Deutschlandradio Kultur, Zeitfragen 16.08. 2010, 19.30 Uhr "Wir sind die Guten!" Wie Unternehmen sich und ihre Produkte ins rechte Licht rücken Von Martin Hartwig Atmo: Sprecher vom Dienst: "Wir sind die Guten!" Wie Unternehmen sich und ihre Produkte ins rechte Licht rücken Eine Sendung von Martin Hartwig Atmo: Sprecherin: Sie sind unkonventionell ... . Sprecher: "Think different" Sprecherin: handeln entschlossen ... . Sprecher: "Just do it" Sprecherin: und kommen weit.... "Sprecher: "Nichts ist unmöglich" Sprecherin: ... weil sie die richtige Einstellung haben ... . Sprecher: "Leistung aus Leidenschaft" Sprecherin: und hohe Ansprüche stellen. Sprecher: "Das Beste oder nichts!" Sprecherin: Und das Beste ist: Wir können auch so sein - und dazu müssen wir nicht mehr tun als etwas zu kaufen. Auch wenn die Produkte hinter den Slogans manchmal nicht mehr zu erkennen sind, sind es doch Botschaften von Unternehmen, die etwas verkaufen wollen. Und dazu bewerben sie nicht mehr allein ihre Produkte, sondern auch sich selbst. Mit großem Aufwand formen sie ein Image von sich: O-Ton 1 Am Ende ist es das Bild in den Köpfen der Zielgruppen, die man selber für relevant hält. Was ist das, was den meisten Menschen als erstes einfällt, wenn sie den Namen des Unternehmens oder wenn sie die Branche hören. Das ist etwas, was man natürlich in vielfältiger Form beeinflussen kann. Sprecherin: Klaus Dittko, Geschäftsführer von Scholz & Friends Agenda, einer Tochter der großen Werbeagentur Scholz & Friends, die auf Public Relations und Agenda-Setting spezialisiert ist, also darauf den Botschaften und Meinungen ihrer Kunden in der Öffentlichkeit Gehör zu verschaffen. Und das recht erfolgreich. Zur Klientel gehören die Bundesregierung, die der Agentur unter anderem die Inszenierung Deutschlands als "Land der Ideen" übertragen hat, Interessenverbände wie die "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft", Unternehmen, die wie Initiativen auftreten, wie die die Weight Watchers und klassische Hersteller von Produkten. O-Ton 2 Wir unterstützen Unternehmen auf allen Ebenen dabei, dass sie gegenüber ihrer Öffentlichkeit einheitlich und professionell agieren können. Das betrifft den klassischen Auftritt als Marke, das Corporate Design, die TV-Spots, betrifft die PR- Strategie, geht aber auch durchaus bis dahin, mit denjenigen, die vor der Öffentlichkeit auftreten Medientrainings zu machen, um sie mit den Fallstricken vertraut zu machen, die in solchen Kommunikationssituationen liegen. Sie auf mögliche kritische Fragen hin schon einzustellen, dass sie darauf adäquat antworten können. Sprecherin: Ein einheitlicher Auftritt, eine homogene Erscheinung, eine möglichst widerspruchsfreie Außenwirkung - während Firmen früher vor allem mit Werbung für einzelne Produkte an die Öffentlichkeit gingen und dabei deren Qualitäten herausstellten, inszenieren sie sich heute mehr und mehr selbst - als Träger einer Haltung, einer Ästhetik und sogar einer Moral. O-Ton 3 Eine Haltung ist ja auch durchaus was Moralisches im positivsten Sinne des Wortes und wir wollen durchaus ein besseres Unternehmen sein, was für die Herausforderungen der Zukunft gerüstet ist. Sprecherin: Sabine Schmittwilken, Leiterin der Abteilung Brand Communications - der Markenkommunikation beim Energiekonzern RWE. Der Energieversorger präsentiert sich seit 2008 mit einem neuen Claim, einem neuen Leitmotiv in der Öffentlichkeit: "Vorweg Gehen" heißt die Botschaft des Essener Unternehmens. Das Ziel ist es, RWE als Haltungsmarke zu etablieren. O-Ton 4 Das ist eine Kombination aus beidem, aus Haltung