COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandrundfahrt Moskauer Patriarchat in der Uckermark Götschendorf in Brandenburg Eine Sendung von Thilo Schmidt 11. Januar 2014, 15.05 Uhr Ton: Ralf Perz Regie: Karena Lütge Redaktion: Margarete Wohlan Eine Produktion von Deutschlandradio Kultur 2014 Manuskript 01 Atmo Russisch-Orthodoxer Gottesdienst, Götschendorf … Liturgie, freistehen lassen … … unterlegen … 0:07 02 O-Ton Daniel Dolgov Mönchspriester ff.Atmo … unterlegen … Das Leben im Kloster ist einfach das Leben wie in eine Familie. Die Brüder sind wie Brüder zueinander. Und wir versuchen hier alles machen was Mönche in russische oder in griechische orthodoxe Kloster machen. 0:20 01 ff. Atmo … freistehen lassen … 0:10 01 ff.Atmo … unterlegen … Der provisorische Gebetsraum ist im Mönchshaus untergebracht, einem Nebengebäude des Schlosses. Das alte Haus ist das bislang einzige fertige Gebäude des Klosters. In einem 200-Seelen-Dorf in der dünnbesiedelten Uckermark entsteht das erste Kloster der russisch-orthodoxen Kirche in Westeuropa. 0:20 01 ff. Atmo … freistehen lassen … 0:05 … überblenden .. KENNMUSIK Moskauer Patriarchat in der Uckermark - Götschendorf in Brandenburg. Eine Deutschlandrundfahrt von Thilo Schmidt. 0:10 03 Atmo Klosterhof Schritte Raureif hat sich über den Schlosshof gelegt, die Pfützen sind gefroren. Es ist Mitte Dezember in Götschendorf, 80 Kilometer nördlich von Berlin und 1.500 Kilometer westlich von Moskau. Ruf aus der Ferne: „Herr Schmidt!“ In der Uckermark. An einem Sonntagmorgen. Die nächste größere Stadt: Templin. Still wäre es hier, sehr still, wäre nicht die Landstraße, die mitten durch den Ort führt. „Herr Schmidt!“ Aribert Großkopf empfängt mich am Schloss. Er hat sein Ferienhäuschen direkt neben dem Schlossgelände. Es ist die Hälfte eines alten Doppelhauses. Die andere Hälfte war das Wochenendhaus von Norbert Kuchinke, früher Korrespondent für Spiegel und Stern in Moskau. 0:45 04 Also das Haus haben wir schon 2007 gekauft. Das war ne Ruine, die stand da direkt auf dem Nachbargrundstück, und die Frau von Norbert Kuchinke hat uns keine Ruhe gelassen, bis wir das gekauft hatten. Und dann haben wir Stück für Stück uns dieses Haus wieder zurechtgerichtet. 0:17 03 Atmo Klosterhof Aribert Großkopf ist gebürtiger Brandenburger, verbrachte aber einen großen Teil seines Lebens und seines Berufslebens in Westdeutschland – als Regierungsbeamter im Bundeskanzleramt in Bonn. Er war einer der ersten, der in den Osten ging, lange, bevor man die Beamten mit der „Busch-Zulage“ in die Zone lockte: im März 1990, am Tag der ersten freien Volkskammerwahl, bezog er seinen Arbeitsplatz im Amt von Lothar de Maiziere, dem frisch gewählten Ministerpräsidenten der DDR. Danach, bis 1998, war er hoher Regierungsbeamter unter Manfred Stolpe. Als Pensionär steckt er fast jede freie Minute ins Kloster Götschendorf. Die markante Kirche wird gerade gebaut, auch das alte Schloss ist eingerüstet. 0:42 05 O-Ton Aribert Großkopf Wir gehen jetzt runter zum See, dort haben wir ein Bootshaus, wo auch ein Ruderboot liegt für die Mönche, und ab und zu angeln die auch dort. Für den eigenen Bedarf. 0:16 06 Atmo Kölpinsee Über 500 Seen zählt die Uckermark. Der Kölpinsee ist mit 1,6 Quadratkilometern einer der größeren. 0:06 07 O-Ton Aribert Großkopf Tja. TS: Wunderschön. Am See, kein Rauschen, im Sommer ist das natürlich eine Idylle, hier. Also der See beginnt da hinten, hinter den beiden Inseln. Das ist hier nur ein Zehntel des Sees. Da kann man zwischen den Inseln durch zwei, drei Kanäle durch. Und das ist das Floß, das ich mit meinen Enkeln gebaut habe. TS: Schwimmt das auch? Ja, natürlich. Sie sehen’s doch! 0:27 06 Atmo Kölpinsee Atmo kurz freistehen lassen Schon bevor Kuchinke und Großkopf ihre Wochenendhäuschen gekauft hatten, erwarb die russisch-orthodoxe Kirche das Schloss. Dass hier, wo es wenig gibt außer ganz schön viel Gegend, ein russisch-orthodoxes Kloster entstanden ist und immer noch entsteht, ist das Werk der beiden Deutschen, der eine Katholik, der andere Protestant. 0:28 08 O-Ton Aribert Großkopf Wir hatten das Grundstück hier schon gekauft, ich hatte da schon verhandelt mit dem Ministerium, und hatte das für einen Euro gekauft, mit einer Investitionsverpflichtung von vier Millionen. Die haben wir aber bereits erfüllt. 0:15 06 Atmo Kölpinsee Ein ostkirchliches Kloster in der Uckermark, das ist ungewöhnlich, noch ungewöhnlicher ist seine Entstehung, die ohne Großkopf und Kuchinke nicht denkbar gewesen wäre. 0:14 09 O-Ton Aribert Großkopf Das war die Idee von Kuchinke, der das abgesprochen hatte mit einem Freund, dem jetzigen Patriarchen Kyrill, und der kam zurück und fragte mich und sagte: Du, ich hab da so ne Idee, was meinst du? Und da sagte ich: Na klar. Es ist verrückt genug, um das mitzumachen. Das ist ja unser beider Hobby. Wir haben ja keine rechtliche Verbindung mit dem Kloster, sondern wir haben uns immer außenvor gehalten und gesagt: Wir machen das einfach, weils uns Spaß macht. Und es macht auch Spaß. Bei allem Trouble, der zwischendurch immer wieder entstanden ist. 0:33 06 Atmo Kölpinsee Das Ziel der beiden langjährigen Freunde ist das Gleiche, jedoch unterscheiden sich die Interessen im Detail. Kuchinke, der ehemalige Korrespondent in der Sowjetunion, kehrte, fasziniert von der Spiritualität der orthodoxen Kirche, zurück nach Deutschland. Großkopf interessiert das nur nebensächlich, wie