COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Double Irish with a Dutch Sandwich Die Steuertricks der Großkonzerne Von Thomas Otto Anmod. Etwa eine Billion Euro geht den EU-Staaten im Jahr durch Steuertricks verloren. Es sind Mitgliedstaaten der Europäischen Union selbst, die mit "optimierten Steuermodellen" internationale Großkonzerne begünstigen. Das EU-Parlament hat versucht aufzuklären, wie es zu diesem schädlichen Wettbewerb um die niedrigsten Steuern kommen konnte. Bei ihren Recherchen sind die Abgeordneten allerdings auf heftigen Widerstand gestoßen, auch aus den eigenen Reihen. Ein Feature von Thomas Otto. Musik 1 O-Ton 1 Theurer Wer hat das Ganze initiiert? Sind die Unternehmen auf die Staaten zugegangen? Haben die Steuerberatungsunternehmen solche Modelle entwickelt, um ein Geschäftsmodell daraus zu machen? Autor Michael Theurer sitzt für die FDP im Europaparlament. O-Ton 2 De Masi Und da muss man bisschen psychologischen Druck aufbauen, das ist wie in US- amerikanischen Anwaltsserien, da muss man ihnen auch mal ins Wort fallen. Autor Fabio De Masi ist Abgeordneter der Linken. Beide Europa-Parlamentarier haben in den letzten Monaten versucht, Aufklärungsarbeit zu leisten. In zwei Untersuchungsausschüssen. Sie wollten wissen, wer für die legale Steuervermeidung von vielen Milliarden Euro jedes Jahr verantwortlich ist. Es ist eine Geschichte mühseliger, hartnäckiger Abgeordnetenarbeit und vieler Hemmnisse. Musik 1 läuft weiter unter Sprechertext - abruptes Ende bei Erklärbox Sprecher 1 Anfang November 2014 erscheinen in europäischen Medien zahlreiche Berichte über die Steuerpraktiken internationaler Großkonzerne in Luxemburg. Monatelang hatten Journalisten, unter anderem aus Deutschland, Großbritannien und Frankreich, tausende Seiten vertraulicher Dokumente der Wirtschaftsberatungsgesellschaft Price Waterhouse Coopers ausgewertet. Diese Papiere, die unter dem Namen LuxLeaks bekannt werden sollten, hatte Antoine Deltour - ein ehemaliger Mitarbeiter der Firma - an Journalisten weitergegeben. Autor Dass Unternehmen mit komplexen Firmengeflechten unter anderem in Luxemburg Steuern sparen, war zu diesem Zeitpunkt nichts Neues. Neu war hingegen, welche Konzerne mit welchen Tricks arbeiten und, dass die Steuerbehörden die verbindlichen Steuer-Vorbescheide, die sie den Unternehmen ausstellten, zum Teil nicht einmal richtig geprüft hatten. Erklärbox Tax Rulings - Sprecherin: Musik 2 Haben Sie sich für Ihren Konzern ein Konzept ausgedacht, mit dem Sie ihre Steuerlast auf wenige Prozent drücken können, sind sich aber nicht sicher, ob das am Ende auch funktioniert? Dann lassen Sie sich vom Steuerparadies Ihrer Wahl einen verbindlichen Vorbescheid ausstellen. Damit können Sie vorab sicherstellen, dass Sie keinesfalls zu viele Steuern zahlen werden. Staaten sind an solch ein Tax Ruling gebunden. Und mit den richtigen Kontakten brauchen Sie keine Sorgen haben, dass ihr Steuer-Optimierungs-Plan nicht abgesegnet wird. Autor Mit den Luxleaks-Veröffentlichungen wurde auch die Politik zum Handeln gezwungen. Der Druck auf den frisch gewählten EU-Kommissionspräsidenten und ehemaligen luxemburgischen Finanzminister und Premier Jean-Claude Juncker nahm zu. Abgeordnete des EU-Parlaments starteten einen Aufruf und sammelten Stimmen, um die Vorgänge in einem eigenen Ausschuss aufzuklären - Genug, so dass der Sonderausschuss Taxe 1 eingesetzt werden konnte. Dieser sollte untersuchen, ob und wenn ja, welche Fehler Kommission und Mitgliedsstaaten gemacht haben, so dass es zu diesem