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Titel: Literatur aus der Konsole - Wie Computerspiele Geschichten erzählen Autor/in: Christian Schiffer Sendedatum: 7.4.2013 Sendezeit: 00:05 Uhr Redaktion: Kolja Mensing Mit Zitaten aus: Fallout 3 // Jahr ( Deutschland): 2008, Publisher: Ubisoft, ASIN: B00178630U Edna bricht aus // Jahr: 2008, Publisher: Deadalic Entertainment, ASIN: 3828761631 Far Cry 3 // Jahr: 2013, Publisher: Ubisoft, ASIN: B0054NZ2CE Bioshock // Jahr: 2008, Publisher: 2K Games, ASIN: B001BYIGE6 Dear Esther // Jahr: 2012, Publisher: Steam Uncharted 2 // Jahr: 2009, Publisher: Sony Computer Entertainment, ASIN: B002KFZJH2 Papo Y Yo // Jahr: 2012, Publisher: Minority ZSP1 Fallout Bunkertür SPR Langsam öffnet sich die wuchtige Metalltür, und ich verlasse zum allerersten Mal die sichere Bunkeranlage. Es ist staubig draußen und heiß, die Sonne blendet mich. Langsam gewöhnen sich meine Augen an die Helligkeit. Die Aussicht verschlägt mir dem Atem: Vor mir liegt eine karge, ausgedörrte Welt. Am Horizont sind die Trümmer Washingtons zu erkennen, rechts verläuft ein zerstörter Highway im Nichts, links erstreckt sich eine öde, zerklüftete Landschaft. Dann Surren. Über mir kreist eine Drohne, eine Art fliegendes Radio. ZSP2 Fallout: Drohne/Ansprache Präsident SPR Propaganda-Gequatsche. Minutenlang Propaganda-Gequatsche. Ich zücke meine Pistole. ZSP3 Fallout: Schuss ATMO1 Fallout MOD1 Das Computerspiel Fallout 3 entführt den Spieler in das Jahr 2077. Nach dem 3. Weltkrieg hat sich die Erde in eine nukleare Wüste verwandelt. Die wenigen Menschen, die den Atomkrieg überlebt haben, hausen seit Generationen in unterirdischen Bunkern oder schlagen sich auf der radioaktiv verseuchten Oberfläche durch. Fallout 3 verkauft sich weltweit millionenfach. MOD2 In Computerspielen geht es heute nicht mehr nur darum, Klötzchen in einem Becher anzuordnen, mit einem Raumschiff pixelige Gesteinsbrocken klein zuschießen oder als italienischer Kemptner Schildkröten auf den Kopf zu springen. MOD1 ... Tetris, Asteroids, Super Mario ... MOD2 Das war gestern. Computerspiele sind heute auch ein Medium, um Geschichten zu erzählen. Ein Medium mit eigenen Gesetzen. ZSP4 Bhatty: Dramaturgie des Spielplatzes Ein Drehbuchautor beschreibt, was der Zuschauer nachher auf der Leinwand sieht. MOD1 Prof. Dr. Michael Bhatty, Autor für Computerspiele und Professor für Game Design an der Macromedia Fachhochschule in München ZSP4 Er beschreibt, was die Figuren tun, wie sie handeln, er beschreibt all das, was nachher auf der Leinwand zu sehen ist und was der Zuschauer hören wird. Damit ist der Zuschauer in der passiven Rezeption. Bei einem Computerspiel ist der Spieler aktiver Bestandteil. Das bedeutet: Drehbuchschreiber sagen oft "Der Spieler macht jetzt das und das..." . Das zeigt aber genau, was der Spieler nicht tut, denn der Spieler macht das, was der Spieler gerne machen möchte, innerhalb eines abgesteckten Rahmens. Weiß heißt das jetzt? Das heißt, dass wir bei einem Computerspiel mit Freiheiten arbeiten. Wir müssen dem Spieler Möglichkeiten geben, dass er frei agieren kann. Ich habe das damals als "Dramaturgie des Spielplatzes" bezeichnet. Ich stecke also einen Rahmen ab, und dann muss ich loslassen. ATMO2 Fallout SPR Ich stolpere unsicher die Überreste einer Landstraße entlang. Nach einem halbstündigen Marsch, auf dem ich die ein oder andere unangenehme Begegnung mit mutierten Riesen-Kakerlaken habe, erreiche ich einen Schrottberg. Beim näheren Hinsehen entpuppt sich der Schrottberg als kleines Städtchen. Megaton, so heißt diese Siedlung, liegt mitten im postnuklearen Nichts. Der Ort besteht aus windschiefen Wellblechhütten, mit Mauern aus Metallschrott. Es gibt hier eine Krankenstation, eine Bar und ein Restaurant. Ein für postapokalyptische Verhältnisse ein geradezu heimeliges Plätzchen. Plötzlich stehe ich vor einer großen Atombombe, die im sandigen Boden steckt. Ein atomarer Blindgänger, umringt von Menschen, den "Kinder des Atoms": ZSP5 Fallout: Kinder des Atoms MOD1 Sektenanhänger, die eine scharfe Atombombe anbeten: Die Szene aus Fallout 3 ist eine Hommage an den Film "Rückkehr zum Planeten der Affen". Doch anders als im Film wird hier nicht einfach zur nächsten Szene geschnitten. MOD2 Das hier ist ein Computerspiel. Der Spieler bestimmt, wie es weitergeht: Er kann minutenlang den "Kindern des Atoms" bei ihrem bizarren Ritus zusehen, er kann dem Ganzen auch einfach den Rücken kehren, in der nahegelegenen Bar eine Nuka-Cola trinken gehen und später wiederkommen. Und: Er kann eingreifen. ZSP6 Fallout: Sheriff ATMO3 Fallout: Kneipe SPR Lucas Simms sorgt in Megaton für Recht und Ordnung. Ein ehrenwerter Mann. Er möchte, dass ich die Bombe entschärfe, die seine Stadt jederzeit dem Erdboden gleichmachen kann. Aber ich habe erstmal Hunger. Und Durst. In Moriarty's Saloon lege ich 10 Kronkorken auf den Tisch und genehmige mir dafür ein Glas aufbereitetes Wasser und einen Maulwurfsratten-Eintopf. An der Bar fällt mir ein gut gekleideter, eleganter Mann auf. Er stellt sich als Mr. Burk vor. Sein Boss, der mächtige Allistair Tenpenny, möchte von seinem Balkon aus freien Blick auf den Horizont haben. Die Blechhütten von Megaton stören ihn da nur. ZSP7 Fallout: Mr. Burke SPR Ich wäge ab: lasse ich Megaton in Luft gehen, winkt eine große Belohnung; schleiche ich mich nachts zur Bombe und entschärfe sie, werde ich zum Helden. Eine Zwickmühle. Eine Gewissensentscheidung. Engelchen links, Teufelchen rechts. Keine leichte Entscheidung: ZSP8 Fallout: Atombombe Explosion MUSIK I don't want to set the World on Fire: kurz hoch, dann drunter ATMO4 Fallout MOD2 Die Wahl zu haben, das ist es, was Computerspiele auszeichnet. MOD1 Die Geschichte des interaktiven Erzählens beginnt allerdings keineswegs mit der Digitalisierung. Eigentlich war schon das Geschichtenerzählen am Lagerfeuer eine Spielart des "interactive storytelling". Der Erzähler passte seine Geschichten der Zuhörerschaft an. MOD2 Vielleicht dichtet er ein Monster hinzu, um die Kinder zu erschrecken, oder er baute für die Frauen eine Liebesgeschichte ein MOD1 Auch auf gedrucktem Papier gab es bereits interaktive Elemente: In der Erzählung "Der Garten der Pfade, die sich verzweigen" aus dem Jahr 1944 gibt Jorge Luis Borges verschiedene Handlungspfade vor. Diese Geschichte an sich ist aber noch nicht interaktiv, sondern beschreibt Interaktivität nur. Das ändert sich Ende der 70er-, Anfang der 80er-Jahre, als die so genannten Spielbücher populär werden. Diese Spielbücher sind in kleine Abschnitte unterteilt, nach einem Abschnitt wird der Leser vor die Wahl gestellt und muss je nach seiner Entscheidung woanders fortfahren: SPR Eins Du sitzt zu Hause und hörst eine Sendung über Computerspiele und interaktives Storytelling. Plötzlich klingelt es an der Tür. Was sollst du jetzt tun? Du kannst ZSP9 Radio aus SPR Das Radio ausmachen, dich langsam aus dem Sessel erheben, zur Türe gehen und vorsichtig durch den Spion lugen. Lies weiter bei 4. ZSP10 Radio lauter SPR Das Klingeln ignorieren und das Radio lauter stellen. Lies weiter bei 6. ZSP11 Türe auf SPR Aus dem Sessel aufspringen und von Neugierde übermannt zur Tür stürmen, um zu sehen, wer wohl der geheimnisvolle Besucher ist. Lies weiter bei 5. SPR Fünf. Du öffnest die Tür. Vor dir steht ein Mann in einem langen schwarzen Mantel. Er sagt: "Dies ist ein Beispiel, das den typischen Aufbau eines Spielbuches verdeutlichen soll. Es wurde speziell für diese Radiosendung verfasst. Folge dem weißen Kaninchen!". Möchtest zurück in deinen gemütlichen Sessel sinken, lies weiter bei 6. Alternativ kannst du deine Sachen packen und das weiße Kaninchen suchen gehen. Lies weiter bei 7. MOD1 Neben den Spielbüchern entstehen damals auch die Pen-&-Paper- Rollenspiele als Variante des interaktiven Erzählens. Hier sitzen die Spieler um einen Tisch herum und schlüpfen in fiktive Rollen, um Abenteuer zu erleben. Hauptspielmittel sind "pen" und "paper", Stifte und Papier also, um die Rollen auf sogenannten Charakterbögen zu fixieren und den Spielverlauf zu dokumentieren. Das Pen-&-Paper-Rollenspiel erlebt in den 80er-Jahren seinen Höhepunkt, was sich unter anderem Steven Spielbergs Film "E.T." widerspiegelt. ZSP12 E.T. Ausschnitt Pen & Paper MOD1 Es sind insbesondere Fantasy- und Science-Fiction-Geschichten, die am Küchentisch die Runde machen. In dieser Zeit wachsen die ersten Programmierer von Computerspielen heran. ZSP13 Bhatty: Fantastik Star Wars Inhalte Die Einflüsse auf Computerspielen sind sehr stark mit der Literatur der Fantastik verbunden. Das geht in England zurück auf die Literatur von "Der Herr der Ringe" über Tolkin, in den USA geht das auf die Pulp-Magazine zurück, bis auf "Conan", Howard, Burroughs. Wir können das im Prinzip bis auf Shakespeare zurückführen und wenn wir in unseren Kulturkreis gucken, können wir sogar bis zu Homer gehen, wir finden hier starke Motive, die hier reinkommen. Der Haupteinfluss von der inhaltlichen Seite kam aber aus dem Kino. Aus dem Kino und aus dem Pencil-&-Paper-Rollenspiel, das wieder seine Anleihen bei der Literatur hat, beim Herr der Ringe insbesondere. MOD1 Das wichtigste und populärste Pen & Paper-Rollenspiel ist Dungeons & Dragons, kurz: D&D. D&D lässt in der Fantasie der Spieler Elfen, Zwerge, Orks, Drachen, Riesenspinnen unheimliche Verließe und schummrige Tavernen entstehen. MOD2 Das erinnert natürlich an Tolkiens "Herr der Ringe" MOD1 Die Dungeons-&-Dragons-Spieler tragen dazu bei, dass Tolkiens Mittelerde- Welt zur Blaupause für die meisten Fantasy-Geschichten wird. Heute weiß jeder was Orks sind, oder Halblinge, jeder kennt Sauron oder Gandalf. In 80ern und auch noch in den 90ern ist das noch anders. Fantasy, das ist damals Teil einer Subkultur. Fantasy, das ist Nerdkram. ZSP14 Bhatty: Fantastik Star Wars Inhalte 2 Und wir haben in den 70er-Jahren ein Phänomen, genauer 1977 in den USA, in Deutschland 1978, und das war der Film Star Wars. MOD1 Michael Bhatty ZSP Und jetzt kam George Lucas mit Star Wars und hat ein völlig anderes Universum gezeichnet. Er hat das Ganze in einer visuellen Qualität gezeigt, die bis damals nicht existent war. Und damit wurden Science Fiction und Fantasy zum Mainstream. Das hat zur Folge gehabt, dass ein Arnold Schwarzenegger danach Conan drehen konnte, und wie weit die Karriere von Arnold Schwarzenegger dann noch ging, das wissen wir ja. Auch Conan war übrigens vom Pencil-&-Paper Rollenspiel beeinflusst, also von der Gruppe, die mit Würfeln und Bleistiften eben solche Abenteuer in der Fantasie erlebt, angeleitet von einem Spielleiter, der sich letztlich in der Rolle eines Regisseurs befindet. Das sind alles Sachen, die inhaltlich reingekommen sind. Und jetzt müssen wir überlegen: wir haben eine Truppe von zwei Entwicklern gehabt, die gesagt haben: "Okay, wir wollen selbst ein Computerspiel machen". MOD1 Bis heute greifen Computerspiele gerne fantastische Stoffe auf. Das hängt auch mit der Produktionsweise von Spielen zusammen: Beim Film beeinflusst das Budget die Wahl des Settings, bei Computerspielen macht es dagegen keinen Unterschied, ob die Grafik für eine Raumstation oder die einer Vorstadtsiedlung programmiert wird. Jede Fantasie, und sei sie noch so verrückt, kann in Computerspielen theoretisch zum Leben erweckt werden. MOD2 Es gibt Computerspiele, die in bizarren Heavy-Metal-Welten spielen, in denen Bierdosen an verchromten Bäumen hängen, wie in Brütal Legend. Es gibt Spiele, in denen der Spieler das Hirn einer Opernsängerin erkundet, wie in Psychonauts oder die wie eine finstere Variante von Alice im Wunderland aussehen, so wie American McGee's Alice. MOD1 Ende der 70er Jahre entsteht eine neue Form der interaktiven Erzählung, die nur mit dem Computer möglich ist: das Textadventure. Vor allem an den Universitäten programmieren Studenten diese Spiele. Einen Markt für kommerzielle Computerspiele gibt es damals noch nicht. Textadventures funktionieren so ähnlich wie ein Spielbuch, bieten jedoch ganz neue Möglichkeiten. Ein Textadventure beschreibt eine Szene, ganz ähnlich wie ein Buch. Dann kann der Spieler Befehle eintippen, etwa "Gehe nach Norden", "Sprich mit Ork", "Untersuche Schreibtisch". Das Programm spuckt dann einen neuen Text aus - und nach und nach bahnt der Spieler sich so seinen Weg durch die fiktive Welt. Die Boomzeit der Textadventures, das sind die 80er Jahre. MOD2 Mancher Gamer verdrückt noch eine Träne, wenn er den Namen "Zork" hört. Ein Spiel, das sogar heute, im Zeitalter der fotorealistischen Grafik, noch so populär ist, dass man es als App für sein iPhone herunterladen kann. Damals, in den 80ern und 90er Jahren stecken die Spiele noch in großen Packungen, die oft aufwändig gestaltet sind. Sie enthalten Karten und Fotos und manchmal sogar Duftkapseln, die dem Spieler den Geruch eines bestimmten Ortes in der jeweiligen virtuellen Welt vermitteln sollen. MOD1 Heute wird die Spielwelt nicht mehr durch Text beschrieben, sondern visuell dargestellt. Grafikadventures erinnern ein bisschen an virtuelles Puppentheater: der Spieler schaut auf den Bildschirm und steuert die Figuren, als wären sie kleine Schauspieler. MUSIK Edna bricht aus MOD2 Ein herausragender Genrevertreter ist "Edna bricht aus". Das Spiel stammt aus der Feder von Jan Müller-Michaelis, seine Fans nennen ihn einfach nur "Poki". "Poki" wurde für "Edna bricht aus" mit dem Deutschen Computerspielpreis ausgezeichnet. ZSP15 Michaelis: Herausforderung keine Zwischensequenz Die große Herausforderung besteht eigentlich darin, die Interaktivität des Mediums zu nutzen. Wir wissen ja durch eine lange Historie, wie wir nicht- interaktive Geschichten erzählen, wie wir also lineare Geschichten erzählen. Computerspiele sind da ein großes Neuland. Die Möglichkeiten, die man hier hat, den Spieler bzw. das Publikum einzubinden in die Erzählung, sind noch gar nicht alle erkundet, da gibt es noch viele Claims abzustecken. Man muss ja erstmal überhaupt sagen, dass Computerspiele ein sehr heterogenes Medium sind. Nicht jedes Computerspiel enthält eine Geschichte. Wenn man über Computerspiele redet, dann redet man eigentlich über einen Bereich, der ist so breit gefächert, als würde man über Print als Medium reden. Also man hat ein Rätselheft, man hat Werbung, man hat Anleitungen, man hat aber eben auch Romane oder Kurzgeschichten oder Comicbücher. Das sind eben alles sehr unterschiedliche Sachen. Wenn man diese Analogie weiterverfolgt, sind wir eher beim Roman mit unserer Art von Spielen. MOD1 Der Hauptcharakter in Jan Müller-Michaelis Spiel ist Edna, eine spindeldürre Teenagerin mit großen Augen, die eines Morgens in der geschlossenen Abteilung einer psychiatrischen Anstalt aufwacht. Sie hat keine Ahnung, wie sie dort hingekommen ist. Verrückt ist sie bestimmt nicht, und ihr sprechender Stoffhase "Harvey" sieht das genauso: ZSP16 Edna: Anfang SPR Wie bekommen ich Edna aus dieser Gummizelle heraus? Sie hat nichts dabei, außer ihrem Stoffhasen. Mhm... Dem Wärter gut zureden? ZSP17 Edna: Wärter ATMO5 Edna: Zelle SPR Immerhin ist jetzt die Klimaanlage an. Ein Stuhl. Ich schraube ein Bein ab und schlage es kräftig gegen den Tisch. Das Holz splittert. Mit den scharfen Kanten schlitze ich die Polster in der Gummizelle auf. Ein Luftschacht! Doch wie bekomme ich das Gitter davor weg? MUSIK Monkey Island MOD1 In Grafikadventures kommt es nicht auf den schnellen Finger oder eine präzise Hand-Auge-Koordination an. Hier muss der Spieler mit anderen Spielfiguren kommunizieren, Werkzeuge herstellen, Aufgaben lösen - oder die Weltgeschichte umschreiben. MOD2 "Die Staubsaugerpflicht in der amerikanischen Verfassung" MOD1 In dem Zeitreise-Adventure "Day oft the Tentacle" wird dringend ein Staubsauger benötigt. Also reißt der Spieler in die Vergangenheit, zu den Gründungsvätern der USA, die gerade über der Verfassung brüten. Der Spieler schmuggelt einen Zettel in die Vorschlagsbox, auf dem steht, dass jeder Amerikaner verpflichtet ist, einen Staubsauger zu besitzen. Der 'Staubsauger-Artikel' wird daraufhin in die Verfassung aufgenommen und in der Zukunft erscheint ein Staubsauger. MOD2 "Das Beleidigungsfechten in Monkey Island" MOD1 Monkey Island spielt in einer Piratenwelt, Säbelkämpfe inklusive. Doch hier gewinnt nicht der Pirat mit dem schnellsten Fechtarm, sondern der mit dem schnellsten Mundwerk. Der Spieler muss sich also erst einmal paar Mal richtig von anderen Piraten beleidigen lassen, um dann zurückzuschlagen: ZSP18 Beleidigungsfechten MOD1 Das Problem bei Adventures: Macht der Spieler nicht exakt das, was das Programm erwartet, geht es nicht weiter. Es wird langweilig. Jan Müller- Michaelis hat sich bemüht, für jede noch so abstruse Aktion des Spielers eine Reaktion des Spiels zu schreiben. Egal, was Edna ausprobiert, der Spieler bekommt nie nur ein schnödes "Das geht nicht!" zu hören. ZSP19 Michaelis: Ketchup1 Während des Spielverlaufs kann sie eine Ketchup-Flasche, eine Senf- Flasche, eine Schüssel mit Bohnen-Dip einsammeln, aber auch einen Kugelschreiber, eine Zickzackschere, einen Strohhalm, mit dem sie Sachen bespucken kann, oder einen alten Kaugummi. Und all diese Sachen kann sie beliebig in der Anstalt verteilen. Und ich hatte mir damals sehr viele Gedanken gemacht, als ich anfing, diese ganzen Reaktionen, die der Spieler ausführen kann, anzulegen. Ich habe mich gefragt "Was würde jetzt tatsächlich mein Charakter tun? Was würde Edna tun? Wenn sie jetzt auf die Idee käme, diese Ketchup-Flasche mit Schreibtisch von dem Leiter der Irrenanstalt zu benutzen. Das ist etwas, was der Spieler vorschlägt. Sie kann in diesem Raum sein, das Objekt "Tisch" ist als interaktives Objekt bereits in dem Raum, und sie hat eben diese Ketchup-Flasche in dem Inventar, der Spieler hat es irgendwann eingesammelt. Und jetzt hat der Spieler die Freiheit zu sagen "Benutze Ketchup-Flasche mit Tisch". Da habe ich mir gedacht: "Naja, gut: Edna ist nicht gut auf diesen Arzt zu sprechen, und natürlich ist sie nicht ganz zu Unrecht in dieser Irrenanstalt". Sie ist schon ein bisschen durchgedreht und legt großen Wert auf ihre Freiheit, und das ufert manchmal in einen gewissen Destruktivismus aus, oft angefeuert von ihrem sprechenden Stoffhasen Harvey. MOD1 Mein Freund Harvey ist der Titel einer berühmten Broadway-Komödie aus den 40er-Jahren. Für Jan Müller-Michaelis ist der