und Marke. Wir bewegen uns in einem Umfeld, wo wir uns nicht über konkrete Produkteigenschaften identifizieren und differenzieren können. Wir differenzieren uns über eine klare Haltung. Sprecherin: Worin die Haltung besteht ist jedoch so klar nicht. RWE will vorne sein, beziehungsweise behauptet, dass dort wo sie sind vorne ist. Der Claim ist ähnlich offen, universell und unverbindlich wie Apples "Think different" oder Nikes "Just do it". Er kann mit vielem gefüllt werden und erhebt dennoch Anspruch auf etwas - im Fall von RWE eine Art Führungsanspruch in Umweltfragen. O-Ton 5 Wir haben uns die Frage gestellt, wie müssen wir uns aufstellen, damit wir in einem veränderten Wettbewerbsumfeld bestehen können, da gehören Stichworte hinein wie Liberalisierung und erneuerbare Energien. Und um es auf einen Nenner zu bringen, lief es auf eine Frage hinaus: Muss auch ein Energieversorger erneuerbar sein? Unsere Antwort ja: Und genau hier wollen wir als RWE vorweg gehen. Sprecherin: Da vorne sind sie allerdings nicht die Einzigen. Konkurrent Vattenfall behauptet ebenfalls "Nummer eins für die Umwelt" zu sein. Dass Energieversorger seit einigen Jahren so sichtbar viel Aufwand in ihr Image stecken und sich Haltungen, Meinungen und ein passendes Corporate Design zulegen, hängt damit zusammen, dass die Stromversorger sich erst seit gut 10 Jahren in einem Wettbewerb untereinander befinden - und das mit Produkten, die sich praktisch nicht voneinander unterscheiden und auch keinen erkennbaren Charme haben. Umso wichtiger ist das Marketing geworden. Neben den Versuchen etwa Strom zu einer Marke zu machen und unter Namen wie Yello oder Nuon zu verkaufen, setzen sich die Energiekonzerne deshalb selbst mehr und mehr ins rechte Licht. O-Ton 6 Die Unternehmen müssen es in Wettbewerbsgesellschaften tun. Dort wo sie Wettbewerber haben, werden die Wettbewerber nicht nur ausgesucht nach dem Preis, wer ist billiger, nicht nur vermeintlichen oder tatsächlichen Produktvorteilen sondern sie werden auch danach ausgesucht ob ich ein gutes Gefühl habe. So und dieses gute Gefühl hängt sehr stark davon ab, wie ich die Persönlichkeit einer Marke oder wie ich die Persönlichkeit einer Institution wahrnehme. Sprecherin: Klaus Kocks, früher bei VIAG, Ruhrgas und im VW - Konzern für Imagefragen zuständig, ist heute freier Kommunikationsberater und entwickelt Images und Öffentlichkeitsstrategien für einzelne Personen und Unternehmen. O-Ton 7 Der Wertanteil zwischen dem kommunikativen Teil und dem eigentlichen Teil hat sich dramatisch verschoben. Coca Cola ist ein wasserverdünntes Sirup, das ist vielleicht 10 Prozent des Produktwertes und ist eine Weltmarke und das sind 90 Prozent. Also eigentlich trinken sie ein Gefühl, das mittels eines Sirups ihnen überbracht wird. Das heißt, der kommunikative Anteil an dem Produkt, an der Wertschöpfung steigt, von den Kosten her und von der Bedeutung her und das heißt, dass auch die Empfindlichkeit der Produkte für Kommunikationsfragen immer größer wird. Sprecherin: Und so gibt es Firmen und Marken, die praktisch nur noch aus Image bestehen. Prominentestes Beispiel dafür ist Nike, früher ein Hersteller von Laufsschuhen - heute ein "Sportunternehmen", dass alles Mögliche vertreibt, was sich irgendwie mit Sport verbinden lässt. Immerhin gibt es bei Nike noch so etwas wie ein generelles Thema. Bei der britischen "Virgin -Group" unter deren Dach vom Blumenhandel über Plattengeschäfte bis zur Fluggesellschaft alles vereint ist, ist die Firma, beziehungsweise ihr Besitzer Richard Branson, der Star. Das entspricht ganz dem Konzept, das er 