er sagt. 0:17 10 O-Ton Aribert Großkopf Natürlich ist das unheimlich nett, mit diesen Mönchen befreundet zu sein und die kennenzulernen. Aber für mich besteht die Idee mithilfe dieses Klosters Regionalentwicklung zu betreiben.Das heißt also: Was passiert, wenn sich ein Kloster ansiedelt, was kann man daraus machen, gibt es dann Übernachtungsmöglichkeiten in der Nähe für Pilger, denn das ist ja ein geweihtes Pilgerkloster, wie entwickelt sich die Infrastruktur hier rings herum, und wie kann man eine Subsistenzwirtschaft aufbauen, für das Kloster. Zum Beispiel Produktion landwirtschaftlicher Produkte, Streuobstwiesen, Wachs, Honig, … 0:42 06 Atmo Kölpinsee Auch wenn das Kloster geweiht ist und längst eine Handvoll Mönche hier lebt und arbeitet – bislang ist der Anfang gemacht – „nur“ der Anfang oder „immerhin“ der Anfang, je nach dem. Aus dem Schloss, 1910 als Herrenhaus derer von Arnim errichtet, soll einmal ein Hotel mit russischem Restaurant werden. 0:17 11 O-Ton Aribert Großkopf Das wird gerade gebaut. Also restauriert, das Schloss. Als Hotel. Also das wird eigentlich kein Hotel, sondern es wird ein Gästehaus, denn das ganze geht ja hier nicht um ein Kloster, sondern das Kloster ist der Nukleus für eine deutsch-russische Begegnungsstätte. So ist die gedacht. 0:17 12 Atmo Schritte / Laub Und das alles wird aus Spendengeldern realisiert. 0:12 13 O-Ton Aribert Großkopf Wir mussten die Baustelle mehrfach ruhiglegen, weil kein Geld mehr da war, und das ist natürlich ne verrückte Sache, so ein Acht-Millionen-Projekt zu bauen, ohne zu wissen, wann das nächste Geld kommt. So, wir gehen jetzt mal in das Schloss … ah, ist offen. 0:14 13 Atmo Schloss (am O-Ton dran) Es ist dunkel, kalt und staubig hier, das gesamte Götschendorfer Schloss ist eine riesige Baustelle. Ein Gebetsraum jedoch ist schon eingerichtet. 0:11 13 O-Ton Großkopf Das ist jetzt hier der größere Raum für Gottesdienste … das ist eine Ikonostase, die die russisch-orthodoxe Gemeinde in Wien dem Kloster geschenkt hat. Und das hier wird später mal ein Restaurant sein. 0:24 14 Atmo Schloss … wenn die Kirche neben dem Schloss fertig ist, die sich ebenfalls im Bau befindet. Kleinere Gottesdienste finden im Mönchshaus statt, einem alten Wohnhaus auf dem Gelände, das schon fertig renoviert ist. 0:13 15 O-Ton Aribert Großkopf (Treppenstufen steigen) … ach, also das wird noch ein paar Jahre dauern, bis das alles weiter ist. Sie können ja hier mal einen Blick reinwerfen, wie der Zustand des Schlosses hier ist … TS: Oh je! Hier hat es eine Zeit lang durchgeregnet, und wir haben Schwamm drin, und hier müssen noch ein paar Millionen investiert werden. 0:28 15 16 Atmo Schloss (am vorigen O-Ton hinten bzw. am nächsten O-Ton vorne dran) Der Putz blättert großflächig von den Wänden, die Pracht und Schönheit des alten Herrenhauses ist nur zu erahnen. 0:10 16 O-Ton Aribert Großkopf So, hier ist der Lichthof, der wird erhalten bleiben .. und ganz oben, oberhalb der Lampe, soll ein Café drauf, und der wird abgedeckt mit einer Glasplatte, auf der man laufen kann. 0:11 17 Atmo Schloss Umherlaufen an folgendem O-Ton vorne dran Treppen rauf. Dachbalken und Dachziegel sind komplett entfernt. Der Wind schüttelt die Plane, die das Schloss vor dem Wetter schützt, gegen das Gerüst. 0:11 17 O-Ton Aribert Großkopf Dann gibt es noch interessante Inschriften von Maurern, die hier gemauert haben, das muss in den Zwanziger Jahren gewesen sein … 0:12 17 Atmo Schloss (innerhalb von O-Ton 17) Die Baustelle legt auch Geschichte und Geschichten offen. Mit Bleistift geschrieben auf eine Mauerwand, die die Arbeiten offen gelegt hat. 0:10 17 O-Ton Aribert Großkopf Können Sie Sütterlin? Also wir können es ja mal lesen: Ausgeführt von Maurermeister Georg … TS: Albrecht? Al – brecht. Das kann ich … TS: Angermünde! Ach. Angermünde. Und Erich Albrecht, Maurer … geselle. Zu … zweit. Neunzehn siebenundzwanzig. Und zwar 31.8. bis 27. … das steht dann nicht mehr da. TS: So hat man sich verewigt. … 0:36 14 Atmo Schloss Und jetzt wird wieder gebaut. Ein Kloster, ein russisch-deutsches Kulturzentrum, ein Restaurant. Große Pläne für ein 200-Seelen-Dorf. Von denen es viele gibt in Brandenburg, sehr viele. Und von denen viele ein Schloss oder ein Herrenhaus haben und längst nicht jedes eine solche Zukunft hat. 0:13 18 O-Ton Aribert Großkopf Ja, das sollen Tagungen sein und Veranstaltungen, die von Russland aus organisiert werden, auch, von der Kirche. Auch hier werden wir versuchen, Tagungen zu ziehen, und vor allen Dingen steht das unter dem Stern eben: Deutsch-Russische Begegnung. Das heißt also, die Russen haben eben hier jetzt ein kulturelles Bein. In Brandenburg. TS: Also wenn Herr Putin irgendwann mal Frau Merkel trifft, könnte man sich vorstellen, dass man sich hier trifft? Ja, das kann man sich vorstellen, ja. Noch dazu wo die Eltern von Frau Merkel hier das Kloster auch kennen, sie waren auch früher schon mal bei einem Gottesdienst, beide. Und Frau Merkel hat ja ihre Datsche hier in unmittelbarer Nähe. 0:41 14 Atmo Schloss Tatsächlich ist Angela Merkels Datsche nur wenige Kilometer entfernt, im Nachbardorf Hohenwalde. Und tatsächlich war Merkels Vater Horst Kasner, einst evangelischer Pfarrer in Termplin, bis zu seinem Tod ein gern gesehener Gast im Kloster. 