COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Literatur "Er ist wieder da" Timur Vermes' Bestseller jetzt international Reportage aus der Übersetzerwerkstatt Von Tim Hannes Schauen Moderationsvorschlag: Die Grundidee des Romans ist so einfach wie verheerend: Nach einer Zeitreise, von der weder er noch die deutsche Gegenwart etwas weiß, erscheint Adolf Hitler im Berlin des Jahres 2011. Er ist wieder da, und er ist ganz der alte Verbrecher, doch Deutschland hält ihn für einen Comedian - und so landet er, obwohl die BILD-Zeitung Stimmung gegen ihn machen möchte, im Privatfernsehen und bei youtube, wird ein Star, samt eigener"Heimseite" im "Internetz". "Er ist wieder da" - das Buch von Timur Vermes, ist im September 2012 erschienen: weit über 400.000 verkaufte Exemplare, Platz Eins der Bestsellerlisten- soeben ist die 15. Auflage erschienen, auch das Hörbuch verkauft sich gut. Dem Journalisten Timur Vermes, 1967 in Nürnberg als Sohn einer Deutschen und eines Ungarn geboren, gelang mit dieser etwas bösen Satire ein großer Erfolg, den allerdings stets die leicht irritierte Diskussion begleitet: Lachen über Hitler. Darf man das? Dessen ungeachtet haben 29 Länder [Stand 16.4.2013] die Übersetzungslizenz erworben - sie möchten auch über Hitler lachen. Damit dies gut gelingt, hat sich der Autor eine Woche lang am Niederrhein zur Übersetzer-Werkstatt mit Kollegen getroffen, im Europäischen Übersetzer-Kollegium in Straelen [sprich: Strahlen] am Niederrhein, gleich an der Grenze zu den Niederlanden. Anwesend waren neben dem Autor Timur Vermes Übersetzerinnen und Übersetzer aus England, Spanien, Italien, der Tschechischen Republik, Schweden, Norwegen, Bulgarien, Mazedonien, Griechenland, Portugal und China. Tim Hannes Schauen hat die Übersetzer bei der Arbeit beobachtet. -Anfang- Atmo Stühlerücken, Stimmengemurmel Sprecher Große Glasflächen unter einem spitzem Dach mit Giebelfenstern: Das Europäische Übersetzer-Kollegium wirkt von außen unscheinbar. Dabei verbirgt sich hier das weltweit erste und größte Arbeitszentrum für literarische Übersetzer. 1978 wurde es gegründet: Arbeitsräume, 30 Appartements, eine Küche, ein Speisesaal und - als geistige Nahrung - eine gewaltige Bibliothek. Mittendrin ein kleines Atrium unter einer Balustrade. Dieses wunderbare Ambiente nutzen pro Jahr etwa 750 internationale Gäste zum Arbeiten. O-Ton Claus Sprick Ja, guten Morgen, ich darf Sie zur Arbeit begrüßen. Vor allen die vielen Österreicher unter uns, so nenne ich die, die hier mit ihren Laptops und Kabeln hektisch... dass man den Eindruck hat, die suchen den Anschluss... Sprecher An diesem Montagmorgen sind alle Plätze rund um den langen Konferenztisch belegt. Elf Übersetzerinnen und Übersetzer haben das Buch mit dem eindrücklichen Cover vor sich: dem stilisierten schwarzen Hitler-Scheitel, der aus Bart und Mund geformte Titel. Laptops, Zettel und Stift liegen bereit. Mittendrin sitzt Timur Vermes, der Autor. Ihm gegenüber Claus Sprick, der Präsident des EÜK, der die Sitzung eröffnet hat, und nun die Problemstellung der Übersetzungsarbeit am Roman skizziert O-Ton Claus Sprick Wir wollten anfangen, ganz allgemein erstmal, dass der Autor uns einiges erzählt, was er für wichtig hält, was wir als Übersetzer wissen sollten und welche Schwierigkeiten er erwartet, oder welche Schwierigkeiten