Deutschlandradio Kultur Länderreport 25.11.2011, 13.07 Uhr Vom Investitionsstandort zur Standortschließung Teures Sparen bei der Bundeswehr Von M. Watzke, D. Mohaupt und R. Arnold Redaktion: Heidrun Wimmersberg / Julius Stucke Der Umbau der Bundeswehr ist mit folgenschweren Entscheidungen verbunden: Standorte werden geschlossen oder verkleinert, Personal wird abgebaut. Das ist zum Teil sehr schmerzlich - lässt sich jedoch kaum vermeiden, wenn Geld eingespart werden soll. An manchen Standorten aber fragt man sich: Warum wird dort gespart, wo noch vor Kurzem investiert wurde? Der Länderreport mit Beispielen von heute und gestern - aus Bayern, Sachsen und Schleswig-Holstein. Erster Beitrag Bayern - Bundeswehr-Millionengrab in Roth in Mittelfranken Länge: 5'38 Min. Autor: Michael Watzke Redaktion: Heidrun Wimmersberg / Julius Stucke Herbert Eckstein, Landrat des Landkreises Roth bei Nürnberg, hat einen Namensvorschlag: die beiden riesigen Hubschrauber-Hallen auf dem Kasernengelände in Roth sollten KT-zu- Guttenberg-Gedächtnishallen genannt werden, sagt der SPD-Politiker und lacht. Obwohl ihm eigentlich nicht nach Lachen zumute ist: 1 Herbert Eckstein "Nein, ich bin da überhaupt nicht glücklich. Es war sehr dilettantisch gemacht. Ich hab das noch nie erlebt, dass man eine Überschrift benennt und keinen genauen Plan im Hintergrund hat, wie man die Bundeswehr überhaupt umstrukturieren will. Welche Aufgaben soll die Bundeswehr in Zukunft haben? Also da haben sich viele vom Glanz und Glamour Guttenbergs blenden lassen." Die Guttenberg-Gedächtnis-Hallen. Wie zwei riesige silberne Ufos glänzen sie in der mittelfränkischen Morgensonne. 400 Einfamilienhäuser würden dort hineinpassen. Oder 1200 Omnibusse. Oder eben 40 Kampfhubschrauber vom Typ Tiger. Wie ursprünglich geplant. Doch die Bundeswehr hat die modernen Helikopter aus Kostengründen storniert, erklärt der bayerische Innenminister Joachim Hermann. 2 Joachim Hermann "Da gibt im Moment die Entscheidung, statt der früher geplanten 80 Militärhubschrauber vom Typ Tiger nur noch 40 zu bestellen von Seiten der Bundeswehr. Und die sollen dann an dem anderen Standort der Bundeswehr in Fritzlar in Hessen stationiert werden. Wenn es dabei bliebe, dann würden in der Tat die großen Investitionen, die in den letzten Jahren von der Bundeswehr in Roth getätigt wurden, nutzlos in der Landschaft stehen." Auf 160 bis 200 Millionen Euro schätzen Experten die Investitionen, die die Bundeswehr am Truppenstandort Roth für die Hubschrauberstaffel verbaut hat. Ein mögliches Investitionsgrab, das die alljährlichen Verschwendungs-Beispiele des Steuerzahlerbundes geradezu läppisch erscheinen lässt. 3 Herbert Eckstein "Man muss sich schon fragen in der großen Politik, wenn man solche Gewalt-Investitionen macht, wie man das auch den Menschen ein Stück erklären will, dass man für andere Maßnahmen kein Geld hat." Landrat Herbert Eckstein macht es sich allerdings auch recht einfach mit der Kritik. Die Investitionen haben weder der frühere Verteidigungsminister zu Guttenberg noch größenwahnsinnige Lokalpolitiker getätigt, sondern Bundeswehr und BIMA, die Bundesanstalt für Immobilien-Aufgaben. Sie ist auch Besitzerin der Hallen. Noch. Der Bürgermeister von Roth, Ralph Edelhäußer von der CSU, würde gerne wissen, was nun mit der Infrastruktur passieren soll: 4 Ralph Edelhäußer "Und da dann auch so etwas wie einen Zeitablauf zu erfahren, der mir bisher zum heutigen Zeitpunkt nicht bekannt ist. Wie geht's denn da jetzt in den nächsten Jahren weiter?" Das kann derzeit niemand beantworten. Noch stehen die