1997 gegenüber einem kanadischen Wirtschaftsmagazin erläuterte: Sprecher: Es kommt darauf an eine Marke nicht auf Produkten aufzubauen, sondern auf einem Ruf. Die großen asiatischen Namen werden eher mit Qualität, Preisniveau und Innovation als mit einem bestimmten Produkt in Verbindung gebracht. Ich nenne sie "Attribut"- Marken. Sie haben keinen direkten Bezug zu einem Produkt - wie einem Marsriegel oder einer Coca-Cola, sondern zu einem Wertekanon. Sprecherin: Einen Mischkonzern, der aus dem Popmusikgeschäft hervorging und der von einem exzentrischen Eigentümer wie Branson geführt wird mit imagewirksamen Attributen zu versehen ist nicht so schwierig, bei anderen Firmen muss da erheblich mehr Aufwand getrieben werden. Anderseits gelingt es der Werbebranche seit Jahren immer wieder einigen der 300 Mineralwässer, die sich auf dem deutschen Markt tummeln, neue Eigenschaften und Qualitäten anzuhängen und sie so aus der Masse hervorzuheben. Ähnliches kann man, so Klaus Kocks, auch mit Firmen und ihren Images machen. O-Ton 8 Bei der Werbung wird versucht einem Produkt über seinen eigentlichen Funktionswert hinaus weitere Eigenschaften anzudichten. Und Image eines Unternehmens heißt nichts anderes als dass man versucht einem Unternehmen, einer Institution diese Eigenschaften anzudichten könnte man sagen oder diese Eigenschaften zu zeigen, aber ich würde sagen eigentlich klebt man Etiketten auf ein Produkt oder auf eine Institution. Sprecherin: Kocks wird wegen solcher Sätze von Journalisten geschätzt und von der eigenen Branche, die ihn wegen seiner Behauptung, dass PR prinzipiell lüge, sogar aus dem Berufsverband ausschloss, gehasst. O-Ton 9 Als ich noch mit viel Freude die Unternehmenskommunikation von BP gesehen hab, hab ich geglaubt dass das "Beyond Petroleum" heißt und dass das ein grünes, ökologisch orientiertes Unternehmen ist. Ich glaube, dass ist ein Spiel mit Attributen, ein Spiel mit vermeintlichen Charaktereigenschaften, dass auch der Verbraucher weiß, dass es ein Spiel ist und wenn das Spiel ihn unterhält, dann freut er sich und wenn das Spiel ihn langweilt dann reagiert er mit Desinteresse. Sprecherin: Auch wenn einige Konzerne stark marketinggetrieben sind und im Wesentlichen aus einer Imageblase zu bestehen scheinen, hinter den 100 wertvollsten Marken der Welt, die die amerikanische Agentur Interbrand jedes Jahr auflistet, stehen Konzerne, die nach wie vor reale Produkte und Dienstleitungen anbieten und gut verkaufen. Dennoch wollen auch die Firmen, die sie herstellen dabei immer besser aussehen, denn ein gutes Image ist für sie bares Geld wert. Dirk Popp von Ketchum- Pleon, einer der größten PR-Agenturen Europas. O-Ton 10 Am Kapitalmarkt an der Börse können sie mit einem schlechten Image heutzutage nicht mehr bestehen, sie verlieren sofort Geld, ein gutes Image hat natürlich auch und sehr deutlich einen wirtschaftlichen Background. Sprecherin: Und deshalb versprechen immer mehr Firmen: "Wir sind die Guten!" So gibt es gibt kaum noch ein größeres Unternehmen, dass sich nicht zum Gemeinwohl und zu Nachhaltigkeit bekennt und jedes Jahr einen Bericht über die sogenannte Corporate Social Responsibility veröffentlicht, in dem die entsprechenden sozialen und umweltfreundlichen Maßnahmen des Betriebes herausgestellt werden - Dass ein Unternehmen lediglich das Ziel hat gute Produkte herzustellen und damit viel Geld zu verdienen, reicht nicht mehr aus. Für Bürgerinitiativen, Gewerkschaften und Umweltorganisationen ist es eine beliebte und oft sehr leichte Übung, die Diskrepanzen zwischen den formulierten Zielen und Errungenschaften