COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Länderreport Thema vom Tisch? Der Runde Tisch Sexueller Kindesmissbrauch - und der Stand der Dinge an einigen Tatorten Autoren van Laak, Claudia (Beitrag 1 - 4'17'') Brandt, Michael (Beitrag 2 - 3'45'') Petermann, Anke (Beitrag 3 - 4'34'') Watzke, Michael (Beitrag 4 - 4'35'') Redaktion Stucke, Julius Sendung 12.12.2012 (13 Uhr 07) 2010 kam das Thema auf den Tisch: Der Rektor des katholischen Canisius-Kollegs in Berlin, Klaus Mertes, wollte das Schweigen brechen und sorgte dafür, dass Missbrauchsfälle aus den 70er und 80er-Jahren öffentlich gemacht wurden. Eine Debatte über sexuellen Missbrauch von Kindern in privaten und öffentlichen Einrichtungen begann, weitere Fälle wurden aufgedeckt und alte Fälle neu thematisiert. Ein Runder Tisch wurde eingerichtet - dieser beendete vor rund einem Jahr seine Arbeit. Doch das Thema ist nicht vom Tisch. Welche Empfehlungen und Entschädigungen wurden umgesetzt? Wie ist der Stand heute an einigen Tatorten und wie blickt Klaus Mertes - mittlerweile von neuer Wirkungsstätte aus - auf den Stand der Dinge? Beitrag 1: Thema vom Tisch? Der Runde Tisch - eine Bilanz. (Claudia van Laak) Es war ein großer Runder Tisch mit mehr als 60 Stühlen: Bund und Länder, die Kirchen, der Sport, Wissenschaftler, Beratungsstellen. Betroffene waren zunächst nicht eingeladen, sie mussten sich ihren Platz erst erkämpfen. Ende November 2011 legte der Runde Tisch seine Empfehlungen vor. Die FDP-Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sicherte zu, (Leutheusser-Schnarrenberger) Dass für ein Hilfesystem in der Größenordnung von 100 Millionen der Bund sich auf alle Fälle zur Hälfte beteiligen wird, weil wir damit auch ein deutliches Zeichen setzen wollen, wie wichtig es ist, sich bei Gewalt im familiären Bereich auch als Gesellschaft, aber auch als Regierung, als Staat mitzuengagieren. Wer mit Opfern sexueller Gewalt redet, weiß: Manche kommen ihr ganzes Leben nicht davon los. Notwendig sind unbürokratische Hilfen - deshalb der von der Bundesregierung versprochene Fonds. 50 Millionen Euro sollten die Länder zahlen, 50 Millionen sicherte der Bund zu. Betroffene Institutionen wie zum Beispiel die Kirchen wollten sich ebenfalls beteiligen - so der Beschluss im November 2011. Doch seitdem ist kaum etwas passiert - der Hilfsfonds existiert bis heute nicht. Mehr noch: Niemand weiß, ob er überhaupt noch irgendwann gegründet wird - kritisiert Johannes-Wilhelm Rörig, Missbrauchsbeauftragter der Bundesregierung: (Rörig) Ich beklage, dass die Information für die Betroffenen nicht stattgefunden hat, es hat eher ein Schweigen der Politik stattgefunden und es war tatsächlich aus Sicht der Betroffenen eine unerträgliche Intransparenz zu verzeichnen. Das Thema ist aus den Schlagzeilen verschwunden, der öffentliche Druck fehlt. Wer bei Bund und Ländern nachfragt, erhält ausweichende Antworten. Stephan Breiding, Sprecher des Potsdamer Jugendministeriums: (Breiding) Wir haben grundsätzliche Bedenken und haben eben Bauchschmerzen einer Lösung zuzustimmen, die möglicherweise zum einen viele Betroffene außen vor lassen wird, auf der einen Seite, und auf der anderen Seite künftige Opfer erst gar nicht in den Blick nimmt. Neben dem Hilfsfonds gibt es ein zweites Versprechen, das bislang nicht eingelöst wurde: die Verlängerung der zivilrechtlichen Verjährungsfristen. Opfer, die in ihrer Kindheit missbraucht wurden, setzen sich oft erst Jahre später mit diesen Taten und den Tätern auseinander. Sie sollen auch als Erwachsene einen Anspruch auf Schadensersatz haben. Doch das entsprechende Gesetz zur Stärkung der Rechte der Opfer sexueller Gewalt kommt nicht