COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Die Talentsucher: Von Scouts und ihren Kickern! Deutschlandradio Kultur Nachspiel 29.1.2017, 18:05 Uhr Messi gesucht Talentscouts in Deutschland Von Thorsten Poppe Der eine fahndet bundesweit nach den besten Kickern unter den Flüchtlingen. Der andere setzt darauf, dass die talentiertesten Nachwuchsfußballer aus der ganzen Welt den Weg in seine Fußballakademie finden. Was Ivan Knezovic und Rüdiger Schult verbindet: die Hoffnung, mit diesen jungen Spielern im Profifußball Geld zu verdienen. Doch wie schwierig es ist, sich im Land des Weltmeisters sportlich in den Blickpunkt zu spielen, zeigt das Beispiel des ehemaligen syrischen Fußballprofis Waseem Al Radj. Der 25-Jährige spielte zwar in seiner Heimat in der höchsten Spielklasse. Doch jetzt muss er sich erst einmal in der Landesliga bei seinem neuen Verein SV Schluchtern durchsetzen. "Der Junge ist blitzschnell...blitzschnell!" Ivan Knezovic steht am Spielfeldrand des Kunstrasenplatzes beim FC Lindenberg mitten im Allgäu. Hier an der Grenze zu Österreich beobachtet er ein Fußball-Talent. Den 16jährigen Jawid, einen Flüchtling aus Afghanistan. Erst seit kurzem spielt er hier im Süden Deutschlands, aber schon hat Ivan Knezovic davon Wind bekommen. Denn er sichtet deutschlandweit als Einziger gezielt nach talentierten Flüchtlings- kickern: "Der Junge ist schon wendig, ich schätze Wirbelwind. Schnell ist er auf jeden Fall. Seine Bewegungen sind schon auf Motorik gesehen sehr explosiv, sagen wir mal so. Also kann mir gut vorstellen, dass da was drin steckt ... !" Den Tipp hat Ivan Knezovic von einem Fußballer bekommen, den er schon lange kennt. Das ist der Kern seines Geschäfts. Ohne ein entsprechendes Netzwerk kann er unmöglich die großen Talente unter den Flüchtlingen entdecken, bevor andere Scouts davon irgendwie hören. Denn auf die ins Land strömenden Neuankömmlinge im Fußball achtet die Konkurrenz erst, wenn die Kicker schon irgendwo für Furore gesorgt haben. Der gebürtige Kroate will sich aber schon vorher sein eigenes Urteil bilden. Damit er zuerst am Ball ist und den Kicker bei entsprechendem Potenzial unter Vertrag nehmen kann. Deshalb will er mit dem Trainer der B-Junioren des FC Lindenberg erst einmal abklären, ob der seine Eindrücke bestätigt: "Auf der Außenbahn durch seine Schnelligkeit ist er eine Waffe." "Ich habe vermutet, also Linksaußen." "Weil der wirklich torgefährlich ist. Er bleibt dazu noch ein Jahr in der B-Jugend." "Dann haben wir noch mal ein Jahr in B-Jugend!" Eine gute Nachricht für Knezovic. Jawid ist gerade erst 16 Jahre alt geworden und kann noch über drei Jahre in der Jugend spielen. Das ist deshalb so gut, weil er dann seine taktischen Defizite ausmerzen kann. Ein häufig auftauchendes Problem bei den Talenten, die mit der Flüchtlingskrise ins Land strömten. Wie viele das genau sind, kann keiner sagen. 2015 wurden über 1 Million Neuan- kömmlinge in Deutschland registriert. 700.000 davon kamen allein aus Syrien, Irak und Afghanistan, wo die Kinder und Jugendlichen fußballverrückt sind. Daher macht es für Knezovic Sinn, unter den bisher noch unbekannten Spielern einen echten Volltreffer zu entdecken. Vor allen anderen im Fußball-Geschäft. Er versucht mit Jawid und dessen Trainer darüber ins Gespräch zu kommen: " Du bist noch ein Jahr in B-Jugend. Wir rufen mal ein paar Stellen an, mal ein Probetraining ... ?!?" "Ja selbstverständlich, klar. Kein Problem." "Und dann irgendwann mal, geht es schon bergauf." "Bundesliga, das ist der Traum von ihm". "Nä, nix Bundesliga. Immer kleine Schritte, nicht große Schritte, immer kleine Schritte." Ivan Knezovics Besuch beim FC Lindenberg sorgt erst einmal für Aufsehen. Die große Fußballwelt scheint zu Gast zu sein bei