imaginäre Hase Harvey das Sinnbild einer multiplen Persönlichkeitsstörung. ZSP20 Michaelis: Ketchup2 Wenn Edna auf die Idee kommt diesen Ketchup mit diesem Tisch zu benutzen, da ist mir schlichtweg kein Text eingefallen, um zu begründen, warum sie das jetzt nicht machen will. Warum sollte sie es nicht machen? Natürlich macht sie es! Wenn sie auf die Idee kommt, möchte sich Edna eben auch die Freiheit geben das zu tun! Da hatte ich gar keine andere Wahl, Edna das machen zu lassen, dasselbe gilt für den Senf. Und wenn sie auf die Idee kommt mit dem Stift, den sie eingesammelt hat, auf dem Schreibtisch herumzukritzeln, dann muss sie auch das machen können. Und wenn sie ihre Initialen in den Tisch ritzen möchte, dann muss sie auch das machen können. Und plötzlich bin ich vom Hundertsten ins Tausendste gekommen und habe sie all das machen lassen. Und das führt eben dazu, dass der Spieler im Verlauf von "Edna bricht aus" das Irrenhaus, in dem er sich befindet, nach Belieben verwüsten kann. MOD1 Handlungsfreiheit ist die wichtigste Eigenschaft von Computerspielen. Darin unterscheidet sich ein lineares Medium von einem non-linearen Medium. Egal was der Leser tut: Gustav von Aschenbach wird am Ende von "Tod in Venedig" von den überreifen Erdbeeren naschen. Und er wird danach an der Cholera sterben. Und am Ende von "Krieg der Sterne" wird Luke Skywalker unausweichlich den Todesstern zerstören. MOD2 Anders in einem Computerspiel. In "The Knights oft the old Republic" darf sich der Spieler auch für die dunkle Seite der Macht entscheiden und den ach-so-guten Jedi-Rittern eins auswischen. Die Handlungsfreiheit hängt natürlich vom Genre ab: In manchen Ego-Shootern kann man sich gerade einmal entscheiden, ob man nach einem Schusswechsel links oder rechts abbiegen möchte. Und in manchen Spielen ist man eben so frei, Atombomben explodieren zu lassen oder Irrenanstalten mit Ketchup zu verschönern. MOD1 Computerspiele können den Spieler vor schwerwiegende moralische Entscheidungen stellen. MOD2 Computerspiele können es dem Spieler aber auch ermöglichen, 2500 Käseräder von einem Berg herunterrollen zu lassen. Diese Szene aus dem Fantasy-Spiel Skyrim ist ein echter YouTube-Hit. Über zwei Millionen Menschen haben das Video angeklickt. ZSP21 Skyrim-Video MOD1 Doch Freiheit macht verdammt viel Arbeit. Je mehr Optionen der Spieler hat, umso mehr Antworten müssen die Gamedesigner finden. Beispielsweise in den Dialogen: Nimmt ein Drehbuchschreiber Handlungsfreiheit wirklich ernst, muss er Hunderte von Dialog-Varianten schreiben. 200.000 Dialogzeilen mussten allein für das Online Rollenspiel "Star Wars: The Old Republic" aufgenommen werden. Was für Dialoge gilt, gilt auch für den Plot: Viele Videospiele haben mehrere mögliche Enden. ZSP22 Huberts: Freiheit vs. Starrheit Es gibt da zwei Extreme. Das eine sind Spiele, die in ihrer Handlung schon sehr ausgestaltet sind. Wo Autoren dransaßen, die sehr genau überlegt haben, was wollen wir erzählen? Das wirkt sich allerdings stark darauf aus, wie viel Freiheit man dem Spieler lassen kann. SPR Christian Huberts selbstständiger Kulturwissenschaftler. Autor des Buches "Raumtemperatur", das sich mit Interaktivität in Computerspielen beschäftigt. ZSP23 Da, wo eine lineare, klare und komplexe Geschichte erzählt werden soll, kann man den Spieler nicht von der Leine lassen, da passieren dann komische Dinge. Da kann man in jedem Spiel die Handlung konterkarieren durch irgendwelchen Quatsch, den man macht. Da müssen die Gamedesigner dann immer aufpassen, dass dem Spieler nicht zu viele Freiheiten gelassen werden. Und das andere Extrem sind Spiele, die sehr stark simulativ ablaufen, wo es kaum eine festgelegte Story geben kann, weil alles, was in dem Spiel passiert, so stark vom Zufall abhängt und so viele Variationen annehmen kann, dass man es als Gamedesigner gar nicht unter Kontrolle hat, was für eine Geschichte der Spieler dort erlebt. MOD2 Die Charaktere in Computerspielen sind oft richtig platt: von Super Mario weiß man nicht viel mehr, als dass er ein italienischer Klempner ist und eine Freundin namens Peach hat. Auch Lara Croft aus Tomb Raider oder Desmond Miles aus Assassins Creed sind keine Charaktere mit tragischer Fallhöhe. Handlungsfreiheit, so scheint es, ist mit tiefen Charakteren nicht kompatibel. Oder? ZSP24/OV2 Susan: keine starken Persönlichkeiten 1 Als ich angefangen habe in der Gamesbranche zu arbeiten, wollte ich das Ganze traditionell angehen, und das hat mich schier in den Wahnsinn getrieben! SPR Susan O`Connor schreibt Drehbücher für Computerspiele und arbeitet in San Francisco. Sie hat unter anderem die Geschichte zum neuesten Tomb Rainer Spiel mitgeschrieben. ZSP24/OV2 Ich wollte Charaktere erschaffen, die Probleme haben, Herausforderungen und Fehler, und die Gamer wollten damit rein gar nichts zu tun haben. Der Trick ist, dass man sich in Games an eine andere Erzählstruktur gewöhnen muss. Der Spieler ist immer der Meinung, er spiele sich vor allem selbst. Wenn du Deinen Freunden erzählst, was du letzte Nacht gezockt hast, dann sprichst du nicht davon, wie Master Chief dieses und jenes gemacht hat oder Kratos, Nathan Drake oder andere berühmte Computerspielfiguren. Du spricht darüber was Du gemacht hast. Ich bin den Wasserfall runtergesprungen! Ich habe diese ganzen Aliens getötet, und so weiter. Der Spieler nimmt immer komplett die Rolle des Charakters an, den er spielt. Als Autor möchte man eine starke Geschichte erzählen, mit starken Konflikten, man möchte das handwerklich gut machen, hat aber keine Kontrolle über den Spieler. Es ist deswegen viel einfacher einen der computergesteuerten Nichtspieler-Charaktere zu kontrollieren. ZSP25 Far Cry 3 MOD2 Vaas Montenegro, der Gegenspieler in dem kürzlich erschienenen Ego- Shooter Far Cry 3, ist das beste Beispiel für einen völlig durchgeknallten Videospielcharakter: impulsiv, sadistisch, instabil. Als Spieler möchte man allerdings nicht in dem Ruf stehen, ein Psychopath zu sein. ZSP26/OV2 Susan: keine starken Persönlichkeiten 1 Und dann habe ich herausgefunden, dass es sinnvoll ist, die Nichtspielercharaktere