Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in den §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. (c) Deutschlandradio Kultur, Zeitfragen 30. Dezember 2013, 19 Uhr 30 "Tutti frutti", "Circus Halligalli" und Peter Kloeppel 30 Jahre Privatfernsehen in Deutschland Von Michael Meyer O-Ton Collage Sprecher: "Tutti frutti", "Circus Halligalli" und Peter Kloeppel 30 Jahre Privatfernsehen in Deutschland Eine Sendung von Michael Meyer O-Ton 2: Guten Morgen, liebe Zuschauer! Ihnen allen wünscht die PKS ein glückliches und gesegnetes neues Jahr. Für die Weiterentwicklung des Fernsehens in der Bundesrepublik Deutschland ist das ein ganz besonderer Tag. Sie sind in diesen Minuten Zeuge des Starts des ersten deutschen privaten Fernsehveranstalters. O-Ton 3: Liebe Gäste, ich heiße sie herzlich willkommen bei RTLplus, dem deutschen Programm von Radio Luxemburg. Ich danke Ihnen ganz herzlich, dass Sie sich die Zeit genommen haben, sich einen kleinen Einblick und Überblick zu verschaffen in unser Fernsehprogramm. Sprecher: Der Anfang, in den ersten Januartagen des Jahres 1984, wirkt heute wie eine Reise in eine andere Welt: Zwar gab es schon Farbfernsehen, aber die Betulichkeit bei RTL plus und PKS, wie SAT1 damals noch hieß, diese Betulichkeit muss auf heutige Zuschauer geradezu niedlich-albern wirken. O-Ton 4: Guten Tag, meine Damen und Herren! Den Auftakt unseres Neujahrsprogramms bildet die Feuerwerksmusik von Georg Friedrich Händel. Es spielt für Sie das Münchener Bachorchester unter der Leitung von Karl Richter. Sprecherin: Gesendet wurde nur einige Stunden pro Tag und die Mischung aus alten Serien, Filmen und Shows auf dem Niveau von Betriebsfeiern lockte kaum jemandem an die Bildschirme. Allerdings: Darum ging es am Anfang auch nicht in erster Linie. Es ging darum, bekannt zu werden und Marktanteile zu gewinnen - und das mit nur geringer finanzieller und personeller Ausstattung: O-Ton 5: (Halle): Wir wollen kein alternatives Fernsehen. Wir können auch nicht davon träumen, etwa alternativen Journalismus zu machen. (Doetz) Wir wussten selbst, dass die PR- Maschine, die in Gang gesetzt wurde, "Jetzt geht Fernsehen richtig los" natürlich erheblich stotterte und nachdem die Leute unser Programm drei Monate angeschaut hatten, war die Argumentation "neues Fernsehen" mit Sicherheit erstmal auf Eis gelegt. Ich hatte ,ne Truppe von vielleicht zwanzig Leuten, von denen die Hälfte vielleicht von Fernsehen eine Ahnung hatte. Sprecher: Der damalige Nachrichtenmoderator Armin Halle und der Geschäftsführer von Sat1 Jürgen Doetz über die Anfänge in Deutschland. Sprecher: In anderen Ländern war das Privatfernsehen längst eingeführt, oder auch schon etabliert, etwa in Italien, Frankreich, Großbritannien - von den USA ganz zu schweigen, die von Anfang an auf kommerzielles Fernsehen setzten. O-Ton 6 Die Politik war zunächst gegen Kommerzialisierung, Sprecher: Norbert Schneider, lange Jahre Direktor der Landesmedienanstalt Nordrhein- Westfalen: O-Ton 7: hat dann aber in ihren konservativen Strömungen die Hoffnungen wachsen lassen, wenn ein neues System kommt, haben wir auch in diesem System mehr Chancen. Es war auch natürlich eine typisch deutsche Entwicklung, insofern der öffentlich- rechtliche Rundfunk einen geradezu kurz vor der Heiligsprechung stehenden Status erreicht hatte, dem man nichts antun wollte. Das hat die Dinge verzögert, und hat natürlich auch, wenn man es von hinten sieht, die Erwartungen so hochgeschraubt, dass sie eigentlich nicht erfüllt werden konnten, was diese beiden Gruppen angeht, die vor allem daran gedreht haben: Die konservative