0:13 19 O-Ton Aribert Großkopf Der Herr Kasner und Roland Resch, das ist ein ehemaliger Minister im ersten Kabinett von Stolpe, Die haben uns geholfen, hier, ein geeignetes Schloss zu finden, und haben uns das dann vorgeschlagen, unter anderem. Und für das haben wir uns sofort entschieden. Also wir bedeutet Kuchinke und ich. TS: Also sie haben eigentlich dieses Kloster begründet, sie beide? Na ja, also die Ehre gebührt Norbert Kuchinke. Das ist der Ideenträger, das ist die wichtigste Figur bei uns, und das ist auch der, der das Kloster sehr attraktiv vertreten konnte. 0:40 KEINE Atmo! Norbert Kuchinke, der an Leukämie litt, ist noch während dieser Recherchen gestorben, am dritten Dezember. Und über Götschendorf hat sich ein Schleier der Traurigkeit gelegt, jeder hier kannte Kuchinke. Und in ganz Russland war Kuchinke bekannt, ja prominent – nicht erst, seit er mit Ari Großkopf das Kloster gründete. 0:15 20 O-Ton Aribert Großkopf Also ich war sehr überrascht. Bereits am nächsten Tag war das bereits die Hauptnachricht auf allen russischen Fernsehsendern.Wir kriegten eine Beileids-E-Mail aus Kasachstan. Das heißt es ging über alle Zeitungen, den gesamten Medienbereich in Russland, Kuchinke und Götschendorf. Diese beiden Namen sind offensichtlich fast allen Russen bekannt, die über 50 sind. 0:38 06 Evtl. Atmo Kölpinsee Fotos zeigen einen Charakterkopf mit grauen, wehenden Haaren, Brille und buschigem Backenbart. Markanter Nase und tiefen Lachfalten und Gruben. Kuchinke war Korrespondent für Spiegel und Stern, aber auch Dokumentarfilmer und Schauspieler. Besonders seine Rolle in „Marathon im Herbst“ machte ihn den Sowjets vertraut. Die Tragikomödie aus dem Jahr 1979 um eine Dreiecksbeziehung zwischen zwei Frauen und einem Mann erhielt mehrere Auszeichnungen. Kuchinkes Kontakte in die Sowjetrepubliken sind bis heute ein unerschöpfliches Reservoir. Am laufenden Band reiste er nach Russland, um Ausschau zu halten nach Großspendern für das Kloster. 0:21 21 O-Ton Aribert Großkopf Er hatte eigentlich auch die Verantwortung dafür, diese Kontakte zu halten. Er ist ja in Russland bekannt wie ein bunter Hund. Ne? Der Name Götschendorf ist schon in Templin weniger bekannt als in ganz Russland. 0:16 22 Atmo Gottesdienst … freistehen lassen, unterlegen … Es ist zehn Uhr. Der Gottesdienst im Gebetsraum des Mönchshauses hat begonnen. Mönchspriester Daniel leitet heute die Zeremonie, zu der drei Gläubige aus der Umgebung gekommen sind. Es ist der erste Götschendorfer Gottesdienst nach dem Tod von Norbert Kuchinke. 0:18 23 O-Ton Mönchspriester Daniel Ja, natürlich wissen wir alle, dass Norbert seit letzte Jahre krank ist. Aber das war trotzdem großer Schock, und wir dachten, dass er noch bei uns bleiben ein bisschen Zeit. Aber von andere Seite: Der Tod für Gläubige ist kein Tod. Der Tod für Gläubige ist eine Treffen mit Gott. Der Tod für uns ist eine Übergang zum ewigen Leben. Und Norbert war ein sehr, sehr interessanter Mensch, und er hat in ganze seine Leben Gott gesucht. 0:39 21 Atmo Gottesdienst Die Gläubigen schreiben etwas auf kleine Zettel, die sie dem Mönchspriester und den Novizen überreichen. Es sind die Namen von Freunden und Verwandten, für die gebetet werden soll. 0:14 24 O-Ton Mönchspriester Daniel Na ja, wir haben heute auch für Norbert gebeten, wir beten in der Kirche für gestorbene Leute auch. Und wir bitten, dass Gott die Leute zu ihnen nehmen. Nimmt. 0:16 21 Atmo Gottesdienst Liturgie – freistehen lassen … überblenden … 0:14 25 MUSIK Titel: Dein Tag – Reise geht zurück an den Anfang Interpret: Peter Licht 4:18 26 Atmo Gottesdienst Im Kloster Götschendorf wohnen und arbeiten gerade drei Mönche, bis zu 30 sollen es werden, aus Russland und den anderen ehemaligen Sowjetrepubliken. Vielleicht, das ist die Hoffnung, wird das Kloster attraktiver, wenn es keine Baustelle mehr ist. Denn mehr als das Mönchshaus mit Wohngelegenheiten und dem provisorischen Gebetsraum – und eine wunderschöne Umgebung - hat das Kloster noch nicht zu bieten. Mönchspriester Daniel: 27 O-Ton Mönchspriester Daniel Viele junge Leute, viele junge Novizen, kommen zu uns im Sommer, in Ferien, zum Beispiel, und das find ich auch sehr sehr schöne Erfahrung für junge Leute, und dann können sie kurz das Leben entdecken, und entscheiden: Passt das für sie oder passt nicht. 0:16 26 Atmo Gottesdienst Im Sommer locken See und das klostereigene Ruderboot. Auch ein eigenes Auto hat das Kloster. Nur leider noch keiner der Mönche einen Führerschein. Aber das kann noch kommen, und auch sonst hat Priester Daniel Ambitionen. 28 O-Ton Mönchspriester Daniel Jetzt hier möchte ich etwas mit Tourismus verbringen, oder studieren, oder Ausbildung zu machen, vielleicht Hotel- und Restaurantmanagement, und das brauchen wir hier auch natürlich, und wenn wir hier alles fertighaben, und das Schloss auch fertig ist, dann machen wir da ein Hotel mit Restaurant, und natürlich müssen viele Gäste zu uns kommen, und brauchen wir jemand von Bruder, von Mönche, der diese kann man sagen, Leben kennt und weiß. Und deshalb wollt ich gerne das studieren. 0:36 29 Atmo Dorf Kurz freistehen lassen 29 Und wenn einige Zeit vergangen sein wird und noch einige Millionen geflossen sind, dann haben die Götschendorfer ihr Schloss wieder und dazu Hotel und Restaurant. Bislang ist die einzige Gaststätte des Dorfes die „Rote Nelke, gegenüber dem Kloster, vorbei am einzigen Plattenbau des Dorfes, in eine kleine Straße hinein. Ein Flachbau, der offensichtlich mit Holz beheizt wird, weil Rauch aus dem Schornstein steigt. Noch mal rechts abbiegen und nach ein paar Dutzend Schritten kommt das Wohnhaus von Klaus und Erni Liebthal – den Betreibern der Roten Nelke. 