Forschung und Gesellschaft Dampfer in Not. Der abstruse Konflikt um die E-Zigarette Von Stephanie Kowalewski Sie qualmt, stinkt aber nicht. Sie enthält in den meisten Fällen Nikotin, aber kein Teer. Es sieht aus wie rauchen, aber es nennt sich dampfen. Für Millionen Raucher in Deutschland ist sie die gesündere Alternative zur herkömmlichen Tabakzigarette, während Wissenschaftler und Politiker die E-Zigarette am liebsten verbieten wollen, oder - wenn das schon nicht gelingt - in die Apotheken abschieben. In der flammenden Debatte um die elektronische Zigarette prallen Politiker auf leidenschaftliche Dampfer, Mediziner und Suchtexperten auf Hersteller und Anbieter der elektronischen Zigarette. 1. OT Hohlbein: Früher habe ich halt Kette geraucht, heute verbreite ich nur noch Elektrosmok. Ich hab schon nach zwei Wochen aufgehört zu husten und ich stinke auch nicht mehr wie ein Aschenbecher, behauptet meine Frau jedenfalls.´ Wolfgang Hohlbein, Fantasyautor und Deutschlands erfolgreichster Schrifsteller. 2. OT Steffens 11: Also was das kleinere Übel ist, wissen wir ja nicht. Barbara Steffens, Gesundheitsministerin in Nordrhein-Westfalen. 3. OT Jazbinsek: Die E-Zigarette ist das sehr deutlich kleine Übel. Dietmar Jazbinsek, freier Journalist, Tabak- und Lobbyexperte. 4. Pötschke-Langer 2 , 10: Wir wissen überhaupt nicht welche langfristigen Wirkungen die Inhalation von E-Zigaretten haben werden.Das heißt, wir würden hier einen gigantischen Menschenversuch einfach so zulassen. Und da, muss ich sagen, da habe ich ein großes Unbehangen. Martina Pötschke-Langer, Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg. An der elektronischen Zigarette scheiden sich die Geister. Während bislang unbelehrbare Kettenraucher mächtig stolz sind, mit Hilfe der E-Zigarette endlich von der Tabak-Fluppe wegzukommen, ist sie für Kritiker nur ein neues Suchtmittel. Und vermutlich gibt es die E-Zigarette nur, weil die Luft für Raucher immer dünner wird. Denn seit der Druck von Seiten der Gesellschaft und auch der Politik steigt, suchen Tabakkonzerne weltweit nach einer Alternative zur herkömmlichen Zigarette. Geschafft hat es schließlich vor rund zehn Jahren ein Apotheker und starker Raucher, erzählt Dac Sprengel, Vorsitzender des Verbands des E-Zigarettenhandels. 5.OT Sprengel 14: Die E-Zigarette wurde von einem Chinesen erfunden mit Namen Hon Lik. Der hat sie für seinen Vater erfunden, der krebskrank war. Kurze Zeit später kam sie erstmal lokal begrenzt auf den Markt. Die chinesische Firma Ruyan brachte schließlich die erste Elektro-Zigarette auf den Markt der Volksrepublik. Die Erfindung wurde als Ausstiegstherapie für Raucher bejubelt, der Staat verlieh der Firma einen Ehrenpreis. Eine E-Zigarette besteht aus einem aufladbaren Akku, einem elektrisch betriebenen Verdampfer und einem Flüssigkeitstank. Zieht man an dem Mundstück, startet das Gerät und die Flüssigkeit, das so genannte Liquid, wird erhitzt. Es entsteht Dampf, der inhaliert wird. Beim Ausatmen entstehen kleine, geruchlose Dampfwolken. Die Liquids gibt es in unterschiedlichsten Geschmacksvarianten und wahlweise mit oder ohne Nikotin. Nikotin macht süchtig, aber richtig gefährlich sind die mehr als 90 krebserzeugenden Substanzen im Tabakrauch, die bei der Verbrennung entstehen. Eine davon ist Teer, der sich tief in der Lunge festsetzt. Weil bei der E-Zigarette nichts verbrannt wird, entsteht hier kein Teer und auch kein Rauch, sondern Dampf - ganz ähnlich dem Disconebel. Die Nutzer nennen sich folglich auch nicht mehr Raucher, sondern Dampfer. Nach und nach wittern die Nikotinsüchtigen fast überall auf der Welt die Chance, von der zunehmend verpönten Tabakzigarette und dem lebensgefährlichen Rauch wegzukommen. Mit der brandneuen elektronischen Zigarette, so hoffen viele Kettenraucher, könnten sie ein Stück verlorene Freiheit zurückgewinnen. 