Deutschlandradio Kultur Länderreport Ländersache Kultur (5a) Die Kulturpolitik der Bundesländer Berlin Autorin van Laak, Claudia Redaktion Stucke, Julius Sendung 02.03.12 - 13.07 Uhr Regie Klaus-Michael Klinsporn Sprecher Thomas Holländer - M A N U S K R I P T B E I T R A G - Die Staatsoper Unter den Linden - der von Friedrich dem Großen in Auftrag gegebene Prachtbau im Herzen Berlins ist derzeit eine Baustelle. Nicht kleckern, sondern klotzen lautet das Motto, 240 Millionen Euro kostet die Sanierung. Damit die Staatskapelle künftig noch besser klingt, wird die Decke des Zuschauerraums mal eben um 5 Meter angehoben, erläutert Senatsbaudirektorin Regula Lüscher. Es gibt einen vierten Rang, der aber kein Rang ist, sondern nur mehr Volumen produziert, und deshalb nennen wir das die sogenannte Nachhallgalerie, weil es gibt ja nicht mehr Plätze... Das sanierte Opernhaus soll im Oktober 2014 wieder eröffnet werden. Die Hauptlast der Sanierung trägt der Bund, nur 1/6 der Kosten übernimmt das Land Berlin. Aus gutem Grund, sagt die CDU-Politikerin Monika Grütters, Vorsitzende des Bundestagskulturausschusses: Das was in der Hauptstadt kulturell gelingt, wird in den Augen der Welt der ganzen Bundesrepublik gutgeschrieben. Das was hier kulturpolitisch und ästhetisch schief geht, dafür wird dann gerne mal die gesamte Nation in Haft genommen und deshalb haben wir ein großes Interesse daran, dass Berlin, die Hauptstadt, das kulturell strahlende Gesicht Deutschlands ist. Und deshalb auch der imposante Neubau gleich neben der Staatsoper Unter den Linden. Im nächsten Jahr soll der Grundstein gelegt werden: für den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses. Kosten: eine halbe Milliarde Euro. Genau wie bei der Staatsoper übernimmt das Bundesbauministerium den Löwenanteil, das Land Berlin braucht nur rund ein Zehntel der Kosten schultern. Ähnlich spendabel gibt sich der Bundesbeauftragte für Kultur: fast 40 Prozent des Etats von Bernd Neumann fließen in Berliner Einrichtungen, zum Beispiel in die Akademie der Künste, das Deutsche Historische Museum oder in die Berlinale. Deshalb wünscht sich die Bundestagsabgeordnete Monika Grütters von der Berliner Landesregierung: Dass sie manchmal eine dienende Funktion sichtbar machen müsste, die sie der Hauptstadt gegenüber der Republik auch hat. Also auch mal dankbar sein für das, was an Bundesgeldern ihnen hilft, dass sie so kulturell strahlt, das würde mit einem etwas demütigeren Gestus manchem die Entscheidung für solche Finanzströme auch erleichtern. Dankbar und demütig, das sind Eigenschaften, die man dem Regierenden Bürgermeister und Kultursenator Klaus Wowereit normalerweise nicht zuschreibt. Angesprochen auf den Wunsch aus der Bundespolitik, sich doch ein bisschen dankbarer für die vielen Millionen zu zeigen, antwortet der SPD-Politiker gewohnt schnoddrig: Wir bedanken uns jeden Tag und würden uns noch mehr bedanken, wenn der Bund sein Engagement noch mehr verstetigen würde. Und sein Kulturstaatssekretär André Schmitz ergänzt: Wir nehmen alles, was kommt, das stimmt. Das ist immer, was man den Berlinern nachsagt, sie halten immer die Hand auf. Der Hauptstadtkulturvertrag zwischen dem Bund und Berlin sichert dem Land Zuschüsse in Höhe von 340 Millionen Euro. Der Senat gibt sich ebenfalls nicht knauserig - trotz der enormen Schulden des Landes steigt der entsprechende Etat seit einigen Jahren an. In diesem Jahr sollen 389 Millionen Euro in die Kultur fließen - damit liegt Berlin im Bundesländervergleich auf Platz 3. Und die Bezirke legen noch was drauf: jährlich 120 Millionen Euro. (Schmitz) Der Kulturetat ist runter gefahren worden in den vergangenen Jahrzehnten und wir haben Gott sei Dank seit fünf Jahren einen gegenläufigen Trend. Wir haben 36 Millionen mehr in der letzten Legislaturperiode für den Kulturhaushalt erwirken können und der Abbau-Trend ist gestoppt. Wir haben Aufwüchse. Und daher klagen wir, wenn wir überhaupt klagen, ich klage nicht, dann klagen manche jedenfalls auf hohem Niveau. Das große Problem: Noch bevor überhaupt ein einziger Euro ausgegeben ist, sind 95 Prozent des Kultur-Etats bereits fest verplant. Das bedeutet einerseits Sicherheit zum Beispiel für 27 dauerhaft geförderte Theater. Andererseits bleibt für die Off-Kultur vergleichsweise wenig übrig. (Schmitz) Wir haben zu wenig Mittel für die freie Szene, das ist historisch gewachsen über die letzten Jahre. Da muss man gegensteuern. Aber das ist eine historische Ungleichheit, die schmerzt mich, und nicht nur einmal. Nur 5 Prozent des Etats