Deutschlandrundfahrt Von Geistern und Gespenstern Reise zu Orten, an denen es spukt Eine Sendung von Gesa Ufer Sendedatum 27.07.2014 Ton: Andreas Krause Regie: Karena Lütge Redaktion: Margarete Wohlan Eine Produktion von Deutschlandradio Kultur 2014 Musik 1 aus dem Krabat-Soundtrack Krähen & Musik darüber O-Ton 1 Des sind aber lauter Erfindungen, das stimmt alles net. Des ist ja nix nachweisliches. - Ach, das, meinen Sie, hat alles mit dem Internet angefangen. Vorher gab´s noch nicht diese Schauermärchen? - Nein, einige Jahre, seitdem das im Internet ist. Autorin: Spuk- und Geistergeschichten gibt es überall auf der Welt ? und zwar längst nicht nur im Internet. Wo aber leben Geister in Deutschland am liebsten? Spuken sie häufiger auf dem Land oder in Städten, im Westen oder im Osten? Und sind sie bei den Ungläubigen vielleicht lieber unterwegs als in religiös geprägten Gegenden? Musik 1 aus dem Krabat-Soundtrack Krähen & Musik darüber Musik / Blende Kennmusik Deutschlandrundfahrt ? darüber Sprecher vom Dienst: Von Geistern und Gespenstern ? Reise zu Orten, an denen es spukt. Eine Deutschlandrundfahrt von Gesa Ufer Musik 1 (Krabatsoundtrack) darüber: Meine Suche beginnt in der düsteren Krabat-Mühle in der Lausitz. Dort strotzt es nur so vor unheimlichen Sagen und Geschichten. Hierhin soll einst der schwarze Müller, eine Art Teufel, seine Lehrlinge gelockt haben. Otfried Preußlers Krabat-Fassung gewann 1972 den Jugendliteraturpreis, auch die Verfilmung war ein großer Erfolg. O-Ton 2 Komm nach Schwarzkollm in die Mühle, es wird zu Deinem Schaden nicht sein. Du bist zu Höherem berufen, komm zu mir in die Mühle ? Komm. Du wirst keinen Hunger mehr leiden müssen. Komm. Folge der Stimme des Meisters. Blenden mit Atmo 1 (Fußball), hochziehen, dann runterblenden und darauf: Autorin: Durch das sächsische Hoyerswerda führt der Weg direkt ins Krabatland. Vorbei am großen KRABAT-Brunnen und der KRABAT-Stele grüßen die ersten Keramikraben von den Dächern der Bauernhöfe. Hier im Koselbruch in Schwarzkollm wird seit mehreren Jahren die sagenumwobene schwarze Mühle neu erschaffen. Atmo 1 kurz wieder hochziehen, dann: Autorin: Schon von weitem erkenne ich: Hier wird´s nichts mit dem Spuk, wenigstens nicht an diesem Wochenende. Das Areal strahlt die fröhliche Atmosphäre eines Festivals aus: Neben den neu erbauten pseudohistorischen Gebäuden und Nebengelassen stehen mehrere Zirkuszelte, auf der Wiese wird Fußball gespielt, jongliert, gerauft. Atmo 1 nochmal hochziehen Autorin: Große Schilder verraten: Die evangelische Jugend Berlin, Brandenburg und Schlesische Lausitz trifft sich auf der Krabatmühle zum Landesjugendcamp, im Folkcafé, dem Kreativzelt oder auf der Terrasse vor der urigen Krabat-Bierstube. O-Ton 3 ein Krabat Pils, bitte Autorin: Gleich hinter dem Karaoke-Zelt steht Dieter Klimek mit einer Gruppe betagter Touristen. Der Lausitzer macht sich seit Jahren für die Krabat-Mühle stark. Wenn die gruselige Sage nachgespielt wird, verkörpert er den schwarzen Müller, mit dichtem grauem Bart, vernarbtem Gesicht und seiner vollen, durchdringenden Stimme. O-Ton 4 Es gibt ja viele, die die Geschichte nicht gelesen haben oder den Film nicht gesehen haben. Der Krabatfilm der dauert ungefähr zwei Stunden und ich hab immer die Aufgabe, den Krabatfilm in zwei Minuten zu erzählen. (...)Also, es kommt ein junger Bursche mit Namen Krabat an die schwarze Mühle. Da kam wieder und wie in jedem Jahr stand so ein armseliges Würstchen bibbernd vor Kälte und hungrig vor meiner Tür. Es war immer das gleiche mit den Kerlchen. Sie irrten umher und suchten ihr Glück. Jahr für Jahr nahm ich einen auf, gab ihm einen Schlafplatz und Kleidung und manchmal, ja manchmal gab ich sogar vor, den einen oder anderen trösten zu wollen. In Zeiten wie jenen hatten sie fast alles verloren und waren dankbar für jedes aufmunternde Wort. Nach anfänglichem Zögern fassten sie Vertrauen und mit der Aussicht neben dem Müllern auch noch die Kunst der Künste, die schwarze Magie zu erlernen, schlugen sie ein und besiegelten mit ihrem Handschlag den Pakt. Nun mussten sie mir unabdingbaren Gehorsam leisten und ahnten nicht einmal, wem sie da ihre Linke entgegenstreckten. Sie hatten keine Wahl. Auch dieser Krabat nicht. O-Ton 4 mit Verabschiedungsszene als Hintergrund darüber: Autorin: Die Gruppe wird verabschiedet, es geht zurück an der eigentlichen Mühle vorbei, die mit originalen Requisiten aus dem Kinofilm ?Krabat? aufgebaut wurde. Sogar das Mühlrad dreht sich ? wenn man einen Euro in den Kasten daneben wirft. O-Ton 5 Warte Eva, hier ist das Geld ? hier rein? Ja, dort oben.. Dauert ja ´ne Minute?Sie wollte das schwarze Eis essen, deswegen sind wir hier (lacht) Jetzt kommt das Wasser (rauscht) Kind: Jaa, das Wasser! (plätschert) ? bis ?.. (0:47) Darüber Autorin: Kein Zweifel, dieses ältere Paar, das seiner Enkelin gerade die Mühle zeigt, kennt sich in der Gegend aus ? vielleicht bekomme ich hier meine ersten Antworten, in dieser sagengesättigten Landschaft. O-Ton 5 (kommt wieder hoch) Na, vielleicht hatten die Bauern ? ich würd mal sagen: Es war viel Dorfbevölkerung. Und die wollten sich ja irgendwie unterhalten und ich meine, man macht sich ja irgendwie interessant, wenn irgendwo sone Geschichte erzählt wird. Und einer erzählt es dem anderen weiter, Sie wissen ja wie das immer so ist, ?vielleicht ist..? und der nächste macht schon draus ?es ist? ? und wenn mal irgendwo was passiert ist, was nicht so ganz geheuer ist, was aber ganz normal ist, das haben die dann eben weiter getragen und haben gesagt: Da ist mir das und das passiert. Hast Du die Vögel gesehen, nicht? Oder irgendwie? So ist das, ich denke mir, schon entstanden. Weil hier Landwirtschaft ganz groß geschrieben war und wir stammen ja ? ich bin ja auch in der Landwirtschaft groß geworden. Und da war das halt was, wenn man hörte: Ach die Schwarze Mühle, und da hat´s gespukt. Und dann ist man da halt ganz vorsichtig drum rumgeschlichen. Autorin: Spukgeschichten, um sich bei der Feldarbeit wichtig zu machen. Apropos Feldarbeit: War da nicht noch die Sage von der Mittagsfrau? Dieter Klimek kennt sie natürlich, die todbringende Geister-Erscheinung, vor der sich die Bauern in der Lausitz so fürchteten: O-Ton 6 Ja, das ist die Frau, die dafür gesorgt hat, dass man auch in der Mittagszeit in der Gluthitze seine Freizeit, seine Pause einhält, dass man da isst am Wegesrand. (..) und die hat auch ne Sense und ne Sichel mitgehabt ? Und wenn nicht, dann hat se einen um die Ecke gebracht? ? Genau. So soll es gewesen sein. So erzählt man die Geschichte. - Eigentlich eine ganz nette Pausenerinnerung, aber dann eben doch mit tödlichem Ausgang? ? So ungefähr. Und deshalb gibt es in den Regionen, wo man die Geschichte gut kennt, da gar keine Probleme mit der Mittagszeit. Das heißt, alle versuchen da irgendwie der Sage nach sich zu verhalten. Autorin: Auch wenn er sie alle draufhat, Dieter Klimek, der schwarze Müller, zeigt sich von den alten Geschichten selbst gänzlich unbeeindruckt. O-Ton 7 Also ich hab von dem ganzen ?ich hab auch keine Angst vor nichts, mit Spuk und so?mach ich auch nicht. Wir haben hier so viele Kinderveranstaltungen hier, wo man sagen könnte, da könnte man was machen. Die Kinder sagen: ?Ach, tu doch mal zaubern?, Nee, ich kann Ihnen jetzt auch nicht die Frage beantworten warum und weshalb, es ist einfach nichts hier in der Region, wo´s spukt. Autorin: Das ist ein Wort. Vor meiner Abreise komme ich mit einigen Jugendlichen ins Gespräch. Maisha, Johannes und Jan sind aus Berlin angereist, wo sie sich zu Diakonen ausbilden lassen. Beim Stichwort Spuk legt Maisha gleich los: O-Ton 8 Wir hatten zwei Schlüssel für die Wohnung, und Tobias, mein bester Freund, hatte einen und ist damit zur Schule gegangen, während ich in der Wohnung war, den ganzen Tag noch bis mittags bis elf oder zwölf geschlafen. Und bei mir liegt der Schlüssel auch immer auf dem Tisch, ich weiß auch noch genau, wie ich den dahin gepackt habe. Dann hab ich noch geschlafen und hatte so ?n Traum, dass irgendjemand an meinem Bett steht. So, das kann passieren. Und der sagte, der an meinem Bett stand, sagte: ?Ich kann dich beeinflussen. Ich gewinne dieses Spiel.? Bin ich dann irgendwann aufgewacht, um elf, zwölf und dachte: ?Hmm, komisch. War ein echt seltsamer Traum. Hab auch ganz unruhig geschlafen, und dann kam mein bester Freund zurück, war den ganzen Tag in der Schule. Dann klingelts an der Tür ? so um 14 Uhr ? und da kamen Leute ?Hey, wir haben hier einen Schlüssel gefunden? Ich guck auf den Tisch, guck den Schlüssel an. War mein Schlüssel. ?Wo habt ihr den gefunden?? ?Na, da beim Spielplatz? ? Das waren 500 Meter weiter vom Spielplatz entfernt. Der war einfach weg. Es war niemand sonst in der Wohnung, und der Schlüssel lag einfach auf dem Spielplatz. Ich hätte den weder werfen können, denn so lang kann kein Mensch werfen, und ich hätte auch nicht aus der Wohnung rausgehen können zum Spielplatz, denn sonst hätte ich nicht mehr reinkommen können ? da war einfach dieser Schlüssel weg. Autorin: Ah, endlich stellt sich so ein kleines wohliges Schaudern ein. Jan, der mit seinem Irokesen-Haarschnitt und den Piercings nicht auf Anhieb als angehender Diakon zu erkennen ist, hat auch noch eine Geschichte auf Lager: O-Ton 9 Ja, bei mir war´s so, oder bei uns: Wir haben auf den Todestag einer Freundin angestoßen, und ähm, die CDs im CD-Regal waren zur rechten Seite geneigt. Und da war gerade der Moment, in dem sie gestorben ist, diese Uhrzeit, haben wir alle angestoßen, und kurze Zeit später, ist es von rechts nach links umgekippt - und keiner konnte sich´s erklären. Und ein paar Jahre später ist es passiert, dass ihre Todesanzeige, die wir aus der Zeitung ausgeschnitten hatten, ist plötzlich von der Wand gefallen. Also, kein Wind nichts. Also, das war schon ziemlich erschreckend, ja. (0:35) Musik 2 Anna von Hauswolff ? Epitaph for Theodor ? Darunter Atmo Autorin: Auf dem Rückweg führt mich das Navi über völlig leere Nebenstrecken zurück zur A13. Und während kilometerlang nicht ein einziges Auto entgegenkommt, fällt mir erst auf, wie dünn besiedelt