Deutschlandradio Kultur Länderreport Wer hat noch nicht? - Wie viele Bauhaus-Museen braucht die Republik? - Autor Susanne Arlt Red. Claus Stephan Rehfeld Sdg. 09.01.2012 - 13.07 Uhr Länge 19.32 Minuten Moderation Auf Sachsen-Anhalt kommt einiges zu. Im Februar feiert das Land "800 Jahre Anhalt", was zu finanzieren ist. 2017 feiert man den 500. Jahrestag der Reformation, was zu fi- nanzieren ist. Nebenbei hat das Land noch andere kulturelle Schatzkammern, zum Bei- spiel das Bauhaus, was zu finanzieren ist. So eigenartig sich das anhören mag, aber das Land ist mit teurer Kultur arg gebeutelt. Zumal Sachsen-Anhalt im Osten der Republik liegt, was zur finanziellen Lage eigentlich alles sagt. Nur ohne Kultur und Geld geht es nicht. Und verzwickt die Lage auch wegen anderer Sachverhalte. Susanne Arlt schaut sich das nun Baustein für Baustein an - in Sachen Bauhaus. -folgt Script Beitrag- Script Beitrag Atmo Straße Autorin: Anderthalb Jahre hat Dessau verbissen um ein Besucher- und Ausstel- lungszentrum gekämpft, um die bislang verborgenen Schätze des Bau- hauses zeigen zu können. Auf 29.000 Objekte ist die Sammlung - die zweitgrößte der Welt übrigens - angewachsen. 1.500 Objekte im Wert von etwa einer Million Euro sind allein im vergangenen Jahr als Schen- kung dazu gekommen. Vor der Landtagswahl war sich auch der neue Mi- nisterpräsident Rainer Haseloff sicher, das Bauhaus muss endlich ein Be- sucher- und Ausstellungszentrum bekommen. Alles leere Versprechen! Jetzt - nach der Wahl - soll das 14-Millionen-Euro Projekt plötzlich nicht mehr finanzierbar sein. Angesichts der Schulden des Landes ist dies ja ir- gendwie nachvollziehbar, wären da nicht ... aber der Reihe nach. Atmo Schritte, kommen wir hier so rein? ... Autorin: Philipp Oswalt stößt die schwere, graue Stahltür auf, betritt einen gro- ßen, klimatisierten, fensterlosen Raum. Der gehört zum Depot der Bau- hausstiftung Dessau. Vor zweieinhalb Jahren sind die Kunstgutsammlung, das Bauforschungsarchiv und die Projektdokumentation in die Alte Braue- rei an den Stadtrand von Dessau umgezogen. Wo früher der Hopfen la- gerte, stehen nun die Regalsysteme für das Kunstgut. O-Ton Philipp Oswalt: (Schritte) Hier haben Sie die Gemäldeaufbewahrungsanlage. So ein bisschen die Schwachstelle unserer Sammlung ist, dass wir eben wenig von den großen Meistern an teuren Werken haben. Es gibt einzelne Lithografien, Zeichnungen, Aquarelle, aber kein Öl- gemälde von Klee und Kandinsky. Atmo Metallregal rausziehen Autorin: Das teuerste Bild ist ein Aquarell von Oskar Schlemmer. Versicherungs- wert: eine Million Euro. Auch wenn die wirklich teuren Gemälde fehlen, die Sammlung der Bauhausstiftung Dessau ist unbezahlbar. Sie umfasst über 3.000 Möbelstücke, 3.000 Gemälde, 25.000 Einzelobjekte, Drucksa- chen, Fotografien, Architekturskizzen, Übungspläne aus dem Lehrunter- richt. Und die Sammlung wächst. Jedes Jahr kommen neue Objekte aus den Nachlässen ehemaliger Bauhausschüler dazu. Darum erweitert die Stiftung jetzt das Depot um weitere 1.000 Quadratmeter. Trotzdem ist Philipp Oswalt nicht glücklich über die Fülle des Depots. Viel lieber würde er diese Schmuckstücke in einer Dauerausstellung den Bauhaus- Besuchern zeigen. Dazu fehlen uns aber die Räume, sagt