Steuervermeidungs-Wettbewerb kommen konnte. Immerhin schätzt die EU-Kommission selbst, dass den EU-Bürgern pro Jahr etwa eine Billion Euro - das sind tausend Milliarden Euro an Steuereinnahmen verloren geht. Sprecher 1 Nach sechs Monaten plus Verlängerung muss der Sonderausschuss im November 2015 seine Arbeit mit einem ernüchternden Fazit beenden: O-Ton 3 Theurer : Kurzum, man könnte sagen: Arbeit ist abgeschlossen. Aber leider kam der Ausschuss in dem vom Parlament bewilligten Mandat, also dem Zeitrahmen, nicht zum Endergebnis. Autor Michael Theurer hat als Ko-Berichterstatter die Ergebnisse zusammengefasst, die er und seine 44 Abgeordneten-Kollegen erarbeitet haben. Der 49-Jährige FDP-Mann ist unzufrieden. Zu viele Fragen sind offen geblieben, zum Beispiel die nach der politischen Verantwortung und nach der Rolle von Banken und Finanzinstituten. Diese offenen Fragen soll der Nachfolge-Ausschuss Taxe 2 beantworten. Auch hier ist Theurer wieder vertreten, auch für diesen Ausschuss wird er wieder den Abschlussbericht mitschreiben. Theurer erklärt, was ihn motiviert: O-Ton 4 Theurer : Es wird dadurch der Wettbewerb verzerrt, zulasten kleiner und mittlerer Unternehmen. Es kann ja nicht sein, dass die Konditormeisterin in Baden-Baden oder der Buchhändler in Tübingen seine Steuern bezahlt, aber Großkonzerne - Ketten wie Starbucks - durch Lizenzmodelle verschieben dann ihre Gewinne in Steueroasen und sparen dadurch Milliarden Steuerbeträge. Autor In einem gemeinsamen Binnenmarkt, in dem es die Freiheit des Kapitalverkehrs gebe, müssten auch faire Wettbewerbsbedingungen herrschen, findet der Liberale. Sprecher 1 Februar 2016: Der Taxe-2-Ausschuss arbeitet offiziell seit zwei Monaten. Viel ist bisher aber nicht passiert. Autor Immerhin war Finanz- und Steuerkommissar Pierre Moscovici schon zweimal da und hat die Pläne der Kommission gegen Steuervermeidung vorgestellt. Auch die Niederländer, die in diesem Halbjahr die Ratspräsidentschaft besetzen, waren zu Gast. Der Erkenntnisgewinn hält sich aber in Grenzen. Auch, weil es innerhalb des Ausschusses Bremser gibt, die heikle Gesprächspartner nicht vorladen wollen. O-Ton 5 Theurer : Und das empfinde ich als absolut unbefriedigend. Manchmal hat man als Abgeordneter, der ein ernsthaftes Aufklärungsinteresse hier hat, und zwar in der Sache, den Eindruck, da sind unsichtbare Mauern, gegen die man stößt und es ist sehr schwer zu greifen, wo da tatsächlich die Widerstände sind und was die Gründe sind, die dahinter stehen. Man kann da nur spekulieren. Autor ...beschwert sich Michael Theurer. O-Ton 6 Theurer Finanzminister: Insbesondere vor dem Hintergrund, dass etwa Finanzminister Wolfgang Schäuble positive Signale gesandt hat nach seinem letzten Besuch, meine ich, wir sollten als Ausschuss das Angebot von Schäuble nutzen und ihn und auch andere Finanzminister, etwa zum Beispiel Jeroen Dijsselbloem, proaktiv und offensiv in den Ausschuss einladen. Autor Jeroen Dijsselbloem ist Finanzminister der Niederlande. Er könnte Auskunft geben darüber, wie die Kaffeehauskette Starbucks oder der Internetriese Google die Niederlande zur Steuervermeidung nutzen. Zumindest könnte er dazu befragt werden. Wen der Ausschuss wann für eine Befragung vorlädt, darüber stimmen sich die Koordinatoren der acht Fraktionen ab. In einer Mail der Sozialdemokraten an die Ausschussmitglieder ist zu lesen: Sprecher 1 Was den Vorschlag von Michael Theurer angeht, den niederländischen Minister zusammen mit Google einzuladen, scheint es nicht ratsam, zusätzliche Gäste am 15. März einzuladen, da bereits zahlreiche Multinationale Konzerne für diesen Tag eingeladen wurden. Die Minister der Staaten, die Steuerdeals mit Google abgeschlossen haben, sollten zu einem späteren Zeitpunkt eingeladen werden. Autor Dazu wird es aber bis zum Ende des Ausschusses nicht mehr kommen. Und von konservativer Seite heißt es: Sprecher 1: Es gibt Bedenken bezüglich einer Einladung des britischen Finanzministers in Anbetracht dessen, dass die Beziehung zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich gerade äußerst sensibel ist. Autor Lieber nicht die Briten vorladen, aus Angst vor einem Einfluss auf das Brexit-Referendum. O-Ton 7 De Masi Eine andere Rolle spielt, dass sie hier einfach so einen Deal haben im Parlament. Und als jemand, der in Deutschland und Italien aufgewachsen ist, nehme ich immer das Beispiel: Das ist so wie so ein Abendessen bei der Mafia... Musik 3 The Godfather Waltz unter vorherigem O-Ton einblenden, stehen lassen Autor ... Fabio De Masi ist das junge Gesicht der deutschen Linken im EU-Parlament. Seine Arbeit im Taxe-Ausschuss hat ihm schon den ein oder anderen prominenten medialen Auftritt beschert. Was für den Liberalen Michael Theurer der Konditormeister ist, ist für den Linken De Masi die Sekretärin: O-Ton 8 De Masi Jede Sekretärin zahlt im Verhältnis zu ihrem Einkommen mehr Steuern, als Weltkonzerne wie Google. Autor ...so sein Leitspruch. Aber zurück zu De Masis Bild: Am Tisch sitzen Politiker der Parteienfamilien, die in den Mitgliedsstaaten die Regierungen stellen - vor allem also Sozialdemokraten und Konservative. O-Ton 9 De Masi ...wo die halt unterm Tisch den Revolver auf die jeweiligen Weichteile gerichtet haben. Und wenn der Eine halt auspackt, dann drückt der Andere ab. Deswegen haben sie natürlich ein gemeinsames Interesse, Juncker zu schützen. Und dann sagen die sich halt:" Naja, wenn hier der Juncker fällt, dann bricht hier Chaos aus." Musik 3 The Godfather Waltz unter vorherigem O-Ton wegblenden Autor Die Angst vor politischer Instabilität in Zeiten mehrerer paralleler Krisen blockiere so die Aufklärungsarbeit. Abgeordneten-Kollegen pauschal aufgrund ihrer Parteizugehörigkeit als Bremser zu brandmarken, das geht Fabio De Masi aber zu weit: O-Ton 10 De Masi: Markus Ferber zum Beispiel, von der CSU, Werner Langen von der CDU, die haben den Aufruf für den Untersuchungsausschuss mit unterschrieben. Es gibt auch Politiker, die haben ein Rückgrat und die sagen: ,Ich mache sowas nicht mit, weil das kann ich da draußen keinem erklären'. Autor Ein Grundproblem, weshalb die Aufklärungsarbeit sich nun schon so lange dahinschleppt, seien auch die begrenzten Befugnisse des Ausschusses, klagt De Masi. Weder können die EU-Parlamentarier Personen verpflichtend vorladen, noch sie in stundenlangen Befragungen ins Kreuzverhör nehmen. Politikern und Wirtschaftsvertretern bleibt es selbst überlassen, ob sie einer Einladung folgen und welche Fragen sie wirklich beantworten. Papier ist da manchmal die bessere Quelle, als eine Person, die man zwar einladen kann, die aber weder erscheinen, noch eine Aussage machen muss. So zum Beispiel die Papiere der Code of Conduct Group. Sprecherin : Erklärbox/Code of Conduct Group Musik 2 Die Code of Conduct Group, auf Deutsch Verhaltenskodex-Gruppe, ist ein rechtlich nicht bindendes Gremium der EU-Staaten. Hier sollen sich die Staaten über schädlichen Steuerwettbewerb austauschen und dafür sorgen, dass es in Zukunft keinerlei derartige Begünstigung multinationaler Konzerne gegenüber einheimischen Unternehmen mehr gibt. Aber genau davon