er hat. O-Ton Timur Vermes Das Interessante für mich ist dabei erstmal, ob man die deutsche Befindlichkeit in irgendeiner Art und Weise überhaupt übersetzen kann, denn wir lesen's natürlich von unserer traumatisierten Sicht und zwar als Täter, ganz klar, nicht irgendwie aus dieser Opfersicht. Insofern bin ich neugierig, wie das funktioniert und ob das funktioniert und wie man das mit übersetzt oder ob man darauf verzichtet. Wenn das so funktioniert in Deutschland geht das vielleicht auch so im Ausland, das weiß ich nicht... O-Ton Claus Sprick Nun baut es ja auf, auf einer Sprache, die für uns sehr markiert ist, die man sofort erkennt, auf Ausdrücken und Wendungen, die bei uns im Gedächtnis sind, wenn man da also nicht auf derselben Grundlage aufbauen kann, was sollte man da eventuell versuchen, um also eine Sprache, wie sie heute nicht mehr verwendet werden würde, zu kennzeichnen. O-Ton Timur Vermes Ich habe mich bemüht, in diesem Buch ein bisschen den Tonfall von jemandem zu treffen, der normalerweise keine Bücher schreibt, der normalerweise nichts von Intellektuellen hält, aber jetzt einmal, weil er ja ein Genie ist, auch mal zeigt, dass er ein Buch schreiben kann und aber zugleich auch spürbar ist, dass der da sich auf einem Terrain bewegt, wo er eigentlich nicht zuhause ist und wo er auch Anerkennung sucht. Das ist etwa das, was ich versucht habe zu schreiben, ich weiß nicht, inwiefern es mir es gelungen ist. Ich hoffe, es ist mir halbwegs gelungen, und jetzt kann ich natürlich sagen, in anderen Sprachen könnte ich es überhaupt nicht kontrollieren. Insofern... Sprecher Insofern beginnt Claus Sprick mit der Arbeit: Er führt das Übersetzerteam fortan Seite für Seite durch das Buch. O-Ton Claus Sprick Seite 7 eine Frage? Seite 8: ..."das deutsche Volk zuletzt im epischen Ringen mit dem Engländer": Geht das in anderen Sprachen, dass man sagt: der Engländer hat die Seewege blockiert... O-Ton Engländer Wir können das nur mit dem Türken machen. O-Ton Schwedin Ich habe auch gerade - wir können das mit dem Russen. Aber nicht mit dem Engländer. O-Ton Spanierin Es klingt schon nach Nazi - Feindgefühl. Ich bin so alt, dass ich weiß, das ist meine Kindheit. Ich habe auch so Selbstbehauptungslieder, franquistische Lieder, mit el englais, el englais - also: der Engländer. Aber heute ist ausgeschlossen, aber ich mache es doch. Die Leute sollen sichergehen, dass man so gesprochen hat. Ziemlich schnell klar worum es geht, auch wenn es nicht so häufig ist. Das kommt gleich hoch. Jedenfalls die Älteren wissen es. Sprecher Schnell wird klar: Übersetzungsarbeit ist Kulturaustausch! Neben sprachlichen Eigenheiten gilt es - gerade bei diesem Buch - stets auch Geschichte und Zeitgeschehen im Blick zu haben, Sprechen und Denken auch in den anderen Sprachen zu verknüpfen. HÖRBUCH 1 Ich trat ans Rednerpult. Und schwieg. Mein Blick ging in das Rund des Aufzeichnungstudios, ich horchte hinein in die Stille, gespannt, ob die Jahrzehnte der Demokratie wie erwartet nur geringe Spuren in den jungen Köpfen hinterlassen hatten. Volksgenossen und Volksgenossinnen! Was ich, was wir soeben in zahlreichen Beiträgen gesehen haben, ist wahr. O-Ton Claus Sprick Okay, dann sind wir erstmal durch mit Seite 9... Bei Seite 10 oben die Nummerierung der Kapitel... Sprecher Es dauert etwas, bis die Gruppe einen richtigen Arbeitsfluss entwickelt, doch im Lauf des Vormittags kommt sie immer mehr in Gang. Angeführt von Claus Sprick. O-Ton Claus Sprick Noch 38...? 