und der Geschäftspraxis dieser Unternehmen herauszustellen. Klaus Dittko rät deshalb davon ab, ein Image aufzubauen, dem man nicht gerecht werden kann. O-Ton 11 Das löst natürlich auch für die Unternehmen eine Eigendynamik aus, wenn man sich einmal öffentlich zu bestimmten Prinzipien verpflichtet hat, dann muss man sich natürlich auch im eigenen Handeln daran messe lassen. Insofern ist es aus meiner Sicht nicht sinnvoll den Auftrag an eine Agentur zu erteilen: Ich will überhaupt nichts in der Sache ändern, ich möchte das nur kommunikativ nach außen besser darstellen. Das funktioniert gerade bei den kritischen Themen äußerst selten, sondern es muss immer einher gehen mit einer tatsächlichen Neuorientierung des eigenen Unternehmenshandelns. Sprecherin: Egal wie viel Glaubwürdigkeit man den Selbstdarstellungen der Unternehmen zumisst, sie zeigen doch, dass sie in verstärktem Maße auf gesellschaftliche Anforderungen reagieren müssen. Klaus Kocks: O-Ton 12 Der eigentliche treibende Motor für die Imagestrategie bei Unternehmen ist nicht, dass die Unternehmen schöner sein wollen, sondern dass sie einer Kritik ausgesetzt werden, mit der sie bisher nicht fertig geworden sind oder nicht fertig werden. Sprecherin: So wurde der Nahrungsmittelkonzern Nestlé im Frühjahr mit einer Kampagne konfrontiert, die seine Schokoriegel für das Sterben von Orang Utans verantwortlich machte. Hinter den drastischen Spots, die der Werbung des Konzerns nachgemacht waren, stand Greenpeace. Die Organisation kritisierte, dass ein Palmöllieferant von Nestlé, in Indonesien in großem Stil Regenwald rodet um das Öl zu gewinnen und damit den Lebensraum der Affen zerstört. Zunächst ignorierte Nestlé die Kampagne, nachdem sich der Spot jedoch zu einem Renner auf Youtube entwickelte, kündigte der Konzern seine Verträge mit dem Lieferanten und bekannte sich pflichtschuldig zur nachhaltigen Nutzung des Regenwaldes. Ob den Affen und dem Regenwald damit geholfen ist, ist unklar - zumindest haben Nestle und die Kit Kat Käufer wieder ein gutes Gewissen. Imagepflege im Medienzeitalter: O-Ton 13 Früher wäre es ihnen- mit Respekt gesagt- völlig egal gewesen, wo die verdammte Schokolade herkommt. Das ist heute nicht mehr der Fall. Wir haben heue eine Nutzersituation wo die Menschen nicht möchten, dass der Schokoladenriegel im Geruch steht Orang Utans umzubringen. Sprecherin: Die Verbraucher in den reichen Industrienationen sind empfindlicher geworden und erwarten dass Unternehmen sich äußern, wenn ihnen etwas vorgeworfen wird oder es ein Problem mit dem Produkt gibt. Wenn Klimaanlagen in Zügen ausfallen, Autos zurückgerufen werden oder ein neuer Schadstoff im Gemüse auftaucht, müssen die Öffentlichkeitsabteilungen ran und Erklärungen abgeben, Schuld eingestehen - ein bisschen zumindest - und Besserung geloben. Darüber hinaus wollen die Verbraucher vor allem mit gutem Gewissen konsumieren. Gerd Billen, Vorstand des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen. O-Ton 14 Die eigenen Wertvorstellungen, die werden nicht an der Supermarktkasse aufgegeben sondern ausgelebt. Ich will wissen, wird mein T-Shirt von Kindern produziert oder nicht produziert. Ich will wissen, wie ist das mit dem Klima oder wir haben es bei Versicherungen und Geldanlage, bei vielen Produkten. Das greifen Unternehmen auf. Und hier ist die spannende Frage, bei welchem Unternehmen ist Eigendarstellung und Wirklichkeit wo stimmt es überein und wer versucht nur sich ein grünes Mäntelchen umzuhängen und ein ethisches Mäntelchen umzuhängen, erfüllt die Ansprüche aber nicht. Sprecherin: Ganz ohne