profitieren Sie? Machen Sie sich keine Sorgen, dass ihr äußerst vorteilhaftes Tax Ruling bald Geschichte sein könnte. Die einschlägig bekannten Steueroptimier-Staaten legen den Verhaltenskodex recht flexibel aus. Schließlich geht es ja auch um das eigene Geschäftsmodell. Autor Schädlicher Steuerwettbewerb und die Ungleichbehandlung von Unternehmen. Das ist das einzige rechtliche Werkzeug, das die Abgeordneten auf EU-Ebene haben. Denn Steuerrecht liegt größtenteils in der Kompetenz der Mitgliedsstaaten. Genau deshalb sind die Dokumente der Code of Conduct Group so interessant. Die Abgeordneten des Taxe-2-Ausschusses haben sich bei Kommission und Mitgliedsstaaten Einblick erstritten. Zumindest für einen Teil der Papiere. Manche davon sind so brisant, dass sie nur in einem Leseraum eingesehen werden können. Dieses Verfahren erinnert an den Umgang mit den TTIP-Dokumenten. Sprecher 1 Nur die Abgeordneten selbst und ausgewählte Mitarbeiter haben Zugang. Aufzeichnungen dürfen nicht angefertigt werden, Mobiltelefone müssen draußen bleiben. Die Zeit, die im Secret Reading Room verbracht werden darf, ist begrenzt. O-Ton 11 De Masi Es gibt weitere Dokumente aus unterschiedlichen Quellen - die ich gar nicht haben darf offiziell - die wir auch auswerten. Und dann gleichen wir zum Beispiel ab, was sagt denn Regierung XY? Die haben dann Protokolle über diese Sitzungen. Was sagt die EU- Kommission? Manchmal stehen da unterschiedliche Sachen drin. Und so kann man dann auch gucken, wo es da Widersprüche gibt oder ob eine Regierung die Wahrheit erzählt oder die Kommission die Wahrheit erzählt. Und das ist wirklich eine Sisyphusarbeit. Musik Autor Bis zu dreieinhalb Stellen kann jeder Abgeordnete in seinem Büro schaffen, bezahlt aus dem EU-Haushalt. Bei Michael Theurer beschäftigen sich zwei Mitarbeiterinnen mit nichts anderem als Steuerfragen. Ähnlich handhabt es Fabio De Masi. Mit seinen Mitarbeitern hat er zunächst versucht, sich einen Überblick über die vorhandenen Papiere zu verschaffen. Schwerstarbeit, denn die Daten gleichen eher einer zehn Jahre lang nicht aufgeräumten Festplatte, als offiziellen Protokollen zwischenstaatlicher Treffen. Hinzu kommt, dass viele Papiere fehlen. Das fällt aber erst auf, wenn beispielsweise von einer Sitzung die Dokumente vier bis sechs vorhanden sind, von Papier eins bis drei aber jede Spur fehlt. Atmo Und selbst die übermittelten Dateien sind oft wenig hilfreich: Fabio De Masi zeigt auf den Bildschirm. Etwa die Hälfte des Textes ist geschwärzt. Genauso auf der nächsten Seite. Die Folgende ist sogar zu dreiviertel geschwärzt. De Masi erklärt, hinter diesen schwarzen Blöcken würden sich die Äußerungen der 13 Staaten verbergen, die einer Weitergabe der Dokumente an den Ausschuss nicht zugestimmt haben. Dazu zählen zum Beispiel Luxemburg, die Niederlande oder Belgien. O-Ton 12 De Masi Hier ist ganz hübsch: Das ist dann geschwärzt. Und ich habe einmal festgestellt im Leseraum, dass sie vergessen hatten, Sachen zu schwärzen in einer Tabellenübersicht. Dann habe ich das den Damen und Herren vom Kommissions-Service gesagt und dann haben die gesagt: ,Oh, das haben wir übersehen. Können Sie uns noch mal sagen, wo? ' Und da habe ich gesagt: ,Nee, tut mir leid. ' Da mussten sie diesen ganzen Stapel Dokumente noch mal durchgehen. Das sind dann so die kleinen Gemeinheiten. Autor Das was De Masi und sein Team aus den Dokumenten herausfinden, setzen sie gezielt ein. Der Abgeordnete der Linken arbeitet dafür mit dem grünen Abgeordneten Sven Giegold zusammen. Eigentlich sind