diese Landschaft ist. Der Abendhimmel hat sich orange eingefärbt, rechts und links liegen undurchdringliche Wälder. Kein Wunder, dass ausgerechnet hier wieder Wölfe auf dem Vormarsch sind. O-Ton 10 (schauerliches Heulen) Autorin: Geheimnisvoll liegt die dunkle Landschaft der Lausitz vor mir. Später auf der Autobahn A 13 weisen Schilder auf Deutschlands größten Soldatenfriedhof in Halbe hin. 60 Tausend Menschen sollen hier vor den Toren Berlins im April 1945 ihr Leben gelassen haben: Soldaten, die im Kessel von Halbe fielen, aber auch viele Zivilisten, Zwangsarbeiter und hingerichtete Deserteure der Wehrmacht. Ein Augenzeugenbericht aus den letzten Kriegstagen: O-Ton 11 Straßen und Wälder waren Stätten des Grauens, übersäht mit zehntausenden von Leichen, Verwundeten, Pferdekadavern, umherirrenden Kindern, die ihre Angehörigen suchten, tausenden von stehengelassenen Armeefahrzeugen, zertrümmerten Artilleriestellungen und auseinander gesprengen Munitionsstapeln . Überall lagen fortgeworfene Stahlhelme, Gewehre, Maschinenpistolen. Über all dem lag ein Verwesungsgeruch. (0:25) Autorin: Jahrzehnte später ? noch zu DDR Zeiten ? wurde das ehemalige Schlachtfeld zu einer Art Wallfahrtsort für Neonazis, die hier nach alten Orden buddelten. Nach der Wiedervereinigung trafen sich hier jahrelang Alt- und Neonazis zu Aufmärschen und sogenannten Heldengedenkfeiern. Halbe wurde zum Spukort ? für den sehr realen Spuk von rechts. Musik 2 Anna von Hauswolff ausspielen Autorin: Die Autorin und Journalistin Sarah Khan fing um das Jahr 2000 an, zeitgenössische Berliner Spukgeschichten zu sammeln und literarisch auszuschmücken. In ihrem Band ?Die Gespenster von Berlin?, der 2009 erschien und inzwischen ? um einige Geschichten ergänzt ? neu aufgelegt wurde, schreibt sie: O-Ton 13 Mietshäuser und ihre Wohnungen sind keine Familienerbstücke. Sie wechseln ihre Besitzer und Bewohner, ohne deren Erzählungen zu speichern. Alles Alte und Gelebte wird eines Tages ausgeräumt und Neues wieder eingeräumt, ohne Gedächtnis für das Gewesene. Das Haus selbst, und das ist die Erfindung der Gespenster-Kultur, wird aber doch langsam und zunächst abstrakt (mit bildhaften Allegorien), dann konkreter (durch Gedenktafeln) zum Gedächtnisspeicher von Zeiten, Geschichten und Menschen. Tafeln sagen: Ich wurde geboren, ich habe hier gelebt und etwas geleistet, dann bin ich gestorben. Spuk und Gespenster sagen: Ich habe auch hier gelebt, du übler Nachgeborener, auch wenn über mein Leben und meine Leistung nie etwas erzählt wurde. Autorin: Als Sarah Khan nach Berlin zog, hatte sie in ihrer Wohnung zum ersten Mal das Gefühl, es wäre da noch jemand anderes außer ihr. Dann hörte sie die Geschichte über die Frau, die dort gestorben war, und der Stoff zu ihrer ersten Gespenstergeschichte war gefunden. O-Ton 14 ...ich glaube ja, Gespenstergeschichten brauchen Literaten, weil ich hab ja gesehen, dass die Leute kaum erzählen können, sie geben nur Splitter. Sie sagen zwei, drei Sätze. ?Ja, da war wohl was?, oder ?Ich hab mich nicht wohl gefühlt? oder ?Ich konnte nicht schlafen? oder ?Ich hab einen Feng Shui Meister beauftragt? ? der das hier mal reinigt. Also Reinigung spielt eine große Rolle. Und das sind keine Geschichten...... Also, man muss sehr viel arbeiten an solchen mündlichen Splittern, und mit Recherche ? aber auch mit dem, was Literaturen können, mit ´nem Ton und mit ´ner Bewertung und mit ´nem Anfang, Mitte, Schluss einer Geschichte. Autorin: Bei Sarah Khan sind Geister meist rastlose Untote, die gerne in ihre alten Häuser zurückkehren und die Nachwelt an ihre frühere Existenz erinnern wollen. Im schicken generalsanierten und gentrifizierten Berlin hätten diese Geister allerdings immer weniger Chancen, Unterschlupf zu finden und an das Alte anzuknüpfen. Die Gespensterverbrämung stelle ich mir nach ihren Schilderungen so ähnlich vor wie die Vertreibung von Fledermäusen bei Dachstuhlsanierungen. Sarah Khan tritt mit ihren Geschichten an, diese Flurbereinigungen wenn nicht aufzuhalten, so doch wenigstens in Erinnerung zu rufen. Auf jeden Fall geht es der gelernten Ethnologin um etwas anderes als empirisch nachvollziehbare Geisterbeweise: O-Ton 15 Es ist eigentlich völlig uninteressant auf Dauer, sich darüber Gedanken zu machen, ob es die Dinge gibt, weil es gibt sie ja wirklich, weil sie in der Kultur sind ? und da finde ich sie auch am interessantesten, wenn man sie auch benutzen anfassen händeln kann. Also es funktioniert ja. Es funktioniert ja chemisch, dass, wenn wir einen Film sehen, der sozusagen gut gemacht ist, dass wir uns dann gruseln. Ich finde die Literatur und die Künste sind die Heimat dieser Ideen, und nicht die Frage, ob es sie wirklich gibt, weil: irgendwie gibt es sie, wenn es sie in der Kultur gibt. MUSIK 3 Specials ? Ghosttown Autorin: Für den nächsten Anlauf bei meiner Gespenstersuche nehme ich mir Verstärkung mit: Ariane Gerold unterhält die Zentrale der ?Ghosthunter Berlin? und nennt sich selbst nur ?Minckee?. Ich hole sie in Berlin-Schöneberg ab. Nur wenige hundert Meter entfernt