alten Kampfhubschrauber der Bundeswehr vom Typ BO-105 in den Hallen. Sie sollen in zwei Jahren ausrangiert werden. Bis dahin wird der Standort Roth ganz anders aussehen. Statt des Hubschrauber-Regimentes und eines Luftwaffen-Ausbildungs-Bataillons wird im Jahr 2013 der Offiziers-Nachwuchs in Roth ausgebildet. Die berühmte Offizierschule der Bundeswehr zieht aus dem oberbayerischen Fürstenfeldbruck nach Roth. Dafür haben sich Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer und der Innenminister und Mittelfranke Joachim Hermann persönlich stark gemacht: 6 Joachim Hermann "Roth ist inzwischen im ganzen Raum Mittelfranken und im Großraum Nürnberg der einzige Bundeswehr-Standort. Alle anderen sind im laufe der Jahre schon aufgelöst worden. Gleichzeitig ist das südliche Mittelfranken ein Raum, der wirtschaftlich und strukturell eher gestärkt werden muss, auf keinen Fall geschwächt werden darf. Und deshalb hat sich die Staatsregierung besonders dafür stark gemacht, dass hier der Standort Roth nicht einfach dicht gemacht und der Standort nicht einfach zugesperrt wird." Dieses Bäumchen-wechsel-Dich-Spiel der Standorte kostet zusätzliche Investitionen in Millionenhöhe - denn mit den riesigen Hubschrauberhallen und dem Helikopter-Simulator können die auszubildenden Offiziere wenig anfangen. Das letzte Wort in Sachen Hubschrauber sei allerdings noch nicht gesprochen, sagt Hermann: 5 Joachim Hermann "Eigentlich sind gerade im Hinblick auf die Auslands-Einsätze der Bundeswehr - wenn ich an Afghanistan denke oder den Kosovo - dann sind 40 Tiger-Hubschrauber für die Bundeswehr eigentlich zu wenig. Die sind ja erst einmal fest bestellt mit dem Hersteller. Das sind aber Diskussionen, die im Verteidigungsausschuss des Bundestages nächstes Jahr geführt werden müssen." Die bayerische Staatsregierung ist an diesen Gesprächen doppelt interessiert. Nicht nur wegen des Standortes Roth, sondern auch wegen der in Bayern angesiedelten Rüstungs- Unternehmen. Namentlich der Militärsparte von Eurocopter im schwäbischen Donauwörth. Wenn die Bundeswehr bei ihrer Entscheidung bleibt und nur 40 Helikopter kauft, gehen dort Arbeitsplätze verloren. Für die Soldaten am Standort Roth ist die Logik hinter diesen Entscheidungen nur schwer nachzuvollziehen: 8 Umfrage Soldatin "Das war eine nicht durchdachte Blitzentscheidung. Jetzt, im Nachhinein sieht man, was das alles mit sich briungt. Deswegen sage ich: das war nicht durchdacht." Bisher hat sich in der Otto-Lilienthal-Kaserne von Roth nicht viel verändert. Die Umstrukturierungen beginnen erst nächstes Jahr. Die Kleinstadt mit ihren 25.000 Einwohnern sieht den Veränderungen mit gemischten Gefühlen entgegen. Einerseits kommen kaufkräftige Offiziers-Anwärter in die Region, andererseits schrumpft der Standort. Die bayerische Staatsregierung hat vom Bund verlangt, er müsse die sozialen Lasten mit Konversionsprogrammen abfedern. Landrat Herbert Eckstein von der SPD ist skeptisch: 7 Herbert Eckstein "Es ist wie nach jedem Unwetter, nach jeder Katastrophe: da werden erst große Hilfen versprochen, und wenn man dann nach fünf Jahren fragt, was wirklich gekommen ist, dann hält sich das meistens in Grenzen. Deswegen sage ich an der Stelle sehr deutlich: ich hoffe, dass jeder, der sich da jetzt geäußert hat, am Ende zu seinem Wort steht." Vielleicht kommen ja doch noch die Tiger nach Roth. Sie würden in Hallen stehen, die architektonisch sicher zu den schönsten und teuersten Hubschrauber-Hangaren in Deutschland zählen. Egal, ob sie am Ende nach Lilienthal oder Guttenberg benannt werden. Zweiter Beitrag