0:11 30 Atmo Liebtahl (Ding dong) 0:11 30 Atmo Liebthal (an vorigem O-Ton hintendran) Die Liebthals öffnen ihre Gaststätte nur noch für die Billard-Freunde des Ortes oder für Veranstaltungen. Oder einfach so, nach Bedarf. Aber immerhin: Es gibt eine Gaststätte – für 200 Einwohner. 0:14 31 O-Ton Klaus Liebthal / Erni Liebthal Erni Liebthal: Die Nelke ist eröffnet worden am 1. Mai 1968.Und da wurde ein Name gesucht. Und ein älterer Herr, der wohnt auch hier in dieser Reihe, der lebt aber nicht mehr, der Wilhelm, hat gesagt: Rote Nelke! Und det wurde anjenommen. Und somit heißt die heute noch Rote Nelke. Klaus Liebthal: Ja, und dat war der Kampf- und Feiertag der Arbeiterklasse, und da sie da eröffnet wurde, hat sie den Namen jekriegt und hängt ja auch ein großer Wandteppich drinne, und steht überall dran, und in jedem Telefonbuch steht die Rote Nelke. Und wenn eener sagt: Du wir fahren in die Nelke, weeß jeder, was es ist. Jibt nicht so viele! 0:42 32 Atmo Liebthal Die Rote Nelke trotzte der Wende – und behielt ihren klangvollen Namen. Und die Rote Nelke heute ist mehr als eine sporadisch geöffnete Dorfkneipe: Sie gehört schon irgendwie zum Kloster dazu. So im letzten September, als in Götschendorf die Parkplätze knapp wurden. Hunderte kamen, als Erzbischof Feofan, das geistliche Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche in Deutschland, das goldene Kreuz der Klosterkirche segnete. Zu den Gästen gehörten der Russische Botschafter und Matthias Platzeck, damals Ministerpräsident. Gegessen und getrunken wurde anschließend - in der Roten Nelke. Hier nahm die Geschichte des Klosters Götschendorf 2007 auch seinen Anfang. 0:50 33 O-Ton Klaus Liebthal Ja, dat kam so, die sind eben durch Götschendorf jefahren, und ham an der Gaststätte angehalten, und haben Kaffee getrunken, und da haben wir uns unterhalten, und da hat er gesagt, Mensch, Herr Kuchinke, nicht? Det wär eigentlich, er suchte irgendwie ein Schloss, was als Kloster umgebaut werden soll. Naja, und so kamen wir ins Gespräch und so kam auch die Verbindung. Und hat sich immer weiter aufjebaut. Erst ham wir auch jesagt, Oh Jott, na ja, hmm. Is’n Spinner, so wie man so sagt, wenn einer neu kommt, und neu wat bauen will. Und dann auch noch n Kloster in Jötschendorf! Aber nachher hat det eben Formen anjenommen, und ging ja sehr, sehr schleppend los, weil Grundsteinlegung war, und dann war wieder kein Geld, und all die Sponsoren kamen und gingen, und haben Versprechungen gemacht, und naja, denn, puh. Dann hat sich dat ergeben, dass es doch langsam vorwärts ging 0:54 32 Atmo Liebthal Im Kloster ist der Rat der Liebthals gefragt: Beide waren früher im Schloss beschäftigt, das zu DDR-Zeiten zunächst von der NVA genutzt wurde und ab 1975 dem Rat des Bezirks Frankfurt (Oder) als Erholungsheim diente. 0:18 34 O-Ton Klaus Liebthal Früher war ja auf jeder Etage eine Toilette, und in jedem Zimmer ein Waschbecken, und so ham die Leute sich wohljefühlt. Ne, und det wurde ja dann nachher umjebaut, det wurden dann ja Doppelzimmer jemacht, mit Bad und alles. Ich hab so einige Umbauarbeiten da miterlebt. 0:18 32 Atmo Liebthal Erni Liebthal hat als Kellnerin im Schloss gearbeitet, Klaus Liebthal war Hausmeister. Die Liebthals sind das Bindeglied zwischen gestern und heute. 0:11 35 O-Ton Klaus Liebthal Wenn se mal nen Rat brauchen, ja, das ist schon so, dass ich dann … zu Anfang, jetzt lässt det alles sicherlich so ein bisschen nach.Aber auch die jungen Leute hier, die Mönche hier, die hier schon da sind, wir sind eigentlich per Du, und kommen super aus, und wenn mal irgendwas ist, dann kommen se: Ach Klaus, was ist da, was war da, und allet, ist schon so, dann geh ick gerne mal hin und erzähl mit denen mal, und die fragen, und machen, also ist schon toll. 0:23 32 Atmo Liebthal Klaus und Erni Liebthal sind Götschendorfer Urgesteine. Ende der Siebziger haben sie ihr Haus selbst gebaut, geheiratet haben sie 1968. Und Erni Liebthal ist sogar hier im Dorf geboren. Und dann haben sie nach der Wende ansehen müssen, wie das Schloss, das Herzstück des Dorfes, mehr und mehr verfiel – bis 2007. 0:07 36 O-Ton Klaus Liebthal / Erni Liebthal Ewig lange unbewohnt, und so, det wissense ja, da is ne Dachrinne kaputt, und da läuft Wasser runter, und so sind eben die Substanzen dann, die sich mächtig schnell verändern. Ne? EL: Da hingen ja noch die Gardinen, und alles, das war ja vollkommen eingerichtet, noch. Und dann ist dort jemand gekommen, und der hat alles ausgeräumt und weggegeben, verschleudert. Sozusagen. Nach der Wende. Aber erst war noch jemand anders drin, der hat das versucht irgendwie weiterzuführen, aber den hab ich auch bloß ein Jahr jegeben. Und so war’s ooch. 0:33 32 Atmo Liebthal Auf dem ostdeutschen Land sind die Zeiten härter geworden mit der Einheit, darin scheint man sich in Götschendorf einig zu sein. Klaus Liebthal scheint aber keiner von denen, die sich zurücklehnen oder alten Zeiten nachtrauern. Er verbringt viel Zeit im Wald, hackt Holz für den Ofen zuhause und den in der Roten Nelke. Er ist Jäger und schlachtet selbst. Und manchmal öffnet er oder seine Frau die Kneipe, obwohl es sich kaum mehr rentiert. Das alles, obwohl beide längst Rentner sind. 0:24 37 O-Ton Klaus Liebthal Ja, sind so ein paar, die kommen gerne mal und wollen mal ein Glas Bier trinken. Und ein bissel unterhalten. Ne Gaststätte ist ja schon immer so ein Zentrum gewesen, wo sich die Leute mal treffen. Nimmt immer mehr ab. Jetzt isset so, jeder ist für sich selbst, und die Gemeinsamkeiten gehen eigentlich – schade – auseinander. Mal so ein Blick übern Gartenzaun, „hallo“, und fertig aus. Das war zu DDR-Zeiten ganz anders. 