COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur, Zeitfragen 02. November 2009, 19.30 Uhr Geben und Nehmen? Journalistenpreise in Deutschland Eine Sendung von Ulrike Köppchen Musik, dazwischen O-Töne, Musik zwischen den einzelnen O-Tönen immer wieder kurz hochziehen 1. O-Ton: Beate Krol Das war so ein bisschen wie im Märchen. Das Telefon klingelte, ich hab im Büro gesessen, hab den Hörer abgenommen und die Redakteurin war am Telefon und hat gesagt: Beate, du hast einen Preis gewonnen! 2. O-Ton: Markus Grill Ich hab den Otto-Brenner-Preis gewonnen, ich hab den Georg-Schreiber-Preis gewonnen, den Goldenen Apfel hab ich gewonnen, die Auszeichnung Journalist des Jahres für die Lidl-Enthüllung 3. O-Ton: Anna Schmidt Der Preis, den ich damals gewonnen habe, der war pharmafinanziert. Also, ehrlich gesagt, damals war mir das egal, weil ich einfach froh war, Geld zu bekommen. 4. O-Ton: Stephan Ruß-Mohl Da würde ich auch vermuten, dass die wenigsten Journalisten sich klar machen, wie stark sie inzwischen von Public Relations, von hoch professionalisierter Öffentlichkeitsarbeit tagtäglich ferngesteuert werden, ohne dass sie es richtig merken. Musik noch mal hoch und Ansage darüber Sprecher vom Dienst: Geben und Nehmen? Journalistenpreise in Deutschland Eine Sendung von Ulrike Köppchen Sprecherin: Einen Journalistenpreis... Hand auf's Herz: wer hätte den nicht gern? Eine Urkunde, dazu eine Laudatio, die bestätigt, dass man zu den herausragenden Vertretern seines Fachs gehört, und einen Scheck über 1000, 3000 oder auch mal 5000 Euro - wer kann dazu schon nein sagen? In der Bundesrepublik gibt es reichlich Gelegenheiten für Journalisten, sich auszeichnen zu lassen. Wie viele Preise jedes Jahr verliehen werden, weiß niemand so ganz genau, doch dürften es mindestens 300 sein, Tendenz steigend. Angefangen hatte es mal ganz klein, in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik, als es vor allem Verleger und Medienunternehmen waren, die Journalistenpreise auslobten Zitator: Wächter und Streiter einer freiheitlich, demokratischen Grundordnung - dies sollen Journalisten im Sinne des "Wächterpreises der Tagespresse" sein. Sprecherin: So heißt es in der Begründung für den Wächterpreis der Tagespresse, der in diesem Jahr zum 40. Mal verliehen wurde. Ausgezeichnet werden beim Wächterpreis kritische und investigative journalistische Beiträge, die Missstände in Politik und Verwaltung aufdecken und die, wie es heißt, sachfremde Einflussversuche auf die Presse abwehren. Damit wird auf die traumatische Erfahrung der Gleichschaltung der Presse durch die Nationalsozialisten Bezug genommen und werden Journalisten zur Wahrnehmung ihrer öffentlichen Aufgabe als "vierte Gewalt" ermahnt. Auch andere altehrwürdige Journalistenpreise haben diesen Bezug zur Vergangenheit: So trägt etwa der Theodor-Wolff-Preis des Bundes deutscher Zeitungsverleger den Namen des 1933 vertriebenen jüdischen Chefredakteurs des Berliner Tageblatts. Andere renommierte Journalistenpreise setzen dagegen mehr auf handwerkliche Qualitätsmaßstäbe. Stephan Ruß-Mohl, Professor für Kommunikationswissenschaft und Direktor des European Journalism Observatory an der Universität Lugano: 5. O-Ton: Stephan Ruß-Mohl Man wollte damals, als man diese hoch angesehen Preise in die Welt gesetzt hat, wirklich Standards setzen, Maßstäbe setzen, sichtbar machen auch für das breitere Publikum: ja, was ist denn Exzellenz im Journalismus? Wodurch zeichnet sich eine herausragende Reportage oder ein besonders guter Kommentar aus? Sprecherin: Journalistenpreise, sagt der Wissenschaftler, seien ein Instrument der Qualitätssicherung. Immerhin sei der Beruf des Journalisten ungeschützt, daraus resultiere ein gewisser Wildwuchs in der Branche, der es auch heute notwendig mache, Maßstäbe zu setzen, was guter Journalismus sei. Musikakzent Sprecherin: Inzwischen sind an die Seite der Verleger und Medienunternehmer eine Vielzahl anderer Preisstifter getreten: Ministerien, Gewerkschaften, politische Stiftungen, Interessenverbände und Wirtschaftsunternehmen - wer etwas auf sich hält, so scheint es, vergibt einen Journalistenpreis. Und so können Autoren und Redakteure sich heute nicht mehr nur als aufrechte Streiter für Demokratie und Pressefreiheit oder als besonders begnadete Stilisten auszeichnen lassen, sondern genauso für "herausragende" journalistische Beiträge, die die Zukunftsfähigkeit von heimischem Holz demonstrieren, für kompetente Berichterstattung zum Thema "Bezahlen mit Karte im Alltag", für Innovatives über "Gute Pflege für ein würdiges Altern" - bis hin zu "eiskalter Recherