COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Länderreport Nach dem Volksentscheid Stuttgart 21 und die Woche nach dem Votum Autor Michael Brandt Redaktion Stucke, Julius Sendung 02.12.11 - 13.07 Uhr Die Baden-Württemberger haben abgestimmt - und sich für den Weiterbau von Stuttgart 21 ausgesprochen. Die Regierung will das akzeptieren. Doch zu Ende ist die Geschichte damit nicht: wie teuer wird der Bahnhof? Wie geht die grün-rote Koalition damit um? Und - wird es nun wirklich still in Stuttgart oder radikalisiert sich der Kern der S21-Gegner? Der Länderreport lässt die Woche nach dem Votum Revue passieren und fragt nach Folgen des Ergebnisses - für den Bahnhof, das Land, die Politik... - Manuskript Beitrag- Sonntagabend 19 Uhr im zweiten Obergeschoss des Stuttgarter Landtags. Eine Stunde nach Schließung der Wahllokale - bei der ersten Volksabstimmung in Baden-Württemberg - werden hier der Landeswahlleiterin die Ergebnisse aus den 44 Wahlkreisen gemeldet. Landtagsabgeordnete und andere Interessierte schauen gebannt auf eine große Leinwand - verfolgen die neuesten Zahlen. Spannung liegt in der Luft. Etwa die Hälfte der Wahlkreise ist ausgezählt und es ist bereits klar, dass die Ja-Stimmen, die Stimmen für den Ausstieg und gegen Stuttgart 21, nicht reichen werden, um die notwendige Stimmenanzahl, das Quorum, zu knacken. Die Frage, die jetzt in der Luft liegt: Wer bekommt die Mehrheit? Im Augenblick steht es etwa 55 zu 45 für die Befürworter von Stuttgart 21, aber einige große Städte sind noch nicht ausgezählt. Landtagsabgeordnete telefonieren mit ihren Wahlkreisen und kommentieren die jeweiligen Ergebnisse. Jedes Mal, wenn neue Zahlen auf der Leinwand aufleuchten, geht ein Raunen durch die Menge. Die Bahnhofsgegner verziehen sich allmählich in Richtung der Grünen Fraktion, es bleiben die Befürworter - ihr Jubel wird immer lauter. Einige von ihnen haben Bierflaschen in der Hand, stimmen zunehmend lauten Triumph an. Eine Stunde später, um 20 Uhr, ist klar: Das Wunder, auf das der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann vor der Wahl gehofft hatte, ist nicht eingetreten. Es reicht weder fürs Quorum, noch haben die Projektgegner eine Mehrheit. Sogar in Stuttgart selbst haben die Befürworter einen leichten Vorsprung. Pünktlich um 20.15 Uhr äußert sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann in einer Sondersendung des SWR-Fernsehen zu dem absehbaren Ergebnis: Ja erstmal ist es natürlich für mich eine harte Entscheidung. Ich bin ja der Meinung gewesen, dass die Alternativen viel besser sind. Einerseits klingt der Ministerpräsident nach dem langen Wahlkampf müde, andererseits wirkt er fast ein bisschen beschwingt, erleichtert. Es gibt ein klares Ergebnis von 58,8 Prozent für Stuttgart 21 und die Wahlbeteiligung war mit mehr als 48 Prozent bemerkenswert hoch. Und so klingt der zweite Satz von Kretschmann ganz anders als der erste - positiv: Aber es ist einfach so: Wir haben zum ersten Mal ereicht in Baden- Württemberg, dass das Volk direkt in einer Sachfrage abstimmen konnte. Das hat es mit einer sehr hohen Wahlbeteiligung getan und das ist erst mal ein sehr großer Sieg für die Demokratie. Wenig später, auf einer Pressekonferenz, äußert sich der Ministerpräsident noch einmal, sagt, dass das Ergebnis nicht nur hart für ihn sei - erklärt seine Erleichterung: Klare Entscheidungen zieht man in der Regel knappen, unklaren vor. Für den grünen Ministerpräsidenten kann man das Ergebnis auch als vorteilhaft interpretieren. Denn die grün-rote Landesregierung muss Stuttgart 21 jetzt zwar zähneknirschend unterstützen, aber - legitimiert durch das Volk. Gegenüber der eigenen Basis und den eigenen Wählern kann Kretschmann erklären, er habe alles versucht, aber der Souverän habe eben anders entschieden. Und nun kann es Frieden in der Koalition zwischen Grünen Bahnhofsgegnern und Roten Befürwortern geben. Aber natürlich ist der Abend nach der Volksabstimmung vor allem der Abend der Befürworter, sie feiern bis in die Nacht im Stuttgarter Ratskeller, während die Party der Gegner vor dem Stuttgarter Hauptbahnhof schnell vorbei ist. Der Tag der Volksabstimmung endet in Stuttgart mit einem klaren Ergebnis, aber vielen offenen Fragen. Die erste Frage: was wird aus Verkehrsminister Winfried Hermann von den Grünen? Eine Antwort von Regierungsseite gibt am Montag früh. Verkehrsminister Winfried Hermann, bislang der schärfste Stuttgart 21 Gegner in der Landesregierung, erklärt im Deutschlandradio, dass er das Projekt von nun an unterstützen will. Es ist doch klar, dass nach diesem Ergebnis der Volksabstimmung jemand in der Regierung keine Legitimation hat, weiter gegen dieses Projekt anzuarbeiten. Mit der Entscheidung ist klar, es gibt kein Kündigungsgesetz, es gibt keinen Ausstieg. Man muss das umsetzen. Winfried Hermann tritt damit auch Rücktrittsforderungen entgegen, die am Vorabend die FDP erhoben hatte. Und er nimmt seine Aussage zurück, die er vor 7 Monaten gemacht hatte: dass er nicht der richtige sei, um Stuttgart 21 zu fördern und in diesem Fall die Verantwortung für den Bahnhof an ein anderes Ministerium abgeben wolle. Nun will er die Kurve kriegen, so wie der gesamte grüne Teil der Landesregierung. Noch am Vormittag trifft sich das Kabinett zu einer Sondersitzung - danach formuliert es der Ministerpräsident mit seinen Worten: Wir werden jetzt umschalten von ablehnend kritisch zu konstruktiv kritisch. Es werden immer Probleme auftauchen bei einem solchen Projekt, das ist klar. Aber die werden wir dann lösungsorientiert angehen. Und Probleme gibt es genug: Von der Räumung des Schlossgartens über die Unbequemlichkeiten einer Großbaustelle bis zur Frage nach den Kosten. Außerdem stellt sich Winfried Kretschmann ohne Einschränkungen hinter seinen Verkehrsminister, wenn auch mit einem Exkurs über das Wesen der Demokratie. Die Legitimation für den Bau von Stuttgart21 erfolgt durch die Volksabstimmung. Und das ist etwas anderes wie ein Wahlversprechen, wo man natürlich der eigenen Legitimation unterliegt. Sobald das Volk selber spricht, hebt das solche Dinge einfach auf weil wir laut unserer Verfassungsordnung daran gebunden sind. Darum kann der Winne Hermann das machen. Das muss er auch und das wird er auch tun. Aber es wird nicht leicht sein, denn er müsste gegen die eigene Überzeugung handeln, wenn er den Bahnhof unterstützt. Und die Opposition im Landtag kündigt schon jetzt an, dass sie im auf die Finger gucken will: Wenn er nicht selbst zurück tritt, dann bleibt er, aber er steht unter verschärfter Bewährungsauflage und wir werden ihn auch stringent kontrollieren, ob er auch das tut, das das Volk will, nämlich einen zügigen Weiterbau von S21 tatsächlich zu befördern und nicht zu verhindern Die zweite Frage am Tag Nummer Eins nach der Abstimmung: Wie reagieren die Bahnhofsgegner? Bereits am Vorabend hatte es dazu erste Stimmen gegeben. Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer hatte sich in eine Reihe mit Kretschmann gestellt und unmissverständlich erklärt: Die Mehrheit hat sich für Weiterbauen ausgesprochen und das gilt natürlich. Die Argumente gegen Stuttgart 21 bleiben richtig, aber in der Demokratie besteht auch das Recht, mit Mehrheit Falsches zu beschließen und das muss die unterlegene Minderheit dann akzeptieren. So ist es halt. Zu teuer, zu wenig leistungsfähig, zu risikoreich sei das Projekt, davon sind Palmer und andere noch immer überzeugt. Brigitte Dahlbender, die Sprecherin des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21, hatte ebenfalls erklärt, dass sich der Protest nun ändern müsse. Montagmittag trifft sich das gesamte Bündnis, um gemeinsam über die Konsequenzen aus der Volksabstimmung zu diskutieren. Sie haben zwar verloren, aber immerhin haben 1,5 Millionen Baden- Württemberger auch gegen Stuttgart 21 gestimmt. Dahlberger kündigt an, sie werde ihr Amt als Sprecherin niederlegen: Nun bin ich Vorsitzende eine großen und sehr heterogenen Landesverbandes und ziehe für jetzt nach einem Jahr die Konsequenz und werde nicht mehr Sprecherin des Aktionsbündnisses sein. Ansonsten schwankt das Bündnis von diesem Augenblick an zwischen Nachdenklichkeit, wie es nun weiter gehen soll und ob es so weitergehen kann wie bisher - und dem Verharren in der Dagegen-Haltung. Der Wunsch, dass alles so bleibt wie bisher, überwiegt an diesem Tag. Hannes Rockenbauch, der verbleibende Sprecher des Bündnisses interpretiert das Plebiszit so: Wir stellen fest, dass offensichtlich die schlichten aber wirkungsvollen Parolen, dass man Angst geschürt hat vor dem Ausstieg, das die gewirkt haben. Dass man denn Menschen klar machen konnte, dass das 1,5 Milliarden kosten würde und man dann nix hat - das teilen wir natürlich nicht, aber man muss sagen: Es hat gewirkt. Ein Argument, das von diesem Moment an in vielen Variationen zu hören ist: Die Menschen, die sich für Stuttgart 21 ausgesprochen haben, haben sich von der Bahn und der CDU einwickeln lassen. Sie haben aufgrund falscher Fakten entschieden, wurden getäuscht. Aus dieser Haltung heraus stellen die Gegner dann gleich eine neue Forderung an die Bahn: Es muss ein Bau- und Vergabestopp geben, weil die Geschäftsgrundlage der Volksabstimmung war, 931 Millionen und nicht mehr. 931 Millionen sind der Anteil, den das Land laut einem Vertrag den die Vorgängerregierung im Jahr 2009 unterzeichnet hat, für den neuen Bahnhof bezahlen soll. Die Haltung "weitermachen wie bisher" setzt sich dann am Abend bei der 101. Montagsdemonstration gegen Stuttgart 21 fort, zumindest bei den Rednern auf der Bühne: Das Volk folgte mehrheitlich den Trommel- und Schalmeienklängen der Befürworter und will nun K21 versenken und uns dem Aktionsbündnis gleichzeitig das Totenglöcklein läuten, aber so wie ich euch heute hier erlebe, sind wir alles andere, bloß nicht tot. Das Ergebnis ist für die Bahnhofsgegner niederschmetternd. Selbst in Stuttgart gibt es keine Mehrheit gegen den Bahnhof. Die Menschen seien desinformiert worden, schimpft Hannes Rockenbau und verantwortlich sei dieser schwarze Filz in diesem Land. Es geht Rockenbauch vor allem um die Frage der Ausstiegskosten. Die Bahn hatte