diese Ansprüche zu erheben kommt jedoch kaum noch ein Unternehmen aus. Daraus Rückschlüsse über die moralische Befindlichkeit von Unternehmen und der Gesellschaft zu ziehen, ist so Klaus Kocks, gänzlich verkehrt: O-Ton 15 Höhere moralische Ansprüche in der Gesellschaft, das wäre ja geradezu ein tröstlicher Befund. Ich glaube, dass etwas anderes passiert ist: Wir haben eine Empörungskommunikation, die nach moralischem Versagen sucht und das hängt einfach damit zusammen, dass die bunten Zeitungen sich verkaufen müssen und die Fernsehsender Einschaltquoten brauchen. Wir erleben eine Moralisierung von Kommunikation aber nicht in dem Sinn, dass die Welt besser wird, sondern dass sich die Medien und dann die Menschen über irgendetwas aufregen wollen. Sprecherin: Die Kontroversen um falsche und vermeintlich falsche Selbstdarstellungen von großen Unternehmen als "Gutfirmen" stehen im Focus des öffentlichen Interesses. Deutlich weniger Beachtung findet demgegenüber das Alltagsgeschäft der Imagekonstrukteure und -pfleger. O-Ton16 Eine Anforderung an uns war von einer der großen deutschen Sparkassen, eine Imageverschiebung vom Sponsoringgeber und den kommunalen Andocken der Sparkasse, also Vernetzung in der Stadt hin zu dem, dass man als Plattform für Wirtschaft wahrgenommen wird. Sprecherin: Dirk Popp und seine Agentur Pleon waren mit dieser Imageverschiebung beauftragt. O-Ton 17 Das Thema der Bilanzpressekonferenz war dann eben nicht mehr: wir haben so und so viel Euro in Spenden und Sponsoring gesteckt, sondern so und soviel Euro in Wirtschaftsförderung, Kredite. Wir haben Unternehmen nach vorne gebracht und so weiter und so fort, sodass es ein Mix aus Maßnahmen war, die man im Wesentlichen so beschreiben kann: Nachhaltige und immer wiederkehrende Presse und Medienarbeit zu diesen Themen. Zweite Punkt ist: Eventformate entwickeln, die das Thema Wirtschaft im Vordergrund haben und das dritte Thema ist natürlich Schulung von Direktoren und Mitarbeitern im Haus um das Thema in der Kommunikation nach vorne zu bringen. Sprecherin: Ereignisse schaffen über die Zeitungen berichten können, auf Pressekonferenzen und in Hintergrundgesprächen systematisch die neue Sicht auf die Sparkasse etablieren und eine gewisse Beharrlichkeit und Einheitlichkeit in der Außendarstellung - mit diesen im Grunde recht einfachen Mitteln wurde das Image der Sparkasse verändert, ohne dass eine aufwendige und teure Werbekampagne aus dem Boden gestampft werden musste, der wie jeder Werbekampagne zudem ein gewisses Misstrauen entgegengeschlagen wäre. Die regionalen Medien haben den Part übernommen, die neue Botschaft unters Volk zu bringen. O-Ton 18 Was nicht funktioniert ist: sie schreiben eine marketingorientierte Pressemitteilung, wo 20-mal das Wort toll, großartig, die Besten vorkommt, das funktioniert nicht. Man muss sich schon auf dem normalen journalistischen Level auch in der regionalen Pressearbeit fokussieren, aber dann geht es natürlich. Wenn man das Rad nicht überdreht - ich nenn das dann immer gern partnerschaftliche Zusammenarbeit, dann funktioniert das schon. Sprecherin: Und diese Partnerschaft wächst und gedeiht. Auch wenn die Kommunikationsbudgets in Zeiten der Rezession meist schnell zusammengestrichen werden und das Jahr 2009, abgesehen von der sogenannten Krisen PR kein gutes Jahr für die Branche war. O-Ton 19 Es gibt heute so gut wie kein mittelständisches oder größeres Unternehmen, wo nicht Pressesprecher oder Kommunikatoren sitzen, wo nicht erfahrene Leute sitzen, die wissen wie sie sozusagen Presse und Medienarbeit betreuen. Man kann vielleicht