Deutschlandradio Kultur Zeitreisen 4. Januar 2012 Armut und Ideenreichtum Das Entwicklungsland Preußen und der große Friedrich von Edelgard Abenstein Musikeinspielungen, Vorschlag: CD: The Flute King Emanuel Pahud, Music from the court of F.II; (die Ziffern folgen denen auf der CD) und Marcha Real Die angegebenen Stellen für Musik sind Vorschläge, auch an anderen Stellen kann Musik eingesetzt werden. Musikeinblendungen sollten sich jedenfalls durch die ganze Sendung ziehen. Musik: ( 3) Carl Philipp Emanuel Bach, Flötenkonzert A-Dur, III, Allegro assai) Frei bis 0.11, dann unterlegen Autorin: In einem kleinen hofseitigen Zimmer des Schlossflügels, der zum Platz hinausgeht, wird er am 24. Januar 1712 geboren: Friedrich, Sohn des damaligen Kronprinzen Friedrich Wilhelm und dessen Frau Sophie Dorothea. Kanonenböller begleiten die Nachricht aus dem barocken Stammsitz der Brandenburger Hohenzollern zu Berlin. Der Dynastie wurde ein Erbe geschenkt, was für das Land Beständigkeit verheißt. Musik: hoch, dann unterlegen Autorin: Was ist das für ein Land, das seinen künftigen König begrüßt? Brandenburg- Preußen ist seit gerade mal elf Jahren im Besitz der Königskrone: die Streusandbüchse des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation. Ein Flickenteppich aus weit verstreuten Grafschaften und Herzogtümern, die schwer zu verteidigen und deshalb stets gefährdet sind. Brandenburger, Lausitzer, Pommern, Magdeburger, Westfalen: Sie haben miteinander nicht mehr gemein als dass sie Preußen sind - auf dem Papier. Mit seinen rund zweieinhalb Millionen Einwohnern übertrumpft das Königreich in der Fläche zwar das benachbarte Sachsen, es verfügt aber über weitaus weniger finanzielle Mittel. Es besitzt keine Bodenschätze, schon gar keine überseeischen Kolonien wie die Großmächte England oder Frankreich. Friedrichs Vater zollt der prekären Lage seines Landes Tribut, spart eisern und stellt eine perfekt gedrillte Armee auf die Beine, mit der er jedoch nur einen einzigen Krieg führt, und das höchst widerwillig. Als Friedrich II. 1740 den Thron besteigt, wird die Hoffnung auf Beständigkeit, die mit seiner Geburt verbunden war, erstmal zunichte. O-Ton 1 (Bisky) I, A 023 Friedrich versucht zunächst, an der Armut etwas zu ändern, indem er eine der reichsten Provinzen des Heiligen Römischen Reichs für Preußen erobert, eine Untat selbst unter den Bedingungen des 18. Jahrhunderts. Er marschiert in einer Geschwindigkeit in Schlesien ein, mit der keiner gerechnet hat. Er hat Preußen weiter vergrößert durch die erste polnische Teilung in Gemeinschaft mit Österreich und Russland, das hieß, es kamen Menschen hinzu, Einnahmen, es kamen auch Probleme hinzu. Autorin: Jens Bisky, Feuilletonredakteur der Süddeutschen Zeitung und Autor des Buches "Unser König. Friedrich der Große und seine Zeit". Für ihn ist der Preußenkönig derjenige unter den deutschen Monarchen, mit dem sich "noch keine Generation gelangweilt hat", weil er jedem eine andere Identifikationsfläche biete: rebellischen Gemütern einen Kronprinzen, der den Aufstand gegen einen strengen Vater probte, Konservativen einen Wirtschaftsplaner, der sein Land voranbrachte, Schöngeistern den Philosophen auf dem Thron, Politbörsianern einen Hasardeur, der im Feld alles auf eine Karte setzte. Musik (kurz) Autorin: Insgesamt kosten die Kriege, die Friedrich führt, die zwei schlesischen und der Siebenjährige Krieg, der 1756 beginnt, bis zu einer Million Menschen das Leben. In Relation zur Gesamtbevölkerung hat Preußen 1763 mehr