Deutschlandradio Kultur Fit in der Firma Betriebssport in Deutschland Ein Nachspiel von Gerd Michalek am 3.11.2013 Atmo: 1 Paddelschlag auf Duisburger See O-Ton 1a+b+c (m-1) Tja Drachenboot? Drachenboot verbindet. Sport? Dass mein Bauch mal ein bisschen dünner wird! ( (m-2) Obwohl wir schon Direktoren im Boot hatten, die haben wir behandelt wie jeden anderen auch. Im Boot sind sie alle gleich. SPRECHER Mindestens einmal pro Woche zieht es Wolfgang Bergendahl und die Kollegen an den ruhigen Duisburger Regatta-See. O-Ton 2 Ne schöne Geschichte, wo man entspannen kann, abschalten nach der Arbeit. Trotz des Trainings war das wie so ein Tach Erholung! SPRECHER Der gelernte Dreher ist Betriebsrat bei Thyssen-Krupp und Chef der "Steeldragons", einer betrieblichen Wassersportgruppe. Atmo 2: Firmenlauf - Anfeuerung O-Ton 3 (C. Bräutigam) Es ist ein Gruppenerlebnis. Man läuft nicht wie bei einem normalen Marathon. Man läuft mit 20, 30 Kollegen in einer großen Menge. Man trifft Freunde und Bekannte von anderen Firmen, die man seit ewigen Zeiten nicht mehr gesehen hat. SPRECHER Einmal im Jahr ist für den Computer-Spezialisten Christoph Bräutigam ein großer Firmenlauf das absolute Muss! Atmo 3: Golf-Abschlag SPRECHER Andere schwingen nach der Arbeit lieber den Golfschläger, sagt ein Bankkaufmann. O-Ton 4 (Weidmann) Es sind da alle Schichten. Vom Auszubildenden bis zum Vorstandsmitglied spielen dort mit. Bei Bosch spielen regelmäßig Vorstände mit. Und auch bei anderen Firmen geht das hierarchieübergreifend. SPRECHER Ob Auszubildender oder Chef - ob im Drachenboot, beim Golf oder an der Tischtennisplatte: Betriebssport in Deutschland hat viele Facetten. In gut 60 verschiedenen Sportarten sind über 281.000 Firmenangehörige aktiv. Auch wenn der Frauen- anteil kontinuierlich zunimmt, dominieren weiterhin die Männer mit 71 Prozent. Dabei geht es weder um Höchstleistungen noch um die Frage, wo man als Angestellter in der Firmenhierarchie steht. Die Angebote sind gerade für diejenigen attraktiv, die wegen ungünstiger Arbeitszeiten kaum am Spiel- und Trainingsbetrieb eines üblichen Vereins teilnehmen können, betont Drachenbootfahrer Werner Bergendahl. O-Ton 5 (Bergendahl) Wir haben ja locker 50 Prozent im Schichtdienst.(..) Der wechselt im Zweierrhythmus: zwei früh, zwei Mittag, zwei Nacht, (..) so dass man immer einen Stamm hat, der sollte bei einem großen Boot nicht unter 25 rutschen, sonst wird das zur Qual! Da kann man raus fahren, aber das macht kein Spaß. SPRECHER Sport mit Kollegen fördert die Geselligkeit. Bringt es auch etwas für das Arbeitsklima? O-Ton 6a(Volleyballer Bartsch) Ich denke ja, weil auch Leute aus großen Firmen aus völlig verschiedenen Abteilungen und aus völlig unterschiedlichen Hierarchieebenen gemeinsam Sport treiben. Und ich glaube, das Klima wird dadurch bestimmt nicht schlechter, wenn man sich nach dem Sport beim Bier trifft und unterhält. O-Ton 6b( Weidmann) Betriebssport ist ja innerhalb der Firmen auch dazu da, Verbindungen zu schaffen. Das Wort Seilschaft ist ja negativ belegt, aber man kann es durchaus vergleichen. Es sind dann auch Seilschaften. Man tut sich im normalen Alltagsleben wesentlich leichter mit den Leuten, wenn man mit denen schon mal gespielt hat, wenn man sich kennt, wenn man in unterschiedlichen