Stiftungsdirek- tor Philipp Oswalt. O-Ton Philipp Oswalt: Ein Sammler wird erst dann glücklich, wenn er seine Sammlung auch zeigen kann. Es gibt halt das Ärgernis, dass wir hier die wunderbaren Schätze haben, aber die Besucher, die auch sehr zahlreich zu uns kommen, die nicht sehen können und sich dar- über auch beschweren. Weil sie sehen die Gebäude, was schön ist, aber sie wollen nicht nur die Gebäude sehen, sie wollen auch die sonstigen Arbeiten des Bauhauses sehen. Autorin: Auch wenn das Bauhaus 1919 in Weimar gegründet wurde, verwirklicht wurden die Ideen fast alle in Dessau. Zahlreiche Gebäude erinnern noch heute daran: die Meisterhäuser, in denen Lyonel Feininger, Wassily Kan- dinsky, Paul Klee und Oskar Schlemmer mit ihren Familien wohnten, die Mustersiedlung Törten, das alte Arbeitsamt am August-Bebel-Platz und natürlich das berühmte Bauhausgebäude, das Walter Gropius als Lehr- stätte für seine Bauhausschüler entwarf. Als im vergangenen Jahr das Goethe-Institut seine ausländischen Besucher nach den bedeutendsten Bauwerken in Deutschland befragte, landete das Bauhausgebäude in Dessau auf dem siebten Platz. Wir waren ziemlich überrascht darüber, sagt Oswalt, dass Dessau mit Neuschwanstein konkurrieren konnte. Da- bei konnte der Stiftungsdirektor schon beobachten, dass das Bauhaus in Dessau für manche Kultstatus hat. O-Ton Philipp Oswalt: Das Bauhaus Dessau ist die Ikone der modernen Architektur aus Deutschland, weltweit bekannt. Und eben nicht nur als Architek- tur, sondern eben auch als Stätte dieser Hochschule für Gestal- tung. Es hat dann auch so einen kultischen Status, den einen dann auch manchmal befremdet. Wir hatten letztes Jahr zum Bei- spiel zu Besuch einen brasilianischen Architekten und der stieg aus dem Bus aus und küsste die Erde und sagte, ich wollte seit 30 Jahren hierher kommen. Autorin: Über 100.000 Besucher kommen jährlich nach Dessau, um sich das Ge- bäude und die Werkschau im Souterrain anzusehen. Dort können aber nur wenige Exponate gezeigt werden. Die Stiftung kämpft seit Jahren darum, einen adäquaten Museumsneubau inklusive Besucherzentrum zu bekommen. Vor einem halben Jahr lehnte die sachsen-anhaltische Regie- rung das Vorhaben ab. Das hoch verschuldete Land der Moderne muss konsolidieren. Für die beiden Jubiläen 500 Jahre Reformation in Witten- berg und 800 Jahre Anhalt hat das Sachsen-Anhalt jedoch viele Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Diese Mittel fließen vor allem in Baumaß- nahmen. Vierzehn Millionen für ein neues Bauhausmuseum, das der Bund zudem noch zur Hälfte mitfinanziert hätte, waren im Etat offenbar nicht mehr drin. Philipp Oswalt bedauert das. O-Ton Philipp Oswalt: Es ist bestimmt wahr, dass die Aufmerksamkeit im Land Sachsen- Anhalt für andere Themen, für andere Epochen in den vergange- nen fünfzehn Jahren größer waren. Autorin: Dabei ist das Bauhaus ein Pfund, mit dem Sachsen-Anhalt international für sich punkten könnte. Die Besucher, die die drei Bauhausstätten in Weimar, Dessau und Berlin besuchen, kommen überwiegend aus dem Ausland, sind gut gebildet und im Schnitt um die 30 Jahre alt. Stefan Gebhardt, kulturpolitischer Sprecher der sachsen-anhaltische Linkspartei, kritisiert den Beschluss der schwarz-roten