BW-Standort Glücksburg in Schleswig-Holstein Autor: Dietrich Mohaupt Redaktion: Heidrun Wimmersberg / Julius Stucke Von Flensburg aus Richtung Nordosten, immer am Ufer der Förde entlang, führt die Landesstrasse 249. Nach ein paar Kilometern erreicht man auf diesem Weg die Halbinsel Holsnis - und Glücksburg, Deutschlands nördlichste Stadt. Im Ortsteil Meierwik, direkt an der Förde, liegt die Kaserne, in der das Flottenkommando der Deutschen Marine seit 1960 seinen Sitz hat. Auf den ersten Blick eine ganz normale Kaserne, die meisten Gebäude wurden schon vor dem 2. Weltkrieg als Teil der Offiziersschule der Kriegsmarine gebaut. Nicht sichtbar für die Öffentlichkeit - und auch für die Medien derzeit tabu - ist der eigentliche Kern der Kasernenanlage: Ein unterirdischer Bunker, in dem das MOC, das Maritime Operation Center, untergebracht ist. Der Schleswiger CDU-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Boernsen kennt diese Anlage von zahlreichen Besuchen in den vergangenen 25 Jahren - und er weiß auch, was dort alles investiert wurde: "Dort laufen alle Meldungen, europa- und weltweit, zusammen - nicht nur von deutschen sondern auch von der gesamten militärischen Flotte weltweit, und diese Operationszentrale hat etwa einen Finanzaufwand von früher 250 Mio. Mark gebracht, und heute durch Verbesserungen, Veränderungen, Modernisierung noch mindestens weitere 100 Mio. ?, die in dieses Flottenkommando geflossen sind." Viel Geld wurde in Glücksburg also in den vergangenen Jahrzehnten verbaut - entstanden ist so eine hochmoderne computergestützte Kommunikations- und Führungszentrale weit unter der Erde. Eben nicht irgendeine Marinekaserne, betont Wolfgang Boernsen. "Es gab große Baumaßnahmen, um sie zu schaffen, um atombombensicher zu sein - sie ist entstanden in der Zeit des kalten Krieges. Damals war sie noch mit Asbest ausgeschlagen, diese Asbestisolierung musste dann im Laufe der letzten 10 Jahre verändert werden, das ist geschehen - das heißt: diese Operationszentrale ist, auch nach Aussagen gerade der Marineführung, auf dem neuesten technischen Stand, mehrfach saniert und optimiert worden..." ... und doch scheint das "Aus" für diesen Marinestandort - und damit für rund 920 Dienstposten - jetzt unausweichlich zu sein. Das musste auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Carstensen kürzlich in einer Regierungserklärung vor dem Landtag zum Thema Bundeswehrreform eingestehen. "Der Verteidigungsminister hat klargestellt: Der 26. Oktober hat für alle von ihm genannten Standorte eine abschließende Entscheidung gebracht. Die Entscheidungen sind da, die Entscheidungen stehen fest - und der Bundesminister wird für niemanden das Paket noch einmal aufschnüren." Für das Flottenkommando in Glücksburg bedeutet das: kompletter Umzug nach Rostock, wo mit dem Führungsstab der Marine und dem Marineamt eine neue gemeinsame Kommandobehörde entstehen soll. Auch für den Verwaltungschef von Glücksburg, Stadtrat John Witt, ein echtes Horrorszenario: "Ich hatte wohl mit einer Teilschließung gerechnet, wenn man das so formulieren darf, aber nicht mit einer kompletten Auflösung des Flottenkommandos. Also - ich bin da sehr überrascht und geschockt." Und auch der Kieler SPD-Bundestagsabgeordnete und Verteidigungsexperte Hans-Peter Bartels kann die Pläne des Verteidigungsministers de Maizier für das Flottenkommando nicht ganz nachvollziehen. Er fordert zumindest den Erhalt der unterirdischen Leitzentrale als ein Teil des Standorts an der Flensburger Förde. Schon aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus müsse man... "...Umzüge in so engen Grenzen wie möglich halten. Nicht deshalb umstationieren, weil man glaubt, jetzt die perfekte, endgültige Struktur der Bundeswehr mit einem Schlag erreichen zu können. Man muss schon auch bereit sein, eine Kaserne vielleicht mal nur halb ausgelastet zu haben aber dafür die gerade dort modern errichtete Infrastruktur eben weiter zu nutzen, nicht neue Infrastruktur an eine Stelle errichten, wo man sie an einer anderen Stelle schon hatte." Neu bauen, was an anderer Stelle schon existiert - bei einfachen Kasernengebäuden vielleicht noch nachvollziehbar, meint Bartels. Aber im Fall des Flottenkommandos gehe es auch um hochmoderne Kommunikationstechnik und Datenverarbeitung - eben um die Ausrüstung für eine komplette Führungs- und Leitzentrale der Marine. "Das neu in Rostock aufzubauen würde wiederum zwei-, wahrscheinlich dreistellige Millionenbeträge kosten, also gerade nicht sparen, sondern einfach etwas neu aufbauen, was man schon hat. Ich glaube, hier muss man intelligente Lösungen finden, das man sagt: Dann kann ein Kommando auch erfolgreich an 2 Standorten operieren, moderne Kommunikationsmittel soll es ja schon geben." Der leichte Sarkasmus, der in diesen Worten unüberhörbar mitschwingt, gefällt der Marineführung gar nicht. Natürlich habe man sich auch sehr ausführlich mit finanziellen Aspekten der Strukturreform befasst, betont der Marineinspekteur Vize-Admiral Axel Schimpf. "Wir haben auch das betriebswirtschaftliche betrachtet, wir werden deshalb genau diese Lösung umsetzen, die jetzt auch durch den Minister verkündet worden ist. Das wird sich auf der Zeitachse noch etwas hinziehen, in Teilen wird dieser Umzug erfolgen, und natürlich werden wir die im Moment funktionable Infrastruktur des MOC, des Maritime Operationcenter in Glücksburg, nicht von heute bis morgen aufgeben."22 Sekunden Aber - man wird sie aufgeben, das steht felsenfest, so hat es der Minister verkündet - und so wird es geschehen, daran lässt der Vize-Admiral keine Zweifel. Schließlich müsse man berücksichtigen: "Auch die Infrastruktur in Glücksburg hat eine Verfallszeit und muss irgendwann erneuert werden - und das ist dann der richtige Zeitpunkt, um darüber nachzudenken, an welcher Stelle man sie neu aufbaut." Eine Galgenfrist also zumindest für Teilbereiche des Marinestandorts Glücksburg an der Ostsee. Oder mit anderen Worten: einfach nur etwas mehr Zeit auf dem Weg vom einstigen Investitionsstandort zur Standortschließung. Dritter Beitrag Sachsen - die ehemalige Jägerkaserne in Schneeberg Länge: 6:50 Min. Autor: Ronny Arnold Redaktion: Heidrun Wimmersberg / Julius Stucke _________________________________________________________________________________ Anmod.: Das sächsische Schneeberg im Erzgebirge hat bereits hinter sich, was vielen Bundeswehrstandorten noch bevorsteht. Im März 2008 zogen hier die Gebirgsjäger ab, zurück blieb ein 33 Hektar großes Kasernengelände, in das der Bund in den Jahren nach der Wende knapp 70 Millionen Euro investierte. Trotzdem wurde der Standort nach einem Beschluss des Verteidigungsministeriums, damals noch unter der rot-grünen Koalition, dicht gemacht - mit weit reichenden Folgen für die Region. Bis heute, fast drei Jahre nach Schließung, versucht die Gemeinde den Verlust zu kompensieren - mit eher mäßigem Erfolg. Seit zwei Jahren nun gibt es wenigstens einen Investor, der das Gelände gekauft hat und versucht, Gewerbe anzusiedeln. Ronny Arnold hat die ehemalige Jägerkaserne in Schneeberg besucht und dabei exotische Neumieter angetroffen. Beitrag: Atmo O-Ton: Track 8 (1:40) Horst, komm. Na komm, Dicker. Das ganz Rechte, das ist der Hengst. Da guckt er. Horst schaut skeptisch, auswärtigen Besuch ist er nicht gewohnt. Wenn Johannes Hahn allein vorfährt, kommt das stattliche Alpaka-Männchen sofort angetrabt, meistens bringt er seine vier Damen mit, die ihn hier auf der großen Weide fast immer begleiten. Der kamelähnliche Import aus Südamerika ist für die Rasenpflege zuständig - und frische Wiesen gibt es hier auf dem ehemaligen Kasernengelände jede Menge. Allein ist das für Horst und sein Gefolge kaum zu schaffen. O-Ton: Track 7 (0:40) Mit den vier Jungen von diesem Jahr haben wir neun Alpakas, 18 Zwergschafe und zurzeit noch 29 große. Wir haben wirklich sehr viele Tiere drinnen, ob das Vögel sind, da hat sich sehr viel angesiedelt. Es sind Füchse da, Dachse haben wir hier. Auch wenn die Vermutung nahe liegt: Johannes Hahn ist nicht der Schneeberger Wildparkleiter, sondern Hausmeister auf dem Gelände der über Jahrzehnte von der Bundeswehr und vorher der NVA genutzten Jägerkaserne. Betreuen darf er ein gutes Dutzend leer stehende Unterkünfte, mehrere Lager- und Fahrzeughallen, ein Offizierskasino, den Sportkomplex inklusive Schwimmhalle und Sportplatz - und natürlich die Tiere. Bis zur Frührente hat Johannes Hahn hier als Elektriker gearbeitet, zuletzt für die Bundeswehr, vorher für die Volksarmee. 300 Jahre lang war Schneeberg Garnisonsstadt, dann kam 2008 das Aus. Erst für knapp 70 Millionen Euro sanieren, dann den Standort dicht machen - viele Schneeberger haben das bis heute nicht verstanden, auch Johannes Hahn nicht. O-Ton: Track 5 (9:25) 22 Jahre war ich hier und auch die Soldaten, die sind ungern fort. Die sind alle mit Tränen in den Augen hier fort. Es war ja alles da, alles neu gemacht, die Millionen reingesteckt und dann zugemacht. Wir haben immer gehofft, bis zuletzt, dass Schneeberg nicht mit drankommt. Gehofft haben sie alle umsonst. 2004, unter dem damaligen SPD- Verteidigungsminister Peter Struck, wurde das Ende beschlossen - vier Jahre später verließ der letzte Soldat das Gelände. Eine schwierige Suche nach neuen Investoren begann, 2009 machte in Schneeberg wieder der Name Struck die Runde. Diesmal allerdings der von Gustav Struck, einem Unternehmer aus dem bayerischen Kirchham, nicht verwandt mit dem unbeliebten Minister. Er kaufte die Kaserne für 2 Millionen Euro. Das sind gerade einmal drei Prozent der vorher investierten Bundeswehr-Millionen - ein finanzielles Desaster für den Bund, ein Schnäppchen für den neuen Eigentümer. Diesen neuen Struck, dem auch die Alpakas gehören, mag der alte Hausmeister. O-Ton: Track 5 (5:40) Also es waren bestimmt über 200 Investoren da in der Zeit, die das hier kaufen wollten. Aber der Herr Struck, der ist ja dann gleich von hier weg zum Verkauf gefahren nach Erfurt. Sympathischer Mann, lässt nichts runter lumpern, alles anrichten. Also da ist er hinterher. Johannes Hahn ist Gustav Strucks Mann vor Ort, er kennt jeden Winkel, mehrmals im Monat führt er potentielle Neumieter über das Gelände. Die seien begeistert, weil die Infrastruktur stimmt und alles tadellos intakt sei - dank der Bundeswehr. O-Ton: Track 5 (6:30) Die Hallen unten, die sind fast alle vermietet jetzt. Da haben wir eine große Autolackiererei drinnen, dann haben wir von Stützengrün die Bürstenbude, die haben dort ein Lager. Und jetzt zieht noch eine Firma ein die machen Kunstgewerbeartikel. Sogar die Schwimmhalle könne sofort wieder genutzt werden, wenn nur jemand die Betriebskosten tragen würde. Schwierig ist für den Investor derzeit noch die Vermietung der ehemaligen