Opfer zu beklagen als Deutschland im Zweiten Weltkrieg. Jeder zehnte Untertan Friedrichs ist gestorben. Friedrichs Reich liegt am Boden: verwüstete Felder, zerstörte Dörfer, ruinierte Finanzen. Reuevoll schreibt er an einen Freund: Zitator: "Unser Kriegsruhm ist aus der Ferne betrachtet sehr schön, aber wer Zeuge ist, mit welchem Jammer und Elend dieser Ruhm erkauft wird, ... der lernt über den ,Ruhm' ganz anders zu urteilen." Autorin: Dennoch hat Preußen, wie der englische Historiker Christopher Clark betont, während Friedrichs Regentschaft länger Frieden gehalten "als jede große europäische Macht". Als Friedrich 1740 in Schlesien einmarschiert, damals ein Teil des Habsburgerreiches, hat der Gewaltstreich keine Rechtsgrundlage. Der Preußenherrscher annektiert die wirtschaftlich hochentwickelte Provinz, die eine strategische Schlüsselstellung einnimmt. Preußen ist jetzt eine Großmacht, auf gleicher Höhe mit Österreich. Von nun an wird Friedrich im Volk "der Große" genannt. Seinen militärischen Erfolg sieht er als Garantie für ein friedliches Aufbauwerk. Weil Preußen nicht wie Sachsen über Silbervorkommen verfügt, die sichere und Exportgewinne abwerfen würden, ist Friedrich auf Steuern und Erträge aus Landwirtschaft und Manufakturen angewiesen. Er regiert Preußen wie ein auf Erfolg angewiesenes Privatunternehmen, und er regiert nach Maßgabe der Vernunft. Als aufgeklärter Monarch macht er sich zum Sprachrohr der Physiokraten, einer Spielart der französischen Aufklärung, die in der Landarbeit die wesentliche Quelle allen Reichtums sieht. Zitator: "Die Landwirtschaft ist die erste aller Künste; ohne sie gäbe es keine Kaufleute, Dichter und Philosophen. Nur das ist wahrer Reichtum, was die Erde hervorbringt." Autorin: Landwirtschaftliche Flächen gibt es genug in Preußen. Sie müssen nur durch menschliche Arbeitskraft urbar gemacht, "kolonisiert" werden. Zum Symbol für diese innere Kolonisation wird das Oderbruch, ein Sumpfgebiet östlich von Berlin. Zweimal jährlich von der Oder vollständig überflutet ist es eine Brutstätte der Malaria, wie der Wanderer Theodor Fontane in brandenburgischen Chroniken nachgelesen hat: Musikeinblendung unter dem Zitat und anschl. kurz freistehen lassen Zitator: "Über dem allem aber schwebte, an stillen Sommerabenden, ein unermesslicher Mückenschwarm, der besonders die Gegenden von Freienwalde und Küstrin in Verruf brachte." Autorin: Das Oderbruch trockenzulegen galt lange Zeit als unmöglich. Bis im Auftrag Friedrichs der Mathematiker Leonhard Euler eine Lösung für das Problem findet, indem er zusammen mit einem niederländischen Wasseringenieur ein spezielles Kanalsystem sowie ein neues Bett für die Oder ertüftelt. Auf dem durch Deiche geschützten Areal entstehen zahlreiche neue Dörfer, in denen sich knapp 2.000 Familien ansiedeln: Bauern aus der Pfalz, Spitzenklöppler aus dem Erzgebirge und Glaubensflüchtlinge aus Böhmen. Sie erhalten Land, Haus, Vieh und Steuererleichterungen, während der ersten Jahre werden sie von der Wehrpflicht ausgenommen. Außerdem: der Boden ist ungemein nährreich. Zitator: "Man streute aus und war der Ernte gewiss. Alles wurde reich über Nacht." Autorin: So drückt Fontane die produktive Wende im Oderbruch aus. Für den Staat allerdings rentiert sich die Investition zu Friedrichs Lebzeiten nicht. Die Ausgaben übersteigen die Einnahmen bei weitem. Heute ist die Gegend eine der fruchtbarsten in Deutschland. Die Überschwemmungen freilich verschwinden nicht: In regenreichen Sommern (wie in den Jahren 2010 