Landesregierung. Mit Mitglie- dern des Kulturausschusses reiste er nach Barcelona, um sich darüber zu informieren, wie man dort für Sachsen-Anhalt touristisch besser werben kann. Mitarbeiter des Goethe-Instituts erklärten ihm: O-Ton Stefan Gebhardt: Also mit Luther braucht ihr nicht unbedingt kommen, die sind hier alle katholisch. Aber das Bauhaus. Die Leute lechzen nach dem Bauhaus. Und sie hören von Sachsen-Anhalt einfach zu wenig. Und da fehlt mir einfach in der Landesregierung diese Erkenntnis, und die Verzahnung zwischen Tourismus, Wirtschaft und Kultur. Dass da jeder sein Kleinklein macht. Und wenn es da um besagte zehn Millionen geht, wo man auch noch Bundesmittel akquirieren kann, dann ist das einfach für Sachsen-Anhalt beschämend. Autorin: Undine Kurth, Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, sitzt im Ausschuss für Kultur und Medien. Auch sie ärgert sich über das man- gelnde Engagement der sachsen-anhaltischen Regierung in Sachen Bau- haus. Für das Verhalten der Landespolitiker hat sie eine nicht gerade schmeichelnde Erklärung. O-Ton Undine Kurth: Ich glaube, dass es vielen Entscheidungsträgern im Land nicht einmal bewusst ist, welchen Rang dieses Bauhaus hat. Was hinter dem Begriff Moderne sich eigentlich für eine Gesellschaft ver- birgt. Welche revolutionären Impulse von solchen Kunst- und Kulturstätten ausgegangen sind. Und dass wir heute vielmehr darüber nachdenken müssten, was bedeutet das für unsere Zeit. Jede Auseinandersetzung mit der Kunst der Moderne ist viel am- bivalenter, fordert uns viel mehr heraus, braucht modernere Antworten. Und das ist offensichtlich unbequem und demzufolge fossiert man das nicht gerade. Atmo Marktplatz Autorin: Ortswechsel, aber nicht Themenwechsel. Weimar in Thüringen. Gegen- über vom Nationaltheater befindet sich die Bauhausammlung der Klassi- kerstadt, untergebracht in einer alten, klassizistischen Wagenremise. Grundstock der Sammlung bilden 165 Werkstattarbeiten, die Walter Gro- pius einst der staatlichen Hochschule für Handwerk und Baukunst über- ließ. Als die Nationalsozialisten 1925 in Weimar an die Macht kamen, kappten sie unverzüglich die Landesmittel für das Bauhaus. Gropius zog daraufhin mit seiner Kunst-Lehrstätte nach Dessau. Zu DDR-Zeiten wuchs in Weimar die älteste, wenn auch kleinste Bauhaussammlung durch Schenkungen und Teilnachlässe auf immerhin 10.000 Objekte an. O-Ton Wolfgang Holler: Morgen ... Morgen, ... Ja das ist jetzt sozusagen die, wenn man so will, unsere kleine Dauerpräsentation. Autorin: Wolfgang Holler ist Generaldirektor der Museen der Klassikstiftung Wei- mar. Vor zwei Jahren konnte die Stiftung die Objekte der Designsamm- lung Ludewig erwerben, erzählt er. Die Sammlung ist sozusagen Mittel zum Zweck. Denn mit ihrer Hilfe will die Klassikstiftung zeigen, dass sich das funktionale Bauhausdesign aus der Formensprache der Klassik ablei- ten lässt. Die ersten Jahre des Bauhauses, sagt Holler, seien die experi- mentellsten gewesen. O-Ton Wolfgang Holler: Da hat sich das Bauhaus eigentlich erst sortiert, also wenn man so will ist die Weimarer Phase die gärende Phase, die Findungs- phase, und in ihrer Kreativität die naivste, aber auch die spru- delndste Phase. Autorin: Im Vergleich zu Dessau hat Weimar mit