0:28 32 Atmo Liebthal Doch das ändert sich durch das Kloster. Weil es ein neues dörfliches Zentrum werden könnte, weil Gäste, Pilger und Touristen nach Götschendorf kommen werden. Und weil das Kloster von den Menschen akzeptiert wird. 0:16 38 O-Ton Klaus Liebthal Also auch die janzen Firmen, die, das fand ich auch sehr schön, Geld kam von Russland, und die Firmen, die Leute, kamen aus Deutschland, ja? Also von uns hier, nich? Auch aus der Region. Das war ne tolle Sache, die ham sich alle mitjefreut, so, gibt’s auch selten, deswegen steht es hoch im Kurs, würd ich sagen. Also sind alle dafür. Wir hier auch. Ist schon schön. 0:24 39 Musik Otschi Tschjornije MUSIK 1:48 40 40 40 Atmo Schritte Dorf Atmo Bahnhof Atmo Schritte In Götschendorf gibt es kein Geschäft, keine Post, keine Kita, nichts. Früher, zu DDR-Zeiten, gab es all das, heute gibt es nur noch die Rote Nelke. … freistehen lassen: Atmo durch Schotter laufen … Einen Bahnhof hat Götschendorf noch, die eingleisige Nebenbahn liegt etwas außerhalb des Ortes. Der letzte Zug fuhr im Dezember 2006. Lohnt sich nicht mehr, befand das brandenburgische Verkehrsministerium. Ari Großkopf führt durch Götschendorf. 0:17 41 O-Ton Aribert Großkopf Eigentlich, im Grunde genommen, war das hier ein Gutshof. Und diese Reihe dahinten, die sie gesehen haben, das ist alles neu. Auch da geht nochmal eine Straße rein, das sind alles neuere Bauten, die so in den Siebziger Jahren gebaut worden sind. Und das sind hier die typischen Häuser wahrscheinlich von den Leuten, die hier gearbeitet haben im Gutshof … 0:24 42 Atmo Schritte Dorf Weiter in Richtung Ortskern, wenn es in einem Straßendorf überhaupt einen Ortskern gibt. 0:09 43 O-Ton Aribert Großkopf Sehen Sie, hier ist ne alte LPG, ich versuche immer, dieses Grundstück zu kaufen, für das Kloster, aber kein Geld da. 0:09 43 Atmo (in O-Ton 43 drin) Die alte LPG neben dem Kloster verfällt. Daneben ein kleines, altes Industriegebäude aus rotem Backstein. 0:12 43 O-Ton Aribert Großkopf Das ist ne ehemalige Likörfabrik, da … 0:05 42 Atmo Dorf Schritte Eine morbide Schönheit im Dornröschenschlaf. Und wohl zu morbide, um wieder hergerichtet zu werden. Wie aus so vielen Landstrichen des Ostens sind auch hier die Menschen weggezogen, der Arbeit hinterher. Wo doch die Uckermark ohnehin ein entvölkerter Landstrich ist. Nach Kriterien der UNO ist die Uckermark „unbesiedeltes Gebiet“, weil weniger als 30 Menschen sich einen Quadratkilometer teilen. Ein weißer Fleck auf der Landkarte. 0:18 44 O-Ton Aribert Großkopf Ja. Also man fährt hier manchmal … ich möchte also nicht liegenbleiben mit dem Auto, zwischen zwei Dörfern. Das kann manchmal fast 20 Kilometer sein. Aber hier gibt es auch Dörfer, wo man … die man … sich gar nicht vorstellen kann, dass es sowas noch gibt. Wir waren neulich hier in einem ganz kleinen Ort, hier in Wachte, meine Frau spielte dort die Orgel, im Evangelischen Gottesdienst, und da wurden angesagt drei Sterbefälle. Alle in den Zwanziger und Dreißiger Jahren dort geboren, dort gelebt und dort gestorben. Das kann man sich doch gar nicht mehr vorstellen! Heutzutage. Wenn man aus der Stadt kommt! 0:47 45 Atmo Dorfspaziergang … kurz freistehen lassen … 45 Atmo Dorfspaziergang Wiesen und Einfamilienhäuser säumen den unbefestigten Weg, der ins kleine Dorfinnere abseits der Hauptstraße führt. Die Straßen in Götschendorf tragen keine Namen, es ist einfach das ganze Dorf durchnummeriert. 0:15 46 O-Ton Aribert Großkopf Sehen Sie, das ist hier der Dorfweiher und Feuerlöschteich, dort ist hier so eine Bank, das ist der sogenannte Hechtgott. Das ist so eine … ein regionales Märchen. Ein Mythos. 0:20 47 Atmo Dorfspaziergang Die als „Hechtgott“ gestaltete Bank am Dorfteich ist Familie Benthin zu verdanken. Er, Rainer Benthin, ist Mitinhaber des Sägewerkes im benachbarten Milmersdorf, einer mutigen Gründung der Nachwendezeit, und einer der größten Arbeitgeber in der Gemeinde. Sie, Liane Benthin, ist Tagesmutter, Künstlerin – und Tierzüchterin. 0:18 48 O-Ton Liane Benthin Kleiner Hund bellt … TS: Das ist ja wie aufm Land hier! Thilo Schmidt, hallo! LB: Na, komm’se rein! (Hund bellt immer noch) … Na, begrüßen sie doch mal die Lotte! LB (zu Lotte): Nicht anspringen! TS: Na, hallo Lotte! Willst du auch mal ins Radio? (Lotte schnuppert am Mikrofon) Lotti, ist gut! Ist gut! 0:14 49 Atmo Benthin Das Anwesen der Benthins ist ein Farbfleck im Dorf, mit künstlerisch gestaltetem Garten, der auffällt zwischen den reinen Nutzgärten der Nachbarn. 0:04 50 O-Ton Liane Benthin TS: Versteht sich Lotti mit den großen Tieren? Jaa! 0:05 49 Atmo Benthin Wehe dem, der nicht hinter die Fassade dieses Straßendorfes schaut, das beim Durchfahren so unspektakulär und langweilig tut. Liane Benthins Tageskinder, null bis drei Jahre alt, halten Mittagsschlaf. Zeit für die Tiere. 0:15 51 O-Ton Liane Benthin .. und denn kann man sich richtig verlieben in die Tiere, weil die wirklich ganz schöne, große Augen haben, ganz lange Augenwimpern haben sie dran, und von der Faser, von der Farbgebung sind ganz viele Schattierungen drin, und uns haben sie gleich auf Anhieb gefallen. 