und 2011) hat das Wasser, das auf den Feldern stehengeblieben ist, weite Teile der Ernte vernichtet. Musik ( 9) Friedrich II., Flötenkonzert, Allegro Autorin: Trotz der Probleme ist die Kultivierung des Oderbruch für Brandenburg mit seinen schlechten Böden eine Erfolgsgeschichte. Weniger Fortüne hat Friedrich beim Anbau der Kartoffel. Schon der Große Kurfürst soll den Feldanbau der aus den Niederlanden eingeführten Ackerknolle in Brandenburg veranlasst haben, ebenso der Soldatenkönig. Freilich ohne großen Erfolg. Vermutlich war die Kartoffel anfangs auch nicht immer wohlschmeckend und bekömmlich. Erst Friedrich versucht, mit Dekreten den Widerstand bei Bauern und Staatsbeamten zu überwinden und den Anbau in größerem Maßstab durchzusetzen. Doch auch er hat Mühe, seine Landeskinder vom Nutzen der Knolle zu überzeugen. Dass er dabei keinen Trick ausgelassen hat, ist gut vorstellbar. Zitator: Der König lässt Kartoffelfelder von Soldaten bewachen, um die widerspenstigen Untertanen neugierig zu machen auf die "Kostbarkeit", die sich unter der Ackerscholle verbirgt. Autorin: Für diese wohl bekannteste Friedrich-Anekdote gibt es allerdings keinen Beleg. Musik, kurz Autorin: Es geht Friedrich um den Transfer von Ideen und Techniken zum Nutzen seines Landes, damit dieses unter seiner Regentschaft zu den führenden Mächten Europas gezählt werde. Ideen, die auch Geld ins Land bringen und damit nach außen hin Prestige. Land und Leute sollen reich werden, an Gütern und an Erkenntnis. Um bisher fehlende Fertigkeiten zu erlangen, lässt er (was man heute den Chinesen vorwirft) nach Kräften kopieren, imitieren. Zitator: "Was die Manufakturen anlangt, so sind sie das Nützlichste und Einträglichste für einen Staat, denn durch sie genügt man den Bedürfnissen und dem Luxus der Bewohner, und die Nachbarn werden sogar gezwungen, dem Gewerbefleiß, den man entfaltet, Tribut zu zollen. Die Gewerbe verhindern einerseits, dass das Geld aus dem Land hinausgeht, und andererseits bewirken sie, dass Geld hereinfließt." Autorin: Das wirtschaftspolitische Lieblingskind Friedrichs ist die Seidenindustrie. Bis ins kleinste Detail hinein führt er Regie. Weil er in der Produktion des edlen Stoffes einen Gradmesser für den wirtschaftlichen Erfolg Preußens sieht, subventioniert er diese über Jahre mit Millionenbeträgen. Tausende Maulbeerbäume werden gepflanzt, spezialisierte Weber und Strumpfwirker werden angesiedelt. Bereits drei Monate nach der Thronbesteigung ergeht eine Ordre an den zuständigen Minister. Zitator: "Weil ich gerne die Manufacturen und Fabriken zu Berlin vermehret wissen will, so sollet Ihr Euch umthun, aus Italien mehrere Sammet-Fabricanten, auch Leute, so Satin und Seidendamast machen, zu bekommen und solche nach Berlin zu ziehen." Autorin: In erster Linie aber wirbt man Fachkräfte aus Lyon an, dem Marktführer auf dem Sektor der Seidenkunst. Um sich mit dessen Qualität messen zu können, regt der dirigistische Staat den Erwerbsgeist der Untertanen an. Zitator: "Die Menschen werden alle zu Adlern, wenn man ihnen den Weg zu ihrem Glücke bahnt. Sie müssen nur durch Beispiele ermuntert, durch Wetteifer angeregt und vom Herrscher unterstützt werden"- Autorin: - erläutert Friedrich in der Schrift über die ,Denkwürdigkeiten des Hauses Brandenburg' sein Programm. Nach eher bescheidenen Anfängen in den 1740er und 1750er Jahren erhöht sich die Anzahl der in Berlin und Potsdam betriebenen Webstühle, bis die Region zu einem europäischen Zentrum der Seidenkunst avanciert. Während