beide Konkurrenten. Sie haben eine ähnliche Wählerklientel und konkurrieren auch um die mediale Aufmerksamkeit. Beide vereint allerdings das gleiche Ziel und eine gewisse politische Nähe. Deshalb haben sie die Analyse der Dokumente zwischen den Teams aufgeteilt, ihre Ressourcen zusammengetan. O-Ton 13 De Masi: Wenn wir die Informationen, die wir daraus erhalten, öffentlich machen können, können wir den politischen Druck erhöhen. Und wir können dann auch Leichen aus dem Keller holen. Autor Erkenntnisse sollen gezielt an Journalisten weitergeben werden. Eine übliche Praxis in der politischen Kommunikation. Atmo 1 Besprechung einblenden und stehen lassen Autor De Masi und Giegold haben sich mit ihren Teams zu einer Beratung verabredet. Insgesamt sechs Personen sitzen in dem kahlen Besprechungsraum im Europäischen Parlament. Arbeitssprache ist Englisch. Eine der Geschichten, die De Masi und Giegold verkaufen wollen, ist die Arbeit der Code of Conduct Group und der einzelnen Mitgliedsstaaten. Sebastian Mack, Mitarbeiter von Sven Giegold zählt auf: VO engl. O-Ton 15 Mack: Zum Beispiel das UK und Gibraltar oder Isle of Man, Guernsey. Dann haben wir Malta und Zypern, die sich hinter den Niederlanden, Belgien und Luxemburg verstecken. Die blockieren jetzt den Fortschritt, besonders wenn es um eine Reform der Code of Conduct Group geht. Autor Und es geht um die umstrittenen Patentboxen, die in den vergangenen Jahren immer mehr Staaten eingeführt haben, unter anderem mit dem Argument, dass die Unternehmen so mehr Geld in Forschung stecken könnten. Atmo 1 Besprechung Sprecherin : Erklärbox Patentboxen Musik 2 Eine Patentbox, auch Lizenzbox oder IP-Box genannt, ist ein Steuersparmodell, bei dem Patente, Lizenzen und ähnlich verwertbare Rechte in ein Tochterunternehmen ausgegliedert werden. So zahlen Sie ihrer eigenen Patentbox im Ausland hohe Lizenzgebühren und schmälern damit ihren zu versteuernden Gewinn. Auf das Geld, das sie auf diese Weise in Ihre Patentbox verschoben haben, fallen je nach Land deutlich geringere Steuern an, als für normale Gewinne. So zahlen Sie in Frankreich weniger als die Hälfte, in Spanien ein Drittel oder in den Niederlanden nur ein Fünftel der üblichen Steuern. Geheimtipp Malta: Der Inselstaat erlässt Ihnen ihre Steuer sogar ganz! Atmo 1 Besprechung einblenden und stehen lassen Autor Sven Giegold: VO engl. O-Ton 16 Giegold Ich denke das Problem der Patentboxen wird bisher weniger als andere Themen diskutiert. Da gibt es ein Interesse, auch wenn die Geschichte mit den Niederlanden und Luxemburg schon erzählt wurde. Die Ausbreitung von Patentboxen und wie damit alte Steuersparmodelle ersetzt werden ist immer noch eine Geschichte. Vor allem wenn man zeigen kann, dass traditionelle Steuerparadiese das als Ausweichstrategie entwickelt haben. VO engl. O-Ton 17 De Masi Ich denke, da ist Musik drin. Wenn ich mit Journalisten spreche, da ist jeder darauf fokussiert, wie sich Deutschland verhalten wird. Deutschland und die Kommission sagen klar: Patentboxen sind das falsche Werkzeug, um Forschung und Entwicklung zu stärken. Dafür gebe es andere Werkzeuge. Der Spiegel hat mich wiederholt danach gefragt, da können wir eine Verbindung herstellen. Autor Zumindest ein Stück weit geht De Masis und Giegolds Strategie auf. Wenige Tage nach dem Treffen berichtet die Süddeutsche Zeitung unter der Überschrift "Machtlos gegen Steuertrickser" über die Code of Conduct Group und zitiert die beiden Abgeordneten. Die wirklich große Geschichte, mit der das Thema Steuervermeidung und damit auch