seinen Plänen mehr Erfolg. Was wohl auch daran liegen mag, dass Weimar in den vergangenen Jahren sein Bauhausimage besser gepflegt hat als Dessau. Als vor knapp drei Jahren der 90. Geburtstag des Bauhauses gefeiert wurde, schienen nur Weimar und Berlin in Partylaune zu sein. Das Land Thüringen finanzierte die Feierlichkeiten mit immerhin über einer Million Euro. Die Ausstellung mit dem Titel "Das Bauhaus kommt aus Weimar", machte bundesweit Eindruck. Die Landesregierung in Sachsen-Anhalt konnte sich für das Ju- biläum nur mäßig begeistern. Auch finanziell. Philipp Oswalt, der den Stiftungsposten erst im Jubiläumsjahr übernahm, sagte damals. O-Ton Philipp Oswalt: In Sachsen-Anhalt, das ist so ein bisschen ulkig, dass man dieses moderne Erbe noch nicht so richtig in seinem Potenzial entdeckt hat. Vor meinem Kommen hatte man nichts vorbereitet. Autorin: Ulkig findet Philipp Oswalt das politische Engagement im Land der Mo- derne für die Moderne schon lange nicht mehr. Ganz anders in Thürin- gen. In der Stadt der Klassik entsteht demnächst ein gigantisches Muse- um der Moderne. Der Neubau mit einer Ausstellungsfläche von 3.700 Quadratmetern soll 22 Millionen Euro kosten. Der Bund und das Land Thüringen teilen sich die Finanzierung. Wolfgang Holler, Generaldirektor der Museen der Klassikstiftung Weimar, gerät ins Schwärmen. 530 Archi- tekturbüros haben ihre Entwürfe eingereicht. Den richtigen Standort ha- be man nach langer Suche gefunden. Das Bauhausmuseum soll direkt neben dem ehemaligen Gauforum stehen. Noch beherrscht Naziarchitek- tur den Platz. Der Neubau breche das architektonische Diktat auf, glaubt Holler. O-Ton Wolfgang Holler: Ich kann hier eben wirklich zeigen, was der Aufbruch in eine mo- derne Schule der Gestaltung und was dann danach kommt. Ein völliger Rückschritt in eine ja Barbarei ja schon mit dem Gaufo- rum, die dann wirklich in Völkermord geendet ist. Und ich denke, da hat man dann so eine Art Verdichtung all dieser Problemati- ken, die wir in Deutschland haben im 20. Jahrhundert, die kann ich schon an so einem Platz dann ablesen. Autorin: Viele Jahre spielte das Bauhaus in der Klassikstadt keine allzu große Rol- le. Die selige Erinnerung an Goethe und Schiller beherrschen die Stadt. Das kleine Bauhausmuseum in der Wagenremise entstand Mitte der 90er nur auf Initiative einzelner Personen. Und jetzt soll für die kleinste Sammlung das größte Museum entstehen? Woher rührt das plötzlich ge- wachsene Interesse an einem Erbe, das nicht nur schillernde Seite hat? Schließlich vertrieben die Weimarer die Bauhäusler nach Dessau. Böse Zungen behaupten, Weimar greife immer gerne zu, wenn es etwas ab- zugreifen gebe. Im Auftrag der Bundesregierung verfasste der Literatur- wissenschaftler und Bibliotheksfachmann Paul Raabe vor sechs Jahren das Blaubuch. Darin beschreibt und bewertet er die Aufgaben der kultu- rellen Leuchttürme in den neuen Bundesländern. Im sechsten Kapitel widmet er sich der Bauhaustiftung in Dessau. Das Bauhaus in Weimar erwähnte Raabe dagegen mit keiner Silbe. Wäre es nach Paul Raabe ge- gangen, Dessau wäre heute museales Zentrum des Bauhaus-Erbes. Dass Weimar in dieser Frage so vorgeprescht ist, bedauert der Literaturwis- senschaftler. O-Ton Paul Raabe: Weimar