der Revolution nutzt man im politisch windstillen Preußen die Gunst der Stunde, die französischen Produktionsausfälle werden von brandenburgischen Unternehmen wettgemacht. Danach allerdings setzt mit einer neuen Mode der Niedergang in der Luxusproduktion ein. Der Geschmack bei Hofe wandelt sich, man zieht schlichtere Ausstattungen vor, wie in den Bürgerhäusern hält auch in den Adelspalais die preisgünstige Papiertapete Einzug. So bleibt die Blütezeit der preußischen Seidenkunst unter Friedrich eine zwar fruchtbare, aber doch kurze Episode. Musik (evtl. schon unter dem Text oben einblenden) Autorin: Beständig auf der Suche nach neuen Ideen, die Geld ins Land bringen, lässt Friedrich auch die Dampfmaschine nachbauen. Eigentlich soll die Erfindung von James Watt aus England bezogen werden. Doch dessen Firma fordert ein langjähriges Liefermonopol, eine Bedingung, auf die man sich im merkantilistischen Preußen nicht einlassen will. Unter dem Vorwand, eine Maschine zu erwerben, lässt Friedrich seinen Bergbauminister zwei Fachleute nach England schicken, die dort die entsprechenden Baupläne abkupfern. 1785 nimmt die "Feuermaschine" ihre Arbeit in einem Kohleschacht des Mansfelder Reviers bei Magdeburg auf. Atmo einer Dampfmaschine unter das Zitat legen und danach etwas frei stehen lassen Zitator: "Ich bin durch nichts hervorragend. Nur mein Fleiß wird mich dereinst vielleicht meinem Vaterlande nützlich machen können, und das ist auch der ganze Ruhm, nach dem ich strebe." Autorin: Abgesehen davon, dass derlei Äußerungen des ruhmsüchtigen Friedrich auf das Konto seiner Pseudobescheidenheit gehen, ist sein Erfindungsreichtum in Sachen Nützlichkeit schier uferlos. In Zeiten großer Geldknappheit, sowohl im zweiten Schlesischen Krieg - Zitator: 1744/45 - Autorin: als auch im Siebenjährigen Krieg - Zitator: 1756-63 - Autorin: greift er immer wieder zu unkonventionellen Mitteln. 1758 stiftet er den jüdischen Finanzier Veitel Ephraim, Pächter diverser Münzprägestätten, dazu an, heimlich den Silbergehalt von Groschen und Talern zu senken. Dann veranlasst er, das Falschgeld über das ganze Land zu verteilen. Das ist Regierungskriminalität in großem Stil. Alle Unterlagen, die ihn belasten könnten, lässt er vernichten. O-Ton (Bisky) 363 Die Grundidee ist relativ einfach und plausibel und ein große Untat. Im Grunde überfällt er zu Beginn des Siebenjährigen Krieges Sachsen, er zwingt die sächsischen Soldaten in seine Armee, dann plündert er Sachsen aus. Und über die Münzverschlechterung versucht er das auch noch in Polen zu tun und erreicht damit, dass Preußen den Siebenjährigen Krieg gegen alle entscheidenden Mächte Europas überstehen kann. Autorin: In der Wissenschaft beabsichtigt Friedrich, der Freund des Philosophen Voltaire, das provinzielle Preußen auf die Höhe Frankreichs zu bringen. Nach Militär und Gewerbe steht für ihn die Wissenschaft an dritter Stelle. Im Ausland wird er als aufgeklärter, den neuen Geistesströmungen zugewandter Landesfürst gefeiert. Mit diesem Nimbus belebt er die von seinem Großvater, Friedrich I., gegründete Akademie neu. O-Ton (Bronisch) II, A 232 Diese Akademie ist in der Zeit seines Vaters hintangestellt worden. Friedrichs Vorstellungen richten sich an den großen alten Akademien in London und in Paris aus. Nach diesem Vorbild beginnt er 1740, die Akademie umzugestalten. Es gab keinen namhaften Gelehrten, der sich irgendwo auf der Seite des Fortschrittes verortet hat in Europa, den Friedrich nicht für seine Akademie in Betracht gezogen