COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Länderreport: "Noch immer aufgewühlt" 65 Jahre nach den Kämpfen im Hürtgenwald Autor: Tim Hannes Schauen Redaktion: Claus-Stephan Rehfeld Sendung 08. Februar 2010, 13.07 Uhr überspielen als "LR Schlacht Schauen" Moderation Am 08. Februar 1945 war das Gemetzel im Hürtgenwald endlich zuende. Die "Allerseelenschlacht" südöstlich von Aachen hatte zig Tausenden Amerikanern und Deutschen das Leben gekostet. Krieg tötet. Hemingway war Augenzeuge, Salinger kämpfte dort um sein Leben, Heinrich Böll hatte dort ein Häuschen . Die Erinnerungen an die Kämpfe sind in der Gegend allgegenwärtig. Unzählige Granaten haben die Erde nicht auf-, sondern umgewühlt. Noch immer werden im Hürtgenwald Skelette und Munitionsreste gefunden. Die Deutschen und ihr Wald - nicht nur ein romantisches Thema. Und noch immer reisen amerikanische und deutsche Veteranen oder deren Angehörige an den Schauplatz, stiefeln durch den Wald. Dort, im Nationalpark Eifel. Noch immer aufgewühlt. 65 Jahre nach dem Kriegsgemetzel im Hürtgenwald. Tim Hannes Schauen hat die Geschichte für uns aufgearbeitet. -Script Beitrag- Atmo im Wald Atmo Schritte im Wald Autor Ein Wald. Der Hürtgenwald. Alle paar Schritte ein Baum: Buchen, Eichen, Fichten lassen das Licht kaum bis zum Boden durch. Zuerst war es nur ein riesiger Wald, 140 Quadratkilometer groß, ganz im Westen Deutschlands gelegen. Der Wald erstreckt sich über die Höhenlagen und Täler der Eifel. Aachen ist 30 km entfernt, die Grenze zu Belgien näher. Zuerst gab es diesen riesigen Wald, in dem die Gemeinde Hürtgen lag. Atmo Gewehrfeuer O-Ton NS-Wochenschau ... zum dritten Mal, entscheidende Durchbrüche zu erzwingen... der Gegner will die deutschen Verteidiger durch pausenlose Tieffliegerangriffe mürbe machen... amerikanische Lightning-Maschinen stürzen sich auf eine Ortschaft... wild schiesst die deutsche Flak aus allen Rohren... Autor Im Herbst 1944 kommen die Amerikaner in diesen Wald, sie wollen schnell weiter an den Rhein und nach Köln. Doch der Vormarsch ging zu schnell, die Nachschubwege aus der Normandie werden zu lang. Benzin, Munition, Verpflegung gehen aus, sodass die alliierten Truppen am Westwall zum Stehen kommen. Die Gegend um diesen deutschen Wald ist seitdem in Amerika bekannter als hierzulande. Die Orte Schmidt, Vossenack, Hürtgen, sind im dortigen Bewusstsein präsenter.Hürtgen, das klang in amerikanischen Ohren wie "to hurt" - verletzen. Und das sollte auch das Motto der folgenden Monate sein. Die Amerikaner waren es, die aus der Ortschaft Hürtgen und dem Wald kurzerhand den hurtgen forest, den Hürtgenwald" machten. Seitdem steht Hürtgenwald für einige der verlustreichsten Kämpfe des 2. Weltkriegs. Die Internetseite der Gemeinde Hürtgenwald wuchert mit den beiden dicksten Pfunden, die die Gegend zu bieten haben. Sprecher "Geschichte erleben in freier Natur" Autor Und davon, von Geschichte und Natur, gibt es im Hürtgenwald reichlich. O-Ton Achim Konejung Ja, hier stehen wir schon mal vor einer Wandertafel des historisch-literarischen Wanderwegs Hürtgenwald 1938-1947, es gibt sechs Wege, sie haben immer einen Schwerpunkt, wir sind hier jetzt am Ochsenkopfweg, und dieser Weg thematisiert also einmal die Bunkerkämpfe im Herbst 44 und er thematisiert auch den Mythos Waldkrieg. Autor Achim Konejung ist der Vorstand der Konejung-Stiftung: Kultur. O-Ton Achim Konejung Die Konejung-Stiftung: Kultur ist eine gemeinnützige Kulturstiftung, die kulturelle und historische Projekte im Rheinland und den angrenzenden Beneluxländern durchführt, unterstützt, und was wir machen, das ist nämlich die populäre Vermittlung von Wissenschaft, in dem Fall von Geschichtswissenschaft. Autor Die Amerikaner zögern 1944, Aachen anzugreifen. Lieber wollen sie es östlich umgehen. Dabei stoßen sie auf den Westwall, diese Kette von 18.000 Bunkern und Panzersperren aus Beton, die im Westen der Republik auch heute noch hier und da wie Drachenzähne aus dem Boden ragen: Die Alliierten nannten den Westwall "Siegfried-Linie". Eigentlich war der Westwall gar nicht so stark und uneinnehmbar, doch die US-Strategen sitzen der deutschen Propaganda auf, sie zögern, und das ermöglicht es der Wehrmacht, die Bunker zu besetzen, neue Gräben auszuheben, Truppen und Panzer in Stellung zu bringen. Unscheinbare Eifeldörfer wie Schmidt, Kommerscheidt, Vossenack werden eilig zu bewaffneten Festungen ausgebaut. Achim Konejung, 52 Jahre, stützt seine Hand auf das Knie, schaut in's Tal. O-Ton Achim Konejung Wir sind hier am sogenannten Ochsenkopf, ein 450 Meter hoher Berg, von dort hat man einen hervorragenden Blick in die Rurebene, man kann also bei ganz klarer Sicht bis weit nach Belgien, bis weit in die Niederlande reingucken, und man kann auch da sehen, was damals der eigentliche Vormarsch der Amerikaner sein sollte, durch den sogenannten Stolbergkorridor hindurch... Autor Durch den Hürtgenwald fließt die Rur ohne H. Früher wie heute wird sie gerne mit der Ruhrgebiets-Ruhr mit H verwechselt... O-Ton Achim Konejung ... wurde auch damals verwechselt von den Amerikanern, die hams nicht kapiert, welche Rur sie eigentlich vor sich haben. Das ist ein exzellenter Panzergraben, weil ganz steile Felsen, ist nicht überwindbar, und vor allen Dingen hier in dem Bereich Hürtgenwald mehrfach aufgestaut, das heißt: ich habe einen Panzergraben, den ich nach Beliebigkeit fluten kann. Autor Vor allem der aufgestaute Rursee mit seiner Talsperre war strategisch wichtig. Und die Führung der Wehrmacht wollte die Gegend als Aufmarschgebiet für die geplante Ardennenoffensive freihalten. All dass hatten die amerikanischen Generäle lange nicht bedacht. Sie wollen damals nur schnell durch den Wald. Auch Achim Konejung geht schnell - es ist kalt hier oben, im Wald im Norden der Eifel. Atmo Schritte auf Waldweg Autor Das bislang letzte Projekt der Konejung- Stiftung ist der Multimedia- History-Guide. Ausgerüstet mit Karte oder GPS-Gerät, Videohandy oder Taschencomputer können sich geschichtsinteressierte Wanderer seit Sommer 2009 zu Originalschauplätzen der Kämpfe begeben und dort Interviews mit Zeitzeugen anhören, Filmdokumente anschauen. Die entsprechenden Geräte kann man ausleihen. Ein erfolgreiches Projekt! Die dazugehörige Internetseite hatte bislang über 40.000 Zugriffe, viele Wanderer haben sich im Hürtgenwald auf Spurensuche begeben. O-Ton Multimedia-History Guide Willkommen auf dem historisch-literarischen Wanderweg Hürtgenwald 1938 - 1947. Sie befinden sich am Startpunkt der Themenschleife drei, dem Ochsenkopfweg. Dieser Weg thematisiert die Kämpfe um die Westwallbunker und im Hürtgenwald im Verlauf des Herbsts 1944. Überqueren Sie vor dem Start des Tondokumentes C2 die Landstrasse, und achten Sie dabei unbedingt auf den Straßenverkehr! Autor Ab dem 6. Oktober wird im Hürtgenwald erbittert gekämpft, die US-Truppen können ihre Überlegenheit an Menschen und Material jedoch nicht ausspielen: zu eng ist der Wald, zu schlecht das Wetter für Luftangriffe. Es beginnt ein Stellungskrieg. Wie im Ersten Weltkrieg. Sprecher Hemingway "Es war wie Passendaele mit Baumkrepierern." O-Ton Multimedia-History Guide, weibl. Stimme Hören Sie den Text über den "Mythos Waldkrieg", und gehen Sie weiter, bis Sie rechts des Weges zum Gedenkstein für drei Soldaten kommen. männl. Stimme, Atmo Wind An einem Tag im Herbst, wenn Nebelfetzen wie Gespenster durch die Fichten ziehen, lässt sich hier am Ochsenkopf ein wenig von dem erahnen, was für die Soldaten beider Seiten das Unheimliche der Waldkämpfe ausmachte und zu den Mythen und Legenden des Hürtgenwaldes beitrug. Hier wurden uralte Ängste zum Albtraum, denn jeder Schritt auf einem toten Ast, jedes Knacken, konnte einen unsichtbaren Feind alarmieren. Autor Der amerikanische Schriftsteller Ernest Hemingway war im Herbst 44 als Kriegsreporter hier, er schrieb: Sprecher Hemingway "Der Wald bestand aus Fichten, die dicht angepflanzt waren, und die Granaten krepierten zwischen den Bäumen und drehten sie ab und zerfetzten sie, und die Holzsplitter waren wie Spieße im düsteren Gehölz. Die Männer brüllten und verschrien die Finsternis, die verflucht war, und den Wald, und schossen und legten Krauts um und gingen jetzt vor. O-Ton Achim Konejung Wir stehen jetzt hier am Ochsenkopf an einem Gedenkstein für drei Soldaten, die man in den 70er Jahren hier bei Waldarbeiten gefunden hat, das passiert bis heute immer wieder, dass man halt die sterblichen Überreste von Soldaten findet, es werden noch einige Hunderte in den Wäldern sicherlich vermisst. Autor Konejung geht inzwischen leicht bergauf, schnurstracks durch den Wald hält er auf eine Lichtung zu, dann hält er an, dreht sich um. Hinter ihm liegen meterdicke Betonplatten, überwuchert, den Schuttberg umgibt ein Wall. O-Ton Achim Konejung Ja, wir stehen hier vor einem gesprengten Westwall-Bunker, wir sind hier in der sogenannten zweiten Bunkerlinie. Die Bunker waren Unterstände, in die man reinging, wenn Artillerie-Überfalle kamen, aber verteidigt - und dass kann man sehr gut noch heute sehen -wurden die Bunker von außen. Deswegen haben wir hier quasi eine Archäologie des Schlachtfeldes, man sieht hier um die Bunker herum immer noch sogenannte Kriechgräben. Also Kriechgräben sind wesentlich flacher als Laufgräben, warum? Wegen des Wurzelwerkes dieser auch viel viel enger stehenden Bäume hier. Autor Hemingway: Atmo Wind Sprecher Hemingway "Das Wetter war umgeschlagen. Es war kalt, es goß, ein halber Sturm wehte, und vor uns lagen wie eine Mauer die schwarzen Forsten der Schnee-Eifel, wo die Drachen hausten." Autor Erst wochenlange Regenfälle, dann der früh und heftig einsetzende Schneefall. Und Frost. Typisches Eifelwetter. Wo die Offensiven der Amerikaner vielleicht kämpferisch Erfolg gehabt hätten, blieben sie manchmal auch einfach im Schlamm stecken. O-Ton Achim Konejung Der Hürtgenwald hat den Mythos vielleicht deswegen auch zu recht eines vollkommen unübersichtlichen gefährlichen, dunklen, miesen, düsteren Kampfplatzes in dem man permanent unter Anspannung steht, in dem es keine Sekunde der Ruhe gibt, weil der Tod überall lauert, hinter jedem Baum. Schauen sie sich den Wald an: nach 50 Metern ist Feierabend, die Bäume stehen so, dass nach 50 Metern der Wald komplett dicht ist, sie müssen ganz nah an den Feind ran, und Nahkampf ist sicherlich für einen Infanteriesoldaten das Grausamste und das Gefürchtetste was es gibt. Und da das dann wahrscheinlich eher hier die Regel war, war es für beide Seiten irgendwie auch ein Kampf, der sich unauslöschlich in die Erinnerungen einbrannte. Atmo Papier raschelt Autor Auch für Fritz Tillmanns, 86, ist der Hürtgenwald zur Heimat geworden. Dabei hat er hier einen Teil seiner Jugend verloren. Die Erinnerung ist für ihn präsent, als wäre es gestern passiert. Er hat sie in seinem Kopf, er hat sie oft erzählt, und er hat sie sauber in Plastikhüllen eingeheftet. Als 21jähriger Soldat kam Fritz Tillmanns, gerade aus Rußland zurückgekehrt, in die Eifel, als Mitglied einer Infanteriedivision. O-Ton Fritz Tillmanns In Hürtgen ja, da war richtig Waldkampf, da haben wir gegeneinander gelegen und geschossen da, ja. Wir haben einmal, wir hatten es gelernt, wenn der Amerikaner: "American Soldat, hands up!", und da kam einer mal ganz nah angerobbt, da. Da haben wir dem auch "hands up", da hat der nicht darauf reagiert. Pause Ja. Autor So war das im Krieg: er oder ich. Fritz Tillmanns sitzt in Nideggen in seinem Wohnzimmer. Schwere schwarze Holzmöbel, ein tiefes Sofa. Auf dem Couchtisch Aktenordner mit Karten, Fotos, Briefen. O-Ton Fritz Tillmanns Wir haben da erlebt, dass wir auf der Waldecke gelegen haben, mussten in der Nacht die Stellung räumen, auf die nächste Ecke, und in derselben Nacht mussten wir wieder zurück. In der Zeit hatten die Amerikaner schon in unseren Löchern gesessen, da haben wir die gefangen genommen und festgestellt, dass die ganz schnell von der Küste hierhin transportiert worden sind in Eiltransport. Da war einer, der hatte so rote Haare, wurde der verhört, die waren tags zuvor ausgeladen worden und waren ganz schnell hier in der Hürtgen transportiert. Autor Der Nachschub der Amerikaner funktioniert inzwischen wieder besser. O-Ton Fritz Tillmanns Aber wie gesagt: das war eine Übermacht, die war so gewaltig. Nicht nur an Menschen, auch an Material. Die Amerikaner hatten sehr viel Artillerie, Tag und Nacht hatten die geschossen, vor allen Dingen an allen Straßenkreuzungen und am rückwärtigen Gebiet, und die Kirchtürme, die wurden ja direkt kaputt geschossen, weil se da Beobachter vermuten. Autor Am 2. November, dem Allerseelentag, greifen die Amerikaner zum zweiten Mal massiv an. "Battle for Schmidt" nennen sie diese Schlacht, denn das kleine Örtchen Schmidt liegt an einer wichtigen Straßenkreuzung, und noch dazu nördlich oberhalb des Rurstausees. Fernziel der US-Strategen: Ein Brückenkopf östlich des Rheines, also hinter Köln. Noch vor dem Wintereinbruch. In Deutschland wird das Geschehen als "Allerseelenschlacht" in die Geschichtsbücher eingehen. Doch auch sie wird noch nicht die Entscheidung bringen. O-Ton Multimedia-History Guide Sie stehen nun an der Kirche von Vossenack. Diese wurde ebenso wie das Dorf bei den Kampfhandlungen schwer zerstört. In seinem Text "You enter Germany" erwähnt Heinrich Böll, dass die Kämpfe unter anderem in der Kirche stattfanden, und sich die Gegner von der Orgelbühne herab beziehungsweise aus der Sakristei heraus beschossen. Böll schreibt auch, dass das Dorf Vossenack 28 Mal den Besitzer wechselte. Autor Großhau heißt ein Ort auf einer Anhöhe der herbschönen Eifel. Eine handvoll Häuser, eine Kirche, ein Spielplatz: Hier hatte Heinrich Böll ein Arbeitshaus. Der eben zitierte Text entstand 1967. Sprecher Böll "Im Umkreis von zwanzig Kilometern um das Dorf Vossenack herum sind viel mehr Menschen getötet worden, als die Stadt Aachen heute Einwohner hat. Schöne Wege um jedes Dorf herum, Stille, immer noch wirkt die Landschaft des Kahlschlags eingeschüchtert, rötliche Äcker südlich der großen Straße dunkle nördlich." Autor Achim Konejung marschiert weiter. Natürlich ist auch Großhau, dieses Literaturdreieck, eine Station des Multimedia-Wanderwegs. Achim Konejung hat dieses Projekt mit seiner Stiftung angestoßen. O-Ton Achim Konejung Um das Interesse wach zu halten an diesem Thema nämlich, der Krieg hat hier vor der Haustür stattgefunden. Gerade bei Jugendlichen: nicht nur im Computer sondern eben hier wirklich, hier sind Menschen gestorben, ganz grausam, ganz brutal, das darf nicht in einer falschen Heldenverehrung enden. Autor Am Waldrand bei Großhau. 500 Meter hinter Konejung steht das Haus Bölls. Vor dem Stiftungsvorstand öffnet sich der Wald zu einer kleinen Lichtung. Dahinter beginnt der dunkle Forst. O-Ton Achim Konejung So. Dieser Wald hier spielt vor allen Dingen eine Rolle bei der sogenannten Operation Queen, das war der Versuch von Eisenhower noch mal - am 16. November startete das dann - aus der Rurebene, aus dem Hürtgenwald auf den Rhein vorzustoßen. Hier war es vor allem die 4. US- Division mit drei Regimentern, Schwerpunkt war das 23. Regiment, und da war Ernest Hemingway Berichterstatter, etwas weiter südlich war schon kurz vorher das 12. Regiment hier eingesetzt worden und da war Jerome D Salinger, also der Autor von "Fänger im Roggen", und der hatte den Hemingway schon kennen gelernt. Salinger selber hat gesagt: "Whenever I found an unoccupied foxwhole I started writing - wann immer ich in ein unbesetztes Schützenloch fand, dann begann ich zu schreiben", und er soll die ersten Kapitel von "Fänger im Roggen" hier im Hürtgenwald geschrieben haben. Autor Hemingway, Salinger, und in seinem Arbeitshaus saß zwanzig Jahre später Heinrich Böll und übersetzte als Erster Salingers Texte ins Deutsche. Das alles in einem Radius von 500 Metern. Nur ein paar Kilometer von diesem magischen Weltliteraturdreieck entfernt: Im Ortsteil Kleinhau sitzt der Hürtgenwalder Bürgermeister Axel Buch in seinem Amtszimmer im Rathaus. Er ist in der Gegend aufgewachsen, zu Hürtgen und dem Hürtgenwald hat er eine enge Beziehung. O-Ton Axel Buch Von Geburt an, eigentlich. Mein Vater ist Förster und 1954 sind wir nach hier gezogen, und seitdem habe ich in dem Wald sehr viel gelebt und gespielt und erlebt, unabhängig von der Geschichtsträchtigkeit. Das war ja für uns schon fast normal, dass wenn man durch den Wald lief, man also auch Munition fand, oder alte Waffen fand. Ich kann mich an einen Waldbrand erinnern, danach war das ja schon, 14 Tage, drei Wochen hat man nichts anderes im Kopf als immer wieder darein zu gehen und zu suchen und zu finden, und obwohl man's nicht immer so unbedingt durfte: das war gefährlich, ganz richtig. Autor 120 Minenräumer kamen nach dem Krieg um's Leben. Auch heute noch beginnt der Bau eines neuen Hauses im Hürtgenwald mit einem Anruf bei den Räumkommandos. O-Ton Axel Buch Mit meinem Vater habe ich mal zwei Jahre mitten im Wald gewohnt in einem Forsthaus, was danach abgerissen wurde, aufgegeben wurde und zwanzig Meter von der Hauseinfahrt ist jetzt vor kurzem ein deutscher Soldat gefunden worden, der wohl damals auch da schon gelegen hat. Insofern wird man immer wieder dran erinnert. Autor Und das Bauholz darf nicht aus der Gegend stammen, Schreiner weigern sich, Eichen zu verwenden - zu gefährlich wegen der vielen Granatsplitter. 