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Der nun hatte sich in den Kopf gesetzt, aus dem Knast so eine Art Grusel-Hotel zu machen. Über den Scherz mochten nur wenige grinsen, dennoch lag man sich in den Haaren. Nach langer Funkstille reden jetzt Stadt, Opfer und Investor wieder mit- und weniger übereinander. Michael Frantzen hat zugehört und eifrig notiert. - folgt Script Beitrag - - Script Beitrag- (Goßler) "Direkt in Stollberg! Man sieht es von allen Seiten. Wo man hingeht, sieht man diese Burg da oben." AUT Hoheneck. (Mann) "Es ist nen Wahrzeichen. Es ist nen wunderschönes, großes Gebäude." AUT Besonders Abends, wenn die 420 Meter lange Burgmauer aus rotem Ziegelstein angestrahlt wird. Doch der Schein trügt. (Schreckenbach) "Dess is momentan noch der Originalzustand. (leichter Baulärm im Hintergrund) Aber entsprechend verwittert. Ja! Seit 2001 is das Gefängnis geschlossen." AUT Zum erzgebirgischen Märchenschloss hat Hoheneck noch nie getaugt. 1864 wurde es als "sächsisches Weiberzuchthaus" eingeweiht, nach '45 machte der SED-Staat daraus das größte Frauengefängnis der DDR. (Mann) "Man denkt wirklich manchmal, dass es gar nicht wahr sein kann, was da stattgefunden hat." AUT 1.600 Häftlinge hausten hier bis zur Wende hinter Stacheldrahtzaun und vergitterten Fenstern: Mörderinnen, Kriminelle, politische Gefangene. (Schreckenbach) "Es steht die Frage: Was wird hier aus Hoheneck? Wie soll's hier weiter gehen?" AUT Darüber gingen in Stollberg, dieser stillen Beamtenstadt, wo spätestens um sieben die Bürgersteige hoch geklappt werden, die Meinungen in den letzten Jahren bisweilen auseinander. (Schreckenbach) "Also werden wa reingehen." (Krause) Ja! (Schlüssel, Tür wird aufgeschlossen, Unterhaltung im Hintergrund, Tür fällt zu, Laufgeräusche (Schreckenbach) So! Liebe Schülerinnen und Schüler! Ich heiße euch hier ganz herzlich willkommen auf Schloss Hoheneck. Dem berüchtigten Frauengefängnis der DDR." AUT Ab und zu öffnet Hoheneck seine Pforten. Genauer gesagt tut das Theo Schreckenbach: Ratsmitglied, Kirchenmann - und zu DDR-Zeiten einer der wenigen Unangepassten in Stollberg. Der joviale Rentner ist Jahrgang '34. Sprich: Er hat Zeit; viel Zeit. Um sich "zu kümmern", wie er das nennt. So wie an diesem sonnigen Frühlingsmorgen, der vergessen lässt, dass es hier manchmal noch Ende April schneien kann. Am blauen Stahltor, dem einzigen Ein- und Ausgang des ehemaligen Frauenknastes, hat sich Schreckenbach postiert, um die zwei Gymnasial-Klassen aus dem benachbarten Annaberg-Buchholz in Empfang zu nehmen. Links von ihm, am Wärterhäuschen, verkündet ein schwarz-rotes Plakat mit stilisiertem weißem Stacheldrahtzaun: "Der Schrecken hat einen Namen: Gefängnis Schloss Hoheneck". Rechts vom ihm wundert sich Annemarie Krause, was die Pappe mit der plakativen Botschaft da zu suchen hat. Dass Hoheneck ein schreckliches Erbe birgt, muss man der Rentnerin nicht zwei mal sagen. (Krause) "'48 bin isch eingesperrt, '50 mit dem Viehtransport bin ich hier mit 1.200 Frauen und 30 Kindern reingekommen. Von de Russen; von Sachsenhausen. AUT Dem Konzentrationslager der Nazis in der Nähe Berlins, das die Sowjets nach '45 übernahmen. 16 war Annemarie Krause, als sie nach Hoheneck kam. (Krause) "Da war ich noch bis '54, im Januar, hier. Die Verhältnisse waren katastrophal. Mir hatten eine Schüssel, wo wa uns alle drin waschen mussten. Wenn wa in der Zelle waren, dann: Ein Kübel. Kein Klopapier." AUT Annemarie Krause war eine von Tausenden Frauen, die nach dem Zweiten Weltkrieg von sowjetischen Militärtribunalen verurteilt wurden. Ihr "Vergehen": Sie hatte sich in einen bessarabischen Besatzungssoldaten verliebt, mit dem sie in den Westen durchbrennen wollte. (Schreckenbach) "Mir sind jetzt hier