voran, kritisiert der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung Rörig: (Rörig) Das ist insgesamt ein großes Ärgernis. Dieser Gesetzentwurf schlummert seit mehr als 18 Monaten im Rechtsausschuss. Und an dieser Stelle sehe ich auch noch erheblichen politischen Handlungsbedarf des Deutschen Bundestages. Es gibt auch positive Nachrichten: 30 Millionen Euro stellt das Bundesbildungsministerium zur Verfügung, um das Thema sexueller Kindesmissbrauch wissenschaftlich zu erforschen. Auch im Bereich Prävention tut sich einiges, so startet das Bundesfamilienministerium demnächst eine entsprechende Kampagne. Allein: die Betroffenen wurden vergessen. Spezialisierte Beratungsstellen finden sich nur in den Großstädten, die Krankenkassen zahlen oftmals nicht die notwendigen Therapien. Ein Jahr nach den Beschlüssen des Runden Tisches sind viele Betroffene ungeduldig, frustriert, wütend. (Betroffene) Es reicht doch nicht aus, etwas auf den Weg zu bringen, und dann zu sagen, ja, wir schreiben es auf und wir finden es schön, und wir klopfen uns dafür auf die Schulter. Es handelt sich leider um politische Lippenbekenntnisse, für uns als Betroffene sind diese Lippenbekenntnisse einfach gruselig und grausig. Es gibt eine klare Verpflichtung der Politik, dass sie für die Betroffenen sexuellen Missbrauchs einstehen wollen, über alle Parteigrenzen hinweg, und es ist nicht nachvollziehbar, dass es nach 18 Monaten Runder Tisch und noch einem Jahr Warten immer noch nicht gelungen ist, hier jetzt Nägel mit Köpfen zu machen. Heute sollte eigentlich eine Bilanzsitzung des Runden Tisches stattfinden, in der all diese Probleme hätten besprochen werden können. Sie wurde von der Bundesregierung abgesagt und auf nächstes Jahr verschoben. Beitrag 2: Klaus Mertes und sein Blick auf den Stand der Dinge (Michael Brandt) Es ist einfach ein fantastisches Gebäude. Das Gebäude strahlt eine Ruhe aus. Findest du nicht auch? - (Lacht) - Es strahlt eine große Ruhe aus. Zielstrebig läuft Pater Klaus Mertes durch die langen Gänge des früheren Benediktinerklosters - und heutigen Jesuiteninternats - in St. Blasien. Er ist ein entschiedener Mann - keine Sekunde hat er an seiner Entscheidung gezweifelt, Missbrauchsfälle in Jesuitenschulen öffentlich zu machen. Keine Sekunde gezweifelt, allen Anfeindungen zum Trotz. Was seither passiert ist tatsächlich das Brechen eines Tabus in der Öffentlichkeit. Das ist das große Ereignis der letzten drei Jahre gewesen. Dass er den Skandal damals öffentlich gemacht, bereut er nicht - und er sieht die Entwicklung seitdem positiv. Weil seiner Auffassung nach durch den öffentlichen Tabubruch das Schweigen über das Thema beendet wurde - weit über das Canisius- Kolleg in Berlin und das Internat St. Blasien hinaus.: Dadurch kommt eigentlich überhaupt erst ein Diskurs über Präventionsfragen in Gang. Es hat sich sicherlich der Schutz der Schüler dadurch erhöht, dass die Dinge ansprechbar sind. Ich glaube, dass das Aufbrechen der Sprachlosigkeit der Beginn ist von Schutz für Jugendliche und Kinder. Und das habe in den Schulen, zunächst in den Jesuitenschulen, für eine radikale Veränderung gesorgt. Erstens würden sich seitdem immer wieder ehemalige Schüler melden, die vor Jahren und Jahrzehnten missbraucht wurden. Jetzt, berichtet Mertes, beginnen sie, die Ereignisse von damals aufzuarbeiten, teilweise auch im Gespräch mit den ehemaligen Klassenkameraden. Ja - und dann ist natürlich das Thema in der Schule selbst angekommen. Unter der Rücksicht, dass wir Lehrer beginnen, die Fragen zuzulassen, was bedeutet Nähe, was bedeutet Distanz, was ist eine gute Nähe, was eine schlechte Nähe. Auch die wichtige Frage, dass der