dem kleinen Amateurverein, der auf fast 1.000 Metern seinen neuen Kunstrasenplatz hat. Wie so viele andere Klubs hat er die Neuankömmlinge gerne aufgenommen und fühlt sich für deren Wohl verantwortlich. Deshalb will der Vorstand mehr über den Scout und seine Expertise wissen: "Ist das, was Sie machen, hat das einen privaten Hintergrund, oder ist das beruflich?" "Ich habe schon ziemlich gute Kontakte, ziemlich gute Kontakte mehrerer sagen wir mal so sportliche Funktionäre in ganzer Bundesliga, 2. Bundesliga, und so weiter. Dann habe ich teilweise gearbeitet für Agenturen, Trainingslager, und so weiter. Weltmeisterschaft 2006 und so weiter, das sind so Geschichten." So richtig rückt Ivan Knezovic nicht mit der Sprache heraus, ob er mehr einem Hobby nachgeht oder ob er damit Geld verdienen will. Seine Kontakte sind unbestritten. Doch ob auch genügend am Ende für ihn hängen bleibt, ist jedenfalls zweifelhaft. Vielleicht kommt er ja mit Jawid weiter. Er fährt nach dem Training noch mit zu seiner Familie ins benachbarte Flüchtlingsheim und will seinen Aufenthaltsstatus klären. Denn davon hängt ab, ob Jawid zum Beispiel zu weiter entfernten Auswärtsspielen seiner Mannschaft reisen darf oder nicht. Als Asylbewerber hat er nur beschränkte Reisefreiheit und darf den Landkreis nicht verlassen. Es wäre einfacher, wenn er geduldet wäre. Dann dürfte er sich in ganz Bayern bewegen. Ob Jawid also von Knesovic überhaupt vermarktet werden kann, liegt an seinem Aufenthaltstitel: "Aufenthaltstitel ist bis 31.03.2017. Der gilt für alle Familienmitglieder. Da ist Jawid auch dabei." Wenn Du jetzt irgendwo reisen willst, dann musst Du mit Onkel reisen, weil er die Papiere hat, oder? Er muss jedes Mal hin und her. Oder er kann auch alleine reisen, oder?!?" "Ja, kein Problem". Die Antwort reicht Ivan Knezovic. Er will für Jawid in den kommenden Wochen ein Probetraining organisieren. "Come on, go. Why came the ball down? Try, go on...!" Lautstark und auf Englisch gibt Rüdiger Schult seine Anweisungen auf dem schnee- bedeckten Naturrasen. Morgens um 10 Uhr hat der Ex-Profi in seiner Fußball- akademie zum ersten Training geladen. Nachmittags gibt es eine weitere Einheit, bevor die Kicker abends noch zu Vereinen in der Umgebung zum Training gehen. 14 sind es zurzeit in seiner Schule, alles hoffnungsvolle Talente zwischen 17-20 Jahren. Aus aller Herren Länder hat es sie in die niedersächsische Tiefebene nach Schüttorf nahe der Grenze zu Westfalen verschlagen: "Der kommt aus Venezuela. Sechs sind aus Kolumbien hier. Ein Ukrainer. Der da hinten, da hinten der hat zwei Länder: Kolumbien und Afrika. Der eine kommt aus Indien. Indien. Und der aus der Ukraine, aus Kiew. Wenn die hierher kommen, haben die die Möglichkeit, wenigstens drei Monaten bei uns zu bleiben. Viele kommen auch aus Italien, oder spanische Visa, also Schengen-Visas, das ist ja alles das Gleiche. Die haben dort Verwandtschaft, die dort schon wohnt." Wenn die Spieler aus aller Welt Verwandtschaft in Europa haben, ist es leichter, ein Visum für das Land zu bekommen, in dem Familienmitglieder schon wohnen. Liegt es im Schengen-Raum, kann sich der Spieler darin frei bewegen. Beispielsweise von Spanien nach Deutschland. Rüdiger Schult versichert, dass er nur Talente mit Visa in seine Akademie aufnimmt. Schwieriger wird es, wenn keine Verwandtschaft in Europa existiert. Dann muss er beispielsweise für den dreimonatigen Aufenthalt ein Extra-Konto anlegen. Auf dem werden 2.500 US-Dollar hinterlegt, sonst gibt der deutsche Staat kein Visum. Damit soll gewährleistet werden, dass der Kicker in dieser Zeit selbständig seinen Lebensunterhalt in Deutschland bestreiten und auch einen Rückflug in sein Heimatland finanzieren kann. Da die meisten Talente eine solch