Politik, die CDU damals und die deutschen Verleger. Die Verleger wollten unbedingt Fernsehen machen. Sprecherin: Doch rückblickend sind sowohl die Konservativen wie auch die Verleger die großen Verlierer. Heute hält kaum ein Verlag noch bedeutende Anteile an einem Fernsehsender - nur der Springer - Verlag hat nach wie vor seine Fernsehpläne nicht aufgegeben, und kaufte, wie vor ein paar Wochen bekannt wurde, den Nachrichtensender N24. Sprecher: Der Anfang des kommerziellen Rundfunks ging einher mit der Verkabelung Deutschlands. Tausende und abertausende Kilometer Kabel wurden in den achtziger Jahren verbuddelt, mehr Programme, mehr Kommunikation, bessere Telefonverbindungen für alle Bürger. So das lautete das Versprechen. Am Ende kostete es den Steuerzahler 32 Milliarden D-Mark. Es entstanden die sogenannten "Kabelpilotprojekte", in München, Berlin und Ludwigshafen. Zugleich wurden Teile der Produktionsstätten der neuen Sender an diesen Orten angesiedelt. Sprecherin: Doch nicht alle politischen Parteien waren vom Projekt Privatfernsehen überzeugt. Vor allem die SPD und die frisch in den Bundestag gewählten Grünen waren gegen das Mammut-Vorhaben Kabelfernsehen. Man befürchtete ein "Verleger"- und "Springer- Fernsehen" und eine Konzentration von Meinungsmacht. Christian Schwarz-Schilling, in den achtziger Jahren Bundesminister für Post und Telekommunikation der Kohl-Regierung: O-Ton 8: Die Ministerpräsidenten haben Jahre gebraucht, bis sie überhaupt so ein Pilotprojekt zustande gebracht haben, weil die sich nicht einigen konnten, an welchen Stellen. Das waren ja auch medienpolitische Standortentscheidungen. Und dann kam es also zu einigen Orten. Sprecher: Die rechtlichen und politischen Auseinandersetzungen über kommerzielles Fernsehen zogen sich jedoch hin. Sprecherin: Der Filmrechtehändler Leo Kirch, der bereits seit den sechziger und siebziger Jahren mit Filmlizenzen handelte, und im ZDF Jahrzehnte lang einen guten Abnehmer hatte, war einer der Gesellschafter, als am 1. Januar 1984 das Projekt "PKS", das spätere SAT1 auf Sendung ging. Auf dem Bildschirm firmierte es damals noch als "APF", Aktuell Presse-Fernsehen. APF wurde getragen von 165 deutschen Zeitungsverlagen, darunter auch die Großverlage Springer, Burda und Bauer. Knapp zwanzig Jahre später, nach der Kirch-Pleite, wurde SAT1, zusammen mit Pro7 und anderen Sendern der Gruppe mehrfach verkauft. Erst an den amerikanisch-israelischen Medienunternehmer Haim Saban, später dann an die Private-Equity-Firmen KKR und Permira, die noch heute knapp 20 Prozent halten. Sprecher: Heute ist SAT1 ist nicht gerade eine Erfolgsgeschichte: War der Sender in den neunziger Jahren noch quotenstark und profitabel, auch mit Filmproduktionen wie etwa "Der Tunnel", sackte im Laufe des letzten Jahrzehnts sein Profil immer weiter ab, bis teilweise unter 10 Prozent Marktanteil. Jetzt ist SAT1 fast nur noch eine Hülle mit vielen Wiederholungen, die im Gesamtangebot von Pro7/Sat1 die älteren Zuschauer versorgt. O-Ton 9: Guten Abend, liebe Zuschauer, ich begrüße Sie zur APF- Blick Nachrichtensendung um halb sieben. Sprecherin: Doch zurück zu den Anfängen: Sprecher: Auch wenn das Ganze am Anfang bemühtes Garagen-Fernsehen war, so waren immerhin zwei neue Stimmen im Fernsehmarkt hörbar. Christian Schwarz-Schilling brachte die Erwartungen der Politik deutlich auf den Punkt: O-Ton 10: Wir hatten damals eine sehr linke Szene auch gerade in den öffentlich-rechtlichen Anstalten. Wir kriegten es noch einigermaßen hin, im ZDF eine Ausgewogenheit herzustellen. Aber in den vielen Programmen der ARD, von Report, Panorama, Monitor und wie