0:16 49 Atmo Benthin Es geht um Alpakas, südamerikanische Kamele. 0:05 52 O-Ton Liane Benthin Das sind Suri-Alpakas. Die stammen aus Chile, und wir hatten damals zwei Zuchttiere gekauft gehabt, und haben dann eine eigene Zucht aufgebaut, und mittlerweile haben wir jetze elf Tiere, vier Hengste und sieben Stuten, und wir müssen mal sehen, wie es weitergeht, eigentlich werden die in Deutschland nur gehalten wegen der Wolle. Weil die sehr, sehr kostbar ist, die Wolle. Also kann man vergleichen mit Cashmere-Wolle. (Hund bellt immer noch) … Lotte! TS: Da bin ich jetzt aber ganz gespannt! Ja, wir lassen die jetzt auch raus, jetzt regnets nicht mehr …(LB öffnet die Stalltür) … Fasi, komm raus, komm! TS: He! Ist ja herzallerliebst! (Tiere trappeln) … Hallo, ich bin der Thilo! … 1:00 52 Atmo Benthin (im O-Ton) Tatsächlich haben die Alpakas wunderschöne, große Augen, durch die sie etwas verträumt schauen. Höcker haben sie hingegen nicht. 0:11 O-Ton Liane Benthin TS: Sind ein bisschen zurückhaltend, nicht? Ja, sind ja auch Wildtiere. 0:06 52 Atmo Benthin (im O-Ton) Langsam schleichen die Alpakas aus ihrem Stall und verteilen sich auf der großen, gepflegten Weide im Garten der Benthins. Der Anblick eines Fremden scheint sie kurzzeitig zu irritieren. 0:13 52 O-Ton Liane Benthin Wir gucken mal bei den Jungs unten, können jetzt erstmal draußen bleiben … Wir haben da hinten einen offenen Gang, und dann können sie zu dieser Koppel, da hinten zum See … TS: Ach das sind jetzt die Mädchen alle? Das sind die Mädels alle, ja. Die kann man ja nicht zusammen sperren … TS: Ach so, ja. Nur zu bestimmten Anlässen ?!? Ja, aber wenn wir jetzt wollen, dass die gedeckt werden, dann suchen wir uns auch Hengste von woanders aus. Dass man keine Inzucht hier hat. Wir haben zwar vier schöne Hengste, aber die muss ich erst zur Zuchteignungsprüfung vorstellen. 0:38 49 Atmo Benthin In diesem Jahr wollen die Benthins an der berlin-brandenburgischen Initiative „Offene Gärten“ teilnehmen. Ihr Garten ist dann an einigen Wochenenden für jedermann geöffnet. 0:13 53 Atmo Dorf .. kurz freistehen lassen … 53 Atmo Dorf Landflucht, brachliegende Dörfer, Frauenmangel und Männerüberschuss, „das Schrumpfen gestalten“ – was haben Demografen für den Osten Deutschlands nicht alles vorausgesagt. Aber nicht alles davon hat sich bewahrheitet. Und die Götschendorfer nehmen ihre Sache selbst in die Hand. Trotz – oder gerade wegen des Kahlschlags nach der Wende. 0:16 54 O-Ton Liane Benthin Ich glaube, die Dorfgemeinschaft hat darunter gelitten, weil das waren immer so ne Treffpunkte, wie hier der Konsum, oder wir hatten ja auch ne Post, oder der Kindergarten, Kinderkrippe … das war ja alles vor Ort gewesen. Und überall hat man sich denn getroffen, und ich glaube, das hat sich jetzt alles gespalten. Also, wer Arbeit hat, hat Arbeit, kommt abends nach Hause, möchte vielleicht auch seine Ruhe haben, und trifft sich vielleicht mit Freunden, oder so … aber … es ist schon irgendwie zu merken, dass nicht mehr so ne Gemeinschaft herrscht, ja. 0:33 53 Atmo Dorf Der offene Garten der Benthins, mit Tieren aus der Ferne, all das sind die Götschendorfer Mosaiksteine, die zusammen irgendwann ein Bild ergeben könnten. Ganz klar: Auch das Kloster gehört dazu. 0:13 55 O-Ton Liane Benthin … weil die möchten ja auch gerne russische Küche öffentlich machen, also ich glaube schon, dass det ein Mittelpunkt denn wird für den Ort, und eigentlich auch für die ganze Gemeinde, dass es wirklich ein Anziehungspunkt wird, wo man eigentlich mal hingehen könnte, wenn sie jetzt auch ihre Kerzenmanufaktur machen wollen, oder oder diese Brennerei mit dem Bier … wenn das alles so durchgezogen wird, schön! 0:28 53 Atmo Dorf Und es könnten viele Götschendorfer davon profitieren, wenn das einsetzt, was Ari Großkopf sich vorgenommen hatte: Mit dem Kloster die regionale Entwicklung vorantreiben. 0:12 56 O-Ton Liane Benthin Ich könnte mir vorstellen, dass vielleicht auch Pensionen entstehen, oder dass ein Café eröffnet wird, es kommen ja bestimmt ganz viele Gäste hier her und wollen sich das dann auch mal vor Ort angucken. Und wir haben ja hier den schönen See, und wir haben eigentlich eine wunderschöne Gegend, was zu erkunden ist, und da denke ich schon, dass da bestimmt was in Gange kommt. 0:27 49 Atmo Liane Benthin .. freistehen lassen … In dem Garten der Benthins fällt noch etwas auf: große Holzskulpturen. 0:05 57 O-Ton Liane Benthin … weil ich ja mit der Motorsäge arbeite, und dann isset ja richtig staubig, und da werd ich da nur mit … TS: Mit der Motorsäge?!? Ja, damit schnitzt man aus nem Baum ne Figur. Also was vorne vor der Tür steht … TS (unterbricht): Also mit der andere Leute im Wald Bäume fällen? Ja, genau.TS: Aber auch n‘ büschen gefährlich, ne? Ja, das ist gefährlich! 0:27 53 Atmo Dorf Und aus Liane Benthins Künstlerhand stammt auch der Hechtgott am Dorfteich. Ein stilisierter Hecht, der als Bank zum Verweilen einlädt. 