hätte. Autorin: Wie Johannes Bronisch, Autor der Studie "Der Kampf um den Kronprinz Friedrich" betont, hat sich Friedrich keineswegs nur auf die Bereiche konzentriert, die seinen eigenen philosophischen Interessen nahe standen, er hat auch Mathematiker und Empiriker nach Berlin geholt. So gewinnt er den Universalgelehrten und Entdecker Pierre-Louis de Maupertuis als Vorsitzenden der Akademie. Zu den Sitzungsberichten trägt der König durch eigene Publikationen bei. Das Institut gewinnt dadurch an Ansehen, vor allem aber durch den Austausch innerhalb der europäischen Wissensgemeinschaft. Zitator: "In unsren Tagen sind wir an einen Punkt gekommen, dass eine Regierung in Europa, die es versäumte, die Wissenschaften zu fördern, binnen kurzem um ein Jahrhundert hinter ihren Nachbarn zurückstehen würde." Autorin: Schreibt Friedrich in der Abhandlung über den "Nutzen der Künste und Wissenschaften im Staat". Er weiß um die Signalwirkung, die von seinem Engagement für die Akademie ausgeht, zumal er bereits europaweit als geistig ungewöhnlich aktiver Herrscher wahrgenommen wird. Religiöse Meinungsfreiheit, Interesse an Neuestem in Philosophie und Wissenschaft sowie ein französischer Stil im gesellschaftlichen Leben, das alles macht die preußische Hauptstadt für französische Intellektuelle zu einem attraktiven Aufenthaltsort. Im Vergleich mit anderen Städten im deutschsprachigen Raum herrscht in Berlin geradezu ein kosmopolitisches Flair. Unter seiner Regierung avanciert Berlin, sei es durch ihn, sei es unabhängig von ihm, zu einer Kapitale des geistigen Lebens. Die Bevölkerung wächst von etwa 90.000 auf annähernd 150.000 Menschen, und an Größe wird Berlin schon um die Mitte des Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum nur noch von Wien übertroffen: eine moderne Großstadt im Ensemble der damals noch wenigen europäischen Metropolen wie London und Paris. Um die einheimischen Intellektuellen aber kümmert sich Friedrich wenig, was laut Jens Bisky nicht nur Nachteile hat. O-Ton ( Bisky) Vor allem sind dadurch Freiräume entstanden, in denen weitgehend unbehelligt von königlichen Eingriffen, aber auch von königlicher Unterstützung, eine bürgerliche Kultur vor allem entsteht, die sich sehen lassen kann, also zu Lebzeiten Friedrichs des Großen entsteht die Berliner Aufklärung mit dem großen klassischen Freundespaar Lessing - Mendelsohn, die für Berlin sind, was Goethe und Schiller für Weimar gewesen sind, dazu gehört Nicolai; dann gibt es in Königsberg den Kreis um Kant. Das ist alles nicht zu unterschätzen. Die setzen sich zum König in ein Verhältnis, sie folgen ihm nicht blind, sie sind nicht stramm fritzisch gesinnt, sie attackieren ihn auch nicht um jeden Preis. Was sie machen, sie verhalten sich aktiv, dazu gehört, dass sie ein Herrscherbild zeichnen von einem König, der vor allem im Namen der Vernunft und des Fortschritts regiert. Das trifft auf Friedrich nicht ganz zu, aber dieses Bild hat eine eigene Logik entwickelt, eine eigene Kraft. Musik Autorin: Stilbildend ist Friedrich auch für Preußens Architektur. Zwar reist er nicht, um die großen Vorbilder zu studieren, aber er besitzt eine umfangreiche Sammlung der wichtigsten Werke der Baukunst von der Antike bis in die Renaissance. Zitator: "Ich gestehe, dass ich gerne baue und schmücke." Autorin: Friedrichs künstlerische Neigungen prägen das preußische Rokoko, das sich vom süddeutschen deutlich unterscheidet. Dabei lässt er im Zusammenspiel mit fähigen Architekten wie Knobelsdorff eine breite Palette