sie alle hießen, war eine absolut linke Schlagseite. O-Ton 11: Selbst Krimifreunde müssen ja zunehmend hinnehmen, dass ihre Bereitschaft, sich an einem Krimi zu erbauen, vor allem mit politischer und gesellschaftspolitischer Belehrung ausgestattet wird. Die Täter kommen ja vorwiegend aus einer bestimmten Gesellschaftsgruppe. Und man riecht aus allen Ecken, dass Neid ein altes sozialistisches Prinzip ist, auch das ist ja eine Erfahrung, die wir da machen, meine Damen und Herren. (Beifall) Sprecherin: Helmut Kohl, der damals die "geistig-moralische Wende" ausrief, wollte die neuen Programme, und zwar möglichst auf Regierungslinie. Waren der WDR und viele andere Sender der ARD als 'Rotfunk' verschrien, tat sich mit den privaten Programmen die Chance auf, ihnen schwarzgefärbtes Fernsehen entgegenzusetzen. So jedenfalls die Sicht der konservativen Parteien. Ein Trugschluss, meint Norbert Schneider: O-Ton 12: Das ist wirklich die törichste Beobachtung gewesen, es war nicht so, es gab linkere Sender, es gab rechtere Sender, im ZDF gab es ein ZDF- Magazin und Kennzeichen D, es war eigentlich eher eine Befindlichkeit, als eine Realität und diese Befindlichkeit wollte man in der Tat durch ein neues System besser bedient sehen. Kohl und Kirch waren ja eine Verbindung, die bis heute ein paar dunkle, unaufgeklärte Momente enthält, und Kirch wiederum war ein großer Bediener des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, wollte aber privat machen, das hat sich dann zusammengefügt, aber es hat sich eben nicht realisiert. Die Verfechter des Privatfunks haben nicht realisiert, dass ein Sender, der von Werbung lebt, keine Einseitigkeiten sich leisten kann, er muss das ganze Publikum haben. Weil Werbung unterscheidet nicht nach linken und rechten Präferenzen. Sprecher: Uwe Kammann, Geschäftsführer des Adolf-Grimme-Instituts sieht es ähnlich: Ausgerechnet von privaten Veranstaltern eine umfangreiche, politisch genehme Berichterstattung zu erwarten, sei eine komplette Fehlannahme: O-Ton 13: Tatsächlich haben sie bekommen, was Kommerzfernsehen ist, und das ist das Schielen nach der größtmöglichen Zahl an Zuschauern, und das geht über Formate, die mit den gewünschten politischen Formaten nichts zu tun hatten. Also insofern das war ein großer Trugschluss. Ich vermute allerdings, dass das manche schon ahnten und haben es nur nicht zugegeben, und haben das nur vorgeschoben, um zu sagen: Wir wollen ein Gegengewicht schaffen. Sprecherin: Immerhin: Eine gewisse politische Vielfalt gab es dann auch im Privatfernsehen, denn Kirch und die Verleger sollten nicht die einzigen bleiben, die kommerzielles Fernsehen veranstalten. Das bis dahin für den deutschen Markt nur Hörfunk ausstrahlende Radio Luxemburg ging nur einen Tag nach der PKS, am 2. Januar 1984, mit RTLplus und dem Motto Happy Luxemburg auf Sendung: O-Ton 14: Erkennungsmelodie von Radio Luxemburg Liebe Gäste, ich heiße Sie herzlich willkommen bei RTLplus, dem deutschen Fernsehprogramm von Radio Luxemburg. ... darüber: Sprecher: Schon damals waren die Ziele des Programmdirektors Helmut Thoma, ehrgeizig. Thoma, der in die Fernsehgeschichte einging mit dem zynischen Spruch "Der Wurm muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler" hatte wenig Scheu vor Grenzüberschreitungen und wollte Erster werden, koste es, was es wolle: O-Ton 15: Wir wollen Erster werden. Das hab' ich nach 'nem halben Jahr mal in einer Versammlung mit Mitarbeitern auch gesagt. Die haben fast gelacht. Aber ich hab' immer gesagt: Wir starten ja nicht, um Vierter zu werden. Wenn uns das dann passiert, ist es so. Aber wir wollen zumindest