Missbrauch ja nicht nur in der Missbrauchstat besteht, sondern auch im Wegschauen. Also, wie kann man das Wegschauen überwinden? Viele Fragen also würden jetzt offen diskutiert, die vorher schlicht kein Thema waren. Und zwar nicht nur bei den Jesuiten. Was die gesellschaftliche Diskussion über Missbrauch angeht, so ist Mertes überzeugt, dass der Runde Tisch und die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, die frühere Familienministerin Christine Bergmann eine wichtige Aufgabe erfüllt haben: Der Runde Tisch, Frau Bergmann, hat dafür gesorgt, dass Opfergruppen miteinander vernetzt wurden, dass sie eine Repräsentanz hatten im politischen Diskus, dass also nicht nur über sie gesprochen wurde, sondern auch mit ihnen. Der Runde Tisch hat wissenschaftliche Untersuchungen angestoßen, er hat auch Opfer unterstützt, damit sie sprechen und um das auch zu dokumentieren. Eines allerdings erwartet Mertes noch: eine Antwort auf die Frage, wie der Schaden an den Opfern auch nur annähernd wieder gut gemacht werden kann. Am Runden Tisch hatte man zwei Positionen diskutiert. Die eine war eine Ausweitung der Verjährungsfristen für die Täter. Dafür hatte sich Christine Bergmann in ihrem Abschlussbericht stark gemacht. Laut Mertes ein schwieriger Weg, denn: Erstens man würde dann die Missbräuche vor 20 oder 30 Jahren nach damaliger Rechtsprechung beurteilen, und da würden viele Opfer deswegen gar keine Entschädigung bekommen, weil weder Penetration oder Vergewaltigung vorliegt sondern etwas anderes. Und das zweite ist: Man hätte etwa 3000- 4000 Kachelmann- Prozesse. Aber auch der Weg, den die Jesuiten selbst gegangen sind: die Opfer mit einer pauschalen Summe zu entschädigen, sei problematisch. Die Schwäche unseres Vorschlages ist natürlich, dass der Eindruck entsteht als wolle man mit einer Anerkennungszahlung von 5000 Euro etwas angemessen entschädigen, was natürlich einen maßlosen Schaden angerichtet hat. Beitrag 3: Was hat sich getan - an der Odenwaldschule? (Anke Petermann) Dokumentiert sind die Namen von mehr als 130 ehemaligen Internatschülern, Opfern sexualisierter Gewalt bis hin zur Vergewaltigung. Unter dem Pseudonym Jürgen Dehmers schrieb Andreas Huckele alles schonungslos auf. Für sein Buch bekam er unlängst den Geschwister-Scholl-Preis. Im Telefon-Interview mit Deutschandradio Kultur sagte er: Es steht immer noch aus, dass die Odenwaldschule alle Betroffenen sexualisierter Gewalt angemessen entschädigt, es steht immer noch aus, dass die Odenwaldschule im Prinzip schließt, umstrukturiert, jedenfalls mehr tut als diese Pseudo-Aktivitäten der letzten 13 Jahre, die immer nur dazu geführt haben, dass so viel zugegeben wurde, wie nicht mehr zu verleugnen war. Insgesamt 300.000 Euro hat die Stiftung "Brücken bauen" bislang an 27 Opfer sexualisierter Gewalt ausgezahlt. Alle Antragsteller sind entschädigt worden, bilanziert die Stiftung, die der Trägerverein der Schule Mitte vergangenen Jahres gemeinsam mit dem Altschülerverein gegründet hatte. Allerdings aus Sicht der Opfer in unguter Konkurrenz zum Selbsthilfe-Verein "Glasbrechen" Bei einem Ableger der einstigen Täter-Institution Geld beantragen zu müssen, schaffen manche Traumatisierte nicht, andere lehnen es prinzipiell ab. Zumal Stiftungsvertreter anfangs - so nahmen es Opfer wahr - ohne Fingerspitzengefühl agierten. (Marcus Bocklet) Die Odenwaldschule hat mir ihrer Stiftung ein sehr unglückliches Verfahren gewählt, was im Ergebnis dazu geführt hat, dass nicht alle potentiellen Opfer auch Entschädigung erhalten haben ... Der grüne Landtagsabgeordnete Marcus Bocklet, Berichterstatter für eine Petition, die sich mit Anliegen der Missbrauchsopfer befasst. ... deswegen