im Innenring. Die Neuzugeführten sind hier reingekommen und zum großen Teil hier hinter verbracht worden, in die Effektenkammern. Wo sie sich all ihrer persönlichen Dinge entledigen mussten. Ausziehen! Auch der Schlüpfer musste abgegeben werden. Dann bekamen sie dort die Anstaltskleidung, Anstaltswäsche." (Krause) "Mir haben gekriegt: Zwei Männerunterhosen. Zwei Männerhemden. Eine Hose. Grau, mit grünen Streifen. Und eine Jacke. Dazu Kopftuch. Zwei Fußlappen. Und nen Holzschuh." AUT In Hoheneck demonstrierten Ulbricht, Honecker und CO ihre Macht; ihre Allmacht. Per Drill und Indoktrination sollte der Wille der politisch Unliebsamen gebrochen werden. Der Tagesablauf war minutiös geplant: Aufstehen: Fünf Uhr morgens. Um sechs rückten die Frauen zur Arbeit in den zweiten Stock an: Unter anderem Bettwäsche-Produktion, für den Export in den Westen. Bis zum Feierabend um halb sieben mussten die Inhaftierten unzählige Zählungen und Appelle über sich ergehen lassen. Alles, um aus Frauen wie Annemarie Krause "normierte Räder im sozialistischen Uhrwerk" zu machen, wie Siegfried Reiprich meint. Für den Geschäftsführer der "Stiftung Sächsischer Gedenkstätten" ist Hoheneck etwas besonderes. (Reiprich) "Dass wir hier einen Ort haben wie wohl kaum sonst in der DDR, wo politische Haft von Frauen stattfand. Die waren zwar nie in der Mehrheit, die Mehrheit waren die sie schikanierenden kriminellen Frauen. Das gehörte aber auch genau zu diesem auch wieder aus der Sowjetunion kommenden stalinistischen Umerziehungssystem oder Schikane-System. Das gab's sonst in der DDR nicht. Und das gab es in dieser Form in Mittelosteuropa auch nicht." AUT Sechs Gedenkstätten unterhält die Stiftung in Sachsen in direkter Trägerschaft, Bautzen und Torgau sind die bekanntesten. "Gibt also genug zu tun", meint der Mann, der mit dem Chef der Stasi- Unterlagenbehörde Roland Jahn in Jena zur Schule ging und 1981 von der DDR-Führung ausgebürgert wurde. Eigentlich stand Hoheneck bei Reiprichs Amtsantritt Anfang 2010 erst einmal gar nicht auf seiner Prioritätenliste. Doch das hat sich geändert; spätestens seitdem aus der erzgebirgischen Provinz Nachrichten bis in die Dresdner Stiftungsvilla drangen, die den Ex-Bürgerbewegten veranlassten, aktiv zu werden. (Reiprich) "Ich hab, seitdem ich hier bin, viele Gespräche geführt. Mit dem Prokuristen der Firma, dem Investor, mit dem Bürgermeister, mit Land- und Bundestagsabgeordneten, mit den Frauen von Hoheneck natürlich sowieso und anderen im Umfeld. Also das ist ja gerade die Aufgabe eines Geschäftsführers: Quasi stille Diplomatie zu betreiben anstatt groß rum zu klingeln." AUT Das mit dem "Nicht groß rum klingeln" haben nicht alle beherzigt. Am wenigsten der Investor, der Hoheneck 2003 für 5000 Euro besenrein vom sächsischen Finanzministerium kaufte. Hatte viel vor - der Neue. (Ausschnitt aus Video von Freibergers Website:) "Mit einem gut durchdachten Konzept wird aus Hoheneck ein lohnender und profitabler Standort. (leicht esoterische Musik) Ein Hotel könnte zweihundert Betten bieten, davon dreißig in originalen Zellen" Regie: Frei stehen lassen und dann hart an O-Ton AUT Hotelbetten in Original-Zellen - als Siegfried Reiprich sich zum ersten Mal das Video auf der Website des Investors zu Gemüte führte, schwante ihm nichts gutes. (Reiprich) "Gruselkabinett. Disneyland." (Ausschnitt aus Video:) "Wie wäre es mit Erlebnis-Hotel und Erlebnis-Gastronomie? Einen Indoor- und Outdoor Event Bereich?" Regie: Frei stehen lassen und Musik unter nächsten O-Ton blenden (Reiprich) "Als ich gehört habe, dass hier so: Männertag im Frauenknast und solche Dinge passieren, dachte ich: Da muss man schon ziemlich bescheuert sein, wann man auf so ne Idee kommt." AUT Ein Hotel mit "Jailhouse