einmal Erster werden. Dann nur, wenn wir anders sind. Deswegen war auch unser Grundslogan immer Erfrischend anders, wobei ich ganz leise dazu gefügt habe ,notfalls ,erschreckend anders', aber anders'." Sprecherin: Das "erfrischend Andere" galt konsequenterweise auch für die Nachrichten. O-Ton 16: Melodie / "Mit mir im Studio: Hans Meiser und Björn Schimpf // Halt ´mal, was seh'ich denn da, Du hast `nen Schlips an? Das gibt's doch gar nicht. Das erste Mal in meinem Leben, dass ich Björn mit Schlips sehe. Also komm, Björn, Dein Turn." Sprecherin: Doch die RTL-Nachrichten auf die Anfangszeit zu reduzieren, wäre nicht angemessen. Im Laufe von drei Jahrzehnten haben sich gerade die Nachrichten von RTL ungemein professionalisiert: Wurden sie früher noch von ARD und ZDF belächelt, ist RTL heute Marktführer bei den unter 55-Jährigen. Atmo Gespräche Sprecher: Im Kölner Stadtteil Deutz auf dem Messegelände ist der Stammsitz von RTL. Auch die anderen Sender der Gruppe, die im Laufe der Jahre dazugekommen sind, wie RTL2, SuperRTL, Vox und der Nachrichtensender n-tv haben hier ihren Sitz. Hier werden auch die Nachrichtensendungen von RTL gemacht - die Wichtigste ist jene um 18 Uhr 45, mit dieser Sendezeit liegen die Kölner bei den Abendnachrichten vor allen anderen Sendern. Die Sendung wird seit 20 Jahren von Peter Kloeppel präsentiert, der 55-Jährige ist so etwas wie der heimliche seriöse Star des Privatfernsehens. Für seine stundenlange Live-Moderation zu den Terroranschlägen vom 11.September hat Kloeppel den Grimme-Preis gewonnen. O-Ton 17: 315 1'23 Die Münchener sind heute wieder im Einsatz im NSU Prozess, da sind ja heute die Eltern wieder in der Vernehmung....wie geht es Eltern damit, wenn ihre Kinder Terroristen werden Sprecher: Gerhard Kohlenbach ist der Leiter von RTL aktuell und hat als Chef vom Dienst den Nachrichtentag im Blick. ...und bei Gurlitt sind wir auch weiter dabei, und auf der Suche nach Material, was heißt auf der Suche, wir verhandeln mit SPIEGEL-TV um da ein bisschen weiterzukommen, die da Material von dem Interview haben... Dann hat gestern Nachtjournal auch schon gemacht.... (Darauf, darunter weiterlaufen lassen) Sprecher: Heute beschäftigt das Team, das aus 15 Redakteuren und Redakteurinnen besteht, der Fall Cornelius Gurlitt, da hat SPIEGEL-TV exklusive Aufnahmen, die RTL vielleicht bekommen könnte. Außerdem die Koalitionsverhandlungen, der NSU- Prozess und der Fall eines getöteten Mädchens, das im Internet ihren Freund kennengelernt hatte und von diesem erstochen wurde. O-Ton 18: Wir schauen draußen.... (Darauf) Sprecher: Es ist 11 Uhr. O-Ton 19: Es ist heute ein eher normaler Nachrichtentag, es gibt Themen, die schon seit Wochen laufen. Sprecher: Sagt Nachrichtenmoderator Peter Kloeppel O-Ton 20: Von den 365 Tagen im Jahr würde ich sagen sind 300 eher normale Tage. Sprecher: Peter Kloeppel wirkt entspannt. Von seiner Ausstrahlung her könnte man sich ihn auch bei ARD und ZDF vorstellen, angeblich hat es in den vergangenen Jahren bereits Angebote gegeben. Kloeppel ist ein Beispiel dafür, wie sehr sich in manchen Bereichen Private und Öffentlich-rechtliche angenähert haben - oder zumindest voneinander abgucken, vor allem die ZDF-Nachrichten haben sich viel von RTL abgeschaut. Und dennoch: Die Nachrichten bei RTL haben durchaus eine andere Gewichtung: O-Ton 21: Also man kann an der Sendung wenn man sie öfter sieht, schon erkennen, dass wir den Wunsch haben, und das Ziel haben, den Tag in seiner Breite abzubilden. In seiner Breite heißt, sich nur auf Themen aus der Politik zu fokussieren oder Themen aus der Wirtschaft, sondern auch