De Masi und Giegold wieder in die Schlagzeilen kommen, lässt aber noch auf sich warten... Fade-In Musik 1 während folgendem O-Ton Ende Atmo 1 Besprechung wegblenden O-Ton 18 De Masi Und wir wissen ja nie, was passiert. Es kann sein - Wir haben zum Beispiel Informanten gehabt, die sich an mich gewendet haben, weil sie diese Arbeit verfolgt haben. Und es kann auch sein, dass in den nächsten ein, zwei Monaten noch ein Bömbchen platzt und die Karten neu gemischt werden. Autor Das Bömbchen, von dem De Masi spricht, hat zu diesem Zeitpunkt niemand auf dem Schirm. Bis es platzen wird, wird noch einige Zeit vergehen. Musik 1 abruptes Ende Atmo 2 Ausschuss Sprecher 1: Mitte März 2016, langsam kommt die Ausschussarbeit voran. Vertreter verschiedener Steueroasen wurden bereits befragt. Nun sind die multinationalen Konzerne an der Reihe. Für De Masi ist das auch eine Bühne. O-Ton 2 De Masi Und da muss man bisschen psychologischen Druck aufbauen, das ist wie in US- amerikanischen Anwaltsserien, da muss man ihnen auch mal ins Wort fallen. Und wenn die entsprechende Person schlechten Kaffee morgens hatte, kann es auch mal sein, dass er sich verplappert. Aber in der Regel sind die sehr professionell. Autor Die geladenen Firmenvertreter finden sich in der ersten Reihe des Saales ein. Ihnen gegenüber sitzen der Ausschussvorsitzende und seine Stellvertreter. Die fragestellenden Abgeordneten haben die Repräsentanten von Google, Apple, Ikea und McDonald's in ihrem Rücken sitzen. Unter anderem geht es heute um komplexe Firmengeflechte zur Steuervermeidung, wie das Double Irish with a Dutch Sandwich: Ende Atmo 2 Ausschuss Sprecherin : Erklärbox Double Irish with a Dutch Sandwich Musik 2 Das Double Irish with a Dutch Sandwich ist eine Steuervermeidungsstrategie, mit der Sie Ihre Steuerlast halbieren oder sogar auf ein Drittel schrumpfen können. Dafür zahlen Sie Gewinne aus einem Hochsteuerland als Lizenzgebühren an ihr Tochterunternehmen in Irland. Das ist der erste Teil des Sandwiches. Das Geld fließt dann als Tantiemen an ein weiteres Tochterunternehmen in den Niederlanden. Dieses schiebt das Geld weiter an ein zweites irisches Tochterunternehmen und macht damit das Sandwich vollständig. Da das Steuerrecht in der EU in nationalen Händen liegt, können Sie auf diese Weise geschickt das Durcheinander der 28 EU-Staaten ausnutzen und zahlen so gerade einmal 12,5 Prozent Steuern. Atmo 2 Ausschuss Autor Der Ausschuss befragt Adam Cohen, Google-Abteilungsleiter für politische Strategie. VO eng. O-Ton 19 De Masi Zu Ihnen gehört die Google Netherlands Holding, die beträchtliche Summen an Lizenzgebühren aus Irland erhält - das ist der Sandwich-Teil. Und nach meinen Informationen hatten Sie dort null Angestellte. Wie viel Umsatz machen Sie also mit einem Anrufbeantworter? Und wie würden Sie das bezogen auf die wirtschaftliche Substanz betrachten? VO engl. O-Ton 19 Cohen Was die Google Netherlands Holding angeht stimmt es, dass dies eine Beteiligungsgesellschaft ist. Sie ist Teil einer Struktur auf den Bermuda Islands. Diese hat keinen Einfluss auf die Höhe unserer Steuerpflicht in der EU, aber sie verschiebt Steuern, die in den USA anfallen würden. In den Niederlanden haben wir ein weiteres Unternehmen, dass dort unser Geschäft führt mit etwa 200 Angestellten und alle notwendigen Steuern zahlt. VO engl. O-Ton 19 De Masi Aber das vorherige Unternehmen hat null Angestellte, richtig? VO engl. O-Ton 19 Cohen Das stimmt. Aber es hat keinen Einfluss auf die in der EU gezahlten Steuern. VO engl.O-Ton 19 De Masi Ich würde