COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Länderreport Gleich hinterm Kraftwerk -Warum im "Walsumer Hof" die Lichter noch nicht ausgehen- Autor Michael Frantzen Red. Claus Rehfeld Länge 17'56" Sendung 03.04.12 - 13.07 Uhr Moderation Auch die Wegbeschreibung auf der Website macht klar, wo es geographisch und auch sonst so lang geht: "Autobahn A59 bis Ausfahrt "Duisburg-Walsum". Also immer geradeaus, um das Kraftwerk herum, und hinter dem Kraftwerk sofort rechts." Dann ist man angekommen: Am "Walsumer Hof". Der Hof ist ein aus der Zeit gefallenes Fischrestaurant, das sein Dasein zwischen gigantischen Schornsteinen fristet. Fischrestaurant und Kraftwerk - wie paß das zusammen? Oder auch nicht? Michael Frantzen fand keine Ruhe und nimmt Sie jetzt mit auf eine Reise in eine seltsame, also sehr gegenwärtige Welt da in Nordrhein-Westfalens. Welten prallen hier aufeinander. Und es treten auf: Kesselflicker, die von Wunderstahl träumten und inzwischen um eine Illusion ärmer sind; Wutbürger, die schon mal vor lauter Wut Kohle- mit Atomkraftwerken verwechseln können; und als Hauptprotagonist: Asterix auf Duisburgisch. Vorhang auf! - folgt Skript Beitrag - - Skript Beitrag- (Langhoff) "Hallo! Moin! (Gast) Grüß dich! Hallo! (Langhoff) Moin! Grüß dich! Moment!" (Lachen) (Langhoff) Du hast heute Geburtstag? (Gast) Ja. (lacht) (Langhoff) Alles Gute zum Geburtstag." weitere Unterhaltung Regie Frei stehen lassen und bei weiterer Unterhaltung unter Autor blenden AUT Geburtstagsglückwünsche vom Chef höchstpersönlich - im "Walsumer Hof" gehört das dazu. Lässt er hier sich nicht nehmen: (Langhoff) "Mein Name ist Matthias Langhoff. Wir sind hier in Duisburg, am Rhein, im Walsumer Hof, im Fisch-Restaurant." (Langhoff geht in Küche rein) "Kannste noch nen paar Muscheln rein tun? (Koch wirft Muscheln ins Wasser) Sie sehen: Wir haben noch die alten Guss-eisernen Pfannen. (Muscheln klacken) Hier geht alles noch über Manpower. Braten! Dünsten! Räuchern! Alles!" (Klacken von Muscheln) Regie: Bei Klacken unter Autor blenden AUT "Wer meine Muscheln kennt, geht nie mehr fremd". Prophezeit die Speisekarte. 17,50 Euro all inclusive. Oder, um im Langhoffschen Jargon zu bleiben: "Bis der Arzt kommt". Deftig sind nicht nur die Sprüche, sondern auch das Ambiente: An den Wänden: Eiche rustikal. An der Theke: Üben sich ein beleuchtbarer Plastikfisch und eine vergilbte Jutetüte mit der Aufschrift "Hallo Sylt" in friedlicher Koexistenz. Hinten, am Durchgang zu den lila Toiletten und der alten Kegelbahn, klärt die "Ahnentafel der Familie Langhoff" darüber auf, dass sich ihre Wurzeln bis 1697 zurückverfolgen lassen. (Langhoff) "10., 11. Generation. Wir halten da nich so genau nach. Sagen wa mal: Es müsste jetzt eigentlich die 11. Generation sein." AUT Solange ist der "Walsumer Hof" in Besitz der Langhoffs, der Gastro-Dynastie. Traditionen sind wichtig, besonders dem Chef vom Ganzen in seinem "Pütthemd". (Langhoff) "Das is nen Pütthemd, ja! Das Bergwerk Walsum ist ja hier gegenüber hundert Meter von mir entfernt. Das is jetzt vor ein paar Jahren geschlossen worden. Ich sach mal: Ich steh auch zur Kohle. Und ich steh auch zu den Püttrologen. Wo man ja immer sacht: Das sind einfach gestrickte Leute. Ganz super Leute! Die zu dir gesacht haben: Du bist nen Arsch! Dann bisse nen Arsch, sach ich mal so lapidar. Aber auf die man sich auch