmigungsfähig. AUTORIN Genau das soll jetzt geprüft werden - gemeinsam mit seinem für Umwelt und Verbraucher zuständigen Kabinettskollegen Johannes Remmel kündigte Voigtsberger im Januar an, ein Gutachten zu den Risiken des Fraccing in Auftrag zu geben. Seither sind gut fünf Monate vergangen, die Ausschreibung ist noch immer nicht raus. Die Zeit läuft davon, Ende des Jahres soll das Gutachten fertig sein - bis dahin verhängte die Regierung ein Moratorium für Bohrungen und Fracs. Ob dies juristisch wasserdicht ist, ist allerdings fraglich. ExxonMobil und Wintershall haben jedenfalls die Pläne für weitere Probebohrungen schon in der Schublade. ATMO (Begrüßung im Festsaal / Infoabend der Grünen) Ich möchte Sie alle ganz herzlich begrüßen zu unserem Abend. Es geht um ein Thema, das uns alle bewegt, das Thema Fraccing. Wir wohnen in einer Region, die historisch bis vor einiger Zeit mit Steinkohle zu tun hatte. Was kommt, wenn jetzt große Firmen versuchen, Erdgas hier zu gewinnen? AUTORIN Im Festsaal in den Werdener Domstuben im Essener Süden ist kein Stuhl mehr frei. Die Grünen haben zu einem Informationsabend zum Gasbohren geladen. Zu Gast: der Umweltdezernent der Stadt, der versucht, Lokalpolitikern und interessierten Bürgern die Tücken des Bergrechts näher zu bringen. Auch hier macht man sich Sorgen, denn den Essener Süden hat sich der Gaskonzern Wintershall gesichert. ATMO (Informationsabend) - Mir kommt das so vor, als ob wir als Öffentlichkeit da total überrollt werden. - Die Claims sind alle verteilt. Wo Kohle-Schichten sind, ist alles aufgeteilt, das ist alles schon gelaufen. Jetzt geht es für Arnsberg nur noch darum, die Genehmigung für Probebohrungen auszusprechen, damit die Firmen da bohren können und das Erdgas an die Oberfläche holen können. AUTORIN Fast wöchentlich gründet sich irgendwo in Nordrhein-Westfalen derzeit eine Bürgerinitiative gegen die Gasbohrungen. Ihre Hoffnung: Dass die Politik doch dem Druck nachgibt und - wie kürzlich in Frankreich - Fraccing ohne Umschweife einfach verbietet. - ENDE - 1