sehr gern ihre Büros dort besuchen, das ist faszinierend. VO engl. O-Ton 19 Cohen Dazu sind Sie herzlich eingeladen. Das US-Steuersystem ermuntert Unternehmen, solche Offshore-Strukturen aufzubauen. Es mag komisch klingen, aber diese Strukturen haben keinen Einfluss auf die in der EU gezahlten Steuern, sondern verschieben Steuern aus den USA. Autor Auch in der zweiten Runde, in der Ikea und McDonald's befragt werden, stellt De Masi einige Fragen. Warum McDonald's dem Ausschuss bisher seine Geschäfte auf Bermuda verschwiegen hätte, will er wissen. Die Antwort: Man wolle nichts verschweigen, dort würden lediglich Versicherungsgeschäfte abgewickelt. Welche genau, das weiß die Befragte Vertreterin der Fast-Food-Kette auch nicht. O-Ton 20 De Masi: Es war erstmal großes Kino. Wir haben gesehen, dass die multinationalen Konzerne keine schlüssigen Antworten geben können, zum Beispiel auf die Frage, warum McDonald's in Bermuda einen Sitz hat. Deswegen muss man da einfach immer weiter hinterher gehen und dran bleiben. Autor Gerade einmal drei Stunden hatten die Abgeordneten Zeit, die Vertreter von vier Großkonzernen zu befragen. Die Antworten glichen sich allerdings sehr: Wir hinterziehen keine Steuern. Was wir tun, ist alles legal. Keines unserer Modelle dient dazu, in der EU Steuern zu sparen. Ende Atmo 2 Ausschuss Sprecher 1 Dritter April 2016, Sonntagabend. Das Bömbchen, wie Fabio De Masi es genannt hatte, es platzt: O-Ton 21 Tagesschau: Ein enormes Datenleck hat Geschäfte von rund 215.000 Briefkastenfirmen offengelegt. Die Unterlagen zeigen, wie Spitzenpolitiker, Sportstars und Kriminelle weltweit ihr Vermögen verschleiern. Autor Die Panama-Papers werden veröffentlicht. Plötzlich ist das Thema Steuerhinterziehung und Steuervermeidung wieder in den Schlagzeilen. Der liberale Abgeordnete Michael Theurer könnte sich darüber eigentlich freuen, aber: O-Ton 22 Theurer : Ganz klar ist aber, dass die Diskussion um Panama die Arbeit im Taxe-Ausschuss jetzt nicht unbedingt unterstützt hat, sondern das hat natürlich hier schon Störungen ausgelöst. Einfach auch von der Arbeitskapazität, die man hatte. Autor Der geplante neue Untersuchungsausschuss könnte außerdem Aufmerksamkeit binden und von den Steueroasen in der EU ablenken. Dabei hat der Taxe-2-Ausschuss viele Fragen noch nicht klären können, beklagt sich Michael Theurer. Zum Beispiel die nach der politischen Verantwortung. Und noch immer habe der Ausschuss nicht alle angeforderten Dokumente erhalten. Einige seien laut EU-Kommission gar verloren gegangen. Trotzdem muss die Arbeit am Abschlussbericht beginnen. Noch vor der Sommerpause soll der Forderungskatalog abgestimmt werden. Michael Theurer arbeitet zusammen mit dem Dänen Jeppe Kofod am ersten Entwurf. Mitte Mai ist das Papier fertig. O-Ton 23 Theurer : Da bin ich also schon froh, dass wir hier einen Kompromiss finden konnten zwischen dem Sozialdemokraten Jeppe Kofod und mir als Liberalen. Und wir sind gespannt, was jetzt die Vertreter der anderen Fraktionen zu unseren Vorschlägen sagen werden. Autor Die Berichterstatter Theurer und Kofod treffen sich immer wieder mit ihren Kollegen der anderen Fraktionen, den so genannten Schattenberichterstattern. Absatz für Absatz wird der Bericht diskutiert. Ein Streitpunkt ist beispielsweise der Absatz zum besseren Schutz von Whistleblowern, wie dem ehemaligen Mitarbeiter von Price Waterhouse Coopers - Antoine Deltour - der die Luxleaks-Enthüllungen erst möglich gemacht hat. Eine Fraktion sperrt sich gegen diese Passage. Theurer und Kofod beraten ihr