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Johann Sebastian Bach, überzeugt von seiner Mission, Gottes Wort unters Volk zu bringen wie kein anderer Komponist, wirkte bis zu seinem Tode an der Thomaskirche. Vielleicht färbt das ab. Jedenfalls bürstet Uwe Krüger gegen den Strich und hält an seiner Meinung fest, selbst wenn er angefeindet wird. O-Ton 1a, Krüger also ich hab halt dieses Eingebundensein von Journalisten in Netzwerken erfasst und hab dann geguckt, mit welcher Stoßrichtung die zu bestimmten Themen schreiben. Sprecher Er ist Kommunikationswissenschaftler, ein sanfter, aber von Prinzipien getriebener junger Mann, der unbestechlichen Journalismus einfordert. Tenor seines Buches "Medienmacht", die gleichzeitig seine Dissertation ist: Deutsche Leitmedien würden in der Außen- und Sicherheitspolitik wie gleichgeschaltet berichten, sie würden einseitig transatlantische Positionen vertreten. Atmo: Sendung die Anstalt Sprecher Übertragen auf den Konflikt in der Ukraine hieße das: pro NATO, gegen Russland. Damit lieferte er den Kabarettisten der ZDF Show "Die Anstalt" Munition für eine bissige Nummer, in der sie die Einbindung führender deutscher "Journalisten" in transatlantische Vereine und Kreise anprangerten. Atmo: Sendung die Anstalt Sprecher Zwei der kritisierten Journalisten reagierten dünnhäutig und klagten gegen das ZDF. Sie sahen sich in einigen Fällen zu Unrecht als Mitglieder bestimmter transatlantischer Clubs geführt und konnten erwirken, dass das ZDF den Beitrag aus seiner Mediathek entfernen musste. Manche der monierten Aussagen sind inzwischen wieder zulässig, eine endgültige Entscheidung steht aber noch aus. O-Ton 1b, Krüger Und das impliziert dann, dass da eine gewisse Unabhängigkeit oder Distanz fehlt, das lässt sich natürlich keiner so gerne sagen, denn jeder ist davon überzeugt, dass er ein unabhängiger Geist ist. Atmo: Sendung die Anstalt Sprecher Uwe Krüger macht etwas, was in seiner Zunft ungewöhnlich ist: Statt nur Strukturen zu analysieren, nennt er Namen und zählt die transatlantischen Vereine auf, in denen sich die von ihm untersuchten Journalisten bewegen. Er wirft den Journalisten eine zu große Verflechtung mit diesen Netzwerken vor. Damit hat er sich weit aus dem Fenster gelehnt und die untersuchten Journalisten zur Zielscheibe von Kritik und Häme gemacht, vor allen Dingen im Internet. Sprecherin Aber warum interessiert sich Uwe Krüger überhaupt für Außen- und Sicherheitspolitik? Das hängt nicht zuletzt mit dem zusammen, was vor 25 Jahren vor den Türen seines Instituts begann: Nämlich dem Aufmarsch der Montagsdemonstranten, der Implosion der DDR und dem anschließenden Zusammenbruch des Ostblocks. Spätestens mit dem Zerfall der Sowjetunion 1991 war der Kalte Krieg beendet, der Warschauer Pakt existierte nicht mehr. Ohne die Sowjetunion fehlte der NATO der Feind und damit die Existenzberechtigung. Doch die Strategen in Brüssel und Washington machten schnell andere Bedrohungen aus: Hunger, Armut, Umweltzerstörung, Diskriminierung, neue Krankheiten - all das seien Gefahren für die Stabilität der Welt, gegen die man vorbeugend - auch militärisch - vorgehen müsse. Später kam der Terrorismus hinzu. Der erweiterte Sicherheitsbegriff war geboren. Er tauchte zum ersten Mal in einem NATO-Strategiepapier von 1991 auf. Uwe Krüger behauptet, die vier von ihm untersuchten Redakteure würden diesen Sicherheitsbegriff konsequent vorantreiben: O-Ton 2, Krüger Bei den Journalisten, die ich in den Netzwerken gefunden habe, sehe ich keine Kritik dieses Sicherheitsbegriffs und dieser grundsätzlichen strategischen