verlassen konnte." AUT Langhoff liebt klare Ansagen. Das hat ihm in den letzten Jahren nicht nur das eine oder andere Problem eingebrockt, sondern auch diverse Spitznamen. (Langhoff) "Asterix und so. Haste nich gesehen. Is ja nen bisschen Quatsch. Ich sach mal: Don Quijote würd vielleicht besser passen. (lacht) Gegen Windmühlen. Es is schon sicherlich so, dass wir so nen Kultstatus erreicht haben." AUT Den verdankt der "Walsumer Hof" einem mächtigen Nachbarn. (Langhoff) "Wenn die Gäste raus gehen: Jetzt kommste hier aus dieser urigen Kneipe: Dann kommt sofort dieses super-moderne Hightech-Teil da. Ich sach imma: Wenne das gut findest: Pack ein! Nimm mit! (lacht) Is ja nich so einfach, aber..." AUT "Das Hightech-Teil da" hört auf den Namen "Walsum 10". Ein nagelneues Steinkohlekraftwerk - strahlend weiß und monumental: Mehr als hundert Meter türmt sich der Kessel in die Höhe, 180 Meter der Kühlturm, 300 der Schornstein. Es reiht sich ein in eine Kette von Gewerbebetrieben, Fabriken und Kraftwerken, die aus dem alten Walsumer Oberdorf mit seiner 700jährigen Geschichte mit der Zeit eine fast menschenleere Industrielandschaft aus Stahl und Beton machte. (Langhoff) "Ich glaub auch, dass viele Leute gedacht haben: Walsumer Hof - in der Ecke da unten: Das dauert nich lange, bis der die Segel streicht. Das hab ich auch selber gedacht, muss ich ihnen sagen. Als ich gesehen hab, wie das hier abging, hab ich gedacht: Datt schaffen wa nich. Auch daher, als da die Bauphase begann." AUT Für den neuen Kraftwerksblock. 2006 war das, als die Bagger und Betonmischer anrückten. "Sie müssen sich vorstellen: Es sah hier aus wie ne Mondlandschaft. Es war ja nichts mehr da. Auch die Straßenführung zu unserem Hof war nich mehr so wie es früher war. Sie war auch versperrt durch Betonmaschinen, die dieses Ding hier hochgezogen haben - diesen Kühlturm. Da hat man uns gesagt: Wenn das 100 Betonmischer am Tag wären, dann wär es viel. Und es waren nachher weiß-ich-gar-nicht-mehr, konnte man gar nicht mehr zählen, weil diese Straße permanent belagert war von Betonwagen." AUT War verdammt knapp damals. Langhoff seufzt. Viele Gäste blieben weg, weil sie vor lauter Stau nicht zu ihm durchkamen. Aber aufgeben? Das Handtuch werfen? So wie die anderen, die sich von der Steag, den Kraftwerksbetreiber, auszahlen ließen und vom Acker machten. Niemals! Der 1 Meter 90 Mann schüttelt den Kopf. Ging nicht. Sein Vater hätte sich im Grab umgedreht - auch wenn der zu Lebzeiten Ende der 90er den Grund des Hofes an die Steag verkauft, bei der Gelegenheit aber auch einen langfristigen Pachtvertrag ausgehandelt hatte. Letztes Jahr hat Langhoff den Vertrag noch einmal um fünf Jahre verlängert. Trotz allem. Seit geraumer Zeit kursiert auf der anderen Deichseite, im Walsumer Unterdorf, das Gerücht, die Hub-Brücke zwischen Unter- und Oberdorf solle für Autofahrer dicht gemacht werden. Sollen seine Gäste jetzt vielleicht zu Fuß oder mit dem Rad kommen? (Langhoff) "Man hat immer so ne Unruhe. Wissen se: Sie haben hier in diesem Betrieb keine Planungssicherheit. Selbst wenn sie investieren wollten, müssen sie sich überlegen, ob es auch noch Sinn macht. Weil: Wie lange bisse noch hier? Oder die sagen: Na klar, Langhoff, bleibste hier! Aber bei den Zusagen, die man mir schon gemacht hat in den letzten zwanzig Jahren, is es müßig, das zu glauben, was die einem