Vorgehen: Atmo 3 Besprechung Theurer- Kofod unter Autorentext einblenden VO engl. O-Ton 25 Theurer Denn wenn sie eine bessere Formulierung vorlegen, die in der Mitte liegt, könnten wir darüber nachdenken. Anderenfalls: Sozialdemokraten, Liberale, Grüne und Linke stehen hinter unserem ersten Bericht. Dahinter sollten wir nicht zurückfallen. Ich würde für einen besseren Schutz von Whistleblowern kämpfen. VO engl O-Ton 26 Kofod Wir müssen ihnen klar sagen: Wir sind euch entgegengekommen und wollen euch an Bord. Aber sie verstehen auch unsere Grenzen. Wenn sie dann gegen uns stimmen, ist es am Ende ihr Problem. Autor Über 500 Änderungsanträge haben die Abgeordneten eingebracht. Manche doppeln sich, bei manchen geht es nur um einzelne Worte, die geändert werden sollen. Am Ende steht ein Kompromiss, der im Ausschuss und im Plenum des Parlaments eine Mehrheit findet. Atmo 4 Abstimmung - kurz stehenlassen Sprecher 1 Anfang Juli, Europaparlament in Straßburg. Das Parlament hat den Bericht des Taxe-2- Ausschusses verabschiedet. Autor Michael Theurer ist erleichtert. Auf der anschließenden Pressekonferenz zählt er noch einmal auf: VO engl O-Ton 27 Theurer: Die Mitgliedsstaaten wussten jahrelang über schädliche Steuerpraktiken Bescheid. Sie haben hinter verschlossenen Türen im Finanzministerrat darüber diskutiert. Dieses Problem haben sie nicht lösen können. Und sie wurden weder vom Parlament, noch von der Kommission an ihrer Praxis gehindert. Autor Die Abgeordneten benennen klar die Versäumnisse von Mitgliedsstaaten und EU. Und sie stellen einen Katalog an Forderungen auf: Sprecher 1 Die Arbeit der Code of Conduct Group der Mitgliedsstaaten reformieren; eine EU- Außensteuerpolitik mit einer Exit- oder Quellenbesteuerung einführen, um so eine Besteuerung in der EU sicherzustellen; eine EU-Liste von Steueroasen und ein Register der wirtschaftlich Begünstigten von Unternehmen aufstellen; eine EU-weit einheitliche Bemessungsgrundlage der Körperschaftssteuer einführen; Whistleblower schützen sowie Banken und Berater, die bei der Steuerflucht helfen, sanktionieren. Autor So gut diese Forderungen klingen mögen, allein: Sie sind nicht bindend. Die EU- Kommission hat sich an einigen der Ideen zwar bereits orientiert. Es steht dem Verwaltungsapparat unter Jean-Claude Juncker aber frei, ob er diese Forderungen auch tatsächlich ins Gesetzgebungsverfahren einbringt. Wohl auch deshalb schlägt Michael Theurer einen ständigen Taxe-Ausschuss vor. Musik 1 einblenden unter nachfolgendem Text Autor Fabio De Masi hat gegen den Bericht gestimmt. Nicht nur, weil der Vorschlag, Patentboxen zu verbieten, keine Mehrheit gefunden hat. Prinzipiell ist er mit dem Papier zwar zufrieden. Ihm fehlt aber, dass die politisch Verantwortlichen in den Mitgliedsstaaten konkret benannt werden. O-Ton De Masi 28 Fußball: Es ist so ein bisschen wie beim Fußball oder so: Man kriegt auch mal auf den Sack in der Politik. Aber man geht immer auf den Platz, weil man gewinnen möchte und man hat auch immer mal einen Tag, wo man gewinnt. Und deswegen geben wir auch nicht auf. Musik 1 ausblenden Autor Zumindest was Apple angeht, konnten De Masi und Theurer mittlerweile einen kleinen Sieg verbuchen: Die EU-Kommission ist zu dem Schluss gekommen, dass Irland dem Konzern einen wettbewerbswidrigen Steuervorteil verschafft hat. Apple soll 13 Milliarden Euro Steuern nachzahlen. Irland hingegen besteht darauf, dass die Vereinbarung mit Apple legal sei. Ob es am Ende tatsächlich zu einer Nachzahlung kommen wird, wird wohl vor Gericht entschieden werden.