Feeling" - nicht nur der Stiftungsmann konnte es nicht fassen. Der Investor schon. Er hört auf den Namen Bernhard Freiberger und geistert in der Lokalpresse als "Schlossherr aus dem Westen" herum. Für sein Ostknast-Abenteuer gründete der Immobilienmakler im nahen Chemnitz, wo er inzwischen wohnt, extra eine eigene Firma: Artemis, wie die antike Göttin des Waldes, die der Legende nach das Licht scheut. Freiberger hält es inzwischen ähnlich: Zu Presseterminen schickt er nur noch seinen Prokuristen. Und so ist es an Jens Franz einzugestehen, dass das mit dem "Erlebniswohnen im Schrecken" zwar gut gemeint war, weil: Da wäre ja auch aufgeklärt worden über den DDR-Unrechtsstaat. Unkonventionell halt. Nur leider sei das ganze nicht ganz praktikabel gewesen. Umständehalber. (Franz) "Es wird nicht dieses Hotel geben, was vielleicht damals angedacht war. Das man hier sagt: Es is ein Hotel einer gewissen Kategorie. Für besondere Menschen. Na, was heißt besondere Menschen?! Etwas...ja...wie sagt man hier?" AUT Aus dem Lot geraten ist nicht nur die Syntax von Freibergers Sprachrohr, sondern auch die Geschäftsidee seines Bosses. Der sitzt jetzt auf einem Schloss - ohne etwas damit anfangen zu können. Investitionsruine statt Geldmaschine: Die Schuldigen: In Freibergers Kosmos sind sie längst ausgemacht. Nummer Eins: (Franz) "Sicherlich ist meist so das Problem: Wenn dann jemand aus den alten Bundesländern kommt, dass man den dann als, ja, nicht unbedingt als Investor sieht, der hier vielleicht der Region oder dem Gebäude speziell helfen möchte und für das Gebäude eine Idee hat, sondern in ihm, früher hat man gesagt, einen Kapitalisten sieht." AUT "Schuldig" gemacht haben sich nicht nur undankbare Ossis, die was gegen Wessis haben, die ihnen doch nur auf die Sprünge helfen wollen, sondern auch - Nummer Zwei: Die Medien. (Franz) "Dass manches schneller geschrieben worden ist, wie vielleicht mancher drüber nachgedacht hat. Es war sicherlich so, dass, wenn damals diese negative Publicity nicht gewesen wäre, Hoheneck mehrere Schritte weiter gewesen wär wie jetzt. Es ist dann wirklich ein wenig in einen Dornröschenschlaf gefallen - das Objekt hier." AUT "Ist auch besser so!" Siegfried Reiprich im fernen Dresden hebt die Hände. Immer noch besser, als wenn Hoheneck zu einem Gedenkort auf RTL2 Niveau mutiert wäre. Die Idee mit dem Horror-Hotel jedenfalls ist vom Tisch. Angeblich soll Freiberger schon versucht haben, sein Traumschloss wieder los zu werden. Gibt da so Gerüchte. 16 Millionen Euro wollte er haben. Ist nichts draus geworden. Die Werbetrommel aber rührt er weiter - auch wenn es offiziell heißt, Hoheneck stehe nicht zum Verkauf. (Ausschnitt von Video auf Freibergers Website:) "Oder würden Sie Hoheneck lieber in etwas anderes verwandeln?" (Reiprich) "Der Investor is nen netter Mensch; nen kultivierter. Ich glaub, aus dem Saarland kommt der Mann. Der wußte offensichtlich nicht, was er da tat. Das hängt wohl damit zusammen, dass in der langen Zeit des Kalten Krieges doch ne ziemliche Entfremdung der Erfahrungswelten zwischen Ost und West da war und die Westdeutschen, denen es gut ging, eher mit dem Rücken zur Mauer lebten. Und die guckten eben eher zum Unrecht nach Chile, was auch gut ist. Oder nach Südafrika. Aber weniger nach Polen oder gar nach Sachsen. Deswegen hat der das in seiner Naivität sicherlich nicht bös gemeint, aber es war natürlich furchtbar." (Goßler) "Wir waren empört. Wir haben geschrieben an ihn." AUT Wir - das ist der Frauenkreis der ehemaligen Hoheneckerinnen, in dem sich Opfer wie Anita Goßler organisiert haben. 