behauptet, dass der Ausstieg aus Stuttgart 21 für das Land und die Steuerzahler 1,5 Milliarden Euro kosten würde. Eine Zahl, die die Gegner anzweifeln. Schuld seien obendrein die Medien, die nicht ausreichend über die Gegner berichtet hätten: Ich habe auch unterschätzt, dass man eine großartige Abschlusskundgebung mit mehreren 1000 Teilnehmern machen kann, mit tollen Prominenten auf der Bühne und nachher hat man im Fernsehen genauso viel Platz, wie ein Herr Dietrich vor 10 Leuten an seinem Infostand. Mit Herr Dietrich ist Wolfgang Dietrich gemeint, der Projektsprecher von Stuttgart 21. Allerdings: So kämpferisch die Reden auf der Bühne auch klingen, im Publikum sind sich nicht alle Bahnhofsgegner sicher, dass es so weiter gehen wird wie bisher. Irgendwie sei die Luft raus, sagt eine Demonstrantin: Bei vielen sicher, ja, klar, weil man nicht mehr das Ziel so vor Augen hat, das man es wirklich erreichen kann durch die Volksabstimmung Ich schwanke immer und denke, das war's. Und denke ich zurück und kann mir einfach nicht vorstellen, dass es das gewesen sein sollte. Für den kommenden Sonntag plant man einen so genannten großen Ratschlag, eine Art Vollversammlung der Bahnhofsgegner. Dann wollen sie gemeinsam entscheiden, wie es weiter gehen soll mit dem Protest. Und für den kommenden Montag ist noch mal eine Demo angesetzt - die 102. Während die Gegner am Montag mit sich und dem Ergebnis der Volksabstimmung beschäftigt sind, schafft die Bahn Fakten. Bahnchef Rüdiger Grube und sein Stellvertreter Volker Kefer erklären in Berlin: jetzt soll schnellstmöglich weiter gebaut werden. Wir werden mit dem Abriss ab Beginn des nächsten Jahres anfangen. Wir wollen den Aufbau der Leitungen für das Grundwassermanagement fortsetzen. Wir sind dabei, die Arbeiten im Gleisvorfeld fortzusetzen und wir zielen darauf ab, dass wir den Beginn der Grundwassertaktung am Beginn der zweiten Jahreshälfte 2012 aufnehmen. Grundwassertaktung bedeutet, dass das Wasser abgepumpt wird, um die gewaltige Baugrube einzurichten, von der aus dann einerseits der Tiefbahnhof gebaut werden soll und andererseits die Tunnel, die den Bahnhof mit dem Rest der Welt verbinden sollen. Die Grube wird dort sein, wo heute der Schlossgarten ist und wo knapp einhundert Bahnhofsgegner in einer Zeltstadt leben. Am Dienstag, Tag zwei nach dem Votum, ist die Stimmung bei ihnen gedrückt. In einem Tipi brennt ein Lagerfeuer, vier Zeltstadtbewohner wärmen sich von vorne, während die Kälte hinten den Rücken hoch kriecht.... Seit Sonntag recht gedämpft ja, das Volk hat wohl entscheiden, dass das Land nicht aus der Finanzierung aussteigt. Das hat natürlich unsere Hoffnung auf ein Ende des Projekts stark gedämpft. Die Zelte stehen nur wenige Meter von dem Ort entfernt, wo am 30. September 2010 Wasserwerfer den Schlosspark geräumt haben und wo in der gleichen Nacht unter lautem Protest und Tränen der Gegner 17 Bäume gefällt wurden. Damit die Baugrube ausgehoben werden kann, müssen nun noch 176 Bäume gefällt, oder soweit möglich verpflanzt werden. Das muss bis Ende Februar 2012 passiert sein denn dann beginnt die Vegetationsperiode und es darf nicht mehr gefällt werden. Das heißt, spätestens bis dahin müssen die Zelte verschwunden sein: Die, die noch da sind, werden wohl bleiben und weiterhin ihr bestes versuchen. Ich werde wohl bis auf weiteres bleiben. Ich verbringe meine Zeit hier und