sagen." AUT Die - das sind die von der "Steag". (Konrad) "Wir sind traditionell sehr eng hier mit dem Standort verwurzelt. Insofern sind wir verlässliche Partner hier in der Region. Und so kennen uns auch die Menschen im Umfeld und Nachbarn." AUT Verkündet keinen Kilometer entfernt vom "Walsumer Hof" Wolfgang Konrad, stellvertretender Leiter des Bereiches Umwelt, Genehmigungen und Produkte der Steag, ehemals Evonik. Wenn Langhoff Asterix ist, dann ist Konrad, wenn nicht Cäsar, dann zumindest Legionär römischer Truppen - mit dünnem, grauem Haar und lila-Krawatte. Von seinem Besprechungszimmer fällt der Blick auf die Ruine des stillgelegten Kohleschachts. Auch sonst sind Konrads Aussichten nicht gerade berauschend. Der promovierte Diplom-Chemiker muss in der Öffentlichkeit seinen Kopf dafür herhalten, dass "Walsum 10" in den Lokal-Medien vorzugsweise nur noch als "Pannenblock" auftaucht. (Konrad) "Pannenblock ist sicherlich falsch." AUT Wiegelt Konrad ab. Eigentlich sollte der Block Prototyp einer umweltfreundlichen Kohle- Kraftwerkstechnik werden. Das ganz große Ding. Teil einer: (Konrad) "...visionären Entwicklung als Kraftwerks-Standort für einen Erweiterungsbau. Und inzwischen ist mit Walsum 10 diese Erweiterung Realität geworden." AUT Tatsächlich ist die Anlage fertig. Die Steag auch - mit den Nerven. Über den Probebetrieb ist das 830-Millionen-Euro teure Pionierkraftwerk nicht hinausgekommen. Bei zwei Testläufen entpuppte sich der vermeintliche Wunderstahl "T24" als kostspieliger Flop: Rohre so undicht wie Siebe. (Lärm von Kraftwerk: Dröhnen, Klacken von Tür, Laufgeräusche) Regie Frei stehen lassen und dann unter Autor blenden AUT Der fehlerhafte Superstahl wird jetzt durch konventionellen Kesselstahl ersetzt. Das geht ins Geld und kostet Zeit: Zwei Jahre später als geplant soll Walsum 10 ans Netz gehen. (Konrad) "Es gibt immer bestimmte Widrigkeiten. Da müssen wa an der Stelle einfach nach vorne gucken. Und die Probleme bewältigen. In sofern ist es jetzt nicht Ziel, die Vergangenheit zu bewältigen, sondern sicher zu stellen, dass wir 2013 erfolgreich den Betrieb aufnehmen können." AUT Gibt der Kesselflicker der Steag zu Protokoll - nur um hinzuzufügen, in Walsum hätten alle ihren Platz: Das Kraftwerk genauso wie der "Walsumer Hof". Berührungsängste habe er keine, meint Wolfgang Konrad. Gleich zwei Mal habe er es sich schon im Fischrestaurant munden lassen. Alles ganz harmonisch, ganz kollegial, ganz nachbarschaftlich. (Langhoff) "Sich mit Evonik-Steag anzulegen?! Sicher hat man ne Entschädigung bekommen, die im Prinzip Peanuts war. Ett is müßig, mit Evonik-Steag zu streiten. Es is nen Politikum sicherlich: Dass dieses Kraftwerk zu uns kommt. Was mich nen bisschen stutzig macht hier, is, dass wir ne Schachtanlage hatten mit Kohle. Die dann geschlossen worden is, obwohl wir nen Kohlekraftwerk bekommen. Datt is so, als wenn ich nen Fischteich mit viel Fisch hab, aber dann viel Fleisch verkauf und kein Fisch mehr." AUT Das mit dem Fisch und dem Fleisch kann Wilfried Mohr erklären. Auch so eine Art Asterix. Oder Don Quijote, je nachdem, wie man das sieht. Der pensionierte Lehrer aus dem Walsumer Unterdorf kämpft schon seit Jahren gegen den Kraftwerksbau der Steag. (Mohr) "Dieses Monstrum von 181 Metern Höhe is in diesem Dorf also ein Störfaktor ohnegleichen." AUT Auch Mohr, ein ruhiger Mann Mitte 60, fühlt