6 (Goßler) "Er hat uns überhaupt nicht geantwortet damals. Wir haben immer wieder geschrieben und immer wieder geschrieben. Dass er uns doch die Gedenkstätte machen soll. Da war er erst nicht einverstanden. Dann hab ich ihn besucht. War mit meinem Mann mal da. Hat er uns auch empfangen. Da war er sehr, sehr einsichtig, sehr freundlich. Also ich muss sagen, ich konnte mir gar nicht vorstellen, dass er so hart gewesen ist. Wie gesagt: Hotel! In den Zellen. Ich mein: Das war Idiotie. Oder dieses Theater, was er machen wollte. Musical!" (draußen, Schlüssel wird gedreht, Tür aufgemacht. Schritte im Gefängnis, Treppensteigen) Regie: Frei stehen lassen und dann unter Autor blenden AUT Mehr als drei Jahre hat Anita Goßler Mitte der 50er in Hoheneck verbracht. Wegen angeblicher "Mitwisserschaft von illegalem Waffenbesitz und Verbreitung von Gerüchten" - die Urteilsbegründung kann die Frau, die im August '57 nach Haftende in die Bundesrepublik flüchtete und heute in Berlin, tief im Westen der Stadt, in Lichterfelde, lebt, nach wie vor wie auf Kommando abspulen. Verfolgt sie auf Schritt und Tritt - die Zeit im Gefängnis. Bis heute. Das linke Knie, das noch Schlägen eines Gefängniswärters nie richtig verheilte; die lange Narbe an der Stirn, die sie mit ihren Haaren kaschiert; die Wasserphobie, unter der sie leidet, seitdem sie in einer Wasserzelle eingesperrt war. (Goßler) "Da kam das Wasser dann unten raus. So kam das Wasser hoch. Und man kann dann auch nicht sagen, wie lange man drin war. Stunden? Tage? Weil man hat kein Zeitgefühl. Der Körper ist ja dann fast wie tot. Das is ja alles kalt. Das war natürlich furchtbar. Ich hab also furchtbar zurückbehalten ne Wasserphobie. Ich geh nicht schwimmen, ich geh nich in die Badewanne. Schon wenn ich mich da reinsetze...(würgt)...krieg ich keine Luft mehr." AUT Der Schatten von Hoheneck - manchmal er lastet immer noch schwer auf Anita Goßler. Einfach den Erinnerungsschalter ausschalten und alles vergessen: Klappt nicht. Reden hilft; sich austauschen; mit denen, die ähnliches durchgemacht haben. Deshalb sind die gemeinsamen Treffen einmal im Jahr in Stollberg ihr so wichtig. In ein paar Wochen ist es wieder so weit. Inzwischen sind die Rentnerin, die sich von der ungelernten Hilfskraft zur Filialleiterin einer Berliner Edelbäckerei hocharbeitete, und die anderen Willkommen - in der Stadt mit der dunklen Vergangenheit. War nicht immer so. (Goßler) "Die Stollberger haben erst gar nicht mit uns gesprochen. Die ersten Jahre war's natürlich nen bisschen kühl. Aber jetzt! Die wollen uns unterstützen. Ich glaube schon, dass viele nicht gewusst haben, was in der Burg passiert." (Mann) "Die Haftanstalt! Bis vor der Wende war's ja so, dass über die Haftanstalt kaum jemand was wusste. Es ist überhaupt nicht nach außen gedrungen. Es waren teilweise über tausend Leute dort inhaftiert. Die mussten natürlich leben. Die mussten essen, die mussten trinken. Und da gab's auch Personal dazu. Aber: Stollberg hat mit dem Schloss gelebt, mit dem imposanten Gebäude. Aber zu DDR-Zeiten hat niemand gewusst, was drin passiert. Es gab nich mal Kartenmaterial von den Bereichen. Von daher war alles wie weggewischt." AUT Auch in Katharina Manns Familie haben sie zu DDR-Zeiten nur gerätselt, was da oben auf der Burg wohl vorgeht. Die Stadtplanerin ist Beigeordnete in Stollberg - und froh, dass es zum ersten Mal seit dem Verkauf des Gefängnisses vor knapp zehn Jahren so aussieht, als ob sich eine Lösung abzeichnet, mit der alle leben können. (Mann) "Ich war das allererste Mal oben - da war die Haftanstalt noch offen. Da waren noch Frauen dort inhaftiert. Da war ich schon schockiert. Vor allen von dem einen Nebenflügel. Dieses Fachwerkhaus. Dort waren junge Muttis mit ihren Kindern und hochschwangere Frauen. Da hab ich gedacht: Wenn du dein Leben so beginnen musst, egal was jetzt nun dahinter steht: Ob jetzt ne politische Geschichte oder