30 - 40.000 Tote forderten die Kämpfe hier, an mancher Stelle ist auch von über 65.000 und mehr als 100.000 Verletzten die Rede. Beide Seiten zusammengenommen. Um die genauen Zahlen gibt es heute noch einige Verwirrung. Fest steht: Die knapp fünf Monate im Herbst und Winter 44 und 45 waren ein unglaublich brutales, massenhaftes Sterben. Die Leichen der Gefallenen lagen teilweise tage- oder wochenlang im Wald. Sie zu bergen war gefährlich wegen des Feuers der Gegner, und weil manches Waldstück tückisch vermint war. Ernest Hemingway hat beobachtet... Sprecher Hemingway In Hürtgen gefroren sie alle einfach, es war so kalt, dass sie mit roten Gesichtern gefroren. Sehr sonderbar. Im Sommer waren alle grau und gelblich wie Wachsfiguren. Aber als der Winter erst mal richtig da war, hatten sie gerötete Gesichter. Autor Am 8. Februar 1945 wurde die Ortschaft Schmidt zum letzten Mal und endgültig von den Amerikanern eingenommen - beziehungsweise das, was von ihr noch übrig war. Nach fünf Monaten kamen die US-Truppen endlich östlich aus dem Wald heraus - geübte Wanderer brauchen heute für die Strecke kaum einen Tag. Die Kämpfe endeten, doch zur Ruhe kam die verheerte Landschaft noch nicht. Erst langsam kehrten die Bewohner in ihre teilweise völlig zerstörten Dörfer zurück und begannen, inmitten dieser herben und bergigen Landschaft wieder zu bauen. Im Sommer 47 kam der Schrecken noch einmal offensichtlich zurück, als die Sommerhitze die reichlich im Wald verbliebene Phosphormunition entzündete. Die Brände tobten tagelang, und manche Artilleriegranate explodierte in der Feuersbrunst, und so mancher Leichnam gefallener Soldaten wurde so eingeäschert. Übrig blieb ein Bild der Apokalypse: Große Teile des Hürtgenwaldes waren schwarze, verkohlte Flächen, auf denen nur noch verkohlte Baumstümpfe standen. Dazwischen lagen Skelette neben verbrannten Fahrzeugen. Inzwischen herrscht Ruhe, auch wenn die Spuren allerorten zu finden sind. Doch die Beteiligten, Deutsche wie Fritz Tillmanns und auch amerikanische Veteranen, sind immer noch aufgewühlt. Der Hürtgenwald hat Fritz Tillmanns nicht losgelassen. Im Krieg hatte er seine Frau hier kennen gelernt, nach der Gefangenschaft kam er zurück und heiratete sie. Seitdem lebt er am Rande des Hürtgenwaldes. O-Ton Fritz Tillmanns Ja sicher, wenn ich da vorbeikommen, immer wieder denke ich da dran, ich habe auch nen Vetter in Kommerscheidt wohnen, der ist mittlerweile verstorben, wenn wir Namenstag gefeiert haben, dann bin ich oft abends vor die Tür gegangen, das war meistens die selbe Zeit, wie wir da unten gelegen haben die Novembertage, da habe ich immer: ach weißte noch, wie da unten da... wusste man ja nicht zu der Zeit: wie geht das mal zuende? Ob man dat überhaupt übersteht? Wenn man jung ist, möchte man noch nicht sterben, nicht wahr? Atmo Schritte im Wald Autor Rotbuche, Hainbuche. Traubeneiche. Laub auf dem hügeligen Boden. Der Hürtgenwald. Ein deutscher Wald. 1