39 ...? Sprecher Neben dem Arbeitstisch steht ein Teewagen mit Obst und Gebäck, um die Ecke Getränke. Gelegentlich steht jemand auf, holt sich einen Becher Kaffee. Jamie Bulloch, Übersetzer aus England, zapft heißes Wasser für Tee. O-Ton Jamie Bulloch Aus unserer Sicht in Großbritannien finde ich, das Buch ist gar nicht kontrovers eigentlich, - wenn man ein schlechtes deutsches Gewissen hat, dann ist es vielleicht schwieriger hier, aber ich finde, ich meine, das hat sich in Deutschland sehr gut verkauft, ich glaube, das wird auch sehr gut in England verkaufen, und wir haben diese spezifische Probleme nicht, eigentlich, dass wir mitlachen, und dabei finden wir gar nichts kontrovers. Hitler war für uns auch während des Krieges eine Witzfigur, und er ist immer noch so. Aber dieses Buch ist mehr eine Satire über die moderne Gesellschaft und die moderne Mediengesellschaft und es bezieht sich auch auf die unserer Gesellschaft in Großbritannien, weil in unseren Tagen heutzutage ist es ganz ähnlich, glaube ich. Sprecher Den Vormittag über hatte Jamie Bulloch der Diskussion eher zugehört als sich beteiligt, Notizen gemacht - und auch mal heimlich auf seinem Laptop Emails beantwortet, im Internet gestöbert. Etwa ein Drittel von "Er ist wieder da" hat er bislang bearbeitet, es ist das 15. Mal, dass er einen deutschen Roman in seine Muttersprache übersetzt. Schwierigkeiten sieht er vor allem bei der Sprache Hitlers. O-Ton Jamie Bulloch Weil die Passagen eher lang sind, voller Rhetorik - also habe ich noch nicht gemacht, aber ich werde mir ein Exemplar von MEIN KAMPF auf englisch aussuchen, aber eine Übersetzung aus den 30er Jahren, und darin findet man diese Art Englisch, hoffentlich, und auch muss man ein bisschen erfinden, man kann nicht immer immer direkt übersetzen, buchstäblich meine ich, man muss irgendwie seine eigene Rhetorik finden, was nicht langweilig ist, und nicht so künstlich ist - aber das ist das schwierigste am Buch, finde ich. Sprecher Spricht es und geht zurück zu seinem Platz. HÖRBUCH 2 Es war ein schöner kleiner Erfolg, als mich die junge Dame am Hotelempfang zum ersten Male mit dem Deutschen Gruß empfing. Ich war auf dem Wege zum Frühstücksraum und während ich ihren Gruß zu zurückgeklapptem Arme erwiderte, ließ sie ihren Arm bereits sinken. Sprecher Mittagspause. Für Claus Sprick, den EÜK--Präsidenten, der selbst auch Übersetzer ist, bedeutet dies: rauchen. Mit Streichholz und einer eleganten, schmalen Zigarre steht er im Treppenhaus. O-Ton Claus Sprick Man ist sofort in der Arbeit drin und arbeitet sachlich und verbissen an den Schwierigkeiten - und es sind ja meistens dieselben Schwierigkeiten für viele Übersetzer, die an derselben Stelle Verständnisschwierigkeiten haben, oder halt mit ihrer Sprache nicht das wiedergeben können, was im Deutschen geht. Es ist natürlich ein sehr bitterböses Buch, wo man also sehr aufpassen muss, vor allem wenn man in andere Sprachen übersetzt. Die große Schwierigkeit ist ja, dass wir sofort, wenn Hitler im O-Ton spricht, das als Hitlers Rede und aus seiner Zeit erkennen, und jemand der in einer anderen Nation nicht Hitler reden gehört hat, das nicht kennt, für