6.Sprengel 14: Etwa seit 2007 bekommt man sie auch in Deutschland. Doch hier findet die E-Zigarette erst nur allmählich den Weg in die Münder der Raucher, sagt der Dampfer-Lobbyist Dac Sprengel. 7.OT Sprengel 2,27: Der größte Sprung war 2011 durch die mediale Verbreitung ohne Werbung, durch Reportagen. Dann durch den Film "The Tourist", wo ein sehr bekannter Schauspieler eine E-Zigarette in der Hand hält Es ist Hollywod-Star Jonny Depp, der hier so werbewirksam dampft. Goldgräberstimmung macht sich breit - es entstehen Internetshops und erste Läden in den Fußgängerzonen. 8.OT Sprengel 2,27: Und was ganz, ganz wichig war, ist die Mundpropaganda. Eine Mundpropaganda die sich im digitalen Zeitalter über das Internet und die sozialen Netzwerke rasend schnell verbreitet, meint auch der Berliner Journalist und Lobbyexperte Dietmar Jazbinsek. 9.OT Janzbinsek: Hier haben wir eben die Dampferforen im Internet, die da eine wichtige Multiplikatorenrolle spielen. Und wir haben sozusagen die Kronzeugen in den Kneipen. Leute, die über 40 Jahre lang Kette geraucht haben, und von einem Tag auf den anderen davon loskommen, weil sie zur E- Zigarette umgestiegen sind. Das sind natürlich wichtigere Werbemittel als Plakate. Dieses so genannte Guerillamarketing hat seine Wirkung nicht verfehlt. Laut dem Verband der E-Zigarettenhändler, den es erst seit Dezember 2011 gibt, dampfen inzwischen etwa zwei Millionen Menschen in Deutschland. Kritiker befürchten, dass der als Hipp beworbene elektronische Glimmstengel, eine Einstiegsdroge sein könnte. Tatsächlich gibt es bislang aber keine Untersuchungen darüber, wie Jugendliche die E-Zigarette finden, ob sie sie der Tabakzigarette vorziehen oder sogar durch sie erst zum Nikotin kommen. Auch eine kleine Umfrage vor einem Gymnasium ist natürlich nicht repräsentativ: 10.OT-Collage: Ein Freund von mir, der raucht das jeden Tag. Das ist aber irgendwie uncool/ Ja, ich hab's schon mal probiert und fand das bisschen komisch. Ja, einfach dass das so ein technisches Gerät ist, mit dem man raucht. Ich glaube nicht, dass sich das durchsetzt/ Ich weiß von keinem, dass der das benutzt und ich glaub ich würds auch nicht ausprobieren, weil nachher werd ich noch abhängig davon und probier dann richtige Zigaretten aus, ne/ Für mich ist das unnötig, weil wenn ich aufhören wollen würde zu rauchen, würde ich das auch so tun/ Ih, die finde ich voll widerlich (lacht). Rainer Schmitz, der einige E-Zigarettenläden in NRW betreibt, versichert, dass seine Kunden ausnahmslos Ex-Tabakraucher sind, die meisten älter als 30 Jahre. 11.Szene Verkauf Händler und Kundin: Was darf ich für sie tun? Ja, Guten Tag. Ich hätte gerne ein Liquid, weil mir das Modoro zu schwach ist vom Geschmack her. / Vom Geschmack oder vom Nikotin her? / Ja, das weiß ich nicht. Vielleicht auch beides. / Schon eine bestimmte Wunschrichtung? Soll Tabakaroma bleiben, soll jetzt nicht Fruchtaroma werden? Zigarrenaroma. Da hätten wir Cubana oder Havana. Können wir beide mal ausprobieren. Geben sie mir mal ihre eigene E-Zigarette, sie haben ja eine dabei. Die füllen wir einfach mal mit diesem Cubana/ Und dann darf ich sie bitten Probezudampfen/ Dankeschön Die 37jährige Elke Leonhard nimmt ihre matt-schwarze schlanke E-Zigarette zwischen die Lippen, zieht daran, wie an einer Tabakzigarette, atmet tief ein und pustet dann eine kleine Dampfwolke aus. Ihre Dampfe, so nennen die Anhänger des E-Glimmstengels ihre Neue liebevoll, hat äußerlich so gut wie nichts mehr von einer herkömmlichen Zigarette. Die Dampfe sieht eher wie ein edler Kugelschreiben aus. Elke Leonhard hat inzwischen ein paar Züge Cubana intus und wirkt zufrieden. 12.OT Szene: Atmo zieht und atmet aus/ Ja, das schmeckt intensiver nach Tabak./ Einfach mitnehmen, ausprobieren. Und die wirkliche Wirkung entfaltet sich immer erst auf der Couch/ Ja, Dankeschön, dann nehme ich die Flasche./ Viel Spaß, Wohl bekommt's / Dankeschön, Tschüss Auch die nächsten Kunden in dem hellen, freundlichen Laden mitten in einem großen Neusser Einkausfszentrum sind auf der Suche nach dem richtigen Aroma. Rainer Schmitz, selbst Ex-Raucher und passionierter Dampfer, greift dann jedesmal hinter sich in das knallrote Regal. Hier stehen hunderte kleine Fläschchen mit Liquids, also den Flüssigkeiten, die der Dampfer in seine E-Zigarette füllt. 13.Schmitz: Es gibt drei Aromavarianten. Das sind die Tabakaromen, das sind die Fruchtaromen und die Süßaromen. Und wir haben hier aktuell im Bestand über 80 verschiedene Geschmacksrichtungen. Darunter so alltägliche wie Apfel, Kirsche oder Capuchino 14.OT Schmitz: Das geht hier noch einen Tacken weiter. Das heißt, wir haben auch Pinacolada, Champagner, Red Bull und wenn sie möchten auch Käsekuchen im Angebot. Gibt auch Brathänchen. Es gibt inziwschen ganz, ganz viele Kunden, wir nennen sie liebevoll Freaks, die zu Hause sitzen und diese Mischungen inzwischen auch selber herstellen und sagen, ok, ich möchte aber einen Käsekuchen, der nach Erdbeere schmeckt. Und dann wird dieses Liquid produziert. / Hier ist die einzige Grenze der eigene Geschmack. Noch. Denn die Gegner der E-Zigarette sähen es am liebsten, wenn sich die schöne neue Welt der Dampfer samt ihrer Liquids recht bald in Luft auflöst. Hauptkritikpunkt sind die Liquids. Die Geschmacksaromen, die aus der Lebensmittelindustrie kommen, sind darin noch das kleinste Problem. Hauptsächlich geht es um das Nikotin, das in unterschiedlichen Dosen in dem Liquid enthalten sein kann. Zwar ist Nikotin nicht in erster Linie für die massiven Gesundheitsschäden verantwortlich, die beim Tabakrauch entstehen, aber Nikotin ist ein hochwirksames Nervengift mit einem extremen Suchtpotential, betont Martina Pötschke-Langer, die im Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg für die Krebsprävention verantwortlich ist. 15.Pötschke-Langer: Eine normale Zigarette enthält bis zu 13 mg Nikotin wobei beim Rauchen rund 1 bis 2 mg pro Zigarette auch aufgenommen werden. Also beim Rauchen von 20 Zigaretten pro Tag nimmt ein Raucher insgesamt etwa 20 bis 40 mg Nikotin auf. Eine E-Zigarette enthält bis zu 30 mg Nikotindosis. Wir wissen nicht wieviel pro Zug inhaliert wird und wieviel Züge etwa ein "normaler" E-Zigarettenraucher eigentlich macht pro Tag. Hier haben wir keinerlei Studien im Vergleich vorliegen. Stimmt, sagen auch die E-Zigaretten-Fans vom Dampfer-Stammtisch in Duisburg, den es seit ein paar Monaten gibt. Es fehlen Studien, aber ihrer Erfahrung nach reduzieren die meisten Dampfer den Nikotingehalt ihrer Liquids, je länger sie dampfen. So war das auch bei Andresa Unger: 16.OT Unger: Über kurz oder lang reduziert jeder Dampfer, nicht weil das Verlangen nachlässt, sondern weil es den Geschmack verleidet, den Nikotingehalt im Liquid. Im Moment ist es so, dass ich hauptsächlich Nuller- Liquids dampfe, also die Nikotinfrei sind. Vanille ist z.B. einer von meinen Favoriten oder Amaretto. Nullerliquids sind aber eher die Ausnahme, räumen die Dampfer ein. Die meisten brauchen eben doch den Suchtstoff Nikotin, sagt Andreas Mai: 17.OT Mai: Natürlich bin ich noch Nikotinabhängig. Ja, das weiß ich. Es ist mein persönliches Recht, Nikotin zu mir zu nehmen. Und ich fänds überhaupt nicht in Ordnung, wenn da irgendeiner daher käme, und mir das verbieten will. Zustimmendes Nicken bei den Dampferkollegen. Sie alle denken jetzt an Barbara Steffens. Die Gesundheitsministerin von Nordrhein-Westfalen hat der E-Zigarette und damit den schätzungsweise zwei Millionen Damfern Ende vergangenen Jahres einen erheblichen Dämpfer verpasst. Seitdem kämpft die Grünen-Politikerin nämlich dafür, dass die nikotinhaltigen Liquids als Arzneimittel zu bewerten sind und nur noch mit entsprechender Zulassung in der Apotheke verkauft werden dürfen. Es habe Anfragen aus den Kommunen gegeben, sagt die Ministerin, wie denn die immer populärer werdenden E-Zigaretten nun eigentlich rechtlich einzustufen seien. Da sei es ihre Aufgabe gewesen, die gültigen Gesetze verbindlich zu interpretieren, sagt Barbara Steffens. 