nicht. Also, da ist man da raus und hat erst mal gedacht: Mein Gott! Wie soll das denn weiter gehen?" AUT Wenn man so will, war Hoheneck zu DDR-Zeiten eine Welt für sich: Eigenes Heizhaus, eine Tankstelle, Extra Parkplätze für die Wächter - Katharina Mann faltet in ihrem Büro im historischen Rathaus von Stollberg die schwarz-weiße Flurkarte des Gefängnisareals auseinander. Einer gefräßigen Krake gleich verschlang Hoheneck mit der Zeit immer mehr Platz. (Lärm von Baustelle) Regie Frei stehen lassen und dann unter Autor blenden AUT Vergangene Zeiten. Die Nebenanlagen werden gerade abgerissen, um Platz zu machen für Neues. Im Mai sollen die Arbeiten abgeschlossen sein. Das eigentliche Gefängnis aber, die alte Burg, soll bleiben und renoviert werden. (Atmo aus Gefängnis) (Schreckenbach) "So! Und zwar haben jetzt hier die Dunkelzelle. (Macht Tür laut auf, dreht Schlüssel, Tür fällt zu, Schlüssel) Bis zu 21 Tage konnte das ausgesprochen werden. Es wurde auch kontrolliert, ob die sich in den Zellen auch ordnungsgemäss verhielten. Bis zu zehn Mal pro Stunde in unregelmäßigen Zeitabständen. Das heißt: Drei Minuten, fünf Minuten, zwei Minuten, zehn Minuten, sieben Minuten, acht Minuten, drei Minuten, zwei Minuten. Oder mal ne ganze Stunde gar keine Kontrolle." AUT Dass Hoheneck weder zu einer Art Frankenstein Hotel mutiert ist noch unter einem überdimensionierten Deckmantel des Verschweigens verschwunden ist, ist auch jemanden zu verdanken, von dem man das nicht unbedingt erwarten würde: Ex-Bundespräsident Christian Wulf. Im Mai letzten Jahres besuchte der Mann mit der Schnäppchen-Mentalität die Burg, um vor den Hoheneckerinnen über die Rechtsgeschichte dieses gespenstischen Ortes zu reden. Wulf setzte ein Zeichen. Anfang November dann, zum Jahrestag des Mauerfalls, zeigte die ARD "Es ist nicht vorbei" - einen Spielfilm über das Schicksal einiger in Hoheneck inhaftierter Frauen. "Es ist nicht vorbei" - das passt jetzt auch zu Hoheneck. (Reiprich) "Da sind Gedanken da wie Nutzung für Jugendbegegnungen, für Führungen und auch Filmaufnahmen im Südflügel. Eine kleine Gedenkstätte im Ostflügel, dort auf dem Berg in Schloss Hoheneck. Da wird man schon zusammen kommen und sich genau überlegen, was das kostet. Da haben wir intern schon durchaus drüber nachgedacht. So was ist machbar." AUT Siegfried Reiprich und seine Mitstreiter drücken aufs Tempo. Ende des Monats soll sich in Stollberg ein Förderkreis gründen, der ein Konzept für die weitere Nutzung des ehemali gen DDR-Knasts entwickeln soll. Die Stiftung ist mit an Bord; die Stadt; Freiberger, der Investor; die Frauen von Hoheneck. E 27 (Schreckenbach) "Wollen wa sehen, dass wa wieder hinaus gehen. (Applaus setzt ein)" Regie Bei Applaus unter Autor blenden AUT Mehr als zwanzig Jahre nach der Wende scheinen Stollberg und Hoheneck doch noch zueinander zu finden. Die Stadt unten im Tal, die lange Zeit ihre Ruhe haben wollte. Und die Trutzburg auf dem Hügel mit ihrer dunklen Geschichte. (Reiprich) "Stollberg wird wohl für lange Zeit damit in irgendwelcher Form leben müssen. Wie eben ein Städtchen in Bayern namens Dachau damit leben muss. Das ist so. Man kann der Geschichte nicht ausweichen. Aber ne Stadt, die klug ist, integriert es in ihre Geschichte. Das ist das Erbe des totalitären 20. Jahrhunderts und man kann nur aufrichtig und offensiv damit umgehen." AUT Anita Goßler kann das nur recht sein. 79 ist sie jetzt und fast, sagt sie, hätte sie die Hoffnung schon aufgegeben, dass es doch noch was werden könnte mit der Gedenkstätte - für sie und die anderen Frauen von Hoheneck. (Goßler) "Das dauert sicherlich noch Jahre. Ob ich es noch mal erlebe, weiß ich nicht. Ich mein, ich gehör schon zu den Älteren. Ich weiß es nicht." - Ende Beitrag- Ende