sagen, auf einen Journalisten kommt vielleicht ein PR-Mann in Deutschland und das zeigt relativ klar die Verhältnisse. Meine Vermutung ist sogar, dass der Faktor noch etwas höher ist. Sprecherin: Das Ergebnis ist eine unter Marketinggesichtspunkten durchformatierte Kommunikation rund um die Unternehmen. Agenturen und PR-Abteilungen moderieren die Marke wo immer sie an die Öffentlichkeit tritt und sorgen dafür, dass sie keinen Schaden nimmt - oder ihr Erscheinungsbild durch verrutschte Vergleiche des Vorstandes, eine unvorsichtige Plauderei eines Entwicklungsingenieurs oder durch grafische Eigenmächtigkeiten von Unterabteilungen verwässert wird. Mit der Folge, dass vielerorts nur noch mit den vorgeformten Logos und Textbausteinen rund um die Begriffe nachhaltig, zukunftsfähig , umweltfreundlich, innovativ und kreativ kommuniziert wird. Musik: [unter ganze Passage legen] Werbespot Energieriese Sprecher: Eine gute Idee ist wie das Trojanische Pferd. Sie kommt attraktiv verpackt daher, sodass der Mensch sie gern hereinlässt. Doch im Kern ist sie nur auf ein einziges Ziel gerichtet: Eroberung. Sprecherin: Heißt es in der Selbstdarstellung der Hamburger Agentur Jung von Matt. Dass sie dieses Konzept umsetzen können, haben die erfolgreichen Werbefachleute hinreichend bewiesen. Einer ihrer Trojaner ist der Energieriese von RWE, ein freundliches mit Moosen und Sträuchern bewachsenes Ungetüm, dass seit etwa 1 1/2 Jahren über Kinoleinwände und Bildschirme stapft. MUSIK KURZ HOCH Sprecher: Unterlegt von einem unschuldigen Lied in dem die Schönheit der Natur besungen wird, schreitet ein gnubbelliger Riese durch eine intakte Welt: Auf Felder und Wiesen setzt er hier und da ein Windkraftwerk, er geht ins Wasser und montiert ein paar Gezeitenkraftwerke, schaut in den Bergen nach, ob am Staudamm alles in Ordnung ist, um anschließend ein wenig in der Erde zu buddeln. Die Kohle, die er dabei findet wird mit einem Fließband abtransportiert. Nach dem Spielen deckt er die aufgerissene Landschaft mit Rollrasen wieder ab und pflanzt Bäume. Der sanfte Riese tut Gutes egal wo er hinkommt und schenkt unseren Städten Strom. Am Ende des Spots heißt es: Es kann so leicht sein, Großes zu bewegen, wenn man ein Riese ist. O-Ton 20 Wir spielen hier ganz bewusst mit dem für unsere Branche relativ oft gebrauchten Begriff des Energieriesen und wollen mit dem Energieriesen zeigen, dass es per se auch immer etwas Positives hat, wenn man eine bestimmte Größe hat und dass man auch groß sein muss, um bestimmte Innovationen auf den Weg zu bringen. Sprecherin: Für Sabine Schmittwilken von RWE ist der aufwendige, den gegenwärtigen Standards des Animationsfilms entsprechende Spot ein voller Erfolg. O-Ton 21 Die Umfragewerte zeigen, dass mittlerweile ein gutes Drittel der Bevölkerung dem Energieriesen schon mal begegnet ist und er zahlt deutlich auf das Sympathie- und Zukunftskonto von RWE ein. Sprecherin: Tatsächlich fällt es schwer, den freundlichen Riesen, diesen Landschaftspfleger, der aussieht wie eine Kreuzung aus Balu und Shrek nicht zu mögen. Die Greenpeace - Leute tun es dennoch: O-Ton 22 Reine Propaganda. Da wird mehr in die Werbung gesteckt als in den Aufbau erneuerbarer Energien. Und wenn dieses Argument kommt und wir nachfragen, was heißt denn das in eurer Unternehmensstrategie. Wann investiert ihr den das Gros in erneuerbare Energietechnologien. Dann werden andere Argumente vorgeschoben und meistens geht es da um kurzfristige Profite, die bei der Kohlverstromung auf Kosten der Umwelt, dann trotzdem noch höher sind. Sprecherin: Greenpeace hat auf den Energieriesen