sich von der Steag verschaukelt. Alles ein abgekartetes Spiel. Bei dem die Walsumer den Kürzeren zögen. Mal wieder. Das Kraftwerk, doziert der Umweltschützer, sei Teil einer "globalisierten Verwertungskette". Fängt schon bei der Kohle an, die verfeuert werden soll. (Mohr) "Wir kriegen die Kohle aus Kolumbien. Deutsche Kohle eh nich mehr. Die kommt dann über weite Wege hierhin. Haben dann hier den Verbrennungsprozess. Wir kriegen den Dreck. Der Strom fließt nach Österreich, von da in die Türkei. Und wir hier vor Ort haben eigentlich gar nichts - noch nicht mal Arbeitsplätze. Die vierzig versprochenen Arbeitsplätze werden durch Umschichtungen frei gemacht. Und dann kommen die Arbeiter aus anderen Werken, die wohlmöglich still gemacht werden, hier hin. Also: Gewinn in Duisburg is hier: Noch mehr Dreck." AUT Alle seien sie der Steag auf dem Lein gegangen. Regt sich der Mann von der Bürgerinitiative auf: Die Genossen von der SPD genau wie der abgewählte Oberbürgermeister Sauerland von der CDU. Was hatte der Kraftwerksbetreiber auch nicht alles in Aussicht gestellt: Neue Arbeitsplätze. Und als I-Tüpfelchen nichts weniger als den Durchbruch bei der umweltfreundlichen Kohle-Kraftwerkstechnologie. Duisburg als Vorbote einer neuen, grünen Zeitenwende. Von wegen! (Mohr) "Wenn ich, nehmen wir mal an, hundert Prozent Kohle einsetze und Energie daraus gewinne, wie behauptet, von 45 Prozent Nutzung, dann hab ich 55 Prozent an Verlust. Wo ist da die großartige Technik, wenn ich mehr Verlust habe beim Energieeinsatz als Gewinn? Also datt is ne Dinosaurier-Technik." AUT Regt sich der Umwelt-Aktivist auf. Falls das Kraftwerk wie geplant im Herbst 2013 ans Netz gehen sollte, wird Mohr wohl das tun, was er eigentlich immer vermeiden wollte: Wegziehen. Er wäre nicht der erste. Matthias Langhoff kann die Namen seiner ehemaligen Nachbarn aus dem Oberdorf nur so runter rattern. (Langhoff) "Wir hatten halt noch hier unseren Metzger - den Herrn Rüttgers. Dann hatten wir noch ein Gardinen-Fachgeschäft: Henneken. Dann nen Malerbetrieb: Abelz. Dann ne Drogerie: Klaus. Also, es war nen komplettes, intaktes Dorf mit mehreren Geschäften; nen Fahrradladen, nen Krämerladen. Frisör." AUT Alles weg. Langhoff schnappt sich die Speisekarte und fängt an zu blättern. Hier: Das Foto da - so sah es früher in der Rheinstrasse aus; als drei Generationen Langhoffs unter einem Dach lebten: Großeltern, Eltern, Kinder. War damals, nach dem Krieg, so üblich. Langhoffs Pranken gleiten über das Foto. Lange her. Er tippt auf ein weiteres, weiter unten auf der Speisekarte: Das Oberdorf Mitte der 2000ender: Kaum wieder zu erkennen. Viele Häuser sind verschwunden, die verbliebenen heruntergekommen. (Langhoff) "Diese Menschen, die dort wohnten, denen wurde auch nahe gelegt wegzuziehen. Und das hat man halt über verschiedene Methoden gemacht: Keine Bushaltestellen mehr, so dass die älteren Leute nirgendwo einkaufen gehen konnten und deswegen auch schon mal weggezogen sind. Oder die Wohnungen gar nicht mehr saniert. Und hat sie kaputt gehen lassen." (Atmo aus Restaurant, Geschirr, Unterhaltung) Regie: Frei stehen lassen und dann unter Autor blenden AUT An die alten Zeiten kann sich auch Ludger Lahrfeld erinnern. Der gebürtige Walsumer hat heute Geburtstag - und ist zur Feier des Tages mit seiner Frau in den "Walsumer Hof" gekommen. Schon ein komisches Gefühl: Wenn von dem, was sich in die Kindheitserinnerungen eingegraben hat, fast nichts mehr übrig ist. (Ludger Lahrfeld) "Hinten gab's Café Müth. Hier direkt nebenan war Borchmann-Schmidt. Datt war immer unser Anlaufpunkt. Für uns Kinder. Da sind wa immer hingefahren, mittem Fahrrad. Und haben geguckt, watt ett da für Spielzeug gibt. War hier direkt nebenan. Und is halt alles weg." AUT Mehr als zehn Jahre war Lahrfeld nicht mehr im "Walsumer Hof." Fisch ist tendenziell nicht ganz sein Fall. Für seine Frau umso mehr. (Monika Lahrfeld) "Fisch! Nä?! Du isst heute Fisch!" (Ludger Lahrfeld) Ja, ich ess Fisch. (Monika Lahrfeld) Mein Mann isst Fisch. (Beide lachen) AUT Mag Matthias Langhoff auch der letzte Wirt einer zum Untergang verdammten Ortschaft sein: Sein Fisch-Restaurant zählt zu den besten Deutschlands. Im Flur hängen die Urkunden mit den stilisierten Mützen des französischen Gourmet-Führers Gault Millau. Ist er schon ein bisschen stolz drauf - der Matthias, wie sie ihn hier nennen. (Monika Lahrfeld) "Der, ja...." (Ludger Lahrfeld) Matthias! (Monika Lahrfeld) Der Matthias (Glas klirrt), der is so... (Ludger Lahrfeld)...persönlich halt. (Monika Lahrfeld) Kann man jetzt ganz schlecht mit einem Wort ausdrücken. Der kommt dann hinter einem her, wenn man raus is. Und hat einem noch nich Tschüss gesagt. Und is halt sehr urig hier drin." AUT Draußen dagegen eher gespenstisch; besonders, wenn es dunkel wird und das alles überstrahlende Neonlicht des Kohle-Kraftwerks den Walsumer Hof zur perfekten Kulisse für einen Horrorfilm mutieren lässt. (Monika Lahrfeld) "Wir sind auch uffe Straße gewesen und haben gegen das Atomkraftwerk demonstriert. (Lachen) Atom?! Ja! Für mich is das fast wie nen Atomkraftwerk. (lacht) Haben wa also mehrmals auffe Straße gestanden. Auch hier. Weil: Datt geht eigentlich gar nich - datt Ding hier." AUT Auf die Solidarität seiner Gäste kann Matthias Langhoff bauen. Ob das ausreicht? In letzter Zeit sind Asterix Zweifel gekommen; ob er sich nicht doch verrannt haben könnte und letzten Endes nur ein Rückzugsgefecht führt? (Langhoff) "Sie müssen sich vorstellen: Der eine sagt: Es wird laut. Der andere sagt: Es bleibt leise. Der eine sagt: Matthias, von dem Kohlenstaub bekommste gar nix mit. Der andere sagt: Die werden dich damit zuhauen, ja?! Das ist der Punkt: Für uns wär eigentlich schon wichtig gewesen, dass das Ding so früh wie möglich ans Netz geht, damit wir auch mal wissen, wie's wirklich wird. Denn hinterher is man immer schlauer. Dann sagt man: Ja, Matthias, tut uns jetzt leid! Und wenn es Sommer eben laut is, haben wa keine Gäste! Oder wenn die Gäste da im Hagel oder im Staub von Kohle sitzen, brauchen wir uns nich darüber zu unterhalten, wie lange wir brauchen, bis der Laden dann geschlossen werden muss, nä?!" AUT Nicht auszudenken. Langhoff sackt in sich zusammen. Asterix ist weit weg, Don Qujote, der Ritter trauriger Gestalt, ganz nah. Das alles hier - meint er und breitet die Hände aus - das Restaurant, der Biergarten, der verwilderte Teil weiter hinten mit den Schweinen und den zwei Eseln - das seien seine Wurzeln. Im Walsumer Hof weht leise der Wind der Geschichte. Opa Johannes und Oma Dorothea blicken streng in Schwarz-Weiß von ihren Fotos im Weinzimmer: Oma rechts von der Tür, Opa links. Auch Langhoffs Vater ist allgegenwärtig. "Dem Schützenbruder Franz Langhoff für 25 Jahre