Abteilungen arbeitet, dann flutscht es im Prinzip wesentlich besser. SPRECHER Firmensportler finden ein reichhaltiges Angebot. Neben den klassischen Ballsportarten wird auch Beach-Volleyball gespielt und Drachenboot gefahren. Warum einige Bewegungsformen interessanter werden, andere dagegen nicht, weiß Uwe Tronnier, Präsident des deutschen Betriebssportverbandes: O-Ton 7 Teilweise durch die Entwicklung im Vereinssport: Volleyball, Beachvolleyball durch die Olympischen Spiele stark in der Presse gewesen. Viel Interesse, da mit zu spielen. Das wirkt sich auch im Betriebssport aus. Bestes Beispiel war Tennis: Zu Zeiten von Steffi Graf und Boris Becker eine unsere führenden Sportarten, jetzt mehr so ins Mittelfeld abgesunken. SPRECHER Seit einigen Jahren gibt es eine wichtige neue Strömung: Gesundheitssport. Vorreiter waren dabei schon in den 80er Jahren die Autobauer und die Stahlindustrie. Firmen wie der Kölner Versicherer "Gothaer" legen außerdem viel Wert auf gesundes Essen und Bewegung. Deshalb haben die hauseigenen Gesundheits-berater Farbmarkierungen in der Firmenkantine verwendet. So erkennen die Mitarbeiter auf der Speisekarte sofort, ob sie ein leichtes Menü oder eine "Kalorienbombe" bestellen. Atmo 4: Musik im Gymnastikraum SPRECHER Auch im Gymnastikraum der Firma findet das so genannte "Betriebliche Gesundheitsmanagement" statt. Marco Burnus, Diplomsportlehrer, ist dafür zuständig. O-Ton 8 Das Betriebliche Gesundheitsmanagement bietet ja deutlich mehr als Sportangebote. Aber es ist aufbauend natürlich auf klassischen Sportangeboten der Gothaer Sportgemeinschaft, des Betriebssports. Da gibt es knapp 30 Sportgruppen - 700 Mitarbeiter, die dort Mitglied sind, das geht von Volleyball über Basketball, Fußball bis hin zu Schach. Darüber hinaus gibt es verschiedenste Präventionsangebote, die über den Dienstleister "Mediexpert" laufen. Das sind dann richtige Präventionskurse in Richtung Rücken-Fitness, Entspannung, Herz-Kreislauftraining, die auch von den Gesetzlichen Krankenkassen unterstützt werden. SPRECHER Die Gesundheitsprogramme der Versicherung werden von der Tochterfirma "MediExpert" entwickelt. Marco Burnus und seine Kollegen organisieren regelmäßig Gesundheitsmaßnahmen am Arbeitsplatz. Zum Beispiel gehen Bewegungs-Coaches von einem Büro zum nächsten, um die Mitarbeiter auf Trab zu bringen. O-Ton 9 (weibl. Coach) Guten Tag, ich komme von Mediexpert im Rahmen der aktiven Bewegungspause. Da würde ich Ihnen gerne drei Übungen zur Mobilisierung der Wirbelsäule zeigen, wenn Sie kurz Zeit dafür hätten. Sehr schön! Sie können direkt sitzen bleiben, das sind alles Übungen, die an den Büroalltag angepasst sind. SPRECHER Das Übungsprogramm dauert kaum fünf Minuten. Schulter und Nacken lassen sich schnell lockern. Das kommt gut an. O-Ton 10 (W-1) Es war schön, sich mal zu dehnen, den Rücken mal rund zu machen, man sitzt schon den ganzen Tagen sehr angespannt am Schreibtisch auch mit hochgezogenen Schultern. Das war zum Lockern ganz gut zwischendurch. (W-2) Ich finde es ein tolles Angebot vom Arbeitgeber, dass hier zwischendurch auch ein Coach vorbeikommt und mit uns ein paar Minuten ne kleine Auszeit machen. Das ist schon wirklich toll, dass wir das mitbekommen. SPRECHER Neben solchen Kurz-Ansprachen in der