den muss irgendetwas in der Übersetzung gefunden werden, dass er merkt - ach, das ist nicht wie wir heute reden, sondern so redete man damals im Nationalsozialismus. Atmo Stimme, Schritte auf Treppe Sprecher Die Tür fliegt auf, drei Frauen huschen vorbei - gehen kichernd die Treppe hinauf. Ein wenig erinnert die Atmosphäre an einen Aufenthalt im Landschulheim. Konzentriert und arbeitsam, doch zwischendurch büchst auch mal jemand aus. Heute sind es die beiden Übersetzerinnen aus Norwegen und Schweden, die zusammen mit der Tschechin in der Mittagspause hinüber zum Straelener Markt wollen. Claus Sprick - jetzt eher in der Rolle des Herbergsvater - zieht genüsslich an seiner Zigarre, er grinst. HÖRBUCH 3 Die Hausmaus macht Scherze über die Hausmaus und die Feldmaus über die Feldmaus. Das hat sich zu ändern! Und das wird sich ändern! O-Ton Claus Sprick Das ist bitterböse, und deshalb müssen wir auch aufpassen, das wäre also fatal, wenn in einer Übersetzung ein falscher Zungenschlag dabei vorkommt, als stünde der Autor dahinter oder so etwas, das wird im Ausland natürlich kritisch beäugt, alles, was bei uns über die Hitlerzeit erscheint, und da muss man dann also auch aufpassen, dass der Sarkasmus, die Ironie dabei auch richtig rüberkommt. Sprecher Während der gemeinsamen Tage steht nicht der Autor im Mittelpunkt, sondern sein Werk. Timur Vermes ist dabei jederzeit locker und fröhlich bei der Sache. O-Ton Timur Vermes Es ist berührend, es ist tatsächlich bewegend festzustellen, wie dieser Text übertragen wird, und hier geht es ja nicht nur um einfach um eine funktionale Übersetzung und sondern wie diese Menschen - die kämpfen wirklich darum, dass die möglichst nah am Original sind und "Was willst Du damit sagen? Und genau das möchte ich auch damit sagen. Ich will nicht nur, dass das irgendwie funktioniert, sondern ich möchte, dass das so funktioniert wie du das vorgehabt hast." Und das ist etwas, was... naja gut, das erlebt man eigentlich sehr selten. Sprecher Der Kampf um Lösungen, die richtige Übersetzung wird von unterschiedlichen Perspektiven aus geführt - doch stets mit demselben Ziel: für ein gutes Produkt. O-Ton Timur Vermes Es ist unglaublich anstrengend, weil man ständig zuhört, reagiert, sortiert, filtert, kann ich es brauchen, kann ich es nicht brauchen, muss ich das Problem lösen, können wir das Problem nicht einfach umgehen, man denkt die gesamte Zeit mit, und das ist natürlich auf der einen Seite sehr anstrengend, auf der anderen Seite ist es unglaublich anspornend weil der Vorteil von so einer Werkstatt ist einfach der, dass einer ein Problem auf den Tisch legt. Und damit haben natürlich alle - so das ist so eine Art Quiz. Wer bietet die erste Lösung? Wer bietet die beste Lösung? HÖRBUCH 4 Ab heute 22.45 Uhr scherzt die Hausmaus über die Feldmaus, der Dachs über den Rehbock und der Deutsche über den Türken. Daher schließe ich mich inhaltlich in vollem Umfang der Ausländerkritik meines Vorredners an. Damit trat ich ab. Sprecher Das größte Problem sind die Begriffe aus dem Nationalsozialismus: Was ist zum Beispiel der "Volkssturm", wer genau war darin? Renate Birkenhauer vom Übersetzer-Kollegium sitzt die ganze Woche über als Protokollantin mit am Tisch. O-Ton Renate Birkenhauer Und ich sitze hier außerdem noch mit der Aufgabe, ein bisschen Hintergrundinformation