werde das auch weiter so tun. Gesetzt den Fall ich, kann nichts dazu tun, um dieses unsinnige Projekt zu verhindern, möchte ich doch wenigstens als Zeitzeuge hier dokumentieren, wie die Deutsche Bahn hier den Park vernichtet. Zumindest einige der Schlossgartenbewohner werden den Park also wohl nicht freiwillig räumen, sondern Widerstand leisten. Die Stuttgarter Polizei hat bereits ein Szenario entwickelt, neben dem der Einsatz vom 30. September 2010 klein wirkt. Bis zu 9000 Polizisten sollen in Stuttgart zusammengezogen werden, um den Park zu räumen und die Baustelle zu sichern, auf dem 5 Kilometer entfernten Wasengelände sollen Arrestcontainer aufgestellt werden. Polizeisprecher Stefan Keilbach: Die Polizei Stuttgart muss sich auf einen Großeinsatz vorbereiten. Wir brauchen etliche mehr an Polizeihundertschaften, um beispielsweise das Gelände um den Bahnhof frei zu räumen und gegebenenfalls auch Personen wegzutransportieren. Denn das sind ja die Szenarien, auf die man sich einzurichten hat. Allerdings stammt diese Aussage aus der Zeit vor der Volksabstimmung, in der noch ein anderes - politisch deutlich schwierigeres - Ergebnis möglich schien: eine Mehrheit für den Ausstieg, aber das Quorum nicht erreicht, das Ergebnis also: dagegen aber ungültig. Jetzt gibt es ein Votum für den Bahnhof und so hofft Innenminister Reinhold Gall, wie er in einem Zeitungsinterview sagte, auf eine friedliche Lösung. Er kündigte an, notfalls selbst in den Schlossgarten zu gehen und mit den Menschen zu reden, ob man sich nicht vernünftig über einen Abzug einigen kann. An diesem Tag allerdings gab es nicht viele, die mit ihm reden wollten: Ein vernünftiger Weg mit Stuttgart 21, das schließt sich aus, ne. Klar ist immerhin, dass im Park in den nächsten Wochen noch nichts passieren soll. Bahnchef Rüdiger Grube erklärt am Dienstagabend, dass man bislang die Spielräume innerhalb des Bauzeitenplans genutzt habe... Den Spielraum möchte ich weiter nutzen bis zum 6. Januar, das ist auch hier ein besonderer Tag, und ich möchte vorher keine Eskalation und möchte auch keine Ausschreitungen sondern wir werden jetzt in Stille das Weihnachtsfest feiern und auch die Tage danach. Und ab dem 7. Januar werden wir uns dann an den Südflügel machen müssen. Diese Ankündigung macht Grube auf einer Diskussionsveranstaltung der Stuttgarter Nachrichten am Dienstagabend. Eine wichtige Veranstaltung, denn hier wird der größte Konflikt deutlich, den es nach der Volksabstimmung zwischen Bahn und Landesregierung gibt. Es geht ums Geld. Die dritte Frage nach der Volksabstimmung: Was passiert, wenn der Bahnhof teurer wird, als geplant? Angekündigt sind rund 4,5 Milliarden Euro. Sollte der Bau teurer werden - was hieße das für den Anteil, den das Land für das Projekt bezahlen muss und der derzeit maximal 931 Millionen beträgt? Hier haben die Landesregierung und die Bahn völlig unterschiedliche Positionen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatte bereits direkt nach der Volksabstimmung einerseits klar gemacht, dass das Land keinesfalls mehr zahlen wolle: Es kann nicht Sinn sein, dass ich am Ende wenn alles gebaut ist, dass ich dann eine erhöhte Rechnung sehe und dann unter Entscheidungsdruck stehe. Und da haben wir uns klar geäußert, dass wir nicht mehr zahlen und das haben wir der Bahn gesagt und darüber müssen wir mit ihr noch einmal klar reden. Für Kretschmann