warten einige junge Frauen in Hotpants und übertrieben hohen Schuhen am Straßenrand auf Kundschaft. Atmo 3 kommt wieder hoch: Hi Gesa freut mich sehr. Der Typ hat mich gerade angestarrt. Dabei sieht man nicht mal aus, als wär man vom Dienst. Atmo 4 Autorin: Schick, munter und selbstbewusst wirkt die Ghosthunterin. Als Künstlerin hat sie gearbeitet, hatte einen kleinen Hit als Rapperin, sie ist Reiki-Meisterin und macht ab und zu auch in Immobilien, damit das Geld reinkommt. Den Draht zum Übernatürlichen hat die Berlinerin von Kind an. O-Ton 16 Mit Elf war der Todesfall meiner Oma, und ich bin da in den Saal gekommen, wo sie aufgebart lag, und ich hab sie als Leiche gesehen, aber sofort wahrgenommen, dass sie nicht dort drin ist. Ich hab sie also überall im Raum gesucht, wo sie ist, und das war das erste Mal, wo ich zuhause auch mit Licht geschlafen hab, weil ich das Gefühl hatte, in meinem Zimmer steht jemand, das kann man nicht in Worte, aber war letztendlich ausschlaggebend, was mir die Tür geöffnet hat dorthin. Autorin: Minckee sitzt neben mir im Auto, die Fahrt geht zu unserem potentiellen Spukort: Die Stadtstelle von Blumenthal, einer Lichtung im tiefsten Brandenburger Forst, um die sich eine ganze Reihe von Mythen und unheimlichen Geschichten ranken. Pilzsammlern soll hier am hellichten Tage eine mittelalterliche Stadt samt Markttreiben und Kirchenläuten erschienen sein, von mysteriösen Spuren im Schnee ist die Rede und von heftigem Spuk bei Nacht. Minckee hat alles dabei, was klassischerweise zur Ausrüstung eines Ghosthunters gehört: Foto- und Video-Kamera, Thermometer, Diktiergerät und eine Apparatur, um elektromagnetische Frequenzen und Felder einzufangen. Damit suchen Ghosthunter paradoxerweise wissenschaftlich Beweise für ihre These, dass es etwas jenseits der Wissenschaften geben muss. Kritiker bescheinigen Geisterjägern deshalb gerne einen Pseudo-Skeptizismus, denn einerseits behaupten die meisten von sich, bei Spukphänomenen sehr skeptisch zu reagieren, andererseits wird nicht ausgeschlossen, dass es höhere oder besser: andere Wesen gibt. Minckee Gerold ist von deren Existenz zutiefst überzeugt. O-Ton 17 Die ganze Geschichte interessiert mich, und dass wir jetzt zusammen hier sind. Ich bin gerne mit Journalisten unterwegs. Das heißt, wenn man was aktivieren kann, um eben dann den Beweis zu bringen, dass es wirklich was gibt, und bis jetzt ist es mir wirklich schon sehr oft gut gelungen, aber man darf nicht zu große Erwartungen haben, weil das manipuliert das ganze Verhalten, also einfach geschehen lassen und gucken. Wenn wir das Glück haben, heute etwas zu erleben, ist das schön, und wenn nicht ist das auch ok. Rennen wir gleich mit deinem Elektromagnetfeld-Taster. Ja, mit meinem Rucksack. Wir werden mal gucken und uns einfach mal leiten lassen. Entweder steh ich gleich da und weiß gar nichts oder ich werd gleich losrennen und du rennst hinterher. Wir werden das sehen. (0:47) Autorin: Wir suchen, bis wir überhaupt die Stelle an der Bundesstraße finden, von wo aus der Weg zu der Geisterlichtung im Wald abzweigen soll. O-Ton 18 Gesa (liest aus Wegbeschreibung vor) Man begegnet uralten Alleen, die schon seit hunderte Jahre nicht mehr befahren, (Häh ? Da fährt ein Auto) Der eigentliche Mittelpunkt der Stadtstelle ist jener Stein, den auch Theodor Fontane erwähnt.... Autorin: 1863 kam Fontane durch den Blumenthaler Forst und war fasziniert von der Sage, es gebe hier ein untergegangenes Städtchen im Wald, das immer mal wieder zu Leben erwachen würde. In seinen Wanderungen durch die Mark Brandenburg schreibt er: Sprecher: ?Wer gar nachts des Weges kommt, wenn der Mond im ersten Viertel steht, der hat über Stille nicht zu klagen, denn seltsame Stimmen, Rufen und Lachen ziehen neben ihm her.? Autorin: Wir finden wenigstens endlich die richtige Siedlung, von der aus der Weg in den Wald führen soll. Unser Ausflug fühlt sich bereits wie eine Mischung aus Schnitzeljagd, Geocaching und Krimi an. O-Ton 19 Gesa: Huch, oh ich dachte das wär ne Fledermaus, war aber nur eine Schwalbe, hier gibt´s bestimmt auch Fledermäuse ? Huch, da hängt tatsächlich ein Typ hinter der Scheibe, guck mal da, hinter dem Vorsprung. Minckee: Hallo, Hallo, wir wollten mal fragen ? Gesa: ah jetzt macht der uns tatsächlich auf - Die Stadtstelle ist das hier? ? Ne, der Opferstein, der liegt hier oben auf dem Feld. Und wieso heißt der Opferstein? Keine Ahnung. Hmm, ich bin seit dreißig Jahre hier ? Aber jetzt gibt´s doch diese Geschichte, dass man hier Sachen hört ? Ja, hört man viel! ? Und Sie selbst? Haben Sie auch schon was gehört? Ganz ehrlich! ? Janz ehrlich? Nicht viel, aber schon. Durch meine Kollegin. Und die wohnt noch da? ? Nein, die ist letztes Jahr gestorben, seit voriges Jahr. ? Darüber Autorin: Keine Frage: Dieser Anwohner hat schon Übung im Umgang mit Spuktouristen wie uns. Nur: den Spuk selbst hat er nie erlebt ? obwohl er seit 30 Jahren im Schatten der vermeintlichen Spukstelle lebt. Kein gutes Zeichen für Geisterjäger... O-Ton 20 Oh, schade ? Kommen hier öfters Leute her, die hier so ´ne Sachen fragen? ? Ja, die fragen, wo der Opferstein ist oder nach der Wolfstafel... ? Und was ist die Wolfstafel? Das ist ein Stein, wo der letzte Wolf geschossen ist ? Echt? Da gehen wir auch noch hin ? Nä!!! Da können se nicht, ist eingezäunt, alles privat ? Ach, echt? Da hat sich einer den letzten Wolf geschnappt? Da schau an! ? Aber hier sind nette Menschen, ja? Müssen wir keine Angst haben, nicht dass wir hinterher nicht spuken? ? Neeeinnn. Autorin: Wir marschieren los und laufen, laufen, laufen. Was hatte uns der freundliche Anwohner nochmal erklärt? O-Ton 21 ne, ne, am besten gerade hoch hier, links, immer gerade hoch, da kommt ne Schranke, bis irgendwann mal sagen wir kommt ´ne Kreuzung und dann auf die rechte Seite hoch, da stehen Buchen und da steht eine einzelne Birke und da liegt der große Stein. Autorin: Von wegen. Es wird langsam dunkel und die beschriebene Stelle können wir nicht finden. Dafür komme ich mir bei unserer Tätigkeit langsam vor wie in dem pseudodokumentarischen amerikanischen Horrorfilm ?The Blair Witch Project?. In dem Streifen machen sich einige Filmstudenten in einen dunklen Wald auf, um eine Dokumentation über eine legendäre Hexe zu drehen. Sie kehren nie wieder zurück. Die Tasche mit ihren schockierenden Film-Aufnahmen jedoch, so die Rahmenhandlung, wird später gefunden. Was, wenn die heutigen Tonaufnahmen zu unserem Vermächtnis würden? O-Ton 21 Angst, Angst...aber cool ist ja auch wirklich der Stein für den letzten geschossenen Wolf, - stell dir mal vor, uns erscheint jetzt ein Wolf ? Stille ? Es ist ja voll still, wir sind schon crazy, dass wir hier langlaufen, so alleine. Ich dachte gerade, da liegt ein Pfennig auf dem Boden... Das hier ist jetzt aber ungemütlich, jetzt haben wir hier eine tolle Weggabelung und man weiß echt nicht wohin. Sollen wir jetzt einfach mal geradeaus ? Du bist doch mein Medium...Nach Hause telefonieren. (0:13) Autorin: An diesem Punkt verlieren die Ghosthunterin und ich leider die Spur zur angeblich magischen Stadtstelle im Wald. Ausgerechnet hier, an einer Weggabelung ? einem Ort, der in vielen Kulturen mit unheimlicher Bedeutung aufgeladen ist. Es heißt nämlich, Überkreuzungen von Wegen brächten den Fluss der Erdenergie durcheinander und schafften damit einen übernatürlichen Strudel, in dem sich Geister gerne mal verfingen. Früher war es sogar üblich, hingerichtete Verbrecher und Hexen an Weggabelungen zu beerdigen, um ihren Geistern den Rückweg schwer zu machen. Wenigstens eins wird mir in dieser Nacht klar: sehr viel spielt sich im eigenen Kopf ab ? bei zwei Frauen, die sich nach Einbruch der Dämmerung in einem Wald verfranzt haben und nicht damit aufhören wollen, sich gegenseitig unheimliche Geschichten zu erzählen. Irgendwann könnte jede Birke im Mondlicht für ein Gespenst durchgehen, und das Knacken im Unterholz ? ein Tier war das nicht. O-Ton 22 Wollen wir mal auf die Uhr gucken, damit wir wissen, wie lange wir schon laufen? Oh, lieber nicht...Es ist kurz nach neun. Wenn wir bis zehn immer noch laufen, dann wissen wir, dass wir den falschen Weg genommen haben. Gesa singt: Geisterrunde Geisterstunde Mitternacht ist da...Geisterstunde, Geisterrunde, Nachtgespenst uuuahhh!! geht über in Musik 04 Soundtrack vom Kleinen Gespenst Musik ?Geisterstunde, Geisterrunde ? Nachtgespenst uahh!? (nur 30 Sekunden) Autorin: In dieser Nacht komme ich weit nach Mitternacht zurück nach Hause. Die Stadtstelle haben wir nicht finden können, und ?Wesenheiten?, wie meine erfahrene Ghosthunterin sie nennt, wollten auch nicht so recht mit uns in Kontakt treten. Dennoch habe ich gelernt: Gruseln lässt es sich großartig auch ohne Geister! Musik 05 ? Japan ?Ghosts? Autorin: In Sasa Stanisics Roman ?Vor dem Fest? spielt ein Dorf in der Uckermark die Hauptrolle. Das Fundament dieses fiktiven Örtchens namens Fürstenfelde bilden Legenden, Mythen, Sagen und Spukgeschichten, die wie das Unbewusste des Ortes immer und überall mitschwingen. Einmal, so steht es in der Stadtchronik, sollen sechs Sonnen am Himmel gestanden haben, auf dem Grund des großen Sees wurden ?Düvelshörner? gefunden, ein Geweih, das bei Berührung für tödlichen Wundbrand sorgte. Hier ? inmitten schönster Natur ? wurden Hexen verbrannt und Morde begangen. Sasa Stanisic hat ein Jahr lang in Fürstenwerder in der Uckermark gelebt, lange für sein Buch recherchiert, und viele Spukorte gefunden. Verwilderte Feldwege, einsame Gehöfte, unergründliche Seen: O-Ton 23 Das sind die Orte, die wir in unserer Phantasie noch einmal stärker behandeln, in dem, was einmal ein ganz normaler Unglücksfall gewesen ist, davon gibt es in der Uckermark sehr viele. Ob es jetzt solche Galgen sind, wo Zigeuner erhängt worden sind, ich sage Zigeuner, weil dort in der Literatur auch immer von Zigeunern die Rede ist, oder ob es eben solche Ertrunkenen in den zahlreichen Seen sind, die wahrscheinlich nur betrunken waren und dann ertrunken sind, aber alle diese Ufer und Orte, und man findet den Toten und kann sich nicht einigen, war das jetzt ein Mordfall oder