18.OT Steffens: Also die Rechtsauffassung ist klar und eindeutig die gewesen, dass wir gesagt haben, das ist bei den nikotinhaltigen Liquids so, dass sie unters Arzneimittelgesetz fallen. Es ist so, dass das nicht alleine unsere Auffassung ist. Es ist so, dass es die Bundesländer Bremen und Brandenburg sind, die diese Auffassung haben, und es ist auch die Einschätzung der Bundesregierung. Und das hat ja dann auch zu einer heftigen Diskussion geführt. Zum Beispiel darüber, warum nikotinhaltige Liquids als Arzneimittel neben Nikotinpflaster und Nikotinkaugummis in die Regale der Apotheken wandern sollen, während die Tabakzigarette als Genussmittel an jeder Supermarktkasse zu kriegen ist? Weil es das Gesetz so will, sagt NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens, denn Nikotin als Chemische Substanz fällt unter das Arzneimittelrecht: 19.OT Steffens: Und in diesem Arzneimittelrecht ist explizit Tabak ausgenommen. Deswegen findet sich Tabak und Tabakprodukte in den Tabakrichtlinien wieder und nicht im Arzneimittelrecht. Das ist einfach eine Rahmengsetzgebung, die irgendwann gemacht worden ist. Man könnte, wenn man davon überzeugt wäre, hingehen und sagen, diese Nikotinliquids werden ähnlich wie Tabakprodukte aus dem Arzneimittelrecht rausgenommen. Das müsste der Bundesgesetzgeber dann machen, das liegt nur nicht in unserer Kompetenez als Länder. Es liegt nicht in meiner Hand. Das bringt die Dampfer zum Kochen: 20.OT Linke/ Mai: Das ist hanebüchen. Das ärgert mich sehr./ Es geht dem Staat Tabaksteuer verloren und der Tabakindustrie gehen Raucher verloren. Und für mich sah es ganz klar nach Lobbyarbeit aus. Aber der Bundesgesetzgeber könnte auch sagen, Tabakprodukte fallen künftig ebenfalls unter das Arzneimittelrecht, denn Tabak setzt beim Verbrennen Nikotin frei und ist erwiesenermaßen gesundheitsschädlich. Dann müssten herkömmliche Glimmstengel auch in Apotheken verkauft werden - und das würde die Tabakindustrie und die Raucher auf die Plame bringen. Der Wuppertaler Pneumolge und Rauchentwöhner Justus de Zeewu sieht hier dennoch die Politik in der Pflicht: 21.OT de Zeewu: In letzter Instanz müsste man genau das tun. Die Politik könnte sagen, wir haben ein Ziel. Und das Ziel soll sein: Deutschland soll im Jahr 2020 rauchfrei sein und dafür tun wir alles. Diese Ziele hat die Gesundheitspolitik in Deutschland nicht. Und der Journalist Dietmar Jazbinsek ergänzt: 22.OT Jazbinsek: Als Nicht-Jurist gesehen ist es natürlich Irrsinn, dass Tabakzigaretten, die sehr viel gefährlicher sind, überall frei verkäuflich sind und das bei E-Zigaretten nicht der Fall sein soll. Mit der Gesetzesinterpretation der Ministerin erging auch ein förmlicher Erlass, der für die Kommunen in NRW verbindlich ist. 23.OT Steffens: Und dieser Erlass hat einfach dann zur Folge gehabt, dass klar ist, dass der Verkauf und der Handel dieser Liquids verboten und rechtlich nicht zulässig ist. Damit waren die zuständigen Behörden in den Kommunen aufgefordert, Verstöße gegen den nun illegalen Handel mit nikotinhaltigen Liquids zu verfolgen und auch zu ahnden. Mit einem Schlag stand die berufliche Existenz von Rainer Schmitz auf dem Spiel. Immerhin hatte er mit einigen Geschäftspartnern in der Boomphase gleich in vier NRW-Städten E-Zigarettenläden jeweils in Top-Lagen aufgemacht. 