Themen aufzunehmen, die für die Menschen in ihrem Alltagsleben eine Relevanz haben, das heißt unser Programm ist stärker sagen wir mal einer Tageszeitung nachempfunden, die mehr bietet, als nur die ersten zwei oder drei Seiten, die häufig durch die Politik geprägt sind. O-Ton 22: Gefährliche Internetbekanntschaft-Trailer Sprecher: Und das kann im konkreten Fall dann so aussehen: Der Fall eines Mädchens, das von ihrem Freund erstochen wurde, den sie im Internet kennengelernt hatte, wird hochgezogen auf die Frage, was man beachten muss beim Thema Internetbekanntschaften. O-Ton 23: Es gehört mehr zum Leben als nur die Politik aus Berlin. Es gibt viele andere Erlebniswelten, wo Zuschauer unterwegs sind, wo sie vielleicht auch Beratungsbedarf haben im Servicebereich, es gehören auch positive Sachen da rein und es gehört auch ein anderes Politikverständnis da rein, was sich dann in gesellschaftspolitischen Themen ausdrückt, die wir dann da stärker besetzen, und bei uns immer unter der Überschrift "Verständlichkeit" sich zu bemühen, die Texte, Bilder, Bildsprache, Grafiken so einzusetzen, dass der Zuschauer dem folgen kann. Sprecher: Der Nachrichtentag geht seinen Gang - um 14 Uhr gibt es eine weitere Konferenz, wo sich schon deutlicher abzeichnet, welche Themen dann später in die Sendung finden. An diesem Tag gab es Überschwemmungen auf Sardinien. O-Ton 24: Gut, dann legen wir auch los...mit Sardinien.....Ja die Bilderlage ist leider nicht so wirklich prickelnd wenn man ehrlich ist, wir haben nur diese Nachtbilder, die schon überall gelaufen sind und die ihr gesehen habt, ist das völlig mau was Bilder angeht, und ganz schlimm sieht es aus bei Tönen... (Darauf) Sprecher: Das Problem an diesem Tag: Der Korrespondent ist nicht rechtzeitig nach Sardinien gekommen, weil die Flüge ausgebucht waren - eine Live-Schalte kommt daher nicht in Frage. Sprecher Das Erste, was fertig ist, ist der drei minütige Nachrichtenblock: O-Ton 27: Neuer Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer hat.... Sprecher Die Uhr tickt weiter in Richtung 18 Uhr 45. Peter Kloeppel und Ulrike von der Groeben, die in der Sendung den Sportteil moderiert, sind fertig geschminkt und eilen um 20 vor sieben ins Studio, das zwei Stockwerke tiefer liegt.... Atmo: Schritte im Treppenhaus Sprecher Dann hinein ins Studio, das nicht sehr viel größer ist als ein üppiges Wohnzimmer. Hier sitzen vier Techniker und Aufnahmeleiter, die im Studio die Abläufe koordinieren. Atmo: Studio Achtung, bitte! Sprecher: Das Studio ist komplett in grün gehalten - sämtliche Einspielungen und Beiträge werden aus der Regie zugespielt und sind für die Moderatoren nicht zu sehen: O-Ton 28: Sendungsbeginn/ Schlagzeilen Sprecher Nach 18 Minuten ist die Sendung vorbei. O-Ton 29: Schönen Feierabend, danke euch, tschaui bis morgen... Sprecher: Der Tag ist zu Ende. Kurze Nachbesprechung mit der Redaktion. O-Ton 30: Die NSU-Geschichte sehr stark, beim Bürgermeister war ärgerlich, das falsche Pikto... O-Ton 31: .... Danke schön und bis morgen! Sprecherin: So gut die RTL- Nachrichten mittlerweile sein mögen -. die eigentliche Programmleistung des privaten Fernsehens bestand und besteht nicht so sehr in der aktuellen Berichterstattung. Hier sind, auch 30 Jahre nach dem Urknall des privaten Fernsehens, die öffentlich-rechtlichen führend - eine Umfrage im Herbst bescheinigte ARD und ZDF ein überwältigend großes Vertrauen der Zuschauer, wenn es um Nachrichten geht. Atmo Unterhaltung Sprecher: Es ist die Unterhaltung: die Shows, die neuen Serien aus den USA, die dank des Privatfernsehens in deutsche Wohnzimmern gelangen - und