Soldatenunterkünfte, obwohl auch die noch bis zum Abzug der Bundeswehr fast alle saniert wurden: vom Dach über die Fenster bis zur Dämmung. Doch Schneeberg braucht weder Wohnungen noch Schulen, die erzgebirgische Kleinstadt leidet unter dem demografischen Wandel, verstärkt durch den Abzug der Gebirgsjäger. Niemand kennt die damit verbundenen Probleme besser als Frieder Stimpel, der CDU-Bürgermeister der 16 Tausend Seelen Gemeinde. Atmo: Kettensäge, Arbeiter beim Aufstellen des Weihnachtsbaums Sein Rathaus am Marktplatz, wenige Kilometer von der außerhalb des Ortes gelegenen Kaserne entfernt, steckt mitten in den Weihnachtsvorbereitungen. Gerade wird eine etwas überdimensionierte Tanne ins Haus getragen - doch beim Thema Bundeswehr und Jägerkaserne vergeht dem Bürgermeister sogleich die feierliche Stimmung. O-Ton: Track 4 (23:30) Da bin ich bis heute noch verärgert, wo der damalige Verteidigungsminister Struck den Landrat und mich, genauso wie von den anderen zu schließenden Standorten, nach Bonn bestellt hat und uns dort erzählt hat, dass wir geschlossen werden und kümmert euch selbst mit eurem Land. Also das war schon an der Grenze dessen, was man als anständig bezeichnen kann. Die Schließung der Kaserne ist für Frieder Stimpel ein emotionales Thema, ein wirtschaftliches Problem für die gesamte Region. 60 Prozent der Soldaten waren hier zu Hause, kauften die Brötchen beim städtischen Bäcker, besorgten Geschenke in der Parfümerie am Markt und wohnten in den umliegenden Dörfern. Einige pendeln heute noch in die verbliebenen sächsischen Bundeswehr-Standorte Marienberg und Frankenberg, doch ein Großteil dient jetzt in Bayern - und hat Schneeberg den Rücken kehren müssen. O-Ton: Track 4 (2:30) Wir haben in Spitzenzeiten 100 Zivilbedienstete rund im Standort gehabt und bis zu 1500 länger Dienende. So dass der überwiegende Teil Kaufkraft mitbrachte, und dieses Wegbrechen hat Löcher im Dienstleistungssektor gerissen, bis hin, dass man auch Schließungen hat von Geschäften im Zentrumsbereich. Und das tut natürlich schon weh. Und es ist ja nicht nur der Betroffene, der versetzt wurde an andere Standorte weg, sondern der hat ja auch seine Familie mitgenommen, seine Kinder mitgenommen. Dem neuen Eigentümer zollt auch der Bürgermeister Respekt. Der sei engagiert, bemühe sich so gut es eben geht. Und die Neumieter in den Hallen machen Mut. Bauchschmerzen bereiten ihm vielmehr die Kommandeursgebäude und der unglaublich große Bereich der leer stehenden Soldatenunterkünfte. O-Ton: Track 4 (6:00+10:40) Wohnungsbau, ist kein Bedarf bei uns. Wir bauen mit Fördermitteln entsprechend dem demografischen Wandel Wohnungen zurück. Und eine Bildungseinrichtung in privater Form anzusiedeln ist kein leichter Weg, da sind wir immer wieder am Suchen gemeinsam mit dem Eigentümer, aber es hat sich noch keine geeignete Lösung gefunden. Bei weitem ist es noch keine Kompensation von dem, was wir verloren haben und das werden wir auch nie erreichen. Ideen gibt es genügend, doch die strukturschwache Region Erzgebirge zieht nicht unbedingt das große Kapital an. Vorübergehend wurden 200 Asylbewerber in der ehemaligen Kaserne untergebracht, weil in Chemnitz gerade das Erstaufnahmeheim saniert wird. Der Vertrag gilt bis Anfang kommenden Jahres, von Dauer ist das alles nicht. Und so wird Hausmeister Hahn wohl noch einige potentielle Neumieter über das Kasernengelände führen müssen, bis vielleicht mal der ganz große Fisch anbeißt. Ach ja, einen schönen Teich gibt es hier übrigens auch, gar nicht weit weg von Horsts Gehege und dem seiner Alpaka-Familie.