zu liefern für spezielle Wörter aus dem Deutschen, das während der Nazizeit gesprochen wurde, ein Wortschatz, den Hitler benutzt und der natürlich manchmal einer Erklärung bedarf. Sprecher Birkenhauer hat an einem Wörterbuch mitgearbeitet, das die Sprache der NS-Zeit dokumentiert. O-Ton Renate Birkenhauer Der Autor ahmt auch die Syntax recht gut nach von Hitler, und eben auch diese merkwürdigen Prägungen. Man muss erkennen, dass das einfach eine Sprache ist aus dieser Zeit. Auch, dass dieses miefige Denken darin zum Ausdruck kommt - also zum Beispiel Wörter wie "Lebensraum": das ist ein Schlagwort in der Propaganda und das Motiv überhaupt, warum wir diesen entsetzlichen Krieg im Osten führen, weil das deutsche Volk keinen "Lebensraum" hat, das ist nicht einfach nur ein gewöhnliches, alltägliches Wort, und da ist eben die Schwierigkeit, selbst wenn man einem Übersetzer ohne weiteres zeigen kann, dass dieses Wort einen Resonanzraum hat, wie bringt er es in seine Sprache? Das eine ist, dem Übersetzer etwas zu erklären, das andere, ist: wie kann er es umsetzen in seine Sprache. Sprecher An vielen Stellen erinnert Birkenhauer die Übersetzer immer wieder auf "Hitler- Deutsch" zu achten. Auf das Dativ-E beim "deutschen Volke" zum Beispiel. Meist aber geht es ihr um Anklänge, die Nicht-Muttersprachler überhören könnten. O-Ton Renate Birkenhauer Hitler hat immer von der "Vorsehung" gesprochen, die ihn an diesen Platz gestellt hat, und die auch für das deutsche Volk die Entscheidungen trifft. Der Tonfall, in dem "Vorsehung" gebraucht wurde, das heißt, auch der ganze Kontext der schriftlichen Veröffentlichungen in der Nazizeit, wo das Wort "Vorsehung" eine Rolle spielt, in Reden, in Propagandaschriften, ist was ganz anderes: Hitler dokumentiert damit, dass er nicht von Gott spricht. Wenn ich jetzt einfach im Deutschen nur stehen habe: Vorsehung - die Älteren erkennen den Resonanzraum, und einem Übersetzer muss ich das klarmachen. Aber er kann in seiner Sprache vermutlich diesen Resonanzraum nicht erzeugen, er könnte höchstens versuchen aus der faschistischen Vergangenheit seines Landes, also wir sind ja haben ja nun auch einige Regierungen zur Mitarbeit gezwungen, einen ähnlichen Begriff zu finden. Sprecher Genau das bereitet Min Yin aus China während ihrer Arbeit mitunter Probleme. O-Ton Min Yin Die Menschen, die das Buch in Chinesisch dann kaufen, sie werden sicher schon sehr viel über deutsche Geschichte wissen, es geht mir eher über einzelne Begriffe, zum Beispiel was wir hier diskutiert haben: "Volksgenossen" und "Vorsehung". Daher wollte ich in dieses MEIN KAMPF auch in Chinesisch dann ein bisschen reingucken, denn die Übersetzungen liegen schon etwas zurück, ob sie da eine andere, ältere Sprache im Chinesischen hatten, dann kann ich schon mindestens ein bisschen ausleihen. HÖRBUCH 5 "Das ist Stromberg", sagte Mehmet bestimmt. "Krass", sagte sein Kamerad. "Stromberg in eurer Wäscherei!" "Nee", verbesserte sich Mehmet, "das ist der andere Stromberg. Der ist aus Switsch." "Hamma", variierte der Kamerad die Aussage leicht, "der andere Stromberg in Eurer Wäscherei!" O-Ton Karin Andersson Also ich habe erstmal einfach Fernsehen hinzugefügt. Das ist de Stromberg vom Fernsehen. Sprecher Jugendsprache und Dialekte fordern die Übersetzer immer wieder heraus. O-Ton