das gilt noch heute. So manche Programmidee erwies sich zwar als erfolgreich, war aber sicher nicht unbedingt das, was Medienpolitiker sich vom neuen Privatfernsehen erhofften: O-Ton 32: Ein neues ChinChin- Ballett mit den wirklich süßesten Früchten in Tutti Frutti bei RTL plus.... Sprecherin: Auch SAT.1 setzte auf Krawall - etwa als Ende der 80er Jahre "Reality-TV" angesagt war: Das waren jene Shows, die mit echten Videoaufnahmen von Unfällen, Überfällen und anderem, zweifelhafte Quotenerfolge einfuhren. O-Ton Collage: Herzlich willkommen zum Thema: Meine Formen sind zu weiblich....// Wie sieht eigentlich Deine ideale Brust aus? Naja, ich sag mal, eine Handvoll.... Sprecher: Auch bei der Inflation der Boulevard-Talkshows am Nachmittag mischten RTL und SAT.1 kräftig mit - Formate wie Vera am Mittag, Ricky, Arabella gab es, und sogar manch erfolgreiche Moderatoren, die später Karriere bei ARD oder ZDF machten, wie Jörg Pilawa oder Johannes B. Kerner, mischten damals am Nachmittag mit: Sprecherin: Der damalige Geschäftsführer von Sat1 Jürgen Doetz erklärt den durchaus kalkulierten Tabubruch dieser Sendungen so: O-Ton 34: Das "Tabubrechen" hatte zwei Wurzeln, die eine Wurzel heißt: Aus der Not eine Tugend machen, wir hatten keine großen Shows, wir konnten keine Stars bezahlen, das heißt wir mussten billig Programm machen, und das waren dann eben "Tutti Frutti" so Crash-TV-Versuche oder "Einspruch!" bei SAT.1 mit Ulli Meyer, das Zweite war: Man merkte, das erregt die deutsche Bevölkerung in einem Ausmaß, das man das wirklich nutzen kann, das war uns gar nicht so bewusst. Sprecher: Ein "Kollateralschaden" dieser Tabubrüche war jede Menge schlechter PR: Von "Proleten-Fernsehen" und "Ekel-TV" war in den Zeitungen die Rede, die Landesmedienanstalten rügten auch schon mal die eine oder andere Sendung und auch den Zuschauern verging nach einiger Zeit die große Lust auf Porno, Pannen und Proleten, die Quoten sanken. Allerdings gibt es noch heute viele billig produzierte Formate, wie etwa die RTL 2- Scripted - Reality-Sendungen "Berlin Tag und Nacht" oder "Köln 50667". Diese funktionieren nicht trotz, sondern gerade wegen proletenhafter Sprache und einer billigen Machart. O-Ton 35: Ach du bist ein Penner, ein richtiges Arschloch... (Darauf) Sprecherin: Was dabei auffällt: Die Privaten haben vor allem eines geschafft, nämlich den Begriff der Privatheit und Öffentlichkeit zu verschieben. Was in den neunziger Jahren die Nachmittagstalkshow, war ab dem Jahr 2000 "Big Brother". Die Container-Show, die mehrere Kandidaten für Wochen in einen total-überwachten Raum sperrt, wird weltweit noch immer produziert und ist sicherlich der größte anzunehmende Unfall für Kulturkritiker. Das erfolgreiche "Dschungelcamp" funktioniert nach einem ähnlichen Prinzip. Sprecher: Uwe Kammann vom Grimme-Institut meint, dass diese und andere Sendungen auf einen Zeitgeist trafen. Dieser erhob das berühmte Andy-Warhol-Zitat nach der 15- Minuten-Prominenz eines jeden zum Ideal: O-Ton 36: Ich entäußere mich, ich muss in den Medien präsent sein, dann bin ich erst wer, deshalb auch die Bereitschaft viel von sich preiszugeben, möglicherweise steckt auch in sehr viel mehr Leuten dieser Wunsch, exhibitionistisch zu sein, und das trifft sich dann bestens mit denen, die Voyeure sind, und das hat sich dann gekoppelt und so entstand ja auch eine Gruppe von Talkshow-Schauspielern sozusagen, die mit den abartigsten Themen, am liebsten aus dem sexuellen Bereich, oder auch aus dem halb-kriminellen eine Fernsehprominenz gewonnen haben, allerdings eben oft nur als Eintagsfliege, aber auf einmal fühlten sie