0:13 58 O-Ton Liane Benthin Ja, die hab ich für den uckermärkischen Mythengarten hergestellt, und die hat eine Sage, und hinten, wenn man die Straße weiter hoch geht, im Wald, ist noch ein kleiner See. Der nennt sich Gottsee.Und da sollte eine Sage sein, und da hatten wir uns aber gedacht, ja, vom Mythengarten und von der Gemeinde, dass der Fisch hier am Teich ran soll, also und dann kann man immer … also man kann hier langlaufen, weil im Sommer dann auch viele hier zum See gehen … 0:34 06 Atmo Kölpinsee Musik evtl schon hier unterlegen Der Hecht, hier im Gottsee, nahe Götschendorf, biss sich an einer Blechbüchse einen Zahn aus, so sagt es die Sage. Er wünschte sich Menschengestalt, um Gold für seinen neuen Zahn zu holen. Die Fischfee erfüllte ihm seinen Wunsch: Nachts nahm er Menschengestalt an. Er holte sich Proviant und Gold aus der Burg Cölpin. Er wurde erwischt, rettete sich aber im Morgengrauen, als er – wieder in Hechtgestalt – in den Gottsee entwischte. Von Fischern im Netz gefangen verendete er beinahe – wurde aber in der nächsten Nacht wieder zum Menschen – und rächte sich. Er ließ die Stadt Colpin im Kölpinsee versinken. Alle hundert Jahre taucht die Stadt nun, ihrer Erlösung harrend, aus den Fluten auf. Und wenn der Hecht nicht geangelt wurde, lebt er heute noch. 0:55 59 Musik Andrei Pavlovich Petrov Film „Beware Of The Car“ - Waltz 3:10 60 O-Ton Bürgermeisterbüro TS: Juten Tach! Wat machsn du hier?!? TS: Ich bin verabredet mit dem Bürgermeister. Der Bürgermeister is nebenan hier. Hier raus und denn gleich links. 0:12 60 Atmo Bürgermeister (an vorigem O-Ton dran) Der Bürgermeister der Gemeinde Milmersdorf, zu der Götschendorf gehört, sitzt in einem kleinen Zweckbau in der Ortsmitte. Hier ist auch die Naturwacht untergebracht, für die Klaus-Christian Arndt hauptamtlich die Naturlandschaft des Biosphärenreservats Schorfheide-Chorin betreut. Natürlich ist der Bürgermeister froh über die Ansiedlung des russischen Klosters. 0:18 61 O-Ton Klaus Christian Arndt Also als Herr Kuchinke gesagt hat: Das wird was werden, und er war wirklich immer total aktiv – da hab ich gedacht: Naja, andere Investoren waren auch schon da, das hat dann doch nich jeklappt, und das hab ich ihm auch gesagt, dat ick da so ein bisschen vorsichtig sein – und er auch vorsichtig sein sollte, also ich vorsichtig bin und er sein sollte mit der Öffentlichkeit: Wir bauen das! Aber es ist wirklich jebaut worden, und das hat bei anderen eben nicht jeklapt, also von daher schon mal ne schöne Sache, und von daher ist das einmal: Wir werden bekannter, Tourismus kommt hier her … 0:35 Bürgermeister sind oft Konkursverwalter, erst recht auf dem Land und dazu noch im Osten. Alles erodierte nach der Wende, auch in der Gemeinde Milmersdorf. Im Götschendorfer Betonwerk blieben 75 von 600 Arbeitsplätzen, in der Landwirtschaft zehn von 150. Und es galt auch in der Uckermark nichts mehr von dem, was vorher richtig war. Die Abwanderungsraten mancherorts höher als in den Polarkreisregionen Schwedens – dafür, ein schwacher Trost, kehrt der Wolf zurück nach Brandenburg. 0:10 62 O-Ton Klaus Christian Arndt Ein positives gab es, dass in Milmersdorf junge Leute mit der Wende Mut hatten, aus ihren Berufen heraus Betriebsgründungen zu machen. Einmal haben wir hier ein großes Sägewerk in Milmersdorf … 0:08 62 O-Ton Klaus Christian Arndt … dann ist eine Firma im Schalungsbau, Betonbau, die sich etabliert hat, und das Betonwerk natürlich, ist noch da, Landwirtschaft ist auch noch da, aber ist ne totale Umstrukturierung gewesen. Und so muss auch jeder gucken, viele Betriebe müssen inzwischen nach Berlin fahren, wenn man dann als Handwerksbetrieb vor Ort ne Arbeit hat, vielleicht für ein Jahr, vielleicht auch weniger, dann ist es total positiv. 0:26 Vor Ort, das heißt auch: Am Kloster. Ari Großkopf und Norbert Kuchinke haben Wort gehalten. 0:08 63 O-Ton Klaus Christian Arndt Für mich ist aber auch schon schön, dass ein Versprechen gegeben worden ist und auch eingehalten wurde: Wenn gebaut wird, dann wird in die Region geguckt, welche Firma kann aus der Region die Baustelle übernehmen, die Arbeit übernehmen, und es ist wirklich viel Arbeitsleistung aus der Region in die Kirche geflossen, also eine Firma aus der Gemeinde direkt, und eine Firma aus den umliegenden Gemeinden haben viel Arbeit gehabt und Aufträge. 0:28 Die Russen waren den Ostdeutschen nie ganz fremd, oder besser: immer schon ein wenig vertraut. Die „Freunde“ aus dem „Bruderland“ waren präsent, auch in der Uckermark. 0:12 64 O-Ton Klaus Christian Arndt Wir haben den großen Flugplatz hier in der Nähe gehabt, jetzt hier in Dölln, da waren immer auch jetzt hier sowjetische Bürger in der Umgebung da, man hat Kontakt gehabt, und war ja auch so ne Deutsch-Sowjetische Freundschaft überall versucht worden, zu installieren, die war manchmal installiert, und manchmal war sie wirklich da. Also da war erstmal grundlegend keine Angst davor. Wie die russisch-orthodoxe Kirche funktioniert, dat is im Moment denk ich mal noch nicht wirklich klar, da muss man einfach sehen, wie dat nachher dann wirklich geht, aber ich glaube, da brauchen wir wirklich keine Angst vor haben. 0:36 65 Atmo Kirche … freistehen lassen … 65 Atmo Kirche Ari Großkopf geht zur russisch-orthodoxen Kirche auf dem Götschendorfer Schlosshof . Die ist bereits im Rohbau fertig. 66 O-Ton Aribert Großkopf Also das wird schon … kann man wohl sagen, ne kleine Kathedrale hier. Die Dorfbevölkerung, die am Anfang gesagt hat: Och, toll, wir kriegen unser Schloss wieder, ist jetzt auch sogar stolz auf die Kirche. Denn hier bleiben ja sehr viele Leute, vor allen Dingen im Sommer, bleiben sie mit dem Auto stehen und gucken hier hoch, oder gucken mal rein, und sehen sich das an. 0:22 65 Atmo Kirche Auf dem Zwiebelturm das goldene, schon geweihte Kreuz, der Klinker cremeweiß getüncht. 