24.OT Schmitz: Es sind Hausdurchsuchungen gemacht worden, es sind Beschlagnahmung von nikotoinhaltigen Liquids gemacht worden. Da fühlt man sich schon kriminalisiert. Das Ergebniss dieses völlig unsäglichen Erlasses unserer lieben Gesundheitsministerin ist der, dass nach Erscheinen dieses Erlasses immer wieder davon geredet wurde und darüber geschrieben wurde, dass die E-Zigarette nicht erforscht ist, dass die Inhaltsstoffe nicht bekannt sind, dass es ein Arzneimittel wird, weil es ja gefährlich sein könnte. Also es ist eine richtig breite Front gegen uns aufgefahren worden. In der Folge des NRW-Erlasses entbrannte eine heftige öffentliche Debatte, in der Befürworter und Gegner der elektronischen Zigarette zum Teil mit den selben Studien und Untersuchungen argumentieren, die sie aber völlig gegensätzlich interpretieren, hat der Journalsit und Lobbyexperte Dietmar Jazbinsek beobachtet. 25.OT Jazbinsek: Die Debatte um die E-Zigarette ist ein großes Kommunikationsdesaster. In der aktuellen Debatte ist es so, dass Gesundheitsbehörden auf der einen Seite nur über die möglichen Risikien der E-Zigarette sprechen, die Nutzer auf der anderen Seite nur über die möglichen Chancen. Und so redet man aneinander vorbei. Dabei hat der Kenner der Gesundheits- und Tabakszene sehr wohl Gemeinsamkeiten beider Seiten ausgemacht. 26.OT Jazbinsek: Einigkeit besteht darin, dass über das Restrisiko, das mit E-Zigaretten verbunden ist, heutzutage noch viel zu wenig bekannt ist. Die Wahrheit kennt heutzutage keiner. Es gibt bisher nur kleine Studien, die alle angreifbar sind. Neben dem Nikotin geriet nun auch das Propylenglycol ins Visier der E- Zigarettengegner. Das ist der Stoff, aus dem der Dampf entsteht - auch der in Discotheken und bei zahlreichen Bühnenshows. Propylenglycol ist ein Konservierungsstoff, der auch in Enteisungsmitteln, Kosmetika und in sehr kleinen Dosen auch in Medikamenten vorkommt. Was dieser Stoff bei einem Dampfer bewirkt, der ihn täglich über Jahre inhaliert, weiß keiner, betont Martina Pötschke- Langer vom Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg. 27. OT Pötschke-Langer: Und da wir beobachten konnten, dass E- Zigaretten-Raucher tief inhalieren, erreichen ganz offensichtlich diese Dämpfe die unteren Atemwege. Und die große Frage ist, was passiert da eigentlich. Es gibt keinerlei Langtzeitstudien dazu. Der Bonner Nuclearmediziner und Produzent der ersten und einzigen komplett in Deutschland hergestellten elektronischen Zigarette, Jürgen Ruhlmann, hält die Angst vor Propylenglycol dennoch für übertrieben. 28.OT Ruhlmann: Propylenglycol ist nicht nur eine Substanz in Frostschutzmittel, in hohen Konzentrationen. Sondern man findet diese Substanz auch als Trägersubstanz in Asthma-Inhalern, in Sprays. Frage Autorin: In ähnlicher Konzentration, wie man es z.B. mit täglichem Dampfen aufnehmen würde? / Ja. Pötschke-Langer : Das ist falsch! Propylenglycol wird nicht in Asthasprays eingesetzt. Wir haben das sehr genau von Pharmakologen überprüfen lassen. Alle Asthmamittel, die eine tiefe Inhalation vorsehen sind Propylenglycolfrei. Es ist in einigen Sprays vorhanden, die im Rachenraum appliziert werden können, aber eben nicht in die tieferen Lungenwege oder Atemwege vorstoßen können. Das ist der große Unterschied. So läuft das oft, in der Diskussion um das Für und Wieder der E-Zigarette. Gegensätzlicher geht's kaum. Während die entschiedene Tabak- und E- Zigarettengegnerin unermüdlich vor den noch nicht auszuschließenden Risiken der E-Zigarette warnt, sieht der Arzt darin ein Geschäft und eine Alternative für seine Krebspatienten und alle Tabakraucher, die nicht von der Sucht lassen können. 29.OT Ruhlmann: Ich bin nachhaltig der Meinung, dass wir mit der E- Zigarette ein Produkt haben, was mindestens tausendmal weniger schädlich ist, als die Tabakzigarette. Das ist für mich, auch aus medizinischer Sicht eine enorme Verbesserung. So dass ich das immer empfehlen würde, für den Raucher, der es nicht lassen kann. Seine Liquids werden in einem kleinen Labor in Bonn hergestellt. Alles unter Laborbedingunugen und alles in Handarbeit. Die Apothekerin Edith Schittek kontrolliert die Grundsubstanzen zunächst auf Reinheit und mischt daraus dann die unterschiedlichen Flüssigkeiten. Mit Handschuhen, Häubchen und Mundschutz ausgestattet sitzt sie vor der Füllstation. Vor ihr, in einer speziellen Halterung, stehen kleine schwarze Patronen, Caps genannt, die sie nun mit einer Pipette befülllt.