einfach ein Unglücksfall ? man lädt das sofort auf, natürlich heute viel weniger als damals. Autorin: Als der Schriftsteller die Leute in Fürstenwerder nach rätselhaften Geschichten fragte, haben viele zunächst abgewinkt, erzählt Sasa Stanisic: O-Ton 24 (...) und dieses Abwinken, damit meine ich so eine Leerstelle, die die Menschen schaffen, sobald man sich diesen Themen näher, also wenn man Kriminalfälle aus der Vergangenheit anspricht oder ungeklärte Todesfälle oder eben Legenden oder Sagen, kommt meistens erstmal so ein ?Na, also, darüber reden wir hier ungern?. Und das war ja vor Ort das, was einen Schriftsteller und Journalisten sehr neugierig macht, weil das Abwinken heißt ja auch: Man weiß davon, möchte aber einfach nicht davon reden.? Autorin: Einige seiner Geschichten hat Stanisics aus seiner Kindheit im damaligen Jugoslawien in die Uckermark importiert, andere hat er aus Stadtchroniken und Heimatstuben. Da ist zum Beispiel die Geschichte mit dem Ferkel, das mit einem Menschenkopf zu Welt kommt: O-Ton 25 Ich hab die ersten drei Zeilen, die ich auch in das Buch übernommen hab, so in einem Stadtarchiv der Stadt Prenzlau gefunden. Die ersten drei Zeilen sind niedergeschrieben worden, damals von einem Pfarrer, ich glaube, im 16. Jahrhundert, und der erwähnt eben, dass es da zu dieser Geburt gekommen ist, dass da dieses Ferkel mit dem Menschenkopf gefunden wurde. So, und dabei belässt es dieser Pfarrer. So, und ich finde diese Geschichte vierhundert Jahre später und frage mich: ja, aber was war denn danach? Was haben die Menschen denn gemacht, nachdem ein Ferkel mit Menschenkopf dort zu finden war, und deswegen erweitere ich diese Geschichte, indem ich die Männer zu diesem Ferkel bringe... Autorin: In der Hörbuchfassung zum Roman ?Vor dem Fest? heißt es deshalb: O-Ton 26 Vorgelesenes aus dem Hörbuch Im Jar 1587 um Ostern trug sich zu, daß deß Müllers Sau allhier beym Pranger am Tiefen See ein Wunderferkel gebar, denn es war zwar dasselbe aller Gestalt nach wie ein Ferkel, hatte aber einen rechten Menschenkopf! Das Volck kam zum See, das Curiosum zu beschauen und zu berathschlagen, was wol zu tun sey. Das Ferkel lag dort für alle gut zu sehen, sogar die Sau hatte sich auf die Seite der Menschen begeben, als glaubte sie selbst nicht, was ihr widerfahren sei (...) Der Müller und der Graf wurden im Gesicht weiß und sagten kein Wort. Da trat ein junger Mann vor, und es war dieß der Schneidergesell Anton Kobler aus Jakobshagen, und dieser sprach: Herrschaften, Leute! Gott sey mei Zeuge. Die Sau dort, die kenne ich nicht.? Autorin: Im Dorf bricht riesige Unruhe aus, weil doch gewisse Ähnlichkeiten zu potentiellen Erzeugern festzustellen sind, bis zum Glück einer das salomonische Urteil fällt, es gäbe nur einen, der als Vater in Frage käme, der Teufel höchstpersönlich! O-Ton 27 ?So kam es, dass die Sau noch am selben Abend gesegnet und gegessen wurde.? Akustischer Trenner Autorin: Hat Sasa Stanisics das Leben zwischen all den Mythen, Sagen und Schauermärchen dünnhäutig gemacht? O-Ton 28 18:20 Je länger ich mit solchen Geschichte, und davon gibt´s ja in der Uckermark sehr viele- verbracht habe, desto mehr hatte ich das Gefühl... also ich bin wirklich kein esoterischer Mensch, aber ich kann Ihnen eine Anekdote erzählen: Also, mein Roman spielt ja nachts, und nachts ist in Brandenburg einfach sehr wenig los, und ich hab mein Auto, meinen Wagen geparkt so am Rand, und saß so die Straße ? es war schon weit nach Mitternacht, und so beobachtet, und da tat sich einfach nichts. Und irgendwann kam von links aus der Nebenstraße ein Fuchs, ganz langsam. Und setzte sich so hin, in dieser Hauptstraße wie so eine Art Hausmeister, ein Naturhausmeister, der so mal gucken will, was hier so nachts in seinem Dorf los ist, sah sich nach links und nach rechts um, stand wieder auf und ging den Weg zurück, den er kam. Und ich dachte: Das gibt´s doch gar nicht. Ich hatte die ganze Zeit vorher von Füchsen erzählt,(...) Und da hab ich sofort den Wagen gestartet und bin da weggefahren, weil ich dachte: Ok , der Fuchs kam da hin, um mich zu beobachten, um mich mal, um mal Bericht zu erstatten in der Natur, dass da schon wieder jemand über die Natur schreibt, also man belebt diese unbelebten Dinge total mit eigener Vorstellungskraft, und das ist das Schöne an Literatur und auch von Geistergeschichten, dass sie in uns so eine Art von Antwort auslösen ? und diese Antwort ist manchmal wirklich unheimlich. MUSIK 6 ? Phantom Ghost ? Relax, It´s only a Ghost MUSIK 7 (sphärisch) ? unter Autorin-Text legen Autorin: Im Internet tauschen sich auf unzähligen Seiten und Portalen Spukinteressierten aus. Die Anonymität im Netz hat zwei Seiten: Sie schützt Menschen, die sich nicht öffentlich trauen, über ihre Erfahrungen zu sprechen, davor, als Spinner verlacht zu werden. Andererseits ist das Internet eine riesengroße Spielwiese für schräge Vögel und Leute, die mit manipulierten Fotos oder Filmen falsche Behauptungen aufstellen. Nach Durchsicht dutzender Foren und Spezialseiten kommt mir immer wieder