Ausrichtung der NATO, es gibt einen Gegendiskurs von der Linken, von den Kirchen, da gibt es einen Diskurs, aber der findet überhaupt keinen Widerhall, sondern man bewegt sich in den Artikeln innerhalb dieser Prämissen und macht auch Werbung für diesen Sicherheitsbegriff, das geht so weit, dass der FAZ-Redakteur sagt, dass der alte Sicherheitsbegriff falsch war. Sprecher Allerdings macht der neue Sicherheitsbegriff Kriege wahrscheinlicher als der alte. Die Mehrheit der Bundesbürger lehnt allerdings eine Außenpolitik ab, bei der es darum geht, deutsche Interessen mit Waffengewalt im Ausland durchzusetzen. Das zeigen Meinungsumfragen regelmäßig. Diese Haltung spiegele sich, so Krüger jedoch nicht in den deutschen Leitmedien wieder, zumindest nicht den von ihm untersuchten. Vielmehr, so seine Analyse, gehe es den maßgeblichen außenpolitischen Redakteuren darum, die Deutschen "umzuerziehen": Weg vom "naiven Pazifismus" hin zu einem "Realismus" - und der besagt, dass die Welt voller Schurken ist und Deutschland mehr Verantwortung übernehmen müsse, um diese in die Schranken zu weisen. Atmo, Straßenecke, Fahrstuhl, O-Ton 3, MacKerron: Der German Marshall-Fund ist eine amerikanische Organisation. Sprecherin Potsdamer Platz, Ecke Oppenheimer Straße. Eine exklusive Adresse Berlins. Hier ist der German Marshall Fund zuhause, kurz GMF. Per Fahrstuhl geht es in den dritten Stock, begleitet von einem Mann, der ein T-Shirt mit der Aufschrift "US Embassy Riyadh" trägt. O-Ton 3a, MacKerron: Sie wurde 1972 mit einer Schenkung der Bundesrepublik Deutschland, und zwar unter der damaligen Regierung Willy Brandt, die Regierung wollte ein Zeichen der Dankbarkeit setzen für die Einbeziehung Deutschlands in die Marshallplan-Hilfe nach dem Zweiten Weltkrieg setzen. Sprecherin Heike MacKerron, die Direktorin des Berliner Büros, ist freundlich, verbindlich und fröhlich. Ein positiver Mensch. Sie ist Deutsche, aber mit einem Amerikaner verheiratet, Karriere machte sie über den zweiten Bildungsweg. Es sei typisch amerikanisch, dass sie trotzdem beim German Marshall Karriere machen konnte, sagt sie, ein Zeichen für Offenheit und Flexibilität. Wer gut ist, schaffe es ganz nach oben, egal was er oder sie vorher gemacht habe. O-Ton 4, MacKerron: Unser Auftrag wurde schon 1972 von Willy Brandt formuliert, und das sind die Pflege der transatlantischen Beziehungen im Sinne des Marshallplanes. Das heißt ein Schwerpunkt auf Politik, Bildung, Wirtschaft, Demokratie, Zivilgesellschaft, in all diesen Zweigen haben wir auch Programme, wir machen eigene Konferenzen, wir geben aber auch Geld an andere zivilgesellschaftliche Gruppen. Sprecher Austauschprogramme, Dialogforen, Förderung von Zivilgesellschaft. Das klingt alles sehr positiv, sogar ein bisschen altruistisch. Legitim ist es in jedem Fall, Imagepflege eben. Vor allen Dingen klingt es so, als wenn der German Marshall Fund keinen Einfluss auf die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik nähme. Es gibt jedoch einen Fall aus der jüngeren Vergangenheit, der dem recht deutlich widerspricht. Zumindest sehen das Kritiker wie Uwe Krüger so. Es geht um die Studie "Neue Macht - Neue Verantwortung. Elemente einer deutschen Außen- und Sicherheitspolitik für eine Welt im Umbruch", die der German Marshall Fund mit initiiert hat. Sie ist im Herbst 2013 veröffentlicht worden. Heike MacKerron erklärt den Hintergrund: O-Ton: MacKerron: Der ursprüngliche Impetus kam nicht von hier, sondern vom Kollegen in Washington, die Kollegen dort, die viel mehr als wir hier hören was wollt ihr denn jetzt mit eurer Außenpolitik. Dann haben wir