Karin Andersson Ich finde schon, das mit dem Dialekten, das ist immer schwierig, und das ist und auch ein bisschen traurig, weil ich kann natürlich keinen Göteborger oder Stockholmer Dialekt nehmen statt Berlinerisch, weil das wird ja dann ganz falsch und das verschwindet ein bisschen in der Übersetzung. O-Ton Min Yin Mit "cool!" - das war diese Szene noch in Berlin, dass die Jugendlichen gesagt haben: "Cool!" und "Krass!" - und es gibt mittlerweile modernes Chinesisch, dass man einfach englisch/Fremdwörter direkte in chinesische Zeichen umsetzt, zum Beispiel dieses "cool", kann man in chinesische Zeichen schreiben, aber sinngemäß hat mit "cool" gar nicht mehr zu tun - das ist nicht kalt, sondern hat eher eine Bedeutung von "brutal" Das ist genauso wie wenn wir sagen: ja, da stehen ja ganz viele Fans - für irgendwelche Popstar oder Obama, aber diese Fans wird in Chinesisch übersetzt so wie "Glasnudel" - da hat ja auch keinen Zusammenhang. Sprecher Renate Birkenhauer hat schon viele solcher Übersetzerkollegien begleitet - und stets als fruchtbar erlebt. Für Autoren und Übersetzer. O-Ton Renate Birkenhauer Dass der Autor gefragt werden kann, wieweit darf ich jetzt gehen, ich muss mir da eine ziemliche Freiheit in meiner Sprache nehmen, darf ich mir die nehmen, das ist eine Gewissensfrage, die jeder Übersetzer alle paar Seiten zu lösen hat generell und da ist es wirklich wichtig, sich sozusagen vom Autor ein Dispens zu holen, darf ich soweit gehen? HÖRBUCH 6 "Hitler!", sagte ich mit einer vorbildlich dezenten Stimme. "Haben Sie heute schon die Zeitung gelesen?", fragte ansatzlos die Stimme der Dame Bellini. "Nein! Wieso?" "Dann schauen sie es sich an." "Moment, was soll das heißen? Von welcher Zeitung reden wir überhaupt?" "Von der mit ihrem Bild vorne drauf", sagte die Dame Bellini. Ich stand auf und ging zu dem Stapel mit den Zeitungen, dort lagen einige Exemplare jener BILD-Zeitung, und vorne war ein Foto von mir abgebildet unter der Überschrift: Irrer You-Tube-Hitler: Fans feiern seine Hetze. O-Ton Renate Birkenhauer Und es ist immer wieder erstaunlich, auch für die Autoren, wieviel die Übersetzer noch an kleinen Schwächen im Buch erkennen, die das Lektorat auch übersehen hat, weil eben der Übersetzer das, was er übersetzen soll, absolut genau verstehen muss. Und entsprechend tief wird gebohrt und so wird gefragt. Sprecher Donnerstagnachmittag, vier arbeitsreiche Tage im Rücken. Seite für Seite hat das Team durchgearbeitet. Gelöste Stimmung macht sich breit - des Ende naht. Gleich ist es geschafft. O-Ton Claus Sprick 395 ? Da hätte ich eine Frage, Zeile 7, die Krankenschwester: "Ich sehe hier nur kurz nach dem Rechten" - es ist ja die Doppelbedeutung, oder es ist eine Dreifachbedeutung - sie sieht nach dem Rechten, dem richtigen Ehemann für mich, oder der rechts ultrarechts politisch auch steht, ist das auch noch mit drin, oder? Sprecher Zum Schluss also noch mal ein Problemfall. "Nach dem Rechten sehen" - so viele Deutungsebenen schwingen hier mit, dass Ljubomir Iliev aus Bulgarien den Kopf schüttelt, brummelt: "Das kann ich nicht wiedergeben". Auch die anderen sind skeptisch. Jutta Willand-Sellner vom Verlag schlägt schließlich vor, dazu zu erfinden, was die jeweiligen Landessprachen nicht enthalten. Oder zu verzichten. Die letzte Hürde, sie ist genommen. O-Ton