Deutschlandradio Kultur Länderreport COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Kein Bauernland in Bonzenhand - Sachsen-Anhalt treibt Kauf großer Agrarflächen vom Bund voran - Autorin Susanne Arlt Mod./Red. Stucke, Julius Sendung 14.06.2011 (13 Uhr 07) Länge Beitrag 19'59'' Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern wollen im großen Maßstab ehemalige volkseigene Agrarflächen vom Bund kaufen, damit diese Flächen nicht von millionenschwere Fondsgesellschaften, branchenfremde Konzernen und vermögenden Privatleute billig aufgekauft und womöglich zweckentfremdet werden. Es geht um insgesamt rund 200.000 Hektar verpachteter Flächen, die derzeit der Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH gehören. Das entspricht fast der Größe des ganzen Saarlandes. Der Preis für die landwirtschaftlichen Flächen war zuletzt stark gestiegen. Statt des sofortigen Verkaufs wollen beide Länder eine zeitlich gestreckte Privatisierung, die sich nicht allein an den höchsten Angeboten orientiert, sondern auch neue Arbeitsplätze schafft. - Manuskript Beitrag - ATMO (Fahrt im Jeep) OT (Martin von Haaren) Wir fahren hier an der Gemarkungsgrenze Petzwick- Mittenwalde durch unsern Öko-Roggenbestand. Der Roggen ist fast mit der Blüte durch, wir werden möglicherweise in diesem Jahr eine frühe Ernte bekommen. AUTORIN Martin von Haaren steuert seinen schwarzen Jeep durch die sanfte Hügellandschaft der Uckermark. Das Wetter ist herrlich. Die Sonne strahlt vom Himmel, Schäfchenwolken ziehen am Horizont entlang. Ab und an taucht wie hingetupft ein kleiner Teich auf. ATMO (Fahrt im Jeep) AUTORIN 1991 hat Martin von Haaren seinen Hof bei Cuxhaven verkauft und ist mit seiner Familie in die Uckermark gezogen. Peu à peu haben sie Kleinbauern Ackerflächen abgekauft oder gepachtet. Inzwischen baut der studierte Landwirt Hafer, Weizen, Roggen und Dinkel auf knapp 2.000 Hektar an - vor allem Biogetreide. Er führt seinen Betrieb in Eigenregie. Seine Nachbarn sind dagegen immer öfter Fondsgesellschaften und Privatinvestoren. OT (Martin von Haaren) Für Investoren ist das eigentlich erst in den letzten Jahren interessant geworden. Einer der Auslöser ist offensichtlich die Finanzkrise gewesen und die Preissteigerung der Agrarrohstoffe an den Terminmärkten. AUTORIN Auf diese Art und Weise findet ein schleichender Strukturwandel statt, glaubt von Haaren. In 20 Jahren werden die Böden in den neuen Bundesländern vermutlich nur noch wenigen gehören. Noch immer besitzt der Bund ehemals volkseigene Flächen der früheren DDR. Mehr als die Hälfte hat er bereits verkauft. Die Bodenpreise aber haben sich in den vergangen Jahren verdoppelt. Verantwortlich dafür sei der Bund, klagen die Bauern. OT (Martin von Haaren) Agrarstrukturelle Eingriffsmöglichkeiten hätten eigentlich Mitte der 90er Jahre schon geplant und durchgeführt werden müssen. Es wäre ja möglich gewesen, dass die BVVG gesagt hätte oder der deutsche Staat, wir behalten diese Flächen und verpachten sie nach gewissen Kriterien langfristig an die jeweils ortsansässigen wirtschaftenden Betriebe. Da hätte man Möglichkeiten genug gefunden und Wertverlust hätte auch nicht stattgefunden. ATMO (Diskussion) AUTORIN Berlin, Ende Mai. Der Deutsche Bauernbund hat zum Agrarforum in die sachsen-anhaltische Landesvertretung eingeladen. Gekommen sind Bundes- und Landtagsabgeordnete, interessierte Landwirte und Vertreter der Bodenverwertungs und -verwaltungs GmbH. Die BVVG privatisiert im Auftrag des Bundesfinanzministeriums die ehemals volkseigenen Forst- und Agrarflächen - und das inzwischen zu Höchstpreisen. Der deutsche Bauernbund vertritt dagegen die Interessen der ostdeutschen Landwirte. Hitzige Debatten waren abzusehen. Vor den 30 geladenen Gästen beklagt sich Bauernbund-Präsident Kurt-Henning Klamroth, ein kräftiger Zweimeter-Mann, über die Privatisierungsmodalitäten der BVVG. Ihr Geschäftsführer sitzt mit in der ersten Reihe und hört artig zu - nur die geladenen Vertreter aus dem Finanzministerium glänzen durch Abwesenheit. Kurt-Henning Klamroth wird dies später mit einem süffisanten Lächeln kommentieren. OT (Kurt-Henning Klamroth) Peinlicherweise hat das Finanzministerium gekniffen. Weil der Druck aus dem Berufsstand jetzt so groß ist. AUTORIN Mit Hilfe eines Beamers wirft er zahlreiche Statistiken an die Leinwand. Zahlte ein Bauer in den östlichen Bundesländern vor zehn Jahren für einen Hektar Acker im Durchschnitt noch knapp 4.000 Euro, seien es heute über 10.000 Euro, erbost sich der Präsident vor dem Publikum. Möchte ein Landwirt zu seinen 80 Hektar gerne noch 30 dazukaufen, scheitere das in der Regel am Geld. Welcher Bauer könne sich solche Summen noch leisten, fragt Klamroth und blickt in die Runde. Betretenes Schweigen. Er klickt auf die nächste Seite: Kreisförmige Diagramme zeigen die Besitzverhältnisse der Flächen, die die Landwirte bewirtschaften. In den neuen Bundesländern können die Bauern nur knapp siebzehn Prozent ihr Eigentum nennen. Ihren westdeutschen Kollegen besitzen doppelt so viel. Das Problem: Die Abhängigkeit vom Verpächter sei somit für die Landwirte aus dem Osten viel größer, sagt Klamroth und klickt zur nächsten Seite. OT (Kurt-Henning Klamroth) Es ist im Querschnitt kein Geld mehr da, Ackerland zu kaufen. Weder von der BVVG noch von den Landgesellschaften. Und das ist jetzt unser Riesenproblem was wir haben. Die Betriebe bräuchten jetzt ganz dringend eine Konsolidierungsphase, also zehn, fünfzehn Jahre muss erst einmal Ruhe an der Front sein. AUTORIN Doch statt Ruhe an der Front herrscht auf dem ostdeutschen Bodenmarkt derzeit Goldgräberstimmung. Aktionäre und Privatinvestoren kaufen im großen Stil Land und spekulieren dabei auf weiter steigende Bodenpreise. Ein Umfrage des Anlegermagazins Börse Online hat jüngst ergeben: Finanzinvestoren kaufen in den neuen Bundesländern heutzutage mehr Agrarland als die Landwirte. Die Kapitalanleger seien somit neue wichtigste Käufergruppe beim Flächenverkauf. Wer heutzutage die Bauernzeitung aufschlägt, bekommt im Anzeigenteil einen Eindruck davon. ZITATOR +++ Acker- und Gründland als Kapitalanlage bis zu drei Millionen Euro gesucht +++ Fernöstliche Familien kaufen Ackerland ab 75 Hektar über Deutsche AG, Barzahlung möglich. Keine personellen oder örtlichen Veränderungen. Diskrete Vorselektion +++ AUTORIN Früher beeinflussten die Nachfrage nach Nahrungsmitteln, das Energieeinspeisungsgesetz oder die Tierwirtschaft die Boden- und Pachtpreise. Heutzutage sind es die Kapitalanleger, sagt Kurt-Hennig Klamroth und schaut düster drein. Doch die, die diese Entwicklung mit zu verantworten haben, sind zum Agrarforum nicht gekommen, ärgert er sich. Klamroth meint das Bundesfinanzministerium. Die Ausschreibungsmodalitäten haben sich in den vergangenen Jahren verändert. Orientierte sich die BVVG auf Wunsch des Bundesfinanzministeriums früher an den ortsüblichen Bodenpreisen, kommt heute der Höchstbietende zum Zug. Ein Unding, findet Kurt-Hennig Klamroth. OT (Kurt-Henning Klamroth) Das ist der schnöde Mammon, der hier zugrunde liegt und das Problem bei der Füllung der Bundeskasse ist, das wir mittlerweile ganz ernste negative Auswirkungen auf die Agrarstruktur haben. AUTORIN So sehen es auch die neuen Bundesländer. Allen voran Sachsen-Anhalt. Landwirtschaftsminister Hermann Onko Aeikens ist darum auch zum Agrarforum nach Berlin gereist und hat sich die Argumente der Landwirte angehört. Der CDU-Politiker ist selber auf einem Bauernhof in Ostfriesland aufgewachsen. Aus seiner Sympathie für die deutschen Landwirte hat er noch nie einen Hehl gemacht. Auch ihm stößt das zunehmende Interesse außerlandwirtschaftlicher Kapitalanleger sauer auf. Im Zuge der Finanzkrise ist vielen wieder deutlich geworden: Grund und Boden ist eine der sichersten Kapitalanlagen. Die Frage sei nun: Will man, dass der Ackerboden zusehends in die Hände von Privatinvestoren, branchenfremden Großkonzernen oder millionenschweren Fondsgesellschaften gerät? Hermann Onko Aeikens schüttelt den Kopf. OT (Hermann Onko Aeikens) Wenn der Boden sich in Hand Externer befindet, dann wandert die Bodenrente dahin, wo die Eigentümer sind. Die sind in der Regel nicht angesiedelt zwischen Ostsee und der tschechischen Grenze, sondern sitzen woanders. Das heißt, es bedeutet ein Kapitalabfluss an Bodenrente aus der Region. Insofern halte ich das schon für problematisch, wenn es durch diese Erscheinung zu einer weiteren Reduzierung der Wirtschaftskraft des ländlichen Raumes kommt. AUTORIN Bleibt immer weniger Geld in den Dörfern, leben dort immer weniger Menschen, dann werden diese Dörfer veröden, sagt Aeikens. Der demografische Wandel sei jetzt schon ein großes Problem für das Flächenland Sachsen-Anhalt. Das Argument der BVVG, das Gros der verkauften und verpachteten Flächen, auch Lose genannt, lande bei den hier wirtschaftenden Betrieben, lässt Hermann Onko Aeikens nicht gelten. OT (Hermann Onko Aeikens) Punktuell landen die Flächen natürlich auch bei hier wirtschaftenden Betrieben, hinter denen bereits externe Kapitalanleger stehen. Das muss man ganz deutlich sehen. Weil die Betriebe auch aufgrund der Lose, die die BVVG ausschreibt, überfordert sind, diese Flächen aus der eigenen Finanzkraft zu kaufen. Wir privatisieren als Bundesland unsere Flächen, indem wir maximal Lose von zehn Hektar ausschreiben, mit der Möglichkeit des bisherigen Pächters, zum Höchstgebot einzusteigen. Das ist glaube ich ein faires Verfahren. AUTORIN Weniger fair mutet da das Verfahren der BVVG an. Landwirte berichten, dass die Bodenverwertungs- und verwaltungs GmbH mitunter Lose, also Ackerflächen, von über 300 Hektar ausgeschrieben hat. Nach heftiger Kritik aus der Bauernschaft konnte sich die BVVG inzwischen dazu durchringen, deutlich kleinere Lose anzubieten. Doch was nutzt es, fragen sich die heimischen Landwirte, wenn 10 Hektar-große Flächen ausgeschrieben werden, die direkt nebeneinander liegen und zur selben Zeit angeboten werden. Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern wollen diesen Ausverkauf nun stoppen. Ihre Idee: Die Flächen, die noch im Besitz des Bundes sind, der BVVG abzukaufen und sie nur bei Bedarf den ansässigen Bauern weiterzuverkaufen. Wir wären eine Art Treuhänderin, sagt Aeikens. OT (Hermann Onko Aeikens) Wir versprechen uns davon, dass wenn wir die BVVG-Flächen nach den Modalitäten wie wir sie privatisieren, dieses für die Betriebe eher leistbar ist. AUTORIN Die landeseigene Landgesellschaft Sachsen-Anhalt verkauft nur 10-Hektar- Lose, bevorzugt werden ortsansässige selbsthaftende Landwirte. Und sie verkauft tröpfchenweise. Wer nicht sofort zahlen kann, der pachtet eben erst. Das Bundesfinanzministerium reagierte jetzt auf den Wunsch der beiden Landwirtschaftsminister. Grundsätzlich sei der Bund bereit, mit den Ländern über den Erwerb der BVVG-Flächen zu verhandeln, heißt es in einer Pressemitteilung. Allein am Preis scheiden sich Geister. Angeblich ist Sachsen-Anhalt bereit, für die verbliebenen 70.000 Hektar 600 bis 700 Millionen Euro auszugeben. Der Bund aber will 1,2 Milliarden haben. Hermann Onko Aeikens aber will nicht locker lassen. Schließlich will sich Sachsen-Anhalt an dem Weiterverkauf dieser Flächen nicht bereichern. OT (Hermann Onko Aeikens) Es ist erforderlich, eine Landwirtschaft zu haben, die in und mit dem Dorfe lebt und nicht anonymisiert ist. Das ist, glaube ich, ein Pfund der ländlichen Region, das wir in weiten Teilen Deutschlands haben, das auch die Lebensqualität auf dem Lande ein Stückweit ausmacht in Deutschland. Und ich sehe es als mein Ziel an, dieses für unser Bundesland auch möglichst aufrecht zu erhalten. AUTORIN Das die Bodenspekulation überhaupt möglich ist im Osten der Republik hat viel mit der Geschichte zu tun. Nach dem verlorenen zweiten Weltkrieg enteignete die sowjetische Besatzungsmacht deutsche Großgrundbesitzer, die mehr als einhundert Hektar Land besaßen. Der so genannten Bodenreform fielen 7.160 Landwirtschaftsbetriebe zum Opfer. Die Flächen wurden vor allem an Flüchtlinge, Landarbeiter und Kleinbauern vergeben. Später, in der DDR, wurden diese Böden dann zwangskollektiviert. Die Bauern mussten Anfang der 60er Jahre ihr Ackerland den Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften überlassen. Viele verließen darum die DDR. Nach der Einheit bekamen sie ihren Grund und Boden zum Teil zurück. Ehemalige Großgrundbesitzer aber gingen leer aus. Man könne die Bodenreform der Sowjetunion leider nicht rückgängig machen, erklärte damals Helmut Kohl im Januar 1991 vor dem deutschen Bundestag. OT (Helmut Kohl) Der Fortbestand der Maßnahmen zwischen 1945 und 1949 wurde von der Sowjetunion zu einer Bedingung für die Wiedervereinigung gemacht. Ich sage klar: Die Einheit durfte an dieser Frage nicht scheitern. ATMO (Hofladenglocke, Hofladen...) AUTORIN Als Helmut Kohl diese Worte sprach, träumte Tilmann Schwartzkopff noch von einer beschaulichen Beamtenkarriere. Jetzt steht er in seinem Hofladen im niedersächsischen Büstedt und verkauft Spargel und Eier. Der 39- jährige wollte Lehrer werden und war darum nur mäßig begeistert, als ihm sein Vater immer öfter vom heimischen Gut in Kunrau in der Altmark vorschwärmte. Sein Ur-ur-Großvater, ein Kaufmann, hatte 1815 den Betrieb mit 1.500 Hektar Wald- und Wiesenfläche erworben. Im Zuge der Bodenreform wurde auch unsere Verwandtschaft enteignet, sagt Tilmann Schwartzkopff. Zurückbekommen habe sie nichts. OT (Tilmann Schwartzkopff) Damals wurde ja unter dem Begriff Junkerland in Bauernhand wurden diese Betriebe enteignet. Wir haben heute viel viel weniger Betriebe. Da soll mir doch keiner was von gesunder Agrarstruktur erklären oder von gerechter Agrarstruktur. AUTORIN Tilmann Schwartzkopff, der statt Mathematik und Sportwissenschaft zur Freude des Vaters dann doch noch Landwirtschaft studierte, bewirtschaftet heute zwei Betriebe. In Büstedt und Kunrau baut er Getreide, Raps, Mais und Zuckerrüben an. Seine Betriebe würde er gerne um 200 Hektar erweitern, kann es aber nicht, weil ihm angesichts der hohen Bodenpreise das Geld fehlt. Und an dieser Entwicklung seien die neuen Großgrundbesitzer Schuld. Aber nicht nur millionschwere Fondsgesellschaften kaufen den Boden auf, oft sind es auch vermögende Privatleute, die mit Landwirtschaft bislang wenig am Hut hatten. Zum Beispiel der Hamburger Siegfried Hofreiter, sagt Schwartzkopff. Er nennt ihn den Börsenbauer. Gegessen wird immer, verspricht Hofreiter seinen Investoren. Mit seiner KTG Agrar AG ging er vor vier Jahren an die Börse. Mit dem romantischen Bild vom Bauern und seiner Scholle habe dieses Geschäftsmodell nun wirklich so gar nichts mehr zu tun, regt sich Schwartzkopff auf. OT (Tilmann Schwartzkopff) Plötzlich kamen spätabends Lkws mit Tiefladern in die Gemarkung gefahren. Auf den Tiefladern standen Trecker, Bestellmaschinen, Bodenbearbeitungsmaschinen. Dann fuhr diese ganze Kolonne los, es wurde geackert die halbe Nacht, den halben nächsten Tag. Und dann war die ganze Truppe wieder verschwunden mit den Lkws und Treckern. Und dann passierte wieder mehrere Monate gar nichts. Und dann kam es zur Ernte. Wieder das gleiche Spiel, Tieflader kamen an. Es wurde geerntet auf Teufel komm heraus ohne Rücksicht auf Verluste. AUTORIN Ohne Rücksicht auf Verluste heißt in diesem Fall, dass sie den Roggen des Nachbarn gleich mit abgeerntet haben. Die Geschichte hat ihm ein befreundeter Bauer aus Osterburg erzählt. Als der sich bei den Erntehelfern beschweren wollte, konnte er es nicht, sie verstanden nur russisch. OT (Tilmann Schwartzkopff) Bei einem Stundenlohn von drei Euro ist das nicht gerade nachhaltiges Wirtschaften. Die werden durch die ganzen neuen Länder geschickt mit ihren Tiefladern, mit ihren Maschinen drauf. In jeder Gemarkung wird dann Wildsau gespielt und dann geht es in die nächste Gemarkung und es wird wieder Wildsau gespielt. AUTORIN Für Tilmann Schwartzkopff ist diese Art der Bewirtschaftung weder nachhaltig, noch glaubt er, dass man damit den großen Reibach machen kann. Grund und Boden geben zwar langfristig Sicherheit, das nütze aber nichts, wenn die Felder nicht intelligent bestellt werden - sagt der 39- jährige. OT (Tilmann Schwartzkopff) Als Bauer denkt man in Generationen. Wenn ich nur kurzfristige Kapitalinteressen bedienen will, dann muss ich immer auf den kurzfristigen Gewinn setzen und dann macht man eben ackerbaulich massive Fehler. Es kann doch nicht sein, dass man sehenden Auges Mais in Monokultur über Jahrzehnte macht und dann sagt, jetzt haben wir den Maiszünsler. Jetzt müssen wir aber mit der Gentechnik ran. Da kriege ich zuviel. ATMO (Bauernhof) AUTORIN 40 Kilometer weiter nördlich liegt das Dorf Valfitz. Als Zehnjährige musste Christiane Löppenberg den heimatlichen Hof verlassen. 70 Hektar Ackerfläche standen vor der Zwangskollektivierung. Ihre Eltern mussten das tolerieren, wollten es aber nicht akzeptieren und verließen noch vor dem Mauerbau die DDR. Als die deutsche Einheit kam, war für Christiane Löppenberg klar, sie möchte zurück in ihre alte Heimat. Der Hof stand kurz vor dem Verfall. Mit viel Liebe hat sie mit ihrem Ehemann die Stallungen und das Wohngebäude aus Backstein in Stand gesetzt. Im Wohnzimmer hängt der Stammbau der Familie, in Valfitz geht er zurück bis ins Jahr 1612. Heute bewirtschaften sie wieder 170 Hektar rund um Valfitz. Auch die Löppenbergs sind nicht gerade gut auf Privatinvestoren zu sprechen. Als sie vor zwei Jahren den Hof ihres insolventen Nachbarn kauften, stand plötzlich ein Vertreter der OBAG Agrarproduktions GmbH, eine Tochtergesellschaft der KTG, vor ihrer Tür. Er hielt ihnen einen bis dahin unbekannten Pachtvertrag unter die Nase. Dieser neue Vertrag sei schon vor Jahren mit dem Vorbesitzer ausgehandelt worden und reiche bis ins Jahr 2029. Bertold Löppenberg kramt in einem dicken Aktenordner nach dem Papier. OT (Bertold Löppenberg) Das haben die angeblich alles unterschrieben am 25.09.02. Es ist unlogisch, dass ich einen Pachtvertrag, der bis 2011 läuft, das ich den in 2002 neun Jahre vor Ablauf der regulären Pachtzeit - das ich in 2002 mein Land praktisch bis 2029 aus der Hand gebe. Das kann nicht sein, das ist so was von unrealistisch. AUTORIN Bertold Löppenberg akzeptierte das Schreiben - schäumte aber innerlich, sein Verdacht auf Betrug ließ ihm keine Ruhe. Er schickte den Originalvertrag einem Schriftsachverständigen zu und der fand heraus, die Unterschrift stammt höchstens aus dem Jahr 2008. Der 65-jährige schickte der OBAG AG sofort eine fristlose Kündigung zu, die akzeptierte kleinlaut. OT (Bertold Löppenberg) Das war irgendwo eine Genugtuung, weil viele andere hier die Ohren eingezogen haben und gesagt haben, ja wir können uns doch nicht dagegen wehren. Hier wird mit viel Geld eine Dorferneuerung vorangetrieben, hier wird versucht, Leben in die Dörfer zu bringen, und diese Leute unterlaufen das wieder, indem sie die Flächen da wegpachten. So geht es nicht, die machen das Land kaputt. ATMO (Jeepfahrt) AUTORIN Zurück in der Uckermark. Hätte Martin von Haaren mehr Zeit, könnte er noch ein paar Stunden über seine Äcker fahren, so weit reichen sie. Heutzutage wäre solch ein Flächenerwerb nicht mehr möglich, sagt von Haaren. Die Bodenpreise sind einfach zu hoch. Nicht nur bei den Landwirtschaftsministern regt sich Widerstand gegen die Großagrarier. Gemeinsam mit elf Landwirten hat von Haaren vor fünf Jahren die Bauerninitiative Ökolandbauregion Südliche Uckermark gegründet. Ihr Ziel: eine geschlossene 12.000 Hektar große Bioanbauregion zu entwickeln. Ihr Plan aber geriet in Gefahr, weil die Pachtverträge ausliefen und neu ausgeschrieben werden sollten. Zwar hatten wir Bauern ein Vorkaufsrecht - aber wie hätten wird diese Millionensummen aufbringen sollen, fragt von Haaren. Stattdessen kopierten die Bio-Bauern einfach die Methoden der Fondsgesellschaften. Sie wandten sich an die Bochumer GLS-Bank, die einen Öko-Bodenfond auflegte, an dem sich jeder beteiligen kann. Innerhalb weniger Monate kamen fast dreizehn Millionen Euro zusammen. Von dem Geld kaufte die Bank der BVVG die Flächen ab und verpachtet sie seitdem an die Biobauern in der Uckermark. Not macht eben erfinderisch. Von Haaren fährt seinen Jeep über einen überfluteten Feldweg. Rechter Hand taucht ein kleiner See auf. Verdorrte Äste ragen heraus auf denen ein Seeadler thront. OT (Martin von Haaren / Autorin) - Das ist natürlich für die Natur auch ein Paradies, hier kommt sogar die Sumpfschildkröte vor, neben Kormoran und Seeadler... das ist ein absolutes Idyll. - Wenn ich ihnen jetzt was weiß ich, 20 Millionen bieten würde, was würden Sie sagen? - Nein (lacht) - ENDE - 1