´25 30.OT Schittek: Ich tauche ein wenig in die Watte ein, die da drin ist, und dann lässt man ganz langsam die Flüssigkeit darein laufen. Und dann werden die hier geschlossen. Im Gegensatz zu dem Bonner Produkt stammen die sonstigen Dampferutensilien fast ausschließlich aus Fernost, erzählt Dac Sprengel vom Verband der E- Zigarettenhändler. 31.OT Sprengel: Die Hardware kommt zu gut 90 Prozent aus China, die Qualitätskontrollen machen wir üblicherweise selbst vor Ort und alles was ins Land reinkommt wird ohnehin untersucht und vom TÜV zertifiziert. Die Liquids kommen teilweise auch aus China. Der Trend ist aber zu deutschen und europäischen Liquids. Ich meine, es ist natürlich schwierig, eine Produktion im eigenen Land aufzubauen, wenn man gleichzeitig die ganze Branche quasi durch Erlasse und Hetzkampagnen vernichten möchte. Aber ließe sich ein lohnendes Geschäft für deutsche Unternehmen und mehr Sicherheit für die Dampfer nicht durch einen Verkauf in der Apotheke verbinden? Die Leute vom Duisburger Dampfertreff sind skeptisch. Gegen mehr Sicherheit hätten sie ja gar nichts, sagt Andreas Mai. 32.OT Mai: Die Vorteile, die dadurch eventuell entstehen, eine bessere Kontrolle, da hätte wohl kein Dampfer etwas dagegen. Finde es sehr wohl richtig, dass es Zertifikate geben muss und Qualitätsstandarts. Natürlich bin ich als Dampfer daran interessiert. Und dennoch sind die meisten E-Zigarettennutzer wie Helmut Linke dagegen, dass ihre liebgewonnene Dampfe und das dazugehörige Liquid nur noch in der Apotheke verkauft werden soll. 33.OT Linke: Das Prozedere, das nötig wäre, um E-Zigaretten und Liquids in Apotheken zu verkaufen, würde wahrscheinlich 5, 6 oder noch mehr Jahre nötig machen, als Vorlauf. Das ist das Problme daran. Mir wäre es egal, ob ich jetzt zu einem normalen Händler gehe in ein Ladenlokal oder in die Apotheke. Aber ich sehe die Bestrebungen, die es gibt, eher als eine Methodik an, die ganze E-Zigarettengeschichte vom Markt wegzuhalten, also quasi ein Verbot durch die Hintertür. Erste Folgen der Debatte sind auch jetzt schon spürbar, sagt E-Zigarettenhändler Rainer Schmitz. Vor dem Erlass der NRW-Gesundheitsministerin arbeiteten in seinen vier Läden 30 Festangestellte. Inzwischen hat er einen Laden dicht gemacht, ein weitere steht auf der Kippe. Außerdem hat er die meisten Angestellten entlassen. 34.OT Schmitz: Aktuell haben wir noch genau sechs Festangestellte. Rainer Schmitz ist verbittert. 35.OT Schmitz: Verbittert und nahezu Pleite. Und die juristische Einordnung der Liquids - also sind sie ein Arznei- oder ein Genussmittel - die ist nach wie vor heiß umstritten. Denn der Vorstoß der NRW- Gesundheitsministerin Barabara Steffens stieß erwartungsgemäß auf heftige Gegenwehr von Seiten der Händler und Hersteller. Und so beschäftigen sich seit Monaten unterschiedliche Gerichte mit dem Thema. Zuletzt das OVG, das Oberverwaltungsgericht Münster Ende April. 36.OT Steffens :Wir haben zunächst vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf im Eilverfahren Recht bekommen. Das OVG hat dann in Münster im Rahmen einer einstweiligen Anordnung gesagt, dass wir nicht weiter sagen dürfen, dass diese Nikotinliquids unter das Arzneimittelrecht fallen. Vor den noch ungeklärten langfristigen gesundheitlichen Risiken der E-Zigarette wird sie aber weiterhin warnen, betont Barbara Steffens. 37.OT Steffens: Natürlich ist Rauchen gesundheitsschädlich und auch Dampfen ist gesudheitsschädlich. Nikotin ist und bleibt ein Nervengift. Da kann man nicht über Chancen und Möglichkeiten reden. Da muss man warnen. Jetzt setzt die Ministerin auf das Hauptsacheverfahren und hofft, dass sich die Justiz dann wieder ihrer Rechtsauffassung anschließen wird, ebenso wie es auch schon das Landgericht Frankfurt und das Verwaltungsgericht Frankfurt-Oder getan haben. Jedenfalls müsse dringend eine einheitliche und abschließende Klärung her, sagt Ministerin Barbara Steffens. 