Mittagspause, die zum eigenen Üben anregen sollen, gibt es auch feste hauseigene Kurse. O-Ton 11(Burnus) Das heißt, der Mitarbeiter hat beispielsweise die Möglichkeit, im ersten Quartal an einem Joga-Kurs teilzunehmen, im zweiten einen Rückenkurs, im dritten aussetzen und im vierten Quartal sich mit einem Kardio- Fitnesskurs auf den Skiurlaub im Winter vorzubereiten. SPRECHER Viele Mitarbeiter belegen inzwischen mehrmonatige Rückenfitness- und Entspannungskurse. Atmo 5: Rücken-Gymnastik in Gymnastikhalle O-Ton 12 (Kursleiterin Julia) Auf die Zehenspitzen. ... Spannung in den Rumpf.. und langsam zum Stehen kommen. SPRECHER Wer am Schreibtisch arbeitet, leidet oft dauerhaft an Muskelverspannungen. Kein Wunder, dass einige den Entspannungskurs wiederholen. O-Ton 13 (männl. Teilnehmer) Das mache ich das schon sieben Jahre im Kurs, das gefällt mir sehr gut, und ich werde mich auch weiterhin, solange es den Kurs gibt hier anmelden. SPRECHER Viele zieht es meist von alleine zur Bewegung, andere müssen dazu motiviert werden. Nichts Neues für Gesundheitsmanager Marco Burnus. O-Ton 14 Da haben wir gesagt: Wenn der Prophet nicht zum Berg geht, dann muss der Berg halt zum Propheten gehen. Das realisieren wir über Gesundheitstage, die wir alle zwei Jahre durchführen an allen Standorten. Da gibt es verschiedenste Möglichkeiten für die Mitarbeiter, seine Gesundheit checken zu lassen. Beispielsweise für den Rücken: Wo die Rücken- und Bauch- muskulatur gemessen wird und in ein Verhältnis zueinander gestellt wird. Es gibt einen Kardio-Scan, wo auch ein Stresswert bestimmt wird. Es gibt ein Herz-Kreislauf-Risiko- profil, wo verschiedene Risikofaktoren erhoben werden und letztendlich bewertet. Der Mitarbeiter bekommt jeweils seine Ergebnisse ausgehändigt, hat dann die Möglichkeit, sich eine Trainingsempfehlung abzuholen. SPRECHER Von solchen Möglichkeiten im Betrieb konnten Arbeitnehmer vor 100 Jahren nur träumen. Musik 1: Komponist: Felix Mendelsohn-Bartholdy: "Ein Sommernachtstraum", Interpret: Barockorchester Stuttgart 1997, Tr. 5 "Elfenmarsch (ca. 0:30 Min.), LC 3989 SPRECHER Damals, in der Gründungsphase des deutschen Betriebssports, stand sowieso nicht die Gesundheitsvorsorge im Vordergrund. Als um das Jahr 1900 große deutsche Firmen expandierten, diente sportliche Betätigung vorrangig dem Betriebsfrieden, berichtet der Bochumer Sporthistoriker Andreas Luh. O-Ton 15 Die Betriebe, die damals entstanden, und die großen deutschen Konzerne, wie Siemens, Krupp und auch große deutsche Banken, standen ja damals in einer Klassen-kampfsituation. Die hatten ein Bedürfnis, ein System betrieblicher Sozialpolitik aufzubauen, was auch eine gewisse Legitimations- und Abwehrfunktion hatte gegenüber den Interessen einer organisierten linksorientierten Arbeiterbewegung. SPRECHER Gewerkschaften formierten sich, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Es wurde gestreikt, was der Werksleitung natürlich ein Dorn im Auge war. Dass Firmensport entstand, hatte zum Teil auch mit sportbegeisterten Werkschef zu tun - etwa bei der Firma Bayer: Die Produktionsstätten der Chemie-Fabrik wurden quasi auf die grüne Wiese nach Leverkusen verlegt. Weil dort Freizeitbeschäftigungen fehlten, ließ Bayer-Chef Carl Duisberg Sportstätten für die Arbeiter bauen. So