ein Ort unter, der scheinbar eine Art Wallfahrtsort für Spukbegeisterte zu sein scheint: Das oberbayerische Weilheim. Genauer gesagt zwei Kapellen im Landkreis, die Teufelsanbeter, Esoteriker und Ghosthunter gleichermaßen anziehen. Über diesen Ort würde ich gern mehr erfahren, schreibe einige der Spukseiten-Betreiber an und gerate an das Ehepaar Gröschel, das ganz in der Nähe von Weilheim lebt, sich bestens mit lokaler Geschichte auskennt und mir sogar anbietet, mir beide Kapellen zu zeigen. Mit dem Nachtzug mache ich mich auf den Weg nach Oberbayern, einmal quer durch die Republik. An einem strahlend schönen Sommertag, komme ich mittags am Bahnhof in Weilheim an. Das Ehepaar Gröschel erwartet mich bereits. Beide in den Vierzigern, fallen mir an der blonden, sorgfältig geföhnten Frau Gröschel sofort ihre ungewöhnlichen Augen auf. Um die Pupillen legt sich eine Art zweiter Ring, der sich deutlich von der dunkelblauen Iris abhebt. Sehen diese Augen ganz andere Dinge als meine? Atmo 5 hoch: Tach hallo, Tachchen, Sie sind das Beiboot? ? Ja, Er ist der mit der Axt, Huuaaaah, - Ich hab aber keine dabei. Ich hab jetzt gar keine Idee, wieviel Zeit Sie jetzt haben und wie wir jetzt taktisch vorgehen? ? Wir haben uns Zeit genommen. Ich hab jetzt mit dem Altbürgermeister drei Uhr (langsam ausblenden Darüber Sprechertext) ausgemacht, es heißt ja dann in der Gemeinde, wenn die nichts dazu sagt, gibt?s gleich Gerüchteküche, und dann hat sich gleich selber der Bürgermeister gemeldet und mir gleich beim zweiten Mal die Nummer geschickt. (0:28) Autorin: Jasmin Gröschel erlebt regelmäßig Dinge, die Fachleute ?paranormal? nennen würden. Sie sieht Ereignisse oder Wesen, die andere nicht sehen. Den schweren Tsunami von 2004 zum Beispiel, sagt sie, habe sie vorausgesehen, ohne etwas dagegen tun zu können, aber auch ein detailliertes Bild des Hauses, in das sie wenig später mit ihrem Mann einziehen sollte, war schon lange vorher in ihrem Kopf. Sie deutet sogar an, mit der Polizei zusammengearbeitet zu haben, weil sie ? ohne irgendetwas mit dem Fall zu tun gehabt zu haben ? den Fundort einer Leiche bestimmen konnte. Spionagekreise hätten sich bereits für sie und ihre Fähigkeiten interessiert, auch UFO-Forscher. Die Frau von der örtlichen Kirchenverwaltung habe sie dafür schon als Hexe beschimpft. Mich interessiert, wie Jasmin Gröschel eigentlich merkt, wenn sie in Kontakt zu paranormalen Phänomenen kommt. O-Ton 30 Wenn ich´s seh. Also ich seh es einfach. Und das ist jetzt nicht psychologisch, oder sonst wie ein Fehler, sondern ich kann auch Fotos davon machen. Man könnte jetzt natürlich von Theorien ausgehen. Einmal, dass man das selbst suggeriert, dass man quasi diese Macht des Geistes nützt ? man weiß es ja heute noch nicht, wie´s funktioniert, und diese Sache manifestiert damit, oder dass es wirklich eine weitere Dimension gibt, die noch nicht erforscht ist, weil man dieses Thema in der Öffentlichkeit noch nicht ernst genug nimmt. Und das ist eigentlich, was Sie meinen, diese letzte These, oder? Ähmm, man hat ja mit mir auch Versuche gemacht und warum und woher, und den Leuten wurde ja selber bestätigt, dass diese Sachen existieren, real erscheinen, und manche gehen eben davon aus, dass das einfach von meiner Manifestation kommt, aber wenn das meine Manifestation wäre, dann hätte ich schon längst einen Sechser im Lotto! Autorin: Den hatten die Gröschels noch nicht. Stattdessen arbeitet das Ehepaar im Vertrieb einer großen Tabakfirma, und in ihrer Freizeit fahren sie gerne Spukorte ab. Jasmin Gröschel träumt davon, mal nach Transsylvanien in das Schloss Graf Draculas zu fahren. England und seine Spukschlösser sind das Größte für die Gröschels. Und auch Geschichten wie die der Hardtkapelle faszinieren die Spuk-Begeisterte. O-Ton 31 Die wurde 1250 erbaut beziehungsweise war da der Streit um das Weiderecht zwischen den Weilheimern und dem Haunshofer Sprengel, und dann waren die hier alle vor Ort wegen dem Streitgespräch und dann gab´s richtiges Theater, ein Gezeter, ein Geschimpfe, ein Gekreische, und dann soll angeblich ein Hirte gekommen sein, der seinen Fuß auf den Stein gehauen hat und gemeint hat, da, wo ich meinen Fuß auf den Stein haue, ist die Haunsdorfer Gemeinde, nur die frühere Geschichte lautet eben, dass das der Teufel war. Und es gibt auch diesen Fußabdruck, und der sieht aus wie ein Huf. Also, der schaut nicht aus wie ein Menschenfuß. Atmo 6 Weilheim ? Hardtkapelle innen: Aha, da ist abgesperrt, das heißt man kommt gar nicht rein... Nein, man kommt nicht rein. Manchmal ist offen....