38.OT Steffens: Vielleicht wird aber auch die europäische Ebene relativ schnell, noch in diesem Jahr noch dazu kommen, dass sie sagen, sie werden auch als EU eine eindeutige Klärung vornehmen. Da gibt es viele Hinweise, dass auch die EU in Richtung Arzneimittelrecht geht, aber abschließend ist es natürlich auch da noch nicht klar. Und auch der rechtliche Status der E-Zigeratte selbst, der Hardware sozusagen, ist noch in der juristischen Schwebe. Denn auch sie soll nach dem Wunsch der NRW- Gesundheitsministerin und ihrer Mitstreiter kein Livestyleprodukt sein, sondern ein Arzneiprodukt, das den therapeutischen Zweck der Rauchentwöhung verfolge. Das Gericht in Münster sah auch das anders. Bei der E-Zigarette stehe nicht die Entwöhnung vom Nikotinkonsum im Vordergrund. Und genau das wird auch kritisiert. Heike Weck ist Rauchfreitrainerin im Petruskrankenhaus Wuppertal. Für sie ist die E- Zigarette nicht geeignet, um von der Sucht nach Nikotin loszukommen. 39.OT Weck: Weil ja auch da inhaliert wird. Die Gewohnheit, die Hand zum Mund zu führen in den gewissen Situationen, da bietet die E-Zigarette keine Alternative. Also im Prinzip ist es eigentlich nur eine Verlagerung. Um sich vollkommen von der Sucht zu lösen, müssen aber gerade diese millionenfach wiederholten Rituale aufgegeben werden, sagt Heike Weck. In ihren Rauchfreikursen versuchen die Teilnehmer per "Cold Turkey" - also per kaltem Entzug - von jetzt auf gleich mit dem Rauchen aufzuhören. Ein Schwur vor der Gruppe soll dabei helfen. 40.Szene /OT: Herr Oppermann, kommen sie doch bitte mal nach vorne. Ich frage sie jetzt, ob sie ab Samstag ein rauchfreies Leben beginnen möchten. / Das würde ich sehr, sehr gerne. Ich, Adolf Oppermann, will ein rauchfreies Leben führen und verspreche mir deshalb mein erster rauchfreier Tag ist der 4.2.2012. / Handschlag da drauf/ Handschlag drauf/ Und alle anderen habens gehört. Vielen Dank. Wenn Adolf Oppermann, der 34 Jahre lang Kette geraucht hat und schwer lungenkrank ist, heute daran denkt, stehen ihm Tränen in den Augen: 41.OT Oppermann/ hört die Rührung: 18:34 Uhr habe ich die letzte Zigarette geraucht und hab geweint dabei und ich könnte jetzt wieder weinen. Weil ich froh und stolz darauf bin, dass ich das merke, jetzt - viele Monate danach, dass es mir gesundheitlich wesentlich besser geht. Und ich habs vorher mit der E-Zigarette nicht geschafft. Aber mit ihr hat er wenigstens versucht vom Nikotin loszukommen, sagt der 50- jährige. Entsprechende Pflaster oder Kaugummis hat er gar nicht erst angefasst: 42.OT Oppermann: Nein, niemals, weil ich das für Pillepalle halte. Ein typisches Verhalten für hartnäckige Raucher sei das, meint der Journalsit Dietmar Jazbinsek, das von Seiten der Politik und auch der Wissenschaft zu wenig beachtet wird. 43.OT Jazbinsek: Ein Moment der Unglaubwürdigkeit kommt auf Seiten der Gesundheitsbehörden auch da hinein, wo gesagt wird, lassen sie die Hände von den E-Zigaretten, benutzen sie stattdessen lieber bewährte Entwöhungsprodukte, Pflaster, die Kaugummis und die Pillen der Pharmaindustrie. Wir wissen aber - und das sehr gut belegt - dass diese Nikotinersatzprodukte wenig effektiv sind, sie sind gesundheitlich keineswegs unbedenklich und sie sind für die große Mehrzahl der Raucher absolut unattraktiv. Für sie könnte die elektronische Zigarette eine Chance sein, von dem Suchtstoff Nikotin loszukommen, meint er. So wie der ehemalige Kettenraucher Andreas Unger, der inzwischen nur noch nikotinfreie Liquids benutzt. Der Duisburger dampft Amaretto-Geschmack. Amaretto-Kekse würden ihn hingegen nicht befriedigen. 