bleiben für die kreative Szene von Künstlern aus aller Welt, auf die nicht nur Berlins Kulturpolitiker mächtig stolz sind. Etwa 20.000 Kulturschaffende leben in der Hauptstadt, zum Teil in prekären Verhältnissen. Und der Ruf der hippen Metropole mit den niedrigen Lebenshaltungskosten zieht immer mehr Künstler in die deutsche Hauptstadt. Janine Bean weiß ein Lied davon zu singen, täglich kommen Maler mit dicken Mappen unter dem Arm in ihre Galerie, wollen ausgestellt und vertreten werden. (Bean) Ehrlich gesagt tun mir die meisten Künstler leid, die hierherkommen, die wachen irgendwann auf, die finden vielleicht sogar ein günstiges Atelier und können hier arbeiten, aber die finden keinen Ausstellungsraum, schwer, sehr sehr schwer, ohne Beziehungen kommt man nicht an die Galerien ran. Berlin mag zwar eine Kulturmetropole sein, ist aber keines Falls eine Wirtschaftsmetropole. Es fehlen die Großkonzerne, die sich eigene Kunstsammlungen leisten, es gibt kaum Mäzene. Berlin wird als Kunststadt überschätzt, meint Janine Bean. Immer wieder sagen ihr Galeristen, die nach Berlin wollen: ,Oh ja Berlin, hier muss man sein, und Mensch, ganz doll wichtig' - da habe ich gesagt, ich hoffe, du hast ne gute Finanzierung, weil es ist sehr sehr schwer. Ich habe viele gesehen, die halten das ein zwei Jahre durch, dann müssen sie wieder zumachen. Die Kunden laufen einem nicht die Tür ein, schnelles Geld ist hier nicht zu machen. Eine ganze Reihe von Galerien musste bereits schließen, viele bildende Künstler leben am Rande des Existenzminimums, halten sich mit Nebenjobs über Wasser. Den nicht festangestellten Musikern, Sängern, Schauspielern geht es ähnlich. Malah Helman ist eine von ihnen - Kunsthistorikerin, Schauspielerin, Performerin, Aktivistin, Hartz IV-Bezieherin. Wir Künstler beuten uns selber aus, klagt sie und fordert eine angemessene Bezahlung. Man kann nicht einfach sagen, die Künstler leben eh von der Luft und der Liebe oder von der Hand in den Mund, nee, so geht's nicht. Meine Arbeit kostet viel Zeit, sie ist hart, meine körperliche Kraft, meine geistige Kraft, meine Ideen, meine Kreativität, das ist genauso Arbeit wie in der Dienstleistung oder bei den Banken, da sehe ich keinen Unterschied. Kulturförderung in Berlin: Da sind auf der einen Seite dreistellige Millionenbeträge von Bund und Land, in erster Linie für repräsentative Bauten und die Hochkultur. Für rund 240 Millionen Euro plant der Senat eine neue Bibliothek auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tempelhof. Auf der anderen Seite darben Initiativen, Projekte und Künstler der Off-Kultur. Wie wäre es mit dem Vorschlag, eines der drei Opernhäuser zu schließen und das Geld der freien Szene zur Verfügung zu stellen? Malah Helman schüttelt entschieden den Kopf. Das würde ich jetzt nicht sagen, ich würde nie sagen, wir schließen jetzt ein großes Haus oder ein Ensemble und verteilen das auf den freien Bereich, das wäre einfach nicht fair, die Institutionen und die freie Szene untereinander auszuspielen. Mehr Geld für die freie Szene - das ist eine Forderung an die Berliner Kulturpolitik. Die zweite: Freiräume müssen erhalten bleiben. Berlin ist nur deshalb so attraktiv für Künstler aus aller Welt, weil es unfertig ist, nach wie vor im Umbruch. Doch die Zahl der leerstehenden Fabrikhallen, der unsanierten Altbauten nimmt stetig ab. Die Mieten in attraktiven Kiezen steigen. Das beklagt auch Janine Bean, die ihre Galerie in der Torstraße betreibt. Wenn die Politik etwas machen kann an Mieten, das ist sehr wichtig, Denn wenn ich sehe, was hier gebaut wird, dann weiß ich, was hier in 10 Jahren los ist, und dann wird's irgendwann nicht mehr bezahlbar sein. Gerade hier in der Torstraße, das boomt, hier ziehen Leute her, die zahlen einfach jeden Preis. Der Berliner Senat hat das Problem erkannt. Kulturstaatssekretär André Schmitz ist überzeugt davon, dass die steigenden Mieten und die immer kleiner werdenden städtischen Freiräume das Hauptthema in der gerade begonnenen neuen Legislaturperiode sein werden. Schmitz verspricht, dass seine Kulturverwaltung, die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und die Bezirke sich in dieser Frage künftig besser abstimmen werden. Aber der SPD- Kulturpolitiker gibt zu auch bedenken: Hier werden wir das Problem nicht durch Politik, und Kulturpolitik sowieso nicht, komplett lösen können. Wir leben in einem kapitalistischen, marktwirtschaftlichen System, von Nachfrage und Angebot, da wird Kultur nicht immer mithalten können, auch diese Mieten zu zahlen. - E N D E - 1