uns überlegt, das ist interessant für die Amerikaner zu wissen, was wir eigentlich wollen, aber es ist eine sehr heikle Diskussion in Deutschland. Wir haben mit der SWP einen Partner gefunden, die das mit uns macht, wir haben mit 40 Leuten Unterhaltungen geführt, was sind strategische Partner, das war eine Grundsatzunterhaltung Sprecher An der Diskussion nahmen Politiker, Wissenschaftler und auch zwei Journalisten teil. Omid Nouripour, außenpolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, erinnert sich an die Diskussionen: O-Ton 7, Nouripour: Das Papier ist entstanden zu einer Zeit, wo alle frustiert waren, weil sie nicht wussten, was passieren soll. Ich finde, das ist eine hervorragende Grundlage, um eine Diskussion anzustoßen auch wenn ich nicht mit allem übereinstimme. Sprecher Omid Nouripour ist Mitglied im Vorstand der Atlantik-Brücke und gehört damit selbst zum transatlantischen Netzwerk. Das Netzwerk ist bemüht, Mitglieder aus allen Parteien in ihren Reihen zu haben, man will nicht als einseitig gelten. Für die Arbeit in der Atlantik- Brücke hat Omid Nouripour allerdings wenig Zeit: O-Ton 8, Nouripour: Die Arbeitswesen sind unterschiedlich, die Atlantik-Brücke ist sicher gut vernetzt in den USA, aber ich bin da im Vorstand, habe aber relativ wenig Zeit, um an den Veranstaltungen teilzunehmen, das ist kein Netzwerken, das sind diejenigen, die diesseits des Atlantiks sitzen und auch über die Fehler die es auf beiden Seiten gibt, reden das ist eher eine politische Diskussion in der Atlantik-Brücke und kein Netzwerk. Sprecherin Heike MacKerron wie Omid Nouripour betonen, dass die Diskussionen um das Papier "Neue Macht - Neue Verantwortung" kontrovers verlaufen seien und dies auch schriftlich festgehalten wurde. Bei der Frage, ob Deutschland an Kriegen ohne UN-Mandat teilnehmen soll, heißt es tatsächlich an einer Stelle: Zitator: Bei dieser Frage blieben die Positionen innerhalb des Projekts unvereinbar. Sprecher Die Stoßrichtung des Papiers ist dennoch eindeutig. Zentral und in dieser Klarheit neu ist die Idee, dass Deutschland militärisch aktiv werden soll, wenn seine wirtschaftlichen Interessen als Exportnation gefährdet sind. Wenn so genannte "Störer" - also Länder wie der Iran - die "kritische Infrastruktur der Globalisierung" in Gefahr brächten, müsse Deutschland reagieren. Wörtlich heißt es: Zitator Da muss Deutschland bereit und imstande sein, zum Schutz dieser Güter, Normen und Gemeinschaftsinteressen im Rahmen völkerrechtsgemäßer kollektiver Maßnahmen auch militärische Gewalt anzuwenden oder zumindest glaubwürdig damit drohen zu können. Sprecher An der Studie hat maßgeblich Thomas-Kleine Brockhoff mitgewirkt. Er war früher Redakteur bei der ZEIT, dann arbeitete er für den German Marshall Fund in Washington, jetzt ist er Chefberater von Bundespräsident Joachim Gauck. Insofern ist es wohl kein Zufall, dass der Präsident bei seiner Rede auf der Münchener Sicherheitskonferenz im Januar 2014 die Thesen dieses Papiers vertrat. Die Forderung nach mehr militärischem Engagement, um auch ökonomische Interessen zu schützen, hatte den damaligen Präsidenten Horst Köhler noch das Amt gekostet. Inzwischen ist das normal. Dass Thomas Kleine-Brockhoff früher Journalist war, dann für den German Marshall Fund arbeitete und jetzt Chefberater von Gauck ist, hat manche stutzig gemacht. Vielleicht sind die transatlantischen Netzwerke doch nicht so arglos, wie sie vorgeben? O-Ton 10, Weichert: Lobbyvereine haben zum Ziel, Kontakte zu knüpfen, Netzwerke zu spinnen, am Ende auch die Journalisten von der eigenen Mission zu überzeugen Sprecherin