Claus Sprick Ja, und mehr haben wir nicht, wir haben's geschafft, wir sind durch! Sprecher Vom Landschulheim zurück in die Schule: Kurz vor Schluss hat die Atmosphäre im Europäischen Übersetzer-Kollegium etwas von der letzten Stunde vor den großen Ferien. Die Anspannung ist gewichen. Doch so einfach entlässt Claus Sprick seine Klasse nicht. O-Ton Claus Sprick Was ich gerne noch wüsste, so als erste Ergebnisauslese: habt ihr einzelne Lösungen gefunden im Anschluss an die Diskussion und mithilfe der Diskussion, die ihr vorher nicht hattet und die ihr vielleicht auch alleine nicht so gefunden hättet? Da hätte ich gerne von Euch, wenn es geht, Beispiele. Du hast was, Francesca? Würdest Du es uns zitieren oder zumindest schildern können? O-Ton Francesca Gabelli Habe mehrere Lösungen gefunden dank dieser Runde, eine war gestern mit meiner Kollegin aus Spanien das Wort "Volksgenossen", ich glaube, wir haben das jetzt gut hingekriegt - ja, die berühmten Volksgenossen endlich mal hingekriegt. O-Ton Claus Sprick Wie sieht's bei Dir aus? O-Ton Michaela Skultety Ja, bei mir, ich hab mir gedacht, ich kann jetzt statt diese Berliner Dialekt, ich könnte ja den Jugendjargon benutzen eigentlich an den meisten Stellen, das wäre jetzt eine plausible Lösung und viel einfacher und viel besser vielleicht, als einen tschechischen Dialekt zu nehmen, das wir nicht so oft benutzen. O-Ton Ljubomir Iliev Also ich nehme Vieles mit nach Hause, und zwar soviel, dass ich es jetzt hier im Einzelnen nicht darauf eingehen möchte, zum Beispiel ich wusste überhaupt nicht, dass Rossmann und Müller Drogerie-Kettten sind, jetzt, wo ich es weiß, weiß ich auch, wie ich es einbaue. O-Ton Min Yin Auf jeden Fall habe ich sehr sehr viel Hilfe oder neue Kenntnisse bekommen, während dieser vier Tage, das wird mir bei der Übersetzung sehr sehr helfen, und ich bedanke mich auch sehr für die Fürsorge immer von Euch, wie wird das in einer asiatischen Sprache sein? Und ich denke, ich werde Euch auch sicher nochmal nerven oder stören per Email, dass ich mal einfach frage, wenn ich irgendwas nicht verstehe oder wenn ich unsicher bin. Das brauchen wir vielleicht alle! Alle: Jaaa! O-Ton Jamie Bulloch Als guter Engländer habe ich schon meinen Schreibtisch aufgeräumt, alle Notizen sind schon im Zimmer, aber ich würde sagen, dass das mit den historischen Quellen war auch sehr interessant. O-Ton Carmen Gauger Ja für mich ist es ein bisschen ähnlich gewesen ich finde, das Sprechen zusammen über die Möglichkeiten der Übersetzung, wie weit kann man kommen, in wie weit kann ich etwas ändern, wie kann ich mich verlassen, diese Änderungen zu machen, Namen zu ändern, zum Beispiel mit den jüdischen Namen, bekannte, war mir nicht so 100% klar, dass diese Namen rein jüdisch waren, durch andere zu ersetzen, oder dass berühmte Problem, das uns verrückt gemacht hat, die ganze Zeit mit den "Volksgenossen", haben wir es gelöst. Sprecher Gespannt hört sich Timur Vermes das Fazit seiner Übersetzer an, auch für ihn war diese Woche, die gemeine Arbeit an seinem Text, eine neue Erfahrung. O-Ton Timur Vermes Ich habe festgestellt, dass es verschiedene Länder gibt ohne Drogerien, ohne Drogerieketten... LACHEN Und dass ihr diesen Text so annehmt und auch behütet - das ist schon sehr beeindruckend. O-Ton Bulgare Iliev Ich muss mich eigentlich