haben wir eine Verhandlung angeregt, dass man ein opfergerechtes Verfahren findet, sodass auch wirklich alle Opfer Geld bekommen. Vergeblich hatte der Verein Glasbrechen verlangt, dass er ohne Umweg über die Stiftung Geld bekommt. Geld, um diejenigen zu entschädigen und langfristig zu unterstützen, die infolge des Missbrauchs auch weiterhin seelisch leiden, beruflich eingeschränkt und materiell benachteiligt sind. Unlängst haben Glasbrechen und der Schulträger neue Gespräche aufgenommen - endlich konstruktive, bilanziert Michael Frenzel, der dabei die Anliegen der Opfer vertritt. Ergebnisse erhofft er für Anfang kommenden Jahres. Unklar bleibt, wann wissenschaftlich aufgearbeitet wird, dass ausgerechnet die Protagonisten der als besonders kindgerecht geltenden Reformpädagogik Kinder an ihrem Vozeige-Internat systematisch sexuell ausbeuten konnten, angeblich unbemerkt. Vorwürfen, die Schule habe die Aufklärung verschleppt und solle deshalb besser geschlossen werden, widerspricht die kommissarische Schulleiterin Katrin Höhmann. Man habe den Weg für Forschung inzwischen geebnet. (Höhmann) Auch deswegen ist es so wichtig, dass die Odenwaldschule erhalten bleibt, damit eine differenzierte Forschung an dieser exemplarischen Einrichtung stattfinden kann, zum Thema Täterstrategien, Systemversagen, damit andere pädagogische Einrichtungen davon profitieren können. Also, wir als Leitung von Schule und Internat setzen sehr auf die Aufarbeitung und je differenzierter die Informationen aus der wissenschaftlichen Aufarbeitung sind, desto differenzierter können natürlich auch Präventions- und Interventionsmaßnahmen sein, und von daher gibt es auch von Seiten der operativen Odenwaldschule ein großes Interesse an Aufarbeitung. Im Petitionsverfahren habe man sich darauf geeinigt, wie deren Unabhängigkeit zu sichern ist: (Bocklet) Wir werden einen Beirat einsetzen, der paritätisch besetzt wird von Seiten der Schule, aber auch von Seiten der Opfer. Dort werden unabhängige Persönlichkeiten das Konzept erarbeiten und dann auch begleiten. Und ich glaube, wenn der installiert wird, wird man tatsächlich auch zu Ergebnissen kommen ... Besser spät als nie, meint der Grünen-Politiker. Gemeinsam mit dem christdemokratischen Landrat verlangt er, dass die Odenwaldschule ihr sogenanntes Familienprinzip beim Zusammenwohnen von Lehrern und Schülern im Internat umkrempelt. (Bocklet) Der hessische Landesjugendhilfeausschuss hat beschlossen, dass man die Funktion von Lehrern und Erziehern in Heimen oder auch in betreuten Wohngruppen voneinander trennen will. Da die Odenwaldschule in Hessen liegt, ist auch ihr Familienprinzip daraufhin so zu verändern, dass ein Lehrer, der tagsüber unterrichtet, nicht abends auch Erzieher ist. Die Schule muss dieses Prinzip der Trennung von Lehrer- und Erzieherfunktion umsetzen. Das allerdings steht bislang noch aus. Beitrag 4: Was hat sich getan - im Kloster Ettal? (Michael Watzke) Kloster Ettal in den oberbayerischen Alpen. Im Kloster-Internat neben der barocken Basilika hat Robert Köhler neun Jahre seiner Jugend verbracht. Seit 2010 leitet der Münchner Ingenieur den Verein der Ettaler Misshandlungs- und Missbrauchs-Opfer. (Köhler) Natürlich war es in diesem ersten Jahr nach Auftauchen der ganzen Missbrauchs- und Gewaltfälle, erstmal sehr wichtig, ganz laut rauszuschreien. Was ist damals passiert? Wird es wirklich gehört? Wird es akzeptiert? Es war ein harter Kampf, bis man endlich sicher war: ja, es ist in der ganzen Breite akzeptiert, dass hier jahrzehntelang Missstände vorhanden waren. Die Zeit des Herausschreiens ist in Ettal vorbei. Sie ist einem vorsichtigen, zerbrechlichen Dialog zwischen