0:13 67 O-Ton Aribert Großkopf So. Treten wir mal hier rein … Sehen Sie, dass ist hier ne Arbeitsebene, aber man kann hier schon sehen … hier kommt die Ikonostase davor, also eine große Wand, aus Marmor, die dann Rahmen enthält für die gemalten Bilder. Die Ikonen. Die werden gemalt, dafür. Sie haben das gesehen, im Schloss, ja? .. Und richtig gucken kann man eigentlich hier erst von der Empore … wir gehen hier mal die Treppe hoch … 0:38 67 Atmo (in O-Ton) Noch nimmt ein Baugerüst im Inneren der Kirche einen Teil ihrer vermutlich großzügigen Atmosphäre. 0:18 67 O-Ton Aribert Großkopf … Sehen sie, hier hat der Maurer im Beton seinen Handabdruck hinterlassen, auf diese Art, nicht mit nem Bleistift an die Wand geschrieben … 0:13 67 Atmo (an O-Ton dran) Bauarbeiten finden nicht statt. Es ist Sonntag, außerdem Winter. Überdies ist und bleibt das Kloster auf Großspender aus Russland angewiesen. 0:09 68 O-Ton Aribert Großkopf Also unser letzter großer Sponsor war die russische Außenhandelsbank. Die wohl im Auftrag ihres Vorstands vor einem Jahr den Auftrag bekommen hat, uns das Geld zu spenden. Es ist im Allgemeinen nur ein Bruchteil der Versprechungen hängen geblieben. Sozusagen (lacht). TS: Also auch die großen Namen, die man kennt, Gazprom und so weiter? Gazprom hat uns noch nicht gefördert, nein. TS: Aber die wurden zumindest auch angefragt? Ja, Kuchinke hat alles gefragt, was russisch spricht und sich bewegt .. (lacht) … 0:42 68 69 Atmo (an O-Ton dran) … überblenden … Musik Vlaimir Visotsky Zigeuner-Variationen Seine Geburtstage in Russland feierte Norbert Kuchinke, so ist es überliefert, mit Hunderten von Leuten. … Musik hier langsam einblenden, unterlegen … Auch Vladimir Vissotsky, der bekannteste russische Liedermacher, soll zu Lebzeiten unter seinen Gästen gewesen sein 0:14 69 Musik Vladimir Visotsky Zigeuner-Variationen MUSIK 4:22 70 O-Ton Aribert Großkopf Hier hinter der Kirche, da planen wir gerade einen Friedhof, einen Klosterfriedhof. Das ist natürlich schwierig, es gibt zwar ein Gesetz, wonach jeder Kirche, die eine öffentlich-rechtliche Körperschaft ist, das Recht auf einen Friedhof hat, aber bis man alle Ämterbeteiligungen hinter sich hat, und die notwendigen Fakten geliefert hat, geht es eben nicht, und wir wollen ja auf diesem Friedhof Norbert Kuchinke beerdigen. Später mal. Vom Gemeindefriedhof, dort hinten, umbetten in diesen Friedhof. Das hat er sich gewünscht und wünscht sich auch hier das Kloster. 0:50 71 Atmo Kloster Heute, vor nicht einmal drei Stunden, ist Norbert Kuchinke auf dem Götschendorfer Gemeindefriedhof begraben worden. Als Katholik, mit einer russisch-orthodoxen Trauerzeremonie. 0:13 72 O-Ton Rosemarie Penz Die russisch-orthodoxe Kirche ist ja eine christliche Kirche. 0:18 … sagt Rosemarie Penz, die für Götschendorf zuständige evangelische Pfarrerin. 72 O-Ton Rosemarie Penz Das ist das Christentum, das sich von Palästina aus damals ausgebreitet hat, durch Jesus Christus, über das große Römische Reich auf der einen Seite, aber auch über die Ostkirchen, und das sind die zwei Stränge, orthoxoxe Kirche ist die Ostkirche, und wir haben eine gemeinsame Wurzel. 71 Atmo Kloster Eine russisch-orthodoxe Kirche im entkirchlichten Brandenburg. In Brandenburg, wo gerade einmal jeder fünfte ein Kirchenmitglied ist, und das, wenn überhaupt kirchlich, dann protestantisch ist. Ist eine russisch-orthodoxe Kirche dann ein Konkurrent? 73 O-Ton Rosemarie Penz Auf keinen Fall. Ich erinnere mich gut an den ersten Kontakt mit den Eheleuten Kuchinke und den Eheleuten Großkopf, wir saßen gemütlich im Wohnzimmer, eine ähnliche Frage kam auch von den Vieren. Und ich weiß, dass ich damals gesagt habe: Alles, was dieser heidnischen Gegend einen guten Geist gibt, finde ich auch gut, und wichtig, in diesem Bereich. 0:27 71 Atmo Kloster Früher waren Gemeindebüro und Pfarrhaus von Rosemarie Penz im benachbarten Milmersdorf. Jetzt residiert die Pfarrerin in einem Dorf nordöstlich von Templin und muss 20 Kilometer bis Götschendorf fahren. Auch die Kirchen müssen einstampfen. Nur in Götschendorf wird aufgebaut. 0:12 74 O-Ton Rosemarie Penz Genau. Es gibt eine Perspektive. Nach all dem, was an Abbau passiert ist, wird etwas wieder aufgebaut, und das ist für die Menschen ein Hoffnungszeichen. Und sie staunen, voller Spannung, immer wieder gucken sie, hier halten Autos, oder Fußgänger, die dann gucken, was ist, und wie weit ist es, und sind beeindruckt, und auch überrascht, manchmal erstaunt, dass hier soviel neues entstehen kann. Und ein Kloster, hier in der Region, hat niemand für möglich gehalten. Und das ist schon was, worüber sie sich freuen, und worauf sie stolz sind, dass hier was ganz besonderes geschieht. 0:32 Kennmusik Moskauer Patriarchat in der Uckermark - Götschendorf in Brandenburg Sie hörten eine Deutschlandrundfahrt von Thilo Schmidt Ton: Ralf Perz Regie: Karena Lütge Redaktion: Margarete Wohlan. Eine Produktion von Deutschlandradio Kultur 2014. Manuskript und das audio der Sendung finden Sie im Internet unter www.deutschlandradiokultur.de 0:30 Gema-Angaben 25 I: Peter Licht T: Dein Tag / Reise geht zurück an den Anfang Originallänge: 4‘22‘ 39 T: Otschi Tschjornije Straßenmusikant / selbst aufgenommen, GEMA-frei 59 I: Andrei Pavlovich Petrov T: „Beware Of The Car“ Originallänge 3’57’’ 69 I: Wladimir Wyssozki T: Zigeuner-Variationen Originallänge 4’29’’ 1