ist eine Stadt der Klassik, aber nicht der Moderne. Die Moderne hat in Weimar keinen Ort. Mein Eindruck ist, dass man in Weimar mit vielen Agitatoren arbeitet, die sich darum bemühen, das Bauhausmuseum nach Weimar zu bringen und eine alte Scharte wieder auszumerzen. Das Bauhaus kommt aus Weimar war der Slogan. Aber mit dem Bauhaus verbindet man nicht Wei- mar, sondern Dessau. Dessau ist der Ort, von dem aus das Bau- haus und die Bauhausidee Weltgeltung bekommen hat. Autorin: Als er 1989 nach Weimar reiste, erinnerte nichts an die Bauhäusler. Man wusste weder, wo Kandinsky, Feininger noch Klee gewohnt haben, er- zählt Paul Raabe und runzelt die Stirn. All das sei vergessen gewesen und von der Bauhaus-Geschichte wollte in den 90ern auch niemand et- was wissen. Der 84-jährige findet es darum befremdlich, dass Weimar sich plötzlich als Ort der Moderne neu erfindet. Geschuldet sei diese Ent- wicklung aber auch dem föderalen System, sagt Raabe. Kulturstaatsmi- nister Bernd Neumann habe nicht die Macht, Dessau als zentralen Ort des Bauhauserbes zu bestimmen. Hellmut Seemann, Präsident der Klas- sik-Stiftung Weimar, hält von dieser Kritik indes nicht viel. Dass das Bauhaus aus Weimar stamme, sei kein Zufall, betont der Präsident. In der Klassikstadt wollten Gropius und seine Mitstreiter die Moderne ver- wurzeln. O-Ton Hellmut Seemann: Ich würde wirklich davon abraten, so Sandkastenspiele zu ma- chen, wer hat die meisten Förmchen. Auch die Aussage, die größ- te Sammlung, die kleinste Sammlung, ist eine aus kulturge- schichtlicher Sicht vollkommen ungeeignete. Es geht um sehr spezifische Sammlungen. Und Sammlungen qualifizieren sich nicht nach Quantitäten, sondern nach Qualitäten. Autorin: Hellmut Seeman macht keinen Hehl daraus, dass es letztlich dem Enga- gement eines thüringischen Bundespolitiker zu verdanken ist, dass in Weimar nun für die kleinste Bauhaussammlung das größte Museum ge- baut wird. SPD-Haushaltspolitiker Carsten Schneider griff vor fünf Jahren zu, als der Bund angesichts der paradiesischen Haushaltslage ein Son- derinvestitionsprogramm für die kulturellen Leuchttürme in Deutschland auflegte. 45 Millionen Euro stellte der Bund für die Stadt Weimar in Aus- sicht, mit der Prämisse, dass das Land den Betrag um 45 Millionen Euro aufstockt. Die Thüringer griffen zu. Das Geld ist vor allem für die In- standsetzung des Goethe-Schiller-Archivs, für die Wiederbeschaffung von verbrannten Büchern und die Restaurierung von Papierabreiten vorgese- hen. Immerhin - 20 Millionen blieben für das neue Bauhausmuseum übrig - dank eines Haushälters. O-Ton Hellmut Seemann: Da kann man sagen, da hat Weimar Glück gehabt. Man kann auch sagen, Weimar hat jahrelang gelitten und der Brand der Anna- Amalia-Bibliothek ist nicht vom Himmel gefallen. Sondern er ist auch das Zeugnis für eine versäumte Investitionspolitik in den 90er Jahren. Und es war da auch das Bedürfnis zu sagen, jetzt haben wir verstanden. Autorin: Ein Anruf beim Kulturstaatsminister in Berlin zeigt, dass man dort Dessau nicht vergessen hat. Die Stiftung unterstütze man mit jährlich 1,3 Millio- nen Euro, sagt Pressesprecher Dietrich von der Schulenburg. An einem Besucherzentrum inklusive neuer Ausstellungsräume würden wir uns selbstverständlich