als Protagonisten der Geschichte zu behandeln und dem Spieler eine andere Rolle zu geben. Aus der Spielerperspektive dreht sich die Geschichte um ihn. Aber das ist ja auch zutiefst menschlich: im täglichen Leben glauben wir ja auch immer, dass sich alles um uns dreht. Ich bin ein Charakter in deiner Geschichte, du bist der Held deiner Geschichte. Aber aus meiner Sicht, bist du ein Charakter in meiner Geschichte. Die einfachste Rolle, die der Spieler einnehmen kann, ist die des Antagonisten. Der Spieler versucht das Spiel zu meistern, er bekämpft es auf eine gewisse Weise. Seine Rolle als Antagonist liegt hier nahe. MOD1 In einem Computerspiel erlebt jeder Spieler sein ganz persönliches Abenteuer. Das ist faszinierend, bedeutet aber auch, dass man einen Großteil der Arbeit der Drehbuchschreiber nicht mitbekommt. Wer in Fallout 3 die Atombombe hochgehen lässt, wird niemals den überschwänglichen Dank des Sheriffs hören, und wer sie entschärft, wird niemals den spektakulären Atompilz sehen - es sei denn, er spielt das Spiel einfach ein zweites Mal oder schaut sich das Ganze bei YouTube an. Je mehr Freiheit man dem Spieler ermöglichen möchte, umso größer der Aufwand. Computerspiele arbeiten deswegen mit Tricks, um die Illusion der Freiheit aufrecht zu erhalten. MOD2 "Ideal ist es, wenn der Spieler nach dem Durchspielen 95 % des Spiels gesehen hat, aber das Gefühl hat, es wären nur 50 % gewesen", lautet eine der Regeln, die der Gamedesigner Jordan Mechner aufgestellt hat. MOD1 Oft wird die Freiheit des Spielers allerdings ganz offensichtlicher beschnitten: durch merkwürdige Straßensperren, durch eingestürzte Gebirgspässe oder durch das störrischste Hindernis in der Geschichte der Videospiele: einen morschen alten Holzzaun, der seit jeher in vielen Spielen vorkommt. So wirken die Computerspielwelten zwar groß, in Wirklichkeit lässt sich dann aber doch nur ein kleiner Teil davon erkunden. Grenzen wurden auch dem Spiel "Bioshock" aus dem Jahr 2007 verpasst. Der Ego- Shooter spielt in der Unterwasserstadt Stadt Rapture. ZSP27 Bioshock: Bruchlandung SPR Gerade habe ich mir noch eine Zigarette angesteckt, jetzt qualmen die Motoren des Flugzeugs. Nach der Bruchlandung versuche ich mich über Wasser zu halten -irgendwo in den Weiten des eiskalten Atlantik. Um mich herum Rauchschwaden, auf dem Wasser brennt das Kerosin. Und dann, irgendwo in der Ferne am Horizont: ein Turm! Mit kraftvollen Zügen beginne ich zu schwimmen. ZSP28 Bioshock: Turm SPR Eine Taucherglocke bringt mich nach unten in die Stadt, die einem nassen Grab gleicht, bevölkert von entstellten Menschen, verlorenen Seelen und anderen Schrecken. Rapture. In der rostigen Taucherglocke läuft ein Propaganda-Video. Und mir wird schlagartig klar: der ganze Horror hier... er begann einmal als großer Traum: ZSP29 Bioshock: Propagandavideo ATMO6 Bioshock MOD1 Die Geschichte von Bioshock wurde von den Ideen Ayn Rands inspiriert. Die amerikanische Philosophin ist zwar bereits 1982 verstorben, doch ihre Bücher erleben gerade in den USA ein Revival. Ihr Hauptwerk "Atlas wirft die Welt ab" aus dem Jahr 1957 wurde erst letztes Jahr neu aufgelegt. Ayn Rand ist eine Ultra-Liberale, die einen strikten Laissez-faire-Kapitalismus propagiert. Egoismus ist für sie Tugend. Bioshock macht aus dieser Utopie ein düsteres Videospiel. ZSP29/OV2 Susan: Inspiration Als ich an dem Skript gearbeitet habe, habe ich mich vor allem von Stanley Kubrick inspirieren lassen. Außerdem habe ich mir genau die 20er-, 30er- und 40er Jahre angeschaut. Es ging mir vor allem darum herauszufinden, was die Träume und Hoffnungen der Menschen waren, die sich dazu entschlossen hatten in der Unterwasserwelt Rapture zu leben. Eines der Leitmotive des Spiels ist aus meiner Sicht Verlust. Und Verlust kann man nur dann spüren, wenn man wirklich etwas liebt. Wenn du etwas verlierst, das dir egal ist, ist das nicht wirklich ein Verlust. Ich habe mir also viele Filme aus dieser Epoche angesehen und Bücher gelesen. Ich habe versucht mich in die Menschen der damaligen Zeit hineinzuversetzen. Denn die Leute haben damals wirklich anders gedacht, Geschichtsbücher kratzen da nur an der Oberfläche. Das alltägliche Leben damals war völlig anders als heute. Ich habe versucht mich in das alltägliche Leben einzufühlen, um es im Spiel möglichst authentisch wiederzugeben. Der Spieler sollte die Sehnsüchte dieser Zeit nachvollziehen können und sich mit dieser Zeit verbunden fühlen. ATMO7 Bioshock SPR Rapture ist ein Albtraum. Die Stadt ist verfallen, flackerndes Licht, an den Wänden hängen Fotos von entstellten Gesichtern. Tonbandreste und blutige Inschriften geben erste Hinweise auf die Katastrophe, die sich hier ereignet haben muss. MOD1 Bioshock lässt die Spielwelt für sich selbst sprechen. Das ist keine Selbstverständlichkeit. MOD2 Früher wurde die Handlung als Texttafel eingeblendet oder in Zwischensequenzen erzählt. Auf eine Zwischensequenz folgte die Action, danach kam wieder eine Zwischensequenz, dann wieder die Action, und immer so weiter, bis zum Abspann. Das gibt es heute immer noch, aber es wird zunehmend seltener. Computerspiele emanzipieren sich von Büchern oder Filmen. ZSP30 Huberts: Landschaft Das Medium hat jetzt schon seine 30, 40 Jahre auf dem Buckel, aber es ist immer noch nicht alles ausprobiert. Es gibt ganz viel Raum für Experimente, und gerade in den letzten Jahren tut sich ganz viel, gerade in der Independent-Gaming-Szene, wo junge, unabhängige Leute ganz viel ausprobieren, was man mit Spielen überhaupt erzählen kann, und das Ganze, was man vorher probiert hat mit Spielen zu erzählen, einfach weglässt. Genau da sieht man dann die Experimente, wo nur über Architektur, über Landschaften etwas zu vermitteln und zu erzählen. Das sind Spiele, wo man nur durch eine Landschaft gehen kann und sich da dann eine eigene Geschichte daraus zusammenreimt, was dort passiert ist, oder passiert sein könnte. ATMO8 Dear Esther SPR Ich laufe laufen über eine Insel, die zu den Schottischen Hebriden gehört. Es ist finstere Nacht, nur der Mond scheint durch den wolkenverhangenen Himmel. Wellen