große Geldsumme nicht aufbringen können, übernimmt Schult meist diese Kaution. Unter einer Voraussetzung: Das Ticket muss schon vorliegen. Für ihr Ziel Fußballprofi riskieren die Talente also viel. Weit weg von ihrer Familie, weit weg von ihrer Heimat, und in einem fremden Land wollen sie sich durchbeißen. Das unterscheide sie auch von den Flüchtlingen, merkt Rüdiger Schult an: "Wir haben hier in Schüttorf Flüchtlinge, die kommen ab und zu mal zum Training. Wir haben denen das angeboten. Aber morgens ist zu früh für die. Wenn wir hier um 10 Uhr sind. Wir trainieren ja auch im Regen, da wollen sie auch nicht kommen. Und heute ist Schnee, da wird sowieso keiner kommen. Das muss man ganz ehrlich sagen. Bei unseren hier ist es anders. Die wollen was, die wollen weiterkommen. Und die einzige Möglichkeit weiterzukommen ist Training. Und wir trainieren hier einfach 7-9 mal die Woche, plus die gehen zum Verein zum Training." Natürlich sind es andere Umstände für die Talente, die freiwillig nach Deutschland kommen. Sie sind nicht durch Flucht und Krieg vertrieben worden. Dazu wäre es schon ein großer Zufall, wenn gerade in Schüttorf ein talentierter Flüchtlingskicker auftauchen würde. Rüdiger Schult ist eben ein anderes Engagement gewohnt. Er betreut Talente, die Profis werden wollen. Der 20jährige Marco ist eines dieser Talente. Nach dem Training zieht er sich mit den anderen Kickern in der Kabine der großzügigen und modernen Anlage des Vereins Schüttorf 08 um: "Südamerikanische Musik läuft, die Spieler singen mit, ziehen sich dabei um." Es gibt hier mehrere Kabinen in einem kleinen Stadion mit Tribünen, daneben mehrere in gutem Zustand befindliche Trainingsplätze. So etwas kennt Marco aus seiner Heimat nicht. Nach der ersten Einheit hat er jetzt zwei Stunden Freizeit bis zum nächsten Training am Nachmittag. Zum Essen geht er die 5 Minuten zu Fuß zurück zur Akademie. Einem großen Haus an der Hauptstraße des Ortes, wo alle Talente unter einem Dach leben. Es erinnert eher an eine Jugendherberge als an eine moderne Fußball- Akademie. Der Geruch auch mehr an Kabinen in einer Sporthalle als an ein Wohnhaus. Doch das stört hier keinen. Beim Mittagessen erzählt Marco von seinem Leben, seiner Heimat Kolumbien und seinen Zielen, die er bei Rüdiger Schult und in Deutschland erreichen will: "Ich komme aus Cúcuta. So heißt meine Stadt. Kennst du James Rodriguez von Real Madrid? James? In meiner Stadt geboren. Aber zum Beispiel ich spreche gut deutsch, aber nur für Fußball. Ich will mehr deutsch lernen, um hier zu studieren, an der Universität. Aber ich kann alles verstehen. But the most important thing for me in m life project is become a professionell soccer player. Wir trainieren zweimal pro Tag in der Akademie mit Coach Rudi. Every day we work very hard to reach our dreams. and i hope one day you will see us in der Bundesliga oder Zweite Liga." Marco peilt also die Bundesliga oder die 2. Bundesliga an. Dafür hat er eine Strecke von mehr als 8.500 Kilometer von seiner Heimatstadt in Kolumbien nach Schüttorf in Niedersachsen auf sich genommen. Sein Studium zum Elektro-Ingenieur hat er dafür aufgegeben und investiert jetzt alles in den Sport. Selbst wenn es mit seinem Traum vom Fußball-Profi nicht klappen sollte, sieht er seine Zukunft weiter in Deutschland. Er will nach den drei Monaten in der Akademie zurück nach Kolumbien, um dann als Student zurückzukehren. Mit einem Studienplatz in Deutschland gäbe es auch keine Visa-Probleme mehr. Für seine Zeit an der Uni hätte er Aufenthaltsrecht. Doch sein eigentliches Ziel verliert er nicht aus den Augen und hofft mit Rüdiger Schults Hilfe noch auf einen Profi-Vertrag. Dafür will er täglich im Training besser werden: "Ich glaube, dass ich muss alles