steht der Verdacht im Raum, dass die Kosten für Stuttgart 21 klein gerechnet wurden, um die politischen Entscheidungen zu bekommen, dass der Bahnhof am Ende aber viel teuerer werde und somit auch für das Land ein Fass ohne Boden. Andererseits aber beteuert Kretschmann, dass er das Kostenthema nicht als Hebel benutzen will, um Stuttgart 21 doch noch zu stoppen: Das ist nicht der Sinn der Sache, jett über einen anderen Bypass irgendwie daran rum zu machen und doch das Projekt zu stoppen. Das Volk hat gesprochen und die Entscheidung nehmen wir jetzt auch wirklich an, ohne Hintertürchen und doppelten Boden. Die Bahn auf der anderen Seite verweist auf den Finanzierungsvertrag zu Stuttgart 21. Dort ist für den Fall, dass das Geld ausgeht, von der so genannten Sprechklausel die Rede. Dass sich also die Partner an einen Tisch setzen und gemeinsam darüber reden, wie es weitergeht. Rüdiger Grube interpretiert das so, dass man nicht nur spricht, sondern auch gemeinsam die Verantwortung trägt - auch was das Geld angeht: Es darf sich keiner in die Ecke setzen und sagen "Ich nicht", sondern wir sind verpflichtet, das steht ausdrücklich im Finanzierungsvertrag und der Erklärung, die wir gemeinsam unterzeichnet haben, dass wir dieses Projekt realisieren müssen und das jeder einer Projektförderungspflicht unterliegt. Am Dienstagabend sitzen nun beide Seiten an einem Tisch, aber von einer Einigung sind sie weit entfernt. Kretschmann sagt klar und deutlich, dass in der Sprechklausel von Sprechen und nicht von Zahlen die Rede ist: Wir haben jetzt eine Schuldenbremse in der Verfassung und ich muss die Quelle der Verschuldung bremsen. Und einer der Gründe ist, Infrastrukturprojekt billig anzugehen, und dann steigen die Kosten. Deshalb ist der Beitrag Baden-Württembergs 930 Millionen und das ist sozusagen mein letztes Wort. Die Antwort von Rüdiger Grube, der bereits im Vorfeld berichtet hatte, das er sich Rechtsgutachten über die Auslegung der Sprechklausel hat anfertigen lassen: Wenn man sich nicht einigen kann, das kommt, übrigens im täglichen geschäftlichen Leben häufig vor, dafür gibt's Gerichte, dann wird man das professionell und ohne Emotionen klären. Man könnte auch sagen, da rasen zwei Züge aufeinander zu. Noch vor Weihnachten jedenfalls wollen sich Grube und Kretschmann zusammensetzen und ohne Publikum darüber reden, wie es weitergehen soll. Natürlich beteuert der Bahnchef auch, dass man über einen sehr unwahrscheinlichen Fall rede, denn er gehe davon aus, dass der Kostenrahmen eingehalten wird. So wie das, laut Grube, bei der überwiegenden Zahl der Großprojekte der Bahn der Fall sei. Aber dennoch: Es sieht so aus, als müssten Bahn und grün-rote Landesregierung noch ein Stück Weg zurücklegen, bis sie tatsächlich Partner werden und Stuttgart 21 gemeinsam fördern. Der Streit ums Geld ist einer der großen Stolpersteine auf diesem Weg. Der zweite ist das, was am 7. Januar beginnen soll. Der Abriss des Südflügels des heutigen Bahnhofs. War es doch im Sommer 2010 der Abriss des Nordflügels, der dafür gesorgt hatte, dass aus der bis dahin eher unscheinbaren Bewegung gegen Stuttgart 21 eine Massenbewegung wurde. In diesem Fall, das haben die Stuttgart 21-Gegner bereits angekündigt, wird es wieder Demonstrationen geben. Dann werden die Rufe, die das Bild von Stuttgart nun über Monate geprägt haben, wieder zu hören sein... E N D E