Vereinstreue": Urkunden, Fotos, Zeitungsausschnitte. War ein Patriarch der alten Schule - der "Senior". (Langhoff) "Dass wir auch arbeiten durften. Permanent arbeiten durften. Auch nach der Schule. Oder selbst Samstag, Sonntag: War für uns gar kein Thema. Das war aber auch so: Jeder hatte seine Aufgabe. Und als ich älter wurde: Samstag, Sonntag: Zapfen hinter der Theke, auch Mit-Bedienen. Ja! Selbstverständlich! Und es wurde auch nicht gefragt. Watt soll ich ihnen sagen. Datt war so. Es wurde angeordnet. Genauso wir wir auch nicht wählen durften, welche Ausbildung wir machten. Hat mein Vatta gesagt: Ihr macht ne Ausbildung in der Gastronomie! Jeder!" AUT Alle vier Langhoff-Brüder spurten. Seine Lehre zum Kellner machte Matthias Langhoff im Sauerland, danach war er 15 Jahre auf Achse. England, Frankreich, Schweden, Deutschland einmal quer Beet. Immer wieder neu anfangen, sich durchbeißen, anpassen. (Langhoff) "Was mich geprägt hat, fand ich: Schlosshotel Kronenberg. Da hab ich damals Lady Di bedienen dürfen. Und den Dalai Lama. Lady Di war sicherlich ganz nett, aber der Dalai Lama - den vergisst man einfach nich; wenn man den mal so bedient hat. Und nur nen Tee servieren durfte. Der Mann hat ne Ausstrahlung - das war der absolute Hammer. Für den Dalai Lama, weiss ich noch ganz genau, dass wir die ganze Bude ausräumen mussten. Der hat auf dem Boden geschlafen. Also nich in irgend nem Bett. Das Zimmer war komplett kahl. Der saß dann da auf einer Matte und da hab ich ihm dann seinen Tee serviert." AUT Zum Schluss war Langhoff in England, in Oxford, der Universitätsstadt. Dann hatte er genug. Seine letzte Beziehung war gerade in die Brüche gegangen. Acht Jahre: Aus und vorbei. (Langhoff) "Da ging es mir nicht ganz so gut. Da hab ich mir gedacht: OK, da gehste jetzt einfach mal nach Hause. Zu der Zeit war meine Mutter schon verstorben, mein Vater war alleine. Dass ich noch nen paar Tage arbeiten konnte, war auch klar. Wenn man so schlecht drauf is is es immer gut, wenn man viel Arbeit hat. Und ich sach: Vatta! Walsumer Hof?!" AUT Mitte 50 ist Langhoff jetzt, noch mal zwanzig Jahre - und dann sollte die nächste Generation das Ruder übernehmen. Eigentlich. (Langhoff) "Das is ne prekäre Frage. Weil: Ich leb in Scheidung, bin geschieden. Und hab auch nicht den besten Draht, was für mich ein großer Makel ist, zu meinen Kindern. Und für mich persönlich hab ich leider feststellen müssen, dass Gastronomie und Familie nich im Einklang gehen. Das musste ich mir so eingestehen. Is so." AUT Seine zwei Kinder bekommt Langhoff selten zu Gesicht; viel zu selten. (Langhoff) "Aber ich sach mal: Ich weiss genau, dass Maximilian und Franziska, meine beiden Kinder...dass die gerne kochen. Und wenn ich se hatte, weiß ich auch, wollten se gerne mit mir in der Küche stehen. Die wollten nicht essen gehen, die wollten gerne kochen. Ich würde es gerne sehen, aber: Wenn ich überlege, was ich die letzten Jahre mitgemacht hab. Was hat nen Kumpel von mir zu mir noch gesagt: Matthias, das willst du doch deinen Kindern sicherlich nich antun!" AUT Noch ist sich der Walsums letzter Wirt nicht ganz schlüssig. Eine Sache gibt ihm zu denken. Scheinbar hat auch Franziska das "Asterix-Gen" geerbt. Das letzte Mal, als sie hier war, erinnert sich Langhoff, dieses Fossil, wehmütig, habe sie ihm nur gesagt: (Langhoff) "Walsumer Hof muss bleiben, nä?!" Ende