(Pause und schauen) Darauf: Autorin: Durch das große Eisengitter vor der Tür kann man die Vertiefung im Stein vorm Altar gut erkennen. Atmo 6 hochziehen Tatsache! Der schaut zwar jetzt aus wie ein Fuß, aber wenn man näher hingeht, ist er mehr so rundlich, und sieht diese eckigen Kurven da hinten, und das seltsame ist eben, dass die Geschichte umgeschrieben wurde. (0:25) Autorin: Nichts fühlt sich an diesem Ort unheimlich an ? wenigstens nicht jetzt in der prallen Mittagssonne. Jede Menge Autos parken neben der Kapelle, fröhlich grüßende Spaziergänger ziehen an uns vorbei, von dunkler Aura keine Spur. Atmo 7 Schritte, gehen?. Autorin: An unserem zweiten Ziel, der sogenannte Pestkapelle von Pollingsried, sieht das schon anders aus. Ein längerer Fußmarsch führt uns zu der abgelegenen, weiß getünchten Kapelle, jemand hat ein schwarzes Pentagramm an die Wand gesprüht. Auf dem Vorplatz sind die Reste eines Lagerfeuers erkennbar. Untrügliche Zeichen dafür, dass hier satanische Messen abgehalten werden. Einer, den der Spuktourismus gehörig ärgert, ist Eduard Ott. Atmo 8 Weilheim ? Begrüßung des Altbürgermeisters Das ist ja toll, dass Sie sich extra auf den Weg gemacht haben, das sind wir ja sehr dankbar, schön! Ich hab´s ja nicht weit, bin ja in Eichendorf daheim. Ah ? Drum ? da seid Ihr durchgefahren. - Aber sie waren Bürgermeister früher in Eberfing, gelle? War ich ja - bis 2008. Und Sie haben den Schlüssel für die Kapelle? Ja, ich bin von der Kirche beauftragt, für die Kapelle, dass ich mich darum kümmere, weil ich so nah da bin Darüber Autorin: Heute will der alte Herr die Gerüchte um die Pestkapelle endlich aus der Welt schaffen. O-Ton 32 Das stimmt alles nicht. Da ist nichts nachweislich. Ach, das meinen Sie, hat alles mit dem Internet angefangen? Vorher gab´s noch gar nicht diese Schauermärchen? Nein! Autorin: Tatsächlich gibt es im Internet zahlreiche Geschichten und Filme zu der Kapelle. Angeblich sollen viele Pesttote in die Brunnen neben der Kapelle geworfen worden sein. Herr Ott zeigt uns schriftlich, dass nichts davon stimmt: O-Ton 33 Ja, die Pest war ja in der Gegend, das war ja um 1634, das steht ja alles da drinnen, in dem Schreiben. Das hab ich von unserem Kreisheimatpfleger, und der hat ja die Nachforschungen gemacht, weil´s immer heißt, die Kapelle ist da drauf gebaut worden, wo die Leute beerdigt worden sind, das stimmt gar nicht, weil die Kapelle ist ja schon lange vor der Pest gestanden. Und dann heißt es ja, man habe die Leichen in die Brunnen geworfen. Na, das gab´s nicht, da ist vor zwei, drei Jahren, da war eine Forschung für die Brunnen, da ist sogar einer runtergetaucht. (0:43) Autorin: Gemeinsam schauen wir uns die mit schmiedeeisernen Gittern versiegelten Brunnen an. Ein junges Pärchen beobachtet uns dabei aus einiger Entfernung. Der junge Mann heißt Franz und zeigt gerade seiner Freundin aus Berlin, wo er aufgewachsen ist. Franz glaubt nicht daran, dass nur das Internet den Ruf der Pestkapelle geprägt hat. O-Ton 34 Ich kenn´s eigentlich noch aus der Kindheit. Also, klar, man kennt Geschichten. Mein Großvater hat auch schon viel erzählt. Ich glaub auch, dass das immer noch als spiritueller Ort genutzt wird. ? Gesa: Aber was für Geschichten waren das von Deinem Großvater? Ich hab nur gehört, man habe früher die Pesttoten in die Brunnen geworfen haben, es soll einen Hund gegeben haben mit roten Augen oder so. Sind das ungefähr die Geschichten, oder welche kursieren noch? - Franz: Das ist eigentlich ein bisschen krasser. Das eigentlich die Juden so während des Zweiten Weltkriegs hier in die Brunnen geschmissen wurden und verhungert sind. ? Aber (lacht) ich denk, dass der Ort hier wirklich schicksalsbeladen ist. Ich finde auch, der Ort hier hat eine ganz spezielle Energie. Autorin: Leider sehen das auch Menschen mit weniger friedfertigen Absichten so. Ganze Autoladungen junger Leute aus dem gesamten Bundesgebiet und sogar aus der Schweiz beobachtet Eduard Ott regelmäßig auf ihrem Weg zur Kapelle. Häufig wird versucht einzubrechen. Die Alarmanlage auf dem Dach wartet der Altbürgermeister gewissenhaft, damit es nicht wieder soweit kommt wie damals: O-Ton 35 Die Glocken sind da runtergeschmissen worden und da vorn rausgeschmissen. Da hat man die Einschläge am Boden gesehen, und sind in der Nähe von Seeshaupt in einem Weiher im Herbst beim Abfischen wieder gefunden. Autorin: Er selbst, Eduard Ott, reißt sich nicht darum, nachts auf Streife zu gehen. Auch wenn es hier selbstredend ganz und gar nicht spukt... O-Ton 36 Aber es ist schon sehr abgelegen, und da hört man ja nix. Außerdem wenn Alarm ist. Bin ich schon oft bei der Nacht dahergekommen, aber allein ist das ein bisschen unheimlich. (allgemeines Lachen) Ja, allein gegen die schwarze Messe ? Ja bei der Nacht um zwei, drei ist das schon ein bisschen unheimlich da (lacht) Autorin: Das Internet wiederum berichtet, dass mehrfach ein schwarzer Höllenhund an der Kapelle gesichtet wurde. Das wiederum amüsiert den Altbürgermeister von Eberfing sehr. O-Ton 37 Der Hund, wo da drauf ist im Internet, der stammt gleich aus der Nachbarschaft, von Ellmann, das weiß man, dass der Hund von da ist. (lacht) Kennmusik Deutschlandrundfahrt Sprecher vom Dienst: Von Geistern und Gespenstern Reise zu Orten, an denen es spukt Sie hörten eine Deutschlandrundfahrt von Gesa Ufer Ton: Andreas Krause Regie: Karena Lütge Redaktion: Margarete Wohlan Eine Produktion von Deutschlandradio Kultur 2014 Manuskript und das Audio zur Sendung finden Sie im Internet unter deutschlandradiokultur.de 20 1