sich richtig gut, weil sie ja ein Gesprächsthema wurden. Und insofern da hat sich vieles glaube ich gefunden, in meinen Augen nicht unbedingt das Beste, aber das ist der Mechanismus. Also das war eine totale Umkehrung bisheriger Werte. Atmo: Circus Halligalli ( darauf ) Sprecherin: Gerade aber im Unterhaltungsbereich haben die Privaten auch Erfolge vorzuweisen haben: Die Wiederbelebung der Quizsendung, Serien wie "Doctors Diary" oder schräge Show-Ideen wie die "Wok-WM" mögen zwar Kulturkritikern nichts sagen, sie sind jedoch durchaus in ihrer Zeit innovativ gewesen, und teilweise mit dem Grimme- Preis oder dem Deutschen Fernsehpreis bedacht worden. Und so manche Fernsehfilmproduktion konnte mühelos mit den Öffentlich-rechtlichen mithalten und wurde hochgelobt, wie etwa "Der Minister" über den Fall Guttenberg. Sprecher: Doch wie wird es mit dem Privaten-TV weitergehen? Trotz einer immer älter werdenden Zuschauerschaft und einer immer größer werdenden Konkurrenz im kommerziellen Fernsehen sind die Gewinnmargen bei den beiden großen Gruppen noch immer ordentlich. Allerdings verlieren Sender wie Sat1 an Quote, und auch bei RTL funktionieren alteingeführte Formate wie "Wer wird Millionär" oder die Endlos - Soap "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" längst nicht mehr so gut, wie früher. Das Publikum wird älter, und die Jungen wenden sich ab. Deshalb sinken Quoten und Werbeinnahmen. Sprecherin: Junge Zuschauer nutzen immer mehr und häufiger das Internet - schauen nur wenig oder gar kein Fernsehen - und wenn, dann zeitversetzt im Netz. Auch das Pay-TV, wie Sky oder Abruffernsehen wie "T-Entertain" gewinnen Marktanteile. Die kommerziellen Sender versuchen, daran zu partizipieren, und bieten bereits seit einigen Jahren zusätzliche Bezahlangebote wie "Maxdome", Games oder Apps für Mobilfunk. All diese Entwicklungen werden sowohl das Privatfernsehen wie auch das öffentlich-rechtliche Fernsehen verändern, eine gewisse Annäherung in der Machart ist bereits seit Jahren zu bemerken - Formate wie "Brisant" oder "Leute heute" könnten mehr oder weniger auch bei den Privaten laufen. "Infotainment" ist das Stichwort. Töne 38 kurze Clips (Ident-Spots verschiedener Sender) Sprecher: Doch die eigentliche Frage lautet: Wird das Fernsehen auch in Zukunft noch attraktiv bleiben? Wird es trotz der Konkurrenz des Internets mit seinen schier unendlichen Angeboten bestehen? Für Endzeitstimmung sei es noch zu früh, meint der ehemalige Direktor der Landesmedienanstalt Nordrhein-Westfalen, Norbert Schneider. O-Ton 39: Ich bin der Meinung, dass das Fernsehen noch lange eine sehr gute Rolle spielen kann, wenn es sich von alten Verpflichtungen, die es nicht mehr bedienen muss, löst, die Unterhaltung findet nicht mehr in dieser Weise statt, sondern Information ist das Hauptsächliche, live, das, was sozusagen global zu besichtigen ist, von den Neujahrkonzerten der Wiener Philharmoniker bis zu Perversionen, 9-11, das ist Fernsehen, und wird es bleiben und es wird viel wegnehmen, vieles verzichten, was sozusagen bisher die Lücken gefüllt hat und die Sache rund gemacht hat, aber es wird bleiben, und es wird lange noch bleiben als dasjenige, an das man sich hält, wenn es eng wird. Das ist die Charakterisierung, das ist das Medium, zu dem gehe ich, wenn es eng wird. Sprecher vom Dienst "Tutti frutti", "Circus Halligalli" und Peter Kloeppel 30 Jahre Privatfernsehen in Deutschland Eine Sendung von Michael Meyer Es sprachen: Viola Sauer und Norbert Langer Ton: Martin Eichberg Regie: Klaus-Michael Klingsporn Redaktion: Constanze Lehmann Produktion: Deutschlandradio Kultur 2013 1