an Formen zu. Die Berliner Oper gehört zu den modernsten Gebäuden Europas, das Ensemble des nach ihm benannten Forum Fridericianum Unter den Linden in Berlin macht den Bauherrn in ganz Europa berühmt. Seine Residenz Sanssouci am Rande Potsdams errichtet er in klarem Kontrast zum prunkvollen Sommerschloss Schönbrunn bei Wien, das Maria Theresia fast zeitgleich vollenden lässt. Mit der schlichten Eleganz von Sanssouci setzt er das Zeichen eines Herrschers, der vom Pomp des Hofzeremoniells nicht viel hält. Musik Zitator: "Nach Potsdam, nach Potsdam! Das brauche ich um glücklich zu sein. Wenn Sie diese Stadt sehen", Autorin: schreibt er 1748 an den engen Vertrauten Henri de Catt - Zitator: "wird sie Ihnen sicherlich gefallen. Zu meines Vaters Zeiten war es ein elendes Nest; wenn er jetzt wiederkäme, würde er seine Stadt sicherlich nicht wieder erkennen, so habe ich sie verschönt. Ich habe die Pläne der schönsten Bauwerke Europas, insbesondere Italiens, ausgewählt und lass sie im Kleinen und mit meinen Mitteln entsprechend ausführen. Die Größenmaße sind sehr gründlich berücksichtigt worden." O-Ton (Bisky) 057 Man sieht das in Potsdam, teilweise bis zum Aberwitz, wie er versucht, die Stadt zu verschönern, indem er nach Stichen historischer Architekturen Bürgerhäuser verschönern lässt - da ist nicht viel erhalten. Da ist dann aber schon bei Friedrich mehr Glanz als wirkliches Sein, denn diese Fassaden führen dazu, dass es zwischen der Aufteilung der Stockwerke und den Fassadenverhältnissen keine richtige Deckung mehr gibt, sodass dann viele auf dem Boden liegen müssen, wenn sie Tageslicht haben wollen. Ein bisschen Talmi gehört dazu. Wenn man sich Friedrich anschaut, wird man feststellen, dass er zwar arbeitsam war, aber nicht viel fleißiger als sein Großvater, der erste König in Preußen, man wird feststellen, dass er doch ein Verschwender vor dem Herrn war, wenn es ihm wichtig schien. Berühmt ist das Beispiel mit den Kirschen, die er sich bringen ließ, was immer es koste und er hat für einzelne Tabakdosen soviel ausgegeben, wie man damals für ein Rittergut bezahlte. Autorin: Der volkstümliche Mythos vom Alten Fritz, der sich - bescheiden und sparsam - für seine Untertanen aufrieb, gilt an vielen Fronten als widerlegt. Der Preußenkönig lebte standesgemäß und gab von allen Hohenzollern das meiste Geld für Repräsentationsbauten aus. Auch für solche, die im Dienst der Propaganda standen. Die Alte Bibliothek gegenüber der Berliner Hewigskathedrale zum Beispiel. Sie folgt dem Entwurf Fischer von Erlachs für einen Flügel der Wiener Hofburg, den man dort aus Geldmangel nicht zustande gebracht hat. Nach dem Ende des Siebenjährigen Kriegs errichtet ist es ein trotziges Symbol für das Duell um die Macht in Deutschland. Der preußische Aufsteiger setzt ein architektonisches Zeichen gegen den Rivalen Habsburg. Musik (kurz) Autorin: Umgekehrt sieht die habsburgische Großmacht in Preußen nicht nur einen verhassten Konkurrenten, sondern auch einen Staat, der viele nachahmenswerte Züge besitzt. Dessen Verwaltung ist offenkundig in puncto Effizienz der österreichischen deutlich überlegen, was auch den militärischen Erfolg erklärt. Tatsächlich orientiert man sich in Österreich ab den 1750er Jahren vor allem an jenem Preußen, das in den schlesischen Kriegen gegen die Habsburger siegreich gewesen ist. Der österreichische Archivar Michael Hochedlinger hat jüngst diesen Vorgang als "Prussifizierung" Österreichs im 18. Jahrhundert bezeichnet. Auch in der Neuen Welt spielt das Preußen Friedrichs eine Rolle. 