schlug er zwei Fliegen mit einer Klappe: In Leverkusen wurde tatsächlich seltener als anderswo gestreikt. Und es gelang, die meist ungelernten Wanderarbeiter enger an den Betrieb zu binden. Atmo 6: "stampfende Stiefel + Marschmusik" aus Archiv-O-Ton "Olympische Winterspiele" 1936 in Garmisch-Partenkirchen SPRECHER Als der Nationalsozialismus alle Gesellschaftsbereiche durchdrang und das Vereinswesen zerstörte, wurde auch der Firmensport totalitär vereinnahmt. Die Nazis machten ihn zu einem Instrument der Mobilmachung. Sporthistoriker Andreas Luh. O-Ton 16 Der Vierjahresplan zur Kriegsfähigmachung der Wirtschaft und der Gesellschaft: Die Arbeitsanforderungen stiegen, die Arbeitszeiten stiegen hoch. Die Konsumgüterindustrie wurde zurückgeschraubt. Da war der Sport natürlich ein ganz wichtiges Instrument: Das war ganz raffiniert organisiert, man schlug zwei Fliegen mit einer Klappe. Die bestehenden Vereine mussten übertreten in NS-Betriebssport- gemeinschaften, die über die KdF organisiert waren. Aber die Räumlichkeiten, und die angestellten Kräfte, das mussten die Betriebe zahlen. SPRECHER Die Nazis gängelten die Arbeiterschaft und versuchten über den Firmensport die Arbeitsmoral hoch zu halten. Was hinter den Werkstoren vor sich ging, bestimmten vorwiegend die so genannten Kraft-durch-Freude-Gruppen. Nach ihrer Pfeife tanzten etwa acht Millionen Menschen. Außerdem zwang das Regime die freien Sportvereine, in die NS-Betriebssportgemein- schaften überzutreten. O-Ton 17 Die Betriebe hatten davon etwas bei den Leistungswettkämpfen um das "Goldene Zahnrad". Das "Goldene Zahnrad" konnte man auch auf dem Briefkopf des Betriebes zeigen. Man bekam auch Rüstungsaufträge eher zugeteilt, wenn man dieses Zahnrad erworben hatte. SPRECHER Das Goldene Zahnrad als Auszeichnung bekam unter anderem eine Kölner Lackfabrik: Dort machte Grete Debus ihre Lehre als Laborantin. Die heute 95jährige gewann als junge Frau zweimal die deutsche Meisterschaft im 200-Meter-Lauf. O-Ton 18 Das Rad haben wir gekriegt, das weiß ich, da war der sehr stolz drauf! (Lachen) Am Briefpapier und das hing auch am Tor. Die haben Aufträge bekommen für die Flugzeug-industrie, denn wir haben ja Flugzeuglacke gemacht und damals für die Reichsbahn. Musik 2: Interpret: Kurt Edelhagen: In the mood, (ca. 20 Sek.) Komponist: A. Razaf, LC 0194 SPRECHER Das Ende des Zweiten Weltkrieges war im Grunde auch die Stunde Null des Betriebssports. Sein Neuaufbau in der frühen Bundesrepublik vollzog sich nicht ganz reibungslos. Den Deutschen Sportbund (DSB)- Vorgänger des heutigen Deutschen Olympischen Sportbundes - störte als Dachverband, dass sich neben dem üblichen Wettkampfsport ein zweites System etablierte. In den 60er Jahren akzeptierte der DSB jedoch die zweite Säule des westdeutschen Breitensports auch deshalb, weil körperliche Bewegung in der Firma bislang zu kurz kam. Musik 3: NATIONALHYMNEN, Tr. 10, DDR-Hymne, (Hanns Eisler), (ca. 0:30 Min.) DLF-Archiv. SPRECHER In der DDR hingegen besaß der Betriebssport quasi ein Monopol im Freizeitsport. Sporthistoriker Andreas Luh: O-Ton 19 A. Luh Im Arbeitsgesetzbuch der DDR ist festgelegt worden, dass jeder volkseigene Betrieb auch für die kulturelle und sportliche Förderung der werktätigen Bevölkerung zahlen muss. Wo es nicht um die