44.OT Unger: Da fehlt die Ritualwirkung, die man vom Rauchen gewohnt ist. Und die hilft irgendwo dabei, umzusteigen. Weil man nicht gleich auf alles verzichten muss. Und durch das vorhandene Ritual des Dampfens, ist es ein bisschen einfacher in meinen Augen. Andererseits sind Wirkung und Nebenwirkung von Nikotinpflastern und Co im Gegensatz zur E-Zigarette wissenschaftlich belegt und sie werden nach strengen Arzneimittelkriterien hergestellt, hält der Wuppertaler Pneumologe und Rauchentwöhner Justus de Zeewu dagegen. 45.OT de Zeewu: Wenn man die normale Zigarette direkt vergleicht mit der E- Zigarette, spricht nichts für die normale Zigarette. Wenn man die E-Zigarette mit den Arzneimitteln vergleicht, spricht wiederum nichts für die E-Zigarette. Für Klarheit könnten aussagekräftige und belastbare Studien sorgen, die in Fachjournalen und nicht nur im Internet veröffentlicht werden, damit sie von anderen Wissenschaftlern geprüft werden können. Auch Langzeitstudien sind dringend nötig. Das fordern alle. Doch die sind weit und breit nicht in Sicht. Auch weil nicht klar ist, wer sie zahlen soll. Viele Dampfer, Händler und Hersteller wie Jürgen Ruhlmann meinen, das sei Sache der Politik. 46.OT Ruhlmann: Ich glaube, dass eine solche Studie über einen langen Zeitraum nicht von einem kleinen Hersteller oder Importeur dieser Produkte finanziert werden kann. Ich denke eine Studie sollte eigentlich vom Gesundheitsministerium angeregt und beauftragt werden. 47.OT de Zeewu: Ne, genau umgekehrt. Sagt der Lungenfacharzt und Rauchentwöhner Justus de Zeewu: 48.OT de Zeewu: Die Hersteller müssen sagen, wir wollen zeigen, dass unser Produkt wirklich super ist und dafür Geld in die Hand nehmen. Stimmt genau, sagt auch Martina Pötschke-Langer vom Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg: 49.Pötschke-Langer: Wer profitiert denn vom E-Zigarettenmarkt? Das sind doch die Hersteller und die Händler. Wenn die ein gesundheitlich tatsächlich unbedenkliches Produkt tatsächlich auf dem Verbrauchermakt etablieren wollen, müssen sie die gesundheitliche Unbedenklichkeit auch nachweisen. Und das haben sie bisher nicht getan. Würden wir ja gern, erwiedert Dac Sprengel vom Verband der E-Zigarettenhändler, aber: 50.Sprengel: Was Langzeitstudien angeht fehlen uns bis heute Kliniken, die bereit wären es auf unsere Kosten durchzuführen. Das Angebot steht nach wie vor, wir fragen auch nach wie vor an. Nicht nur die Dampfer, auch die Politik wartet sehnsüchtig auf aussagekräftige Studien zum Gefährdungspotential der E-Zigarette, meint Dietmar Jazbinsek, denn: 51. OT Jazbinsek: Sobald sie die bekommt, wird sie auch über andere Dinge nachdenken. In allererster Linie, wie man E-Zigaretten besteuern kann. Musik - von Anfang - bis Ende So werden es am Ende wohl doch die Gerichte und nicht die wissenschaftlichen Erkentnisse sein, die entscheiden, ob die Dampfer sich in Zukunft in der Apotheke mit den suchtstillenden Utensilien eindecken oder ob sie weiterhin bei ihrem Händler um die Ecke einkaufen gehen können. Denn noch steht die Zukunft der E-Zigarette auf der Kippe. Das weiß auch Andreas Mai, der Dampfer aus Duisburg, der heilfroh ist, endlich von den stinkenden Tabakzigaretten weg zu sein. 51.OT Mai: Es ist für mich eine Hysterie, die da entstanden ist. Ich würde aber nicht so weit gehen und sagen es ist unschädlich oder gar gesund. Also gesund ist frische Waldluft. Dampfen ist nicht gesund, aber es ist weniger schädlich als die Zigarette. Und während sich darüber hierzulande Wissenschaftler, Politiker und Lobbyisten die Argumente um die Ohren schleudern, stehen die großen der Tabakbranche weltweit schon in den Startlöchern und warten darauf, ihre Patente für neue E-Zigaretten aus der Schublade zu holen. Den potentiell Milliarden schweren Markt werden sie sich nicht durch die Lappen gehen lassen. Und dann wird Vater Staat - wie bei der Tabaksteuer - wohl kräftig mitkassieren. 1