peitschen an die Küste, ich höre dezente, wundervolle Musik und dann eine Stimme: ZSP31 Dear Esther: Erzähler ATMO9 Dear Esther MOD1 Ein solches Spiel ist "Dear Esther", das letztes Jahr erschienen ist. MOD2 Wobei sich die Frage stellt, ob "Dear Esther" wirklich ein Spiel ist. Denn "Dear Esther" ist eigentlich gar nicht interaktiv. In Dear Esther kann der Spieler nicht rennen, nicht springen, nichts anfassen, aufheben oder öffnen. Er kann nicht schießen. Es gibt keine Dialoge, keine Rätsel, keine Figuren, keine Gegner. SPR Ich gehe umher, entdecke, höre zu, erkunde leerstehende Häuser mit windschiefen Ziegeldächern. Ich lese Tagebucheinträge auf vergilbten Seiten oder horche den geheimnisvollen Stimmen, die immer wieder ertönen. An den Kalksteinwänden entdecke ich merkwürdige Symbole. So langsam setzt sich für mich ein Puzzle zusammen. Die Insel hat eine Geschichte zu erzählen. Eine Geschichte, in deren Mittelpunkt drei Personen stehen und Autounfall mit tödlichem Ausgang. Doch was genau passiert ist, davon habe ich immer noch keinen blassen Schimmer. MOD1 Unzusammenhängenden Erzählstränge, kryptischen Andeutungen, Fragmente: Dear Esther verhüllt mehr als es zeigt. Große Teile der Geschichte laufen in der Phantasie des Spielers ab. Das Spiel wurde von den Kritikern hoch gelobt und sogar als neue Form der Poesie bezeichnet. Erstaunlicherweise war dieses experimentelle Stück interaktiver Kunst auch kommerziell erfolgreich. Viele Gamer honorierten den Versuch in Sachen Dramaturgie neue Wegen zu gehen. Robert Briscoe war Chefdesigner bei Dear Esther: ZSP32/OV1 Bristol: Dear Esther Viele Spiele servieren dem Spieler mundgerecht jedes bisschen Information, jeden Teil der Story. Jeder Aspekt wird detailliert erklärt, jeder Stein wird umgedreht. Die Idee hinter Dear Esther war auszuprobieren, wie viel Story über die Umgebung erzählt werden kann, ohne dass der Spieler total verwirrt ist. Wir wollten sehen, inwieweit der Spieler die Lücken ausfüllen kann, allein dadurch, dass er seine Phantasie bemüht. Ich glaube nicht, dass jedes bisschen Information offengelegt werden muss, jeder benutzt doch gerne seine eigene Vorstellungskraft. Das, was an Dear Esther am meisten Spaß macht, ist ja, dass jeder die Geschichte anders interpretiert. Jeder hat einen eigenen, persönlichen Blick auf das, was in Dear Esther passiert. Das war unser eigentliches Ziel: Jeder Spieler sollte seine eigene Geschichte erleben. MOD1 Dear Esther verzichtet völlig auf klassische Gameplay-Elemente. MOD2 Es gibt keine Highscores, keine Punkte, keine Levelaufstiege. Das ganze Arsenal an Motivationsmöglichkeiten, welches sich Gamesdesigner über die Jahre ausgedacht haben, um den Spieler bei der Stange zu halten - Dear Esther tritt es in die Tonne. MOD1 Mittlerweile gibt es einige Spiele mehr, die es "Dear Esther" gleich tun, etwa Proteus, hier durchstreift eine bunte Welt im 8-bit-retro-Stil. Gamer lieben diese Experimente: Endlich weniger Zahlen dafür mehr Emotionen! ZSP33 Dear Esther MOD1 Computerspiele gehen also neue Wege und verzichten auf althergebrachten Spielemechanismen - der Rest der Gesellschaft wiederum beginnt diese grade zu entdecken. Stichwort: "Gamification". Mit Belohnungen, wie sie aus Computerspielen bekannt sind, sollen die Menschen motiviert werden, zum Lernen, zum Sport machen oder dazu einer bestimmten Marke treu zu bleiben. Ein Beispiel: Es gibt Apps für das Smartphone, die zum Joggen verwendet werden: Je nachdem wie oft, wie weit und wie schnell man joggt, bekommt man Erfahrungspunkte und steigt im Level auf, so wie man das sonst von Computerspielen kennt. MOD2 Und zum Lesen sollen Gameplay-Mechanismen nun auch anregen. Das Projekt "The Game of books" möchte das Lesen zu einem Spiel mit Wettbewerbscharakter und Charakterentwicklung machen - ganz so, wie in einem Computer-Rollenspiel á la World of Warcraft. Für jedes gelesene Buch soll man in Zukunft Erfahrungspunkte erhalten. Aaron Stanton hatte die Idee zu "Game of Books" und erklärt in einem Video seine Idee: ZSP34 Aaron Stanton http://www.kickstarter.com/projects/aaronstanton/the-game- of-books-a-discovery-game-for-libraries-a (ab ca 1:25) MOD1 Wer ein Buch liest, bekommt dafür in Zukunft eine kleine virtuelle Auszeichnung, so wie es früher an amerikanischen Universitäten cool war ein "I read Ulysses "T-Shirt zu tragen, wenn man James Joyces-Klassiker durchgearbeitet hatte. MOD2 Es ist schon merkwürdig: Diese wenig originellen und verbrauchten Mechanismen, von denen sich manche Computerspiele langsam verabschieden, werden nun von anderen Medien übernommen. Computerspiele selbst verzichten aber zunehmend darauf, um mehr und vor allem vielfältigere Emotionen transportieren. Und das kann nur gut sein. MOD1 Obwohl sich Computerspiele in den letzten Jahrzehnten rasant weiterentwickelt haben, sprechen die meisten von Ihnen nur eine begrenzte Palette von menschlichen Gefühlen an: Stress, Aggressivität, Anspannung, aber auch Zufriedenheit, Stolz oder großes Glück. Was Spieler jedoch selten spüren: Trauer, Liebe oder Mitleid. Anders als Filme bringen Games uns nur selten zum Weinen. Eine romantische Tragödie als Computerspiel? Der Versuch hat etwas Peinliches. ZSP35 Uncharted 2: "freue mich Dich zu sehen" MOD1 Computerspiele entstehen in einem sehr komplexen arbeitsteiligen Prozess, oft arbeiten Dutzende von Leuten über Jahre an einem Titel. Programmierer, Grafiker, Drehbuchschreiber, Menschen aus ganz unterschiedlichen Bereichen müssen zusammenwirken, um ein Spiel zu erschaffen. Computerspiele sind selten richtig persönliche Werke. Gefühle bleiben da auf der Strecke. Doch genau das ändert sich gerade, meint der Kulturwissenschaftler Christian Huberts: ZSP36 Huberts: Aus ihren Erfahrungen Spiel machen Ich glaube, dass diese Fähigkeit über Spielmechanik zu erzählen, prozedurale Rhetorik anzuwenden, also überzeugende Geschichten zu erzählen durch Computerprozesse, dass sich das mehr verbreiten wird. Da wird es eine Art Literarisierung geben, dass Leute schon von ganz alleine ein Gespür dafür bekommen für das, was sie erzählen wollen, welche Mechanik sie da