Der Kommunikationswissenschaftler Stephan Weichert hat über das Phänomen Lobbyismus geforscht. Er sieht in der Verflechtung von Politik, Medien und Lobbyvereinen ein Problem, möchte es aber auch nicht überbetonen. Medien-Bashing liegt ihm fern: O-Ton 10a, Weichert: Lobbyvereine haben zum Ziel, Kontakte zu knüpfen, Netzwerke zu spinnen, am Ende auch die Journalisten von der eigenen Mission zu überzeugen. Unter Lobbyvereinen versteht man auch Meinungsmache, Meinungsmacht, mit publizistischen Zielen, hier sollen eben politische Weichenstellungen, dafür soll geworben werden, dass es in die richtige Richtung geht. Sprecher Eine Sache steht jedoch auch für ihn fest: Wer Geld und Einfluss hat, ist klar im Vorteil. Und da kann kaum jemand mit den transatlantischen Vereinen mithalten, die zahlreich und zahlungskräftig sind: O-Ton 11, Weichert: Massierung, liegt in der Natur der Sache immer auf der Seite derer, die schon Macht und Einfluss per se haben, die natürlich sehr genau wissen, welche Knöpfe sie drücken müssen, welche Hebel sie umschalten müssen um Meinungen zu kanalisieren und in eine bestimmte Richtung zu filtern. Sprecher Ob die transatlantischen Vereine direkten Einfluss auf die Politik ausüben, lässt sich im Einzelnen schwer ausmachen. Aber vielleicht ist das gar nicht das eigentliche Problem: Vielmehr wird durch die Arbeit der transatlantischen Netzwerke eine Art Infosphäre geschaffen, die sich von alleine fortträgt und andere Meinungen an den Rand drängt. Die transatlantischen Institute und Councils arbeiten wie eine Art Echokammer, in der sich die Akteure dieselben Botschaften zurufen und sich gegenseitig zitieren und in ihren Meinungen bestätigen. So wird in einer aktuellen Studie des GMF zum Konflikt in der Ukraine die Rede von Joachim Gauck als ein Beispiel dafür genannt, dass führende deutsche Politiker einen Wandel in der deutschen deutsche Außen- und Sicherheitspolitik fordern. O-Ton 13, Wimmer Wer äußert sich denn gegen das, was alles am Morgen in der FAZ steht? Das ist ein Meinungskartell. Sprecher Willy Wimmer war Staatssekretär im Verteidigungsministerium unter Helmut Kohl und bis 2009 Bundestagsabgeordneter der CDU. Als einer der wenigen stimmte er 1999 gegen die deutsche Teilnahme am Krieg gegen Jugoslawien, der ohne Mandat der Vereinten Nationen stattfand und somit völkerrechtswidrig war, wie Ex-Kanzler Gerhard Schröder mittlerweile selbst eingesteht. Seitdem steht Willy Wimmer im Abseits - als sei es ein Frevel, den außenpolitischen Konsens zu stören. Mittlerweile wird er nur noch von Medien interviewt, die am linken oder rechten Rand verortet sind. Von den transatlantischen Netzwerken hat er sich Zeit seines Lebens fern gehalten. O-Ton 12, Wimmer: Das sind ja auch Verbindungen im Sinne von Quernetzwerken, dass sie immer auf die richtigen Leute treffen, es spielt keine Rolle, welcher Council das ist und welche Stiftung für Wissenschaft und Politik und Gott weiß was, es sind immer dieselben Leute, die sie treffen, das heißt, sie treffen auf solch ein Meinungsbild, das eine Blockbildung zum Inhalte hat, dass wenn sie bereit sind, Argumenten zuzuhören, gar nicht mehr wissen, wo sie sich bewegen können, weil sie auf eine geschlossene Wand von Argumenten stoßen und ich habe ja erlebt, wie das im Parlament organisiert wird, und das wird in diesen Netzwerken auch so gemacht. Sprecher Der Druck, den Leitmedien auf Politiker ausüben, dürfe man nicht unterschätzen: O-Ton 13, Wimmer Die Wirklichkeit ist eindeutig, die FAZ schreibt einen Leitartikel, kein Chefredakteur schreibt etwas anderes, weil er das nicht begründen will. Jede Bundesregierung bedient sich dieses Umstandes. Sprecher Uwe Krüger bemängelt zudem, dass es in außenpolitischen Fragen kaum Alternativen zu den Transatlantikern gebe: O-Ton 14, Krüger: Ich glaube, in außenpolitischen Themen ist die Luft sehr viel dünner als bei innenpolitischen Themen, es gibt sehr viel weniger Akteure, die direkt betroffen sind und ich glaube, wenn man führend ist im Journalismus, muss man sich entscheiden, wer sind meine Quellen und tich glaube, bei Streitthemen über Rente gibt es sehr viel mehr Betroffenheit auch in der Leserschaft und es gibt mehr Verbände, die verschiedene Interessen verfolgen, und da gibt es wahrscheinlich auch mehr Dissens. Sprecher Diesen Dissens vermisst Krüger auch bei den Diskutanten, die an der Erstellung des Papiers "Neue Macht - Neue Verantwortung" teilgenommen haben. Er kritisiert auch die Rolle der Journalisten, die dabei waren: O-Ton 15, Krüger: Nun sind in diesem Gremium verschiedene Leute gewesen, auch zwei Medienleute, Nikolas Busse von der FAZ und Jochen Bittner von der ZEIT, also zwei durchaus pro- amerikanische Medienmacher, da ist keiner von der taz und keiner von der jungen Welt drin und die haben mitdiskutiert und mit geplant und mit Lobbyarbeit gemacht. Jochen Bittner kam dann zu einem glorreichen Artikel in der New York Times, Rethinking German Pacifism, wo er das Ergebnis noch mal an die Eliten kabelte, das finde ich alles hoch planvoll und für mich hat er da eine Grenze überschritten, vom Beobachter zum Akteur, vom Kritiker zum Lobbyisten. Sprecher Jochen Bittner ist Redakteur bei der ZEIT, Anfang 40 und hat eine jungenhafte Ausstrahlung. Die Satire-Sendung "Die Anstalt" vom ZDF thematisierte seine Teilnahme bei der Diskussion um das Strategiepapier "Neue Macht - Neue Verantwortung" und machte ihn zu einem Mitglied des German Marshall Fundes. Dagegen hat Jochen Bittner geklagt: O-Ton 16, Bittner Gestört hat mich nicht, dass das Thema diskutiert wurde, wie vertrauenswürdig sind die Medien. Es war aber rufschädigend, ich bin kein Mitglied im GMF. Es wurde gesagt, ich hätte für Gauck geschrieben, das ist falsch. Ich habe der Anstalt angeboten, lasst uns über das Thema Misstrauen gegenüber den Medien reden, weil es begegnet uns in massiver Form, wir sollten uns dieser Kritik stellen. Aber sie hatten keine Zeit. Es gibt leider Gerichtsfristen, so habe ich mich schweren Herzens zu der Klage entschieden. Sonst hat man keine Chance, das aus der Welt bringen. Sprecher Jochen Bittners Bild von den USA ist nicht auf Rosen gebettet. Er versteht sich auch nicht als Transatlantiker. Trotzdem gibt er gute Gründe an, warum er dafür ist, die deutsch- amerikanische Freundschaft zu pflegen: O-Ton 17, Bittner Man muss sich bei Amerika natürlich immer fragen, teilen wir eigentlich noch gemeinsame Werte, ich finde, in vielen konkreten Beispielen tun wir das nicht mehr, denken wir an Guantanamo, denken wir an Rendition Flights, denken wir an gezielte Tötungen, ich habe auch schon geschrieben, dass das was die Amerikaner mit ihren Drohnen machen Mord ist, das sollten sie nicht machen, das ist auch strategisch nicht klug. Aber es gibt ein starkes gemeinsames Fundament an Gemeinsamem, wie zum Beispiel Rechtsstaatlichkeit, Rule of Law, Pressefreiheit, Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, und wenn ich weiter nach Osten gucke, Richtung Russland, nehmen diese Werte immer mehr ab. Deswegen finde ich es richtig, die historische Freundschaft mit Amerika zu pflegen und immer wieder auf Fehler hinzuweisen. Sprecher Ansonsten ist Bittner gesprächsbereit. Er möchte eine Diskussion um die Frage führen, wie viel Nähe zur Macht für Journalisten verträglich ist: O-Ton 18, Bittner Man muss Verbrüderungen verhindern, man muss auch sowas verhindern wie Dankbarkeitsverhältnisse, das kann entstehen durch gesponsorte Reisen, nur auf der anderen Seite muss es auch möglich sein für Journalisten, Kontakte zu pflegen, die ihnen Erkenntnisgewinn bringen. Atmo, Wasser plätschert, Fahrstuhl Sprecherin Ein schwarzes Glashaus, Sitz der Süddeutschen Zeitung. Es geht in den 24. Stock, der Blick ist majestätisch. Die Stadt ist tatsächlich so platt wie Hamburg, obwohl die Alpen um die Ecke sind. Stefan Kornelius ist unter Druck, er muss heute noch 200 Zeilen schreiben. Trotzdem nimmt er sich Zeit. Die Kritik an seiner Arbeit, ausgehend von Krügers Studie, hat ihn dünnhäutig gemacht. Im Internet wird er scharf angegriffen, auf seinem Schreibtisch stehen zwei Aktenorder, in denen er Alles gesammelt hat. Er behält sich rechtliche Schritte vor: O-Ton 20, Kornelius: Diese Studie stellt die Kreise, in denen Außenpolitik diskutiert wird, in ein falsches Licht. Think Tanks sind per se nicht schlecht. Diese außenpolitischen Zirkel, in denen diskutiert wird, sind nicht schlecht. Herr Krüger guckt übrigens nur über den Atlantik, es gibt chinesische Think, rusische Think Tanks, ich bin all diesen Think Tanks Und diese tiefere Bedeutung, der eigentliche Gehalt, was in diesen Gremien passiert, wird schlicht ignoriert, da wird eine konspirative Arbeit dahinter vermutet, da wird eine Entwertung dieser Arbeit vorgenommen, die unfair ist. Und deswegen glaube ich, dass ist keine wissenschaftliche Studie, sondern eine politisch motivierte Studie. Sprecher Sowohl die SZ wie die FAZ haben Krügers Studie rezensiert als sie rauskam und noch keine Wellen geschlagen hatte, die SZ im Grundton neutral, die FAZ stellt den theoretischen Rahmen der Dissertation in Frage. Politische Motive oder gar verschwörungstheoretische Ansätze erkennen die jeweiligen Autoren jedoch nicht. Uwe Krüger kritisiert in seiner Studie, dass alternative Stimmen in den genannten Leitmedien kaum zu Wort kommen würden - und wenn, in einem eher abfälligen Ton: O-Ton 21, Kornelius: Ich erkenne das nicht, ich erkenne, dass es eine gewählte Bundesregierung gibt, ich erkenne, dass es eine außenpolitische Linie gibt, die die Opposition mitträgt, die die Grünen mittragen, die in einem breiten politischem Spektrum geteilt wird, und darüber berichte ich, die bewerte ich, die teile ich in ihren groben Zügen, ich bin kein Fundamentalpazifist, ich finde zum Beispiel, dass der Einsatz in Afghanistan gerechtfertigt war, aber deswegen muss ich doch nicht meine journalistische Rolle vernachlässigen, ich bin als Journalist Beobachter der Angelegenheit, ich bin nicht Gestalter der Politik. Sprecher Stefan Kornelius versteht sich nicht als vierte Gewalt, Journalisten hätten keinen Verfassungsrang, wie er in einem Interview mit dem NDR-Fernsehen sagte. Aber was genau passiert in diesen transatlantischen Netzwerken? O-Ton 22, Kornelius: Sie waren doch selbst Burns Fellow? Sie wissen doch, wie ´s geht, sie haben Zugänge, sie kriegen Diskussionen geliefert. Sprecher Burns Fellow nennen sich diejenigen, die als Stipendiaten der Internationalen Journalistenprogramme zwei Monate in den USA verbracht haben, bei einer Zeitungsredaktion oder beim Radio. Uwe Krüger zählt die internationalen Journalistenprogramme zum transatlantischen Netzwerk, allerdings nimmt er sie von der Kritik, die er sonst übt, aus. Denn es geht hier vor allem um einen Journalistenaustausch. Zehn amerikanische Journalisten kommen im Gegenzug nach Deutschland. Trotzdem ist die Frage interessant, ob durch derartige Programme bewusst oder unbewusst gewisse Loyalitäten entstehen, die man möglicherweise nicht aufs Spiel setzen möchte. Jedes Jahr findet das so genannte Burns Dinner für die Alumni statt. Hochrangige Redner treten auf, Minister, Medienmogule, Banker, NATO-Generalsekretäre. Alle loben in ihren Reden die transatlantischen Beziehungen, sprechen von ihren persönlichen Erfahrungen in den USA. Am Ende wird der Arthur F. Burns Price für herausragende journalistische Arbeiten verliehen. Stefan Kornelius sitzt in dem Gremium, das über den Preis entscheidet. Die teilnehmenden Journalisten dürfen sich gebauchpinselt und als Teil der Elite fühlen. Uwe Krüger glaubt nicht, dass Journalisten "gehirngewaschen" werden, sondern sieht andere Mechanismen am Werk: O-Ton 23, Krüger: Meine These ist eben nicht, dass da unbeschrieben Blätter in irgendwelche Zirkel reinkommen und dass dann das Gehirn gewaschen wird, sondern dass die Personalauswahl einfach ganz natürlich vom System her stattfindet, dass Elitenzirkel nur diejenigen Journalisten kooptieren, die von vornherein schon ähnliche Werte haben, das heißt, ein transatlantischer Zirkel wird nur Journalisten einladen, die die transatlantischen Beziehungen für schützenswert erachten, dann würde ich aber behaupten, dass das Eingebundensein in diese Netzwerke die Meinungen bestärkt, das ermutigt dann vielleicht auch Journalisten, die sich im Dissens mit der Bevölkerung befinden, dagegen anzustreben. Sprecherin Für sich genommen ist das transatlantische Netzwerk kein Problem. Ein Problem aber ist, dass es kein Gegengewicht dazu gibt. Etwa ein Netzwerk, das sich mehr der zivilen Prävention von Konflikten widmet, das vielleicht die Idee einer deutsch-französisch- polnischen Partnerschaft vorantreibt. Umfragen des German Marshall Fundes zeigen, dass sich vor allen Dingen junge Menschen von den USA abwenden. Heike MacKerron sieht das Problem und möchte den German Marshall Fund öffnen. Man darf gespannt sein, ob das die Diskussion etwas beleben wird: O-Ton 25, MacKerron: Dass das transatlantische Netzwerk öfters dieselben Personen enthält, das gebe ich Ihnen sofort. Und das ist glaube ich auch seine Schwäche, dass dadurch sicher der Eindruck entsteht, das sind ja immer die gleichen. Sprecher Jochen Bittner von der ZEIT wiederum zieht aus seinen Erfahrungen mit wütenden Lesern ganz eigene Schlüsse. Er ist an einer kontroversen Diskussion interessiert und steht mit Uwe Krüger bei twitter in Kontakt. Als er hörte, dass der in der DDR aufgewachsen ist, fühlte er sich an ein Telefonat erinnert, das er kürzlich führte: O-Ton 26, Bittner Vielleicht ist es kein Zufall dass Deutsche, die im Osten aufgewachsen sind, eine besondere Sensibilität haben für tendenziöse Berichterstattung, wie sie sie sehen, ich habe mal mit einem Leser telefoniert, der mir sehr wütend einen Leserbrief geschrieben hat, aber offenbar grundvernünftig war, ich wollte einfach wissen, was bewegt den und ich habe ihn angerufen, und dann sagte er mir, er sei in der DDR aufgewachsen und er glaubt, er habe eine besondere Antenne dafür, wann Medien anfangen gleichgeschaltet zu berichten und das nehme ich sehr ernst, ich sage nicht, dass der Mann recht hat, aber so einen Eindruck sollte man nicht verwerfen, sondern damit sollten wir uns auseinandersetzen. ******** Transatlantische Netzwerke und deutsche Außenpolitik von Albrecht Metzger Es sprachen: Ilka Teichmüller, Thomas Holländer Ton: Hermann Leppich Regie: Gabi Brennecke Redaktion: Martin Hartwig Produktion Deutschlandradio Kultur 2014