finanziell beteiligen, betont er. Die einzige Bedingung: So wie Thüringen muss auch Sachsen-Anhalt die gleiche Summe. Den Haushältern in Magdeburg scheinen sieben Millionen Euro da anscheinend zuviel. Und weil in kulturellen Fragen die Bundesländer das Sagen hätten, seien dem Kulturstaatsminister die Hände gebunden, bedauert von der Schulenburg. Atmo Kasse Bauhaus-Archiv Autorin: Berlin also. Die Empfangshalle des Bauhaus-Archivs. Über eine Bundesfi- nanzierung würde sich Direktorin Annemarie Jaeggi freuen, doch seit der Wiedervereinigung ist diese Zuwendung gekappt. Das Land Berlin ist al- leiniger Geldgeber. Auch das Bauhausarchiv hätte gerne einen Anbau. Das Gebäude von Walter Gropius stammt aus den 70er Jahren. Für die Belichtung schlug er damals so genannte Shed-Dächer vor. Wie sechs Lichttürme ragen sie markant in den Himmel. Wir haben jetzt die welt- weit größte Bauhaus-Sammlung, sagt Annemarie Jaeggie: 70.000 Foto- grafien, 250.000 Objekte und über 700.000 Dokumente. Im Jahr kom- men über 100.000 Besucher, 1.000 Wissenschaftler forschen hier. Trotz- dem stellt der Senat keine Mittel für den dringend benötigten Anbau zur Verfügung. O-Ton Annemarie Jaeggie: (Lacht) Ja das ist sehr schmerzlich, dass unser Museum aber auch unser Archiv bis zu den einzelnen Büroräumlichkeiten so was von beengt ist. Wir platzen im wahrsten Sinne des Wortes aus allen Nähten. Warum gelingt es uns nicht, endlich eine Erwei- terung zu erhalten? Ich glaube schlicht und ergreifend, dass man vielleicht in der Politik nicht wirklich erkennt, was für eine Strahlkraft, was für eine internationale Strahlkraft das Thema Bauhaus hat. Autorin: Dass Weimar einen neues Bauhausmuseum bekommt, freut Jaeggie. Sie möchte die drei Bauhausstätten nicht gegeneinander ausspielen. Das mache keiner von uns, betont sie. Aber sie würde sich freuen, wenn auch die Berliner Politiker einen Posten im Haushalt für ihr Bauhausarchiv be- reitstellen würden. Die Restsumme würde sie über Sponsoren akquirie- ren. Die gibt es zuhauf, auch im Ausland. Von dort kommen immer mehr Anfragen: China, Brasilien und Chile bitten um Leihgaben und fragen nach Kooperationen. International ist das Bauhauserbe gut im Geschäft. Nur national setzt man in Berlin bislang noch andere Akzente. O-Ton Annemarie Jaeggie: Das Geld ist ja auch nicht so üppig vorhanden, und dann überlegt man sich sehr genau, wofür man es ausgibt. Ich bedauere, dass wir nicht auf dieser Prioritätenliste sind und das ist auch mein Ehrgeiz, da drauf zu kommen. Weil Bauhaus ist international nicht nur ein Hebel, uns stehen überall Tür und Tor offen. Im Aus- land verbindet man mit deutschem Design immer und gleich zu- erst das Bauhaus. Ich versteh einfach nicht, warum man diese Chance, die man hat, nicht ergreift. Autorin: Sachsen-Anhalt scheint indes begriffen zu haben. Vor drei Wochen haben die Landtagsabgeordneten aller Fraktionen beschlossen, dass 100-jährige Bauhausjubiläum im Jahr 2019 zu nutzen und Sachsen-Anhalt als Land der Moderne nachhaltig zu profilieren. Dessau bekommt also doch sein Besucherzentrum inklusive Museumsneubau. Immerhin - der Titel dafür wurde schon in den Landeshaushalt eingestellt. Ein exakter Geldbetrag steht freilich noch nicht drin. Ende Beitrag 1