anwenden müssen. Und ich glaube, das wird man Spielen anmerken, dadurch, dass sie sich immer mehr wegbewegen von rein klassischen Spielmechaniken, also so etwas wie Highscores erlangen, oder irgendwelche Gegenstände sammeln, oder sich gegenseitig messen in der eigenen Geschicklichkeit. Das wird es alles noch geben, aber allgemein wird es mehr narrative Ansätze geben, mehr Versuche über Spielwelten Sachen zu erzählen, aktuelle Problem aufzugreifen, überhaupt, das was Bücher ja auch probieren, einen menschlichen Zustand greifbar zu machen und zu schauen: Was sind wir? Was erleben wir so? Was wollen wir mit unserem Leben? Vor allem jetzt, wo Spielentwicklung immer persönlicher wird und Einzelpersonen aus ihrem Leben Spiele machen und aus ihren Erfahrungen versuchen Spiele zu machen. MOD1 Seit ein paar Jahren wächst im Games-Bereich die Indieszene. So wie in der Musik oder im Film, rütteln unabhängige Entwickler das Medium auf und pfeifen auf kreative Konventionen. Statt bei großen Konzernen immer und immer wieder dieselben Spiel zu machen, möchten sie ihre eigenen Ideen verwirklichen. MOD2 Früher war die Produktion eines Computerspiels nur etwas für Eingeweihte. Ohne umfangreiche Programmierkenntnisse kam man nicht weit. Heute gibt es viele Programme, die einem diese lästige Arbeit abnehmen. Das senkt die Einstiegsschwelle. Hinzu kommen die neuen Vertriebsmöglichkeiten über das Internet. MOD1 Vander Caballero zum Beispiel hatte jahrelang bei dem Computerspiele- Giganten Electronic Arts alle möglichen Blockbuster produziert. Letztes Jahr konnte der gebürtige Kolumbianer dann mit "Papo Y Yo" endlich sein eigenes Spiel machen. ZSP37/OV1 Vander Caballero: Papo y yo 1 Was ich mich immer gefragt habe: Warum müssen die Spiele immer so sein wie Super Mario? Oder all die Spiele, die wir schon kennen? Ich finde: Wenn das die Zukunft ist, dann ist das traurig. Als ich ein Kind war, habe ich diese Spiele gespielt, und sie haben mir geholfen der Realität zu entfliehen. Aber das war es auch schon. Ich habe stundenlang Super Mario gespielt, aber wenn ich den Controller weggelegt habe, musste ich mich der Realität stellen. Und meine Realität war die, dass ich einen alkoholsüchtigen Vater hatte. Und jedes Mal, wenn es schwierig wurde, setzte ich mich vor den Fernseher und begann wieder zu spielen. In Super Mario geht es darum stundenlang zu spielen, um ganz am Ende Bowser zu besiegen. Wenn man ihn besiegt hat, dann nur, weil man stundenlang damit verbracht hatte, ihn zu bekämpfen. In der Realität ist das aber anders: Es gibt hier Situationen, die man eben nicht dadurch lösen kann, dass man kämpft, oder dass man eine Pistole abfeuert. MOD2 Einspruch! In Computerspielen kann man ziemlich viel über Waffengewalt lösen! Man kann eine außerirdische Invasion zurückschlagen, Terroranschläge abwenden, Grabruinen plündern und im postapokalyptischen Amerika überleben. Das allerdings ist nicht die Art von Problem, die Vander Caballero angehen wollte: ZSP38/OV1 Vander Caballero: Papa y yo 2 Also wollte ich ein Spiel machen, dass Leuten helfen sollte, die in einer ähnlich schwierigen Situation stecken wie ich damals. Das können Bücher hervorragend, Filme auch. Bücher und Filme helfen uns im Leben klarzukommen. Wenn wir lesen, lernen wir, und am Ende gibt es eine Moral. Bei den Spielen ist das anders. Hier haben wir unsere Rolle als Geschichtenerzähler vernachlässigt. Es gibt hier eine ziemlich traurige Statistik: Nur 30 Prozent der Spieler beenden tatsächlich das Spiel und sehen den Abspann. Man stelle sich vor, nur 30 Prozent der Bücher würden zu Ende gelesen! Da habe ich gesagt: Nein! Ich will Spiele machen, die den Menschen helfen und Emotionen vermitteln. Und deswegen habe ich Papo Y Yo gemacht. MOD1 In Papo Y Yo begleitet der Spieler einen kleinen Jungen durch eine Fantasiewelt. Er kann Häuser verrücken, Treppen aus dem Nichts zaubern und sogar fliegen. Und er muss sich einem Monster stellen, das auf den ersten Blick ganz sympathisch wirkt. ATMO10 Papo Y Yo SPR Eine schier endlose Favela: Bunte Baracken schmiegen sich eng an Berghänge, aus Betonruinen wuchert Gras, an Häuserwänden entdecken ich bunte Wandgemälde. Das Monster: Die meiste Zeit ist es friedlich, frisst oder macht ein Nickerchen. Doch seine Stimmung schlägt um, wenn es in die Nähe der giftgrünen Frösche kommt. Gierig stürzt das Monster sich auf die Tiere, und in Sekundenschnelle wird aus dem friedliebenden Koloss eine feuerspeiende Bestie, die alles um sie herum angreift - mich inbegriffen. MOD2 Vander Caballeros "Papo Y Yo" ist eher simpel gestrickt. Ein klassisches Jump & Run mit kleinen Rätseln. Schon hundertmal da gewesen. Und dennoch vermittelt es einen Eindruck davon, wie es sich anfühlen muss einen Menschen zu lieben und gleichzeitig zu hassen. ZSP39/OV1 Vander: Gefühle 1 Nehmen wir nur einmal Liebe und Trauer. Beide haben etwas mit Empathie zu tun. Ich kann Liebe nur dann empfinden, wenn ich mich um jemanden sorge. Genau so sieht es mit der Trauer aus. Das Problem ist, dass Videospiele sich in den letzten 25 Jahren vor allem darauf konzentriert haben, etwas zu simulieren, in das die Menschen sich flüchten können. Junge Leute suchen nach ihrem Platz in der Welt, sie müssen so viel lernen, sind frustriert. Diesen ganzen Frust lässt man dann in Videospielen aus - mir hat das übrigens sehr geholfen. MOD2 Der durchschnittliche Computerspieler ist heute 32 Jahre alt. Es ist nicht mehr nur der pubertierende Nerd, der zum Controller greift. Und Anfang- Dreißig-Jähriger hat andere Ansprüche an eine Story als ein Teenager. Er will keine Prinzessinnen retten oder einer Riesenkakerlake den Kopf einschlagen. Zumindest nicht immer. ZSP40/OV1 Vander: Gefühle 2 Nur: Irgendwann wird man älter, und dann wird das alles langweilig. Ich bin heute Familienvater, und wenn ich einen Ego-Shooter sehe denke ich mir: "Was soll das? Das ist ja völlig absurd!". Mit 15 habe ich das natürlich noch völlig anders gesehen. Ich will aus den Spielen andere Emotionen herauskitzeln. In Papo y Yo ging es eben darum zu zeigen, wie es ist, mit einem Vater zu leben, der sowohl gute