Klosterbrüdern und Ehemaligen gewichen. Robert Köhler lobt den Ettaler Abt Barnabas. (Köhler) Die Forderungen, die wir aufgestellt haben, sind auf gutem Weg oder sogar größtenteils schon erfüllt. Das, was wir faktisch gefordert haben, ist umgesetzt. Zum Beispiel die Entschädigungen für Missbrauchs- und Gewaltopfer. Hier hat das Benediktiner-Kloster aus eigener Kasse mehr gezahlt als andere Institutionen. (Köhler) Es ist schon ein Unterschied, ob man - wie bei der katholischen Bischofskonferenz - nach viel Kampf 5000 Euro bekommt. Oder ob 10.000 oder 15.000 oder bei einigen Leuten auch 20.000 Euro da sind. Davon kann ich mir etwas leisten, was ich mir sonst nicht leisten kann. Und das kam emotional bei den Leuten an: ich bin anerkannt. Schwerer tat sich das Kloster mit personellen Konsequenzen. Der Schulleiter Pater Maurus Krass blieb lange im Amt - obwohl ihm viele Ehemalige vorwarfen, er habe schuldige Mitbrüder geschützt und Missbrauchsfälle verschwiegen. Sogar der Münchner Erzbischof Reinhard Marx mahnte in einem ungewöhnlichen Schritt personelle Konsequenzen an: (Marx) Was ist hier an Vertuschung und an Nicht-Wahrhaben-Wollen in der Vergangenheit gewesen? Was sind das für Mechanismen gewesen? Ich glaube, so ein bisschen Korps-Geist, Familie, vertrautes Miteinander kann dazu führen, dass man bestimmte Dinge gar nicht wahrhaben will. Vielleicht sogar verdrängt, obwohl man es eigentlich sehen müsste. Und darauf muss man, glaube ich, achten. Der Druck des Erzbistums zeigte schließlich Wirkung - und auch ein Buch mit dem Titel "Bruder, was hast Du getan?", das die Enthüllungs-Journalisten Rainer Stadler 2011 schrieb. (Stadler) Pater Maurus und auch zwei andere Pater, denen Vorwürfe gemacht wurden, die wurden alle ins Kloster Wechselburg in Ostdeutschland abgeschoben. Wechselburg wird oft - nicht nur von Opfern - das Guantanamo von Ettal genannt. Dorthin werden die ganzen harten Fälle abgeschoben und bleiben dort unbehelligt. Rainer Stadler sieht die Aufklärungs-Bemühungen des Klosters kritisch. Vieles sei verschleppt worden, um Gras über die Sache wachsen zu lassen. Aber Stadler erkennt an, dass es im Internat nun wesentliche Strukturveränderungen gebe. (Stadler) "Es gibt tatsächlich auch Externe, etwa eine Frau von der Caritas, die regelmäßig nach dem Rechten schaut im Kloster-Internat. Im Moment ist das ein sehr sicherer Ort. Die Frage ist, was passiert, wenn die Öffentlichkeit ihren Blick wieder abwendet. Da hätte ich dann doch meine Zweifel. Aber möglicherweise erledigt sich die Frage eh, wenn das Internat irgendwann zugemacht wird." Eine Schließung des Internats werde derzeit in Kirchenkreisen diskutiert, sagt SZ- Journalist Stadler. Robert Köhler vom Opfer-Verein will sich das nicht wünschen. Die Schule sei für die meisten Ehemaligen und sogar für viele Opfer ein Ort, an dem sie neben manch Traurigem auch viel Gutes erfahren hätten. (Köhler) Wichtig ist, dass - wenn die Schule weitergeführt wird - dass es einfach eine weltoffene Veranstaltung ist, die entsprechend Werte und eine ordentliche Ausbildung vermittelt. Wir als Verein werden auf alle Fälle immer schauen, dass da keine Straftaten toleriert werden. Das ist unser Vereinsziel. Wir werden uns immer einmischen und schauen, dass die Qualität gewahrt ist. Im kommenden Frühjahr veröffentlicht das Kloster zusammen mit dem Opferverein eine Studie des Münchner Sozialforschungs-Instituts IPP. Diese Untersuchung soll der Schlusspunkt der Aufklärungs-Arbeit sein. Robert Köhler hofft, dass die Studie vollständig veröffentlicht wird. Das Kloster wollte keine Stellungnahme abgeben. Die Mönche ließen drei Interview-Anfragen unbeantwortet. - ENDE SENDUNG - 1