freie Entscheidung geht: "In welchen Verein gehe ich?" Man hat da eben Sport getrieben, wo man auch gearbeitet hat. Sie hatten dort nicht die Wahl gehabt: Da wird ein Basketballverein gegründet, da sind nette Leute, da gehe ich hin! SPRECHER Stattdessen durfte man in der DDR ausschließlich dort Werkssport treiben, wo man auch arbeitete. Das galt für dreieinhalb Millionen Werktätige. So sehr der Betriebssport für eine willkommene Abwechslung im grauen Berufsalltag und für sozialen Zusammenhalt sorgte: Er stand in der Gunst der Staatsführung weit hinter dem prestigeträchtigen Spitzensport. Nur etwa 20 Prozent der Trainer kümmerten sich um Breitensport, der chronisch unterfinanziert war. Der Löwenanteil der Mittel kam dem Hochleistungssport zugute. MUSIK 4: Interpreten: Us 3: "Hand on the Torch", 1993, Komponisten: Kobie Powell/ Mel Simpson/ Rahsaan Kelly/ Reuben Wilson, Geoff Wilkinson) Tr. 2 "I got it going on", (ca. 0:35 Min.), LC 0133 SPRECHER Auch heute ist - in Ost- wie in Westdeutschland - Firmensport überwiegend Breitensport. In der Regel treffen sich die meisten Freizeitsportler in über 4600 Firmen-Mannschaften nur einmal pro Woche zum Training. Trotzdem kommen sportliche Leistungsvergleiche erstaunlich oft vor. Häufig bestehen feste regional begrenzte Spielrunden - auf Kreis- und Landesebene. In vielen Disziplinen wird um Titel und Urkunden gekämpft. Seit 1999 gibt es in bestimmten Sportarten sogar nationale Meisterschaften. Atmo 7: (HALLEN-ANSAGERIN) Zur deutschen Meisterschaft im Betriebssport im Mixed- Volleyball. Schön, dass Ihr alle da seid! SPRECHER Ende Oktober spielten die besten Volleyball-Firmenteams in Köln um den Titel "Deutscher Betriebssportmeister" - wahrlich keine Veranstaltung für Sportanfänger! Die meisten Finalisten spielen auch im Verein Volleyball. Besonders reizvoll finden sie es, in einem Mixed-Team anzutreten. O-Ton 20 (weib.-1) Als Frau finde ich es total gut, gegen Männer zu spielen, Männer haben mehr Kraft und ich möchte das gerne nutzen, um mich weiter zu entwickeln. (männl.-1) Es sind sechs Leute nach wie vor, ob man in der Liga spielt oder beim Betriebssport, aber es ist komplett was anderes. Es macht mehr Spaß, weil es nicht so ernsthaft ist wie in der Liga, ohne den Betriebssport jetzt abzuwerten. Aber es macht einfach Spaß, weil es beim Betriebssport mehr darum geht, Leute in der Firma zusammenzufassen, mit denen Sport zu machen und nicht einfach ums reine Aufsteigen-Absteigen. SPRECHER Auch Organisator Andreas Bartsch spielt sehr gern in gemischten Mannschaften. O-Ton 21 Mixed-Volleyball hat verschiedene Vorteile. Es ist sicherlich geselliger, zum zweiten es ist weniger verbissen, wenn Frauen mit auf dem Feld sind. Und zum dritten für mich als eher kleiner Spieler ist entscheidend, dass das Netz etwas niedriger ist. Und in meinem Alter freut man sich über jeden Zentimeter, den man weniger springen muss. Ich glaube, die meisten von uns haben vorher in Vereinen gespielt und einer der entscheidenden Punkte, beim Betriebssport mitzuspielen, ist der, dass die Spiele nicht an Wochenenden stattfinden. Und für uns, wir sind zum großen Teil junge Familienväter oder eben junge Mütter, ist es eben schön, das Wochenende frei zu haben und trotzdem an einem Ligaspielbetrieb teilzunehmen. SPRECHER