als auch schlechte Seiten hat. Seitdem das Spiel rausgekommen ist, haben wir im Schnitt zwei E-Mails pro Woche bekommen, in denen Leute geschrieben haben, dass sie etwas in dem Spiel gefunden haben, das ihnen geholfen hat, mit einer alkoholabhängigen Person umzugehen. Papo Y Yo ist der Beweis dafür, dass das Medium Computerspiel durchaus starke Gefühle transportieren und den Menschen helfen kann. Das Medium Videospiel ist für mich das ultimative Medium. Ein russischer Filmemacher hat einmal gesagt: "Die Tragödie der Menschheit ist, dass wir nicht in der Lage sind unsere Erfahrungen weiterzugeben". Man kann seine Erfahrungen aufschreiben, man kann einen Film darüber drehen, aber letztlich wird meine Erfahrung interpretiert. Mit dem Medium Videospiel kann man Erfahrungen simulieren. Die Leute werden also mit den jeweiligen Emotionen unmittelbarer konfrontiert. Und noch etwas kommt hinzu: Sie können in diesem System spielen und Dinge ausprobieren, um zu verstehen, wie wir im richtigen Leben mit diese Emotionen umgehen können. MOD1 Digitale Spiele als "ultimatives Medium". Das klingt verwegen. Und es klingt noch verwegener, wenn man sich vor Augen führt, dass die allermeisten Geschichten, die Computerspiele erzählen, qualitativ nicht das Niveau von Büchern und Filmen erreichen. Die Gründe hierfür sind vielfältig. MOD2 Zum einen ist der Druck nicht so groß wirklich gute Geschichten zu erzählen, die Interaktivität wertet auch noch den fadesten Stoff auf. Jeder noch so abgestandene Fantasy-Plot, jede noch so billige B-Movie-Handlung wirkt plötzlich höchst interessant, wenn man selbst darin im Mittelpunkt steht. MOD1 Wie großartig könnte das Medium also sein, wenn die Qualität der Geschichten mit der technischen Innovation Schritt halten würde? In den letzten Jahren hat sich einiges getan: Es gibt professionelle Drehbuchschreiber, die sich einen Namen in der Szene gemacht haben. Dennoch: Das gleiche Standing wie ihre Filmkollegen haben die Drehbuchschreiber von Computerspielen heute noch lange nicht. Michael Bhatty: ZSP41 Bhatty: Spielmechanik Anne Frank 1 Bei einem Film würde der Filmemacher sagen: "Ich drehe einen Film: Frodo muss den Ring zum Mount Doom bringen, damit Sauron ihn nicht bekommt, und ihn dort vernichten." Das ist das, was Peter Jackson mir erzählen würde, wenn er einen Film drehen würde, der "Herr der Ringe" heißt. Ein Computerspiele-Entwickler, nicht alle, aber die meisten, erzählen mir irgendetwas von Spielmechanik, die erzählen mir ein strukturelles Element. Die erzählen mir, was der Spieler eventuell dort machen kann, dass es Strategiespiel ist, dass es ein Actionspiel ist. Das ist ja schön, dass es eine Spielgenre-Auskunft gibt, aber ich erfahre immer ganz ganz wenig zu der Geschichte. Und das hängt damit zusammen, dass Computerspiele- Entwickler Computerspiele entwerfen, ohne dass sie wissen, wie die Geschichte da drin aussehen soll. Und das hängt damit zusammen, dass sie Computerspiele immer noch als Spiele ansehen und nicht als das, was sie sind: Eine eigenständige Medienform. MOD2 Natürlich: Computerspiele sind heute mehr als nur Spielzeug, gelten sogar als Kunst: vor kurzem erst hat das New Yorker Museum of Modern Art deswegen 14 Computerspiele in seine Sammlung aufgenommen, insgesamt sollen es in nächster Zeit bis zu 40 Stück werden. Aber auf einer Stufe mit Büchern oder Filmen stehen digitale Spiele immer noch nicht. MOD1 Das liegt nicht nur an verstaubten Feuilleton-Stuben oder an den immer wiederkehrenden "Killerspiel"-Debatten. Es liegt - leider - auch an den Spielen selbst. Das Medium ist viel besser als sein Ruf, hätte aber das Potenzial noch viel besser, viel relevanter zu sein: ZSP42 Bhatty: Spielmechanik Anne Frank 2 Wenn wir diese eigenständige Medienform haben, dann können wir hier auch jedes Thema darstellen. Ein Student hat gerade das Leben von Anne Frank interaktiv dargestellt, und das hat er sehr gut dargestellt. Eine andere Studentin hatte sich mit den Nürnberger Prozessen beschäftigt und hatte in ihrer Bachelor-Arbeit die Frage, ob man diesen Verbrechern überhaupt vergeben kann, direkt an den Spieler weitergegeben. Sie hat ihm die Informationen gegeben, was passiert ist, und ist dann in einen direkten Dialog mit dem Spieler gegangen. Diese Optionen sind da, was wir mit Games machen können. Aber im Moment passiert da noch zu wenig. Im Moment sind wir noch nicht dabei, dass wir die vollen Potenziale dieser jungen Medienform ausschöpfen. MOD1 In der Buchhandlung liegen Romane zu Computerspielen ganz schon ganz selbstverständlich im Fantasy-Regal. Computerspiele wachsen zunehmend auch mit anderen Medien zusammen: Demnächst erscheint mit Defiance ein Spiel, zu dem es auch eine Serien geben wird. Der Clou: Je nachdem wie die Spieler das Spiel spielen, soll sich auch die TV-Serie verändern. "Transmediales Storytelling" wird diese neue Form des Erzählens genannt. Geschichten werden in verschiedenen Medien erzählt, in Büchern, in Filmen, in Serien und auch in Computerspielen. Die Medien werden sich in Zukunft zunehmend verschränken. MOD2 Entscheidend dabei ist aber, dass alle Medien ihre Eigenständigkeit bewahren. Ein Buch ist kein Film, und ein Film ist kein Computerspiel. Niemals waren Computerspiele schlechter als damals in den 90er-Jahren die CD-Rom aufkam und plötzlich Filmszenen in Computerspielen ermöglichte. Die Interaktivität blieb dabei auf der Strecke. Computerspiele sollten sich also nicht dafür schämen, das zu sein, was sie sind: Spiele. Spiele, die uns in Welten und Situationen entführen, die wir in der Realität nicht erleben können. Und vielleicht auch nicht erleben wollen. ATMO11 Fallout SPR Vorhin habe ich die Ruinen von Megaton besichtigt, von der Stadt ist nicht mehr viel übrig. Langsam geht die Sonne unter, die Kakteen werfen lange Schatten über die nukleare Wüste. Nach kurzem Zögern rufe ich das Menü auf und lade einen alten Spielstand. ZSP43 Fallout Tür: SPR Die wuchtige Türe von meinem Bunker öffnet sich. Grelles Licht blendet mich und über mir kreist eine Drohne, eine Art fliegendes Radio. Megaton bekommt noch eine Chance. ENDE