verbessern. Das ist egal, wie gut ich bin. Das ist egal. Wir müssen immer verbessern. Ich glaube, mein rechter Fuß ist sehr gut, meine linke Fuß auch. Gute, lange Bälle. Das Spiel besser lesen - you have to know how to read the game." Das Spiel besser zu lesen ist gerade für die Südamerikaner wichtig. Der europäische Fußball ist schneller und geradliniger. Für die Talente aus Übersee und Afrikaner sicher die größte Umstellung. Deshalb versucht Rüdiger Schult in der zweiten Trainingseinheit darauf den Schwerpunkt zu legen, denn er weiß genau: Ohne diese Eigenschaft ist eine Profi-Karriere in Europa aussichtslos: "Die spielen da auf Sandboden. Und rotem Boden. Den Ball muss man sowieso immer stoppen. Da wird auch nicht schnell gespielt. Die Südamerikaner spielen keinen schnellen Fußball. In Deutschland wird der Ball nach vorne gespielt, in Südamerika wird der Ball nach vorne getragen. Eins hier, eins da, eins da, das ist der Unterschied. Und dass muss man denen beibringen, dass man das schneller machen muss. Dass man mit dem Kopf spielen muss. Jeder kann mit dem Fuß Fußball spielen, und jeder kann laufen und das, aber man muss denken. Fußball ist eine Kopfsache." Es mutet schon ziemlich skurril an hier mitten auf dem platten Land, über die große Fußballwelt zu sprechen. Vor allem mit Rüdiger Schult, der hemdsärmelig daher kommt. Und sich nicht viel um den äußeren Eindruck schert, sondern einfach sein Ding macht. Mit 31 Jahren musste er nach diversen Gehirnerschütterungen seine Spielerkarriere beenden. Danach machte er die Trainerlizenz und sammelte erste Erfahrungen in Celle und in Lüneburg. Dann wanderte der 4fache Vater mit seiner Familie in die USA aus und zog von Florida aus ein Geschäft mit Natursteinen auf. Mittlerweile führen seine Kinder das Geschäft weiter, und er kann sich seinem neuen Vorhaben widmen: Fußballtalente auszubilden. Nach Schüttorf ging er, weil der Ort strategisch günstig liegt. Man ist schnell in Belgien, Holland, Frankreich oder Dänemark. So weit weg die große Fußballwelt zu sein scheint, Rüdiger Schult hat überall hin Kontakte. Ständig klingelt bei ihm das Telefon, dieses Mal meldet sich jemand aus Rumänien. "Hello? You are the guy in Romania? How are you doing...." Rüdiger Schult kennt sich gerade im afrikanischen Fußball gut aus. Ständig ist er auf dem Kontinent, um Talente zu sichten. Falls es dann jemand aus Afrika nach Europa schafft, egal über welchen Weg, und sie dann auf dem Kontinent stranden, wenden sie sich verzweifelt an Schult. Er versucht ihnen dann zu helfen, auch wenn er sie nicht kennt. Meist mit wenig Aussicht auf Erfolg: "Das sind Spieler. Afrikaner. Die werden nach Rumänien gebracht und sitzen da auf der Straße. Dann rufen sie hier an, und dann versuchen wir denen zu helfen. Mit einer Einladung. Wenn die Einladung durchkommt, ist es okay, wenn sie nicht durchkommt, dann können sie nicht herkommen. Aber das ist das beste Beispiel: Viele Ostblockländer wie Moldawien, Russland, Ukraine und Rumänien. Die holen die Afrikaner rein, bezahlen die nicht, und dann versuchen sie irgendwo anders unterzukommen. Und da haben die keine Chance, weil die gehören wiederum nicht zum Schengen-Raum. Meistens ist das ne Ablehnung sowieso, dieser kam aus Kamerun, ist nach Rumänien zum Fußball. Hat da gespielt für einen Verein, der hat kein Geld mehr, da sitzt er auf der Straße." Viel wird Rüdiger Schult nicht tun können. Allein in Deutschland vermutet er 2.000 illegal lebende afrikanische Fußballer, die sogenannte Spielerberater gegen Geld hierher bringen. Die Afrikaner werden also zuerst abkassiert, und dann sich selbst überlassen. Die von Schult genannten Zahlen lassen sich offiziell nicht bestätigen, aber seine Erfahrungen in diesem Geschäft machen deutlich: Es ist ein Spiel mit den Hoffnungen der Talente, die schamlos ausgenutzt werden. Deshalb ist für Schult das Visum auch so wichtig, es schafft Vertrauen und Verbindlichkeit. Auf beiden Seiten. Sein guter Ruf scheint ihm jedenfalls wichtig, auch weil er ihm wegen seiner Afrika- Expertise in Sachen Fußball große Aufträge einbringt: "Afrika fliege ich hin, weil wir nach Mexiko vier Spieler bringen. Da haben wir einen Vorvertrag unterschrieben, und wir bringen vier Spieler von da. Die wollen nur Afrikaner haben, da haben wir gar keine andere Möglichkeit, andere Spieler hinzubringen. Die haben uns gesagt, die müssen über 1,85 sein, groß und stark sein. Da gehen wir natürlich hin, versuchen welche zu finden, bringen die nach Mexiko." Was er damit verdient, verrät er nicht. Aber es ist ein Standbein seines Geschäfts. Daneben hat er von seinen Talenten einen Spieler bei Rosenborg Trondheim untergebracht. Der norwegische Klub spielt in der Champions-League und zahlt dementsprechend. Ein anderer seiner Schützlinge kickt in der zweiten spanischen Division beim FC Getafe. Solche Profi-Verträge sichern ihm die Existenz seiner Fußballschule. Denn er bekommt 10 Prozent des Gehalts seiner Talente. Daneben holt er sich Sponsoren mit ins Boot. Das sind Privatleute, die zum Beispiel den Aufenthalt der Talente in der Akademie für drei Monate bezahlen. Dafür kassieren sie dann ein paar Prozent der möglichen Gehaltszahlungen, falls der geförderte Spieler Profi wird. Sie investieren damit in die Zukunft des Talents und hoffen auf eine mögliche Rendite. Mario aus Kolumbien gilt als große Hoffnung. Bis sich ein Verein für sein Können interessiert, hat ihn Rüdiger Schult nicht weit von Schüttorf in Emsdetten untergebracht. Hier in der Landesliga kickt er mit, um Spielpraxis zu bekommen. Für ihn ist es zwar die dritte Einheit heute, dennoch wirkt er ein wenig unterfordert beim Warmspielen im Kreis. Er soll den abstiegsbedrohten 05ern helfen, gerade im bevorstehenden Derby gegen Borussia Emsdetten: "Sonntag ist Derby, viele Zuschauer. Es braucht uns keiner nachher kommen am Sonntag, dass er nicht gespielt hat. Wenn ich gerade im Kreis sehe, was da los war bei einigen. Da ist ganz einfach: Da sitzt ihr Sonntag 90 Minuten auf der Bank. Es geht nur noch drum, wer voll dabei ist die Woche im Training. Wer 100 Prozent fokussiert ist hier, der wird nicht spielen am Sonntag. Wir brauchen Leute, auf die wir uns verlassen können am Sonntag. Es wird richtig abgehen am Sonntag, ja!" Trainer Christian Bienemann zählt dabei gerne auf so einen Spieler wie Mario. Weil er weiß, auf ihn ist Verlass. Denn er wird von Rüdiger Schult ausgebildet. Für ihn und den Verein ist das eine Win-Win-Situation. Auch wenn er weiß: Sobald sich ein Geschäft mit einem höherklassigen Verein ankündigt, ist Mario ganz schnell wieder weg: "Ja, dieser Junge brennt. Man muss eher das Feuer versuchen zu löschen, als es aufbrennen zu lassen. Das ist ganz wichtig. Aber er hat mittlerweile eine gute Mischung gefunden, und ja hat eine gute Entwicklung genommen bisher. Mario ist natürlich ein Sinnbild von Integration, hat von vornerein es sehr sehr ernst genommen deutsch zu lernen, sich hier zu integrieren in der Mannschaft. Es hört sich jetzt alles wie so eine Romantik jetzt an, super Jungs, integriert aus Kolumbien, kommen hierhin, aber am Ende des Tages ist das natürlich so, dass Rüdi irgendwann Erfolg sehen will. Und irgendwann geht es dahin, schaffen die es, oder nicht. Das ist schon klar, weil Rüdi ist auch ein Business-Mensch, und will nachher Profit sehen. " Von der dritten Liga an lohnt sich ein Vertrag auch für einen Spielerberater wie Rüdiger Schult. Erst dort sind die Summen hoch genug, um von den 10 Prozent eines Spielergehalts Rendite zu