mir einem eigenen Spot reagiert in dem die Aktivitäten des Riesen mit Zahlen zur realen Bedeutung erneuerbarer Energien bei RWE kommentieret werden und diese Bilanz fällt bei allen großen Energieversorgern ausgesprochen ernüchternd aus. O-Ton 23a Die großen Energiekonzerne RWE, Vattenfall, Eon, EnBW die werben nur mit den erneuerbaren Energien. In Deutschland haben die grad mal einen Stromanteil von 1 Prozent bei den Erneuerbaren. Sprecherin: Wobei Greenpeace in dieser Rechnung die alten Wasserkraftwerke, die sie betreiben nicht mit in die Bilanz nimmt, da sie zum Altbestand gehören und keine Investition in erneuerbare Energie darstellen. O-Ton 23b Also all die Windkraftwerke, die sie draußen sehen, die sind von Mittelstandsunternehmen und nicht von den großen Energiekonzernen aufgebaut. Sprecherin: Als Greenwashing bezeichnen Umweltorganisationen wie Greenpeace diese Art der Selbstdarstellung von Unternehmen. O-Ton 24 Greenwashing ist die Methode von Konzernen sich einfach die Fassade grün anzustreichen ohne die Geschäftspolitik dahinter zu ändern. Also letztendlich nur auf PR-Mache auf Seiten der Kommunikationsabteilung eine Veränderung des Image des Konzern ohne die Geschäftspolitik wirklich zu ändern. Sprecherin: Energiekonzerne sind die nicht die einzigen Unternehmen, die sich mit Beiträgen zum Umweltschutz in Szene setzen. Vor allem die Autoindustrie hat die unberührte Natur als Bühne für ihre Fahrzeuge entdeckt. Dass die Hersteller ihre Autos in ihren Werbekampagnen nicht realitätsnah im Stau stehend zeigen oder im Verkehrsgewimmel auf der vierspurigen Stadtautobahn im Gewerbegebiet ist nachvollziehbar und symbolisches Greenwashing ist ohnehin nicht justiziabel. Anders verhält es sich jedoch bei den Aussagen, die den Bildern von Autos vor Wasserfällen oder Almwiesen angefügt sind. Gerd Billen vom Bundesverband der Verbraucherzentrale: O-Ton 25 Wir haben nun einige Autohersteller, wo wir ganz klar gesehen haben, hier geht es darum, Autos, die einen ganz hohen CO2 Ausstoß haben sozusagen reinzuwaschen, indem man das mit Begriffen wir klimafreundlich, Co2 arm versucht schönzureden. Sprecherin: Volkswagen etwa pries seinen fast zwei Tonnen schweren und 230 PS starken sechszylindrigen Phaeton mit den Worten an. Sprecher: So hinterlässt der V6 TDI nur geringe Schadstoffmengen in der Luft - und ein reines Gewissen bei Ihnen. Sprecherin: Die Öffentlichkeitsarbeit von Opel erfand für ihr Modell "Insignia ecoFlex" gleich eine ganz neue Form von Emission, den "umweltfreundlichen CO2-Ausstoß". O-Ton 26 Das ist nicht zulässig. Wir haben ja ein Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb, das sieht vor, dass irreführende Werbung nicht statthaft ist und deswegen haben wir diese Autofirmen abgemahnt. Die haben sich auch alle unterworfen und haben jetzt die Werbung für die Produkte umgestellt. Sprecherin: Dem Vorwurf Greenwashing zu betreiben, muss sich auch RWE stellen: O-Ton 27 Wir finden den Vorwurf nicht berechtigt an der Stelle. In dem Spot zeigen wir beispielsweise alles, was wir tun. Sprecherin: Erklärt Sabine Schmittwilken und verweist darauf, dass man sich ja erst am Anfang des Wegs befinde, wobei die Frage, was das für die Atomkraftwerke von RWE heißt, die im Spot dann doch nicht gezeigt werden, offen bleibt. O-Ton 28 Dieses ganze Thema ein Energieriese wie RWE verändert sich, das braucht natürlich einen langen Atem und das braucht auch Zeit , aber wir investieren in jedem Jahr sehr viel, große Summen in die Erneuerbaren Energien und wir haben sehr wohl verstanden, dass die Herausforderungen der Zukunft in den Erneuerbaren Energien liegen. Sprecherin: Und in dieser Zukunft ist die Öffentlichkeitsarbeit des Konzerns eben schon angekommen. Dass der Rest des Unternehmens ihr dahin folgt ist für Thomas Smid, den Energieexperten von Greenpeace allerdings fraglich. O-Ton 29 Wenn mir der Energiekonzern RWE oder Vattenfall ihre Strategie auf den Tisch legt, wie sie von ihrer jetzt dreckigen Kohleverstromung hinkommen zu 100 Prozent Erneuerbaren, wenn sie mir das zeigen, das sie diesen Pfad beschreiten werden und dann kann ich das auch analysieren und beurteilen, ob das ne sachgerechte Strategie ist, aber solange es keine Strategie gibt, solange die Investitionen noch heute in Kohlekraftwerke gehen, die, wenn sie heute gebaut werden auch dann noch vierzig Jahre betrieben werden und 2050 noch laufen, so lange kann ich das zurecht als reine PR-Masche kritisieren. Sprecherin: Zielgerichtet wie kaum eine andere Organisation kratzen die Umweltschützer von Greenpeace an den mühsam aufgebauten Images von Konzernen - oft genau mit den Mitteln, die die Agenturen und PR-Firmen verwenden und teilweise sogar unter Einbeziehung der Agenturen. Es ist ein Kampf um Aufmerksamkeit und Deutungshoheit im öffentlichen Raum. Für Klaus Dittko von Scholz and Friends liegt genau in dieser Auseinandersetzung das Potenzial von PR- und Öffentlichkeitsarbeit für die Allgemeinheit. Ganz im Sinne des Philosophen Jürgen Habermas glaubt er an die Kraft des Diskurses. O-Ton 30 Ich bin tatsächlich davon überzeugt, dass Kommunikation per se Ansatzpunkte bietet Unternehmen oder andere Akteure zum Besseren zu verändern und zwar deshalb weil Kommunikation normative Maßstäbe beinhaltet, die man nicht einfach negieren kann, wenn man sich diesen kommunikativen Situationen einmal ausgesetzt hat, also wenn ich sage: Ich gehe in die Öffentlichkeit, ich versuche mein Verhalten zu erklären, zu rechtfertigen, dann hab automatisch Nachfragen, ich habe Kritik, die an einzelnen Sichtweisen geäußert wird etc. und komme damit automatisch in die Situation, mich an diesen Maßstäben messen lassen zu müssen. Sprecherin: Das ist allerdings nur vorstellbar, wenn das, was die Firmen an die Öffentlichkeit bringen, wirklich ein Kommunikationsangebot ist, was der Chefzyniker der Branche Klaus Kocks bezweifelt. O-Ton 31 Es gibt keinen Austausch. Das ist eine Darstellung so wie wenn sie in einem Theater sitzen und da vorne wird Hamlet gespielt. Haben sie keine Kommunikation mit Hamlet, sondern Ihnen wird Hamlet gezeigt. Das nimmt schon auch Publikumseindrücke auf über Marktbewegungen, über Meinungsbildung, aber eigentlich ist dieses eine Inszenierung und besondere erfolgreiche Inszenierungen , wenn sie so wollen besonders glaubhafte, sind solche die eine Prägnanz, einen gewissen Unterhaltungswert haben und die Wahrheitsfrage spielt dabei - Sorry - fast keine Rolle. Sprecherin: Ob Kocks damit recht hat oder nicht, eines ist gewiss: O-Ton 32 Images sind symbolische Kartenhäuser, die irgendwann einfach vom Wind der Historie zusammengefegt werden und darum werden ständig neue gebaut. Sprecherin vom Dienst: "Wir sind die Guten!" Wie Unternehmen sich und ihre Produkte ins rechte Licht rücken Eine Sendung von Martin Hartwig Es sprachen: Barbara Schnitzler und Markus Hoffmann Ton: Ralf Perz Regie: Beate Ziegs Redaktion: Constanze Lehmann Produktion: Deutschlandradio Kultur 2010 Am nächsten Montag hören Sie an dieser Stelle: Dienstmaserati und Traumrendite Vom neuen Profitstreben in der Sozialarbeit Manuskripte und weitere Informationen zu unseren Zeitfragen-Sendungen finden Sie im Internet unter www.dradio.de 1