bei Timur noch einmal bedanken, denn ich kenne auch andere Autoren, die überhaupt nicht zulassen, dass man so demokratisch mit ihrem Text umgeht. Sprecher Timur Vermes bedankt sich, lobt auch das Team des EÜK, das für eine tolle Atmosphäre mitsamt Kost und Logis gesorgt habe. Die Woche über war Vermes im sogenannten "Philosophenzimmer" unterbracht - zusammen mit philosophischer Literatur von A bis Nietzsche, wie er sagt. Dann zückt Vermes einen Zettel: O-Ton Timur Vermes Nie war das Büro so nah mir, nie war das Essen so lecker, wie in Straelen bei Nacht wo ich untergebracht war mit Karl Marx und Martin Heidegger nie war die Arbeit so fruchtbar, nie die Betreuung so kregel, nie der Schläfer so aalend, nie das WLAN so straelend wie zu Füssen von Husserl und Hegel. Sprecher Und damit ist sie zuende, die einwöchige Übersetzerwerkstatt. Jamie Bulloch steht als erster auf. O-Ton Jamie Bulloch Diese Woche war wunderbar, also das war für mich wirklich eine Inspiration, für meine weitere Arbeit mit der Übersetzung, ich bin also nur bisher relativ langsam vorangekommen, aber jetzt habe ich das Gefühl, dass ich das wirklich relativ schnell machen kann, durch diese Lösungen, die wir besprochen haben, durch die Mitarbeit mit anderen Kollegen, auch aus anderen Ländern, weil auch wenn sie andere Lösungen finden müssen - trotzdem, wenn man das Problem bespricht, dann hilft das eigentlich. Sprecher Gelöst wirkt der Brite, es ist geschafft. Zumindest der gemeinsame Teil der Arbeit. Mit seinem Laptop unter dem Arm steht er auf dem Flur - hinter ihm, wie eigentlich überall im Übersetzerkollegium, Bücherregale. Die chinesische Kollegin huscht vorbei, sie lächelt und stellt sich neben Schweden und Norwegen an den Rand des Atriums. Über dem abgedeckten Flügel und den noch leeren etwa fünfzig Stühlen in der Raummitte blickt der Portugiese von der Balustrade herab: Generalprobe für die Autoren- und Übersetzerlesung am Abend. Der die Woche über so stille Portugiese Joao Henriques strahlt über das ganze Gesicht und zeigt ungeahnte charismatische Qualitäten als Entertainer. Atmo Henriques spricht Sprecher Die eigentliche Arbeit im stillen Kämmerlein wartet nun auf Jamie Bulloch und seine Kollegen. Aber der Mann mit dem Laptop unter dem Arm wirkt nicht so, als könne ihn das noch irgendwie schrecken. O-Ton Jamie Bulloch Das ist eigentlich das Gehirn trainieren, durch so eine Arbeit, wirklich. Man ist am Ende des Tages unglaublich müde. Wie ich das nicht gedacht hätte, vorher. Acht Stunden zu arbeiten, aber das macht auch sehr viel Spaß, wir haben auch viel gelacht. Sprecher Gelacht: über Hitler. Das können bald auch Leser in 29 Ländern außerhalb Deutschlands. Dank der Arbeit des Autors und der Arbeit seiner Übersetzer. HÖRBUCH 7 Das Volk hat mich wohl am meisten überrascht. Nun habe ich ja wirklich das Menschenmögliche getan, um auf diesem vom Feinde entweihten Boden die Grundlagen für eine Fortexistenz zu zerstören. Brücken, Kraftwerke, Straßen, Bahnhöfe, ich habe die Zerstörung all dessen befohlen. Und inzwischen habe ich es auch nachgelesen wann, das war im März, und ich denke, ich habe mich in dieser Beziehung ganz klar ausgedrückt. O-Ton Collage Mazedonierin ließt Italienerin ließt Bulgare ließt Tschechin ließt Schwedin ließt den Anfang 24.987 Zeichen inkl. Leerzeichen -ENDE Script- 1