erhalten. Je höher ein Spieler kommt, desto lukrativer das Geschäft für die Scouts und Berater, die ihn dort untergebracht haben. Auf solch einen Vertrag hofft auch Ivan Knezovic, der als Spielerberater Flüchtlinge unter Vertrag nimmt. Sein neuestes Talent heißt Jawid. Er ist 16 Jahre alt und kommt aus Afghanistan. Knezovic hat deshalb beim FV Ravensburg ein Probetraining vereinbart. Der Klub fungiert in der Region zwischen Freiburg und Stuttgart als Ausbildungsverein für talentierte Kicker, die von dort dann auch den Weg in den bezahlten Fußball finden. Ivan Knezovic hat sich dafür mit Wolfgang Grünhagel, dem Jugendleiter verabredet: "Das ist ein junger Afghane. Ich habe ihn in Lindenberg gesehen. Sehr interessant. Ist ein vernünftiger Junge,er spielt U-17. Das, was Ihr braucht halt." "U17 brauchen wir noch was. Das ist richtig, da suchen wir noch was." Ivan Knesovic kennt Wolfgang Grünhagel schon länger. Er ist derjenige, der im Verein die Zugänge koordiniert und sich mit den Trainern Talente anschaut. Heute also der wichtigste Mann für den Fußballscout und seinen Schützling. Eigentlich dürfte Ivan Knezovic Jawid gar nicht hierher bringen. Denn er wohnt in Lindenberg, einem Ort in Bayern. Ravensburg ist zwar nicht weit davon entfernt, liegt aber schon in einem anderen Bundesland. In Baden-Württemberg. Asylbewerbern ist es nicht erlaubt, ihren Landkreis zu verlassen. Schon gar nicht ihr Bundesland. Obwohl Knezovic den Asylstatus Jawids vorher überprüft hatte, handelt er nun gegen die rechtlichen Bestimmungen. Das stört hier aber erst einmal keinen. Jawid soll zeigen, was er kann, und wird freundlich von einem der Trainer begrüßt: "Hi, what is your name?" "Jawid!" "Where do you come from?" "Afghanistan!" Die Hürden sind hoch im Land des Weltmeisters, die Ausbildung mittlerweile auf höchstem, professionellen Niveau. Das merkt auch Jawid heute. Das Spiel ist hier beim FV Ravensburg auf einem ganz anderen Level als in seinem jetzigen Verein Lindenberg. Dazu trainiert er noch mit der A-Jugend, wo die Spieler ein bis zwei Jahre älter sind, als er. Dennoch nimmt Jawid die für ihn sicher ungewöhnliche Situation an. Wolfgang Grünhagel will von den Trainern wissen, ob er einer ist, der hier ausgebildet werden sollte: "Ihr habt diesen Spieler angeschaut, kurzes Fazit einfach. Was haltet Ihr von diesem Spieler?" "Der Spieler macht zu mindestens fußballerisch einen guten Eindruck, also sprich technisch recht stark. Auffallend ist körperlich, das ist sicher dem Alter geschuldet, aber körperlich müsste er auf jeden Fall noch zulegen. Und auch vom Tempo her hat er ein bisschen Probleme. Aber fußballerisch ist er im jeden Fall in der Lage, uns in der B-Jugend weiter zu helfen." "Also gut, dann sage ich Ivan, dass wir ihn noch einmal einladen, und dann eine Entscheidung fällen." Jawid darf sich noch einmal unter Gleichaltrigen beweisen. Ein guter Start für Ivan Knezovic und seinen neuen Klienten. Aber es bleibt von hier aus noch ein langer Weg bis in den bezahlten Fußball. Dorthin haben es immerhin schon ein paar talentierte Flüchtlingskicker gebracht. Bakery Jatta aus Gambia war der erste Neuankömmling, der in der Bundesliga einen Profivertrag erhielt. Er spielt jetzt beim HSV. Ousman Manneh erzielte im Trikot von Werder Bremen das erste Tor eines Flüchtlings in der Bundesliga. Dahin möchte auch Ivan Knezovic irgendwann mit einer seiner Entdeckungen unter den Neuankömmlingen: "Ich habe eine Instinkt. Wenn ich Dir sage etwas. Ich brauche 10 Minuten, nach 10 Minuten weiß ich ganz genau, was da los ist. Entweder ist er Spieler, oder Schauspieler ... ich weiß nicht wie, aber das ist so." "Ich denke schon, dass der Ivan schon hofft, dass einer irgendwann mal den Sprung schafft." "Das wäre mein Wunsch."