Den Firmenvolleyballern geht es vorrangig um Spaß und Geselligkeit beim Kölner Finalturnier. Was keinesfalls heißt, dass hier Kreisklassen-Niveau herrscht! O-Ton 22 (A. Bartsch) Ich denke, dass diejenigen, die am Ende um die Titel mitspielen, durchaus sich mindestens auf Oberliga- oder Regionalliga-Niveau bewegen. Ich weiß, dass viele ehemalige Bundesligaspieler sind, die den Betriebssport dem Alt-Herren- Sport vorziehen. Atmo 8: Volleyball- Training SPRECHER Am Turnier dürfen jedoch keine Spitzenathleten teilnehmen. Das würde viele Breitensportler entmutigen. Daher darf kein Spieler aus den obersten drei Ligen Deutschlands stammen: Eine zweite Regel lautet: O-Ton 23(männl.-1) Ab der Bezirksliga ist es dann so, dass man, wenn man in einer Betriebssportmannschaft spielt, fünf Punkte abgeben muss als Vereinsspieler. Bei mir ist es so, wenn ich aufs Spielfeld gehe mit meiner Mannschaft, dass ich dann fünf Punkte abgeben muss. SPRECHER Trotz dieser Regeln hat Volleyball als Firmensport guten Zulauf, sagt Organisator Andreas Bartsch. O-Ton 24 Wenn man sich die Ligen in Nordrhein-Westfalen anschaut. Der Nachwuchs, der ist da. Volleyball ist ein trendiger Sport, auch durch den Beachvolleyball und die Erfolge, die gefeiert wurden. Durch die Damen bei der Europameisterschaft, die Herren waren ja auch sehr gut. SPRECHER Beim Kölner Finale sieht man viele Mittdreißiger auf dem Feld, aber auch einige 50jährige. Dass unsere Gesellschaft altert, spiegelt sich auch zunehmend im Betriebssport wider, sagt Uwe Tronnier vom Deutschen Betriebssportverband: O-Ton 25 Wir haben ne Steigerung in den Altersgruppen jenseits der 55, und wir haben auch unten bei den Jugendlichen recht gute Zahlen. Unser Problembereich ist wie im Vereinsbereich, die Leute zwischen 25 und 40, wenn sie sich in der Firma erstmal finden müssen, aber dann nach und nach wieder zu uns finden. Atmo 9: Paddelschlag Duisburg SPRECHER Wie sieht es bei den Drachenbootfahrern aus? Bei Thyssen-Krupp konnte Werner Bergendahl zunächst viele Stahlarbeiter ins Boot holen. O-Ton 26 2003 haben wir an einer Funregatta in Duisburg teilgenommen, haben erlebt, dass das ne tolle Sportart ist, die relativ schnell ohne Vorkenntnisse auszuführen ist. Aber wir haben Spaß gehabt. (..) Und dann bin ich 2004 an unseren Arbeitsdirektor herangegangen und habe nachgefragt, ob so ein Unternehmen wie Thyssen-Krupp nicht so ein Boot sponsern kann. SPRECHER Das gelang auch sehr schnell: Thyssen-Krupp stellte gut 5000 Euro für das 250 Kilogramm schwere Boot zur Verfügung. Atmo 10: Drachenboot SPRECHER In den Folgejahren starteten die Duisburger Stahlarbeiter bei vielen Regatten. Allerdings sind 20 Männer nötig, um ein Drachenboot auf Tempo zu bringen. O-Ton 27a + b + c (m-1) Wir waren mal so gut, dass wir die Jugendmeisterin im Wasserski gezogen haben, und die haben wir auch auf 200m Länge durchgehalten! (Bergendahl) Wir sind sogar in den letzten zwei Jahren im Winter aufs Wasser gegangen, haben uns Neopren-Anzüge geholt. Das war schon ne harte Nummer bei der Kälte. Wir haben in Winter, um die Truppe zusammen-zuhalten, einen Tag in der Sporthalle Konditionstraining gemacht, damit man gelenkig bleibt und nicht im Winter darauf verfällt, auf der Couch rumzuliegen. (m-2-Fischer) Ich sag mal, übern Winter, wenn man sich da nicht regelmäßig trifft, dann geht so was meistens in die Brüche! SPRECHER Obwohl sich die Bootsfahrer auch im Winter trafen, brach die Gruppe auseinander. Die "Steeldragons" plagen handfeste Nachwuchssorgen, so ihr Chef. O-Ton 28 (Bergendahl) Da wir von den Stammleuten Leute haben, die durch Operationen oder schweren Krankheiten ein stückweit aussetzen mussten und nicht wieder so fit sind, hatten wir ein Delta zu überbrücken, und haben gedacht, da sind junge Leute, die vielleicht mit einsteigen. Aber man hat gesehen, in der Praxis hat es nicht so richtig funktioniert und mit vier oder fünf Leuten kann man ein großes Boot nicht fahren. SPRECHER Falls künftig keine jungen Wassersportler kommen, wird Wolfgang Bergendahl die Gruppe schweren Herzens auflösen. Sein "Plan B" ist derzeit, eine neue Gruppe zu gründen - unter dem Motto "Interessengemeinschaft 50-plus". Ob das Aussicht auf Erfolg hat, ist ungewiss. Die Drachenbootfahrer aus Duisburg sind kein Einzelfall. Gerade den traditionellen Teamsportarten fällt es immer schwerer, Stammmannschaften über Jahre zusammen zu halten, sagt Uwe Tronnier: O-Ton 29 Wir haben in den traditionellen Sportarten wie zum Beispiel Fußball und Handball zunehmend Probleme, das hängt mit den Arbeitszeiten zusammen, und auch damit, dass die Betriebsportgemeinschaften inzwischen kleinere Gruppen geworden sind. (..) Fußball ist rückläufig, ist aber mit knapp 55.ooo Mitgliedern immer noch die größte Sportart im Betriebssport, während die kleineren wie zum Beispiel Bowling, wo nur vier oder fünf Spieler benötigt werden, eher im Aufwind sind. SPRECHER Es ist kaum verwunderlich, dass meist diejenigen Sportarten gefragt sind, die keine großen Mannschaften benötigen, meint Uwe Tronnier. O-Ton 30 Zunächst einmal Golf, dann ist Segeln stark im Kommen, Bowling und Radsport sind im Moment eigentlich die, die am gefragtesten sind. SPRECHER Wenn Arbeitskräfte immer flexibler werden müssen, gewinnen solche Sportarten an Attraktivität, die man alleine betreiben kann. Joggen beispielsweise! Atmo 11: Anfeuerung beim Stadtlauf SPRECHER Beim Lauf lockt viele das Bad in der Menge, bestätigt Christoph Bräutigam. O-Ton 31 Sie müssen sich einfach vorstellen, dass es 50.000 bis 60.000 Leute laufen. Nicht auf einer Demonstration sind und stehend, sondern wirklich 50.000 laufen gleichzeitig, sie sehen Straßenzüge voll mit Läufern, alles bewegt sich und alles in den eigenen Firmenfarben, das ist schon was sehr Eindrucks- haftes. SPRECHER 2013 waren rund 101.000 Firmenläufer in zehn Städten unterwegs - gut dreimal so viel wie 2008! Die Meßlatte ist überhaupt nicht hoch, sagen Firmenläufer. O-Ton 32 Bräutigam Normalerweise ist das Breitensport. 5,6 Kilometer kann man auch so laufen. Das haben mir jetzt auch Kollegen erzählt: "Das kann man auch in ner Stunde laufen, das ist just vor fun!" SPRECHER Immer wieder entstehen neue Ideen, um in der Belegschaft für mehr Bewegung zu werben. So verteilte kürzlich eine Berliner Sparkasse digitale Schrittzähler an ihre 300 Mitarbeiter. Sind 10.000 Schritte pro Tag ein Ziel? Dass solche Aktionen Erfolge bringen, ist keineswegs garantiert, sagt Gesundheitsexperte Alfons Schroeer, Geschäftsführer beim Bundesverband der Betriebskrankenkassen. O-Ton 33 (Alfons Schroeer) Das würde ich eigentlich als Einmalaktion betrachten, es sei denn das Verteilen der Schrittzähler ist eingebettet in ein Programm, so nach dem Motto: "Wir investieren in Bewegung." Und sie machen regelmäßig Aktionen, mit Ansprachen und Wettbewerben zwischen Abteilungen: Wie viele Schritte geht die Abteilung A und wie viele haben die anderen hinter sich? Und die halten das nach, dann ist es mehr. Aber verteilen die einmal nur Schrittzähler, ist das im Grunde genommen nur ne Ausgabe, die im Zweifelsfall zu nichts führt, außer, dass der Schrittzählerverkäufer bisschen reicher geworden ist! SPRECHER Experten rechnen damit, dass im Jahre 2020 jede dritte Arbeitskraft 50 Jahre und älter ist. Das könnte viele Firmenleitungen zu der Einsicht bringen, etwas für die Gesundheit ihrer Mitarbeiter zu tun. Investitionen in diesem Bereich wären nicht zum eigenen Nachteil. Im Gegenteil: Betriebe können dadurch im globalen Wettbewerb "Punkte sammeln". Betont Alfons Schroeer: O-Ton 34 Und zwar aus zwei Gründen: A) Sie senken damit Kosten, wenn Sie einen Krankenstand von acht Prozent haben in Ihrem Unternehmen, Ihr Konkurrent aber nur vier, dann bedeutet das, dass der niedrigere Kosten hat, günstiger anbieten kann. Der zweite Aspekt ist: Ein Unternehmen, das in die Gesundheit investiert, investiert gleichzeitig in die Motivation und das Engagement der Leute. Die Mitarbeiter in diesem zweiten Unternehmen werden auch kreativer sein als die anderen, die werden anders mit ihrem Kunden umgehen. Die werden anders mit den Lieferanten umgehen und die sind schlicht einfach besser als die anderen. SPRECHER Wenn sich der Nachwuchs- und Fachkräftemangel künftig weiter verschärft, könnten gerade gesundheitsbewusste Firmen die Nase vorn haben im Wettbewerb um gute Mitarbeiter. Zurzeit sind allerdings weder die betriebliche Gesundheits- förderung noch der klassische Betriebssport ein Selbstläufer. O-Ton 35 (A. Schroeer) Ein großer Stolperstein ist, wenn ein Unternehmen nur in ganz kurzen Zyklen denkt, wenn es also auf Quartalsergebnisse achten muss. (..) Eine solche Konstellation hindert, in die Gesundheit der Mitarbeiter zu investieren, weil der Ertrag ist eben nicht im Quartal, sondern in ein oder zwei drei Jahren erst einzufahren. SPRECHER Wie wichtig eine langfristige Gesundheitsvorsorge ist, weiß die Gothaer Versicherung, die insgesamt 5000 Mitarbeiter hat. Sie gewann mit ihrem Konzept 2008 und 2011 nicht nur den "Deutschen Unternehmenspreis für Gesundheit", sagt Mitarbeiter Marco Burnus: O-Ton 36 Wir haben das ganze selbstverständlich evaluiert, (...) und dabei festgestellt, dass unsere Teilnehmer deutlich zufriedener waren, ausgeglichener waren, die Rückenbesch- werden sind zurückgegangen, Stresssymptome waren rückläufig und letztlich hat es sich auch für den Arbeitgeber auf der Fehlzeiten-Seite widergespiegelt. Das heißt, das Unternehmen hat letztlich einen Nutzen in ökonomischer Hinsicht, und dadurch hat man eigentlich die klassische Win-Win-Situation erreicht - für beide Seiten: Arbeitgeber und Arbeitnehmer. MUSIK 5: Komponist: Stanley Clark "School Days", (1976), Track 3 "The Dancer" Interpreten: Stanley Clark, Raymond Gomez, David Sancious, Gerry Brown), Milton Holland) (ca. 3:40 Minuten), LC 0199 LÄNGE bis Wortende = 26:17 Minuten 1