1785 kommt es zum ersten Handelsabkommen zwischen den neu gegründeten USA und Friedrich II. - und damit zum allerersten Vertrag eines europäischen Landes mit den Vereinigten Staaten von Nordamerika. Neben Pragmatischem zu Handel und Zöllen werden für den Kriegsfall Regelungen vereinbart, die erst 1929 mit der Genfer Konvention zum Schutz von Kriegsgefangenen allgemeine Gültigkeit erhalten werden. Im Artikel 24 - Zitator: "..verpflichten sich die beiden Vertragsparteien gegenseitig und vor aller Welt, dass ... keiner der beiden die Gefangenen... nach Ostindien oder in andere Teile Asiens schickt, sondern dass sie an einem Ort ihrer Besitzungen... in gesunder Lage untergebracht werden, dass sie nicht in Verliese, Gefängnisschiffe oder Gefängnisse gesperrt noch in Eisen gelegt...werden... dass die gemeinen Soldaten in Lager gebracht werden, die offen und weitläufig genug für Frischluft und Bewegung sind..." Autorin: Friedrichs Außenminister schreibt sechs Jahre nach dem Tod des Monarchen an den ersten Präsidenten der Vereinigten Staaten, George Washington: Zitator: "Ich bekenne, dass es mir das höchste Vergnügen gewährt hat, dass Ihre Nation auf König Friedrich II. als einen würdigen Philosophen blickte, indem sie ihm diesen Vertrag vorschlug, damit er anderen Völkern ein Beispiel gebe..." Autorin: Der Vertrag zwischen Preußen und den USA galt 132 Jahre, bis 1917, bis das wilhelminische Deutschland die USA zum Eintritt in den Ersten Weltkrieg provozierte. Musik (unter den folgenden Texten länger stehen lassen) Zitator: "Ich bin mir nicht sicher, ob Sie in all diesem Ruhmesgerassel glücklicher sind, als Sie in jener süßen Einsamkeit von Remusberg waren. Dennoch, großer König, lieb' ich Sie." Autorin: Das schrieb Voltaire, der Freund aus Rheinsberger Tagen, 1742 an den preußischen König. Friedrich antwortete, dass er wie ein Elender am Rad der Ereignisse, sprich der Geschichte, arbeite, sich aber nach Ruhe, Kunst und Philosophie sehne. Voltaire wiederum wusste, was er seinem Monarchen schuldig war: süße Schmeichelei, getränkt mit einem kräftigen Schuss Ironie. Zitator: " Große, gescheite Taten vollführen Sie mit derselben Leichtigkeit, mit der Sie komponieren und dichten und mit der Sie die Briefe schreiben." Autorin: Für den Preußenkönig, der seine inneren Konflikte weder durch Alkohol noch Mätressen noch Jagden befriedete, bedeutete die Muße, die ihm die Musik bescherte, zeitlebens fast alles: Mit Komponieren und Musizieren trieb er jede Art von Stress hinweg. Erste eigene Flötensonaten entstanden nach seiner gescheiterten Flucht in Küstrin. Bis in die 1750er Jahre komponierte er; insgesamt sind 121 Flötensonaten, drei Sinfonien, vier Konzerte, und einige Opernarien erhalten. Ein Genie, das kann man getrost sagen, war der Tondichter Friedrich nicht. Dem Musikwissenschaftler Siegfried Kross zufolge hat er.. Zitator: "..eine lebhafte Erfindungsgabe für prägnante Themen, doch mangelte es ihm wohl an den satztechnischen Kenntnissen zu ihrer Ausarbeitung. Er weicht häufig in unmotivierte Läufe ...aus." Musik unter der Autorin aufblenden (Marcha Real - ohne Text!) Autorin: Mit einem Musikstück jedoch wurde der royale Komponist weltberühmt. Ein früher Europäer, überschritt er damit siegesgewiss Preußens Grenzen. Es ist ein Marsch, den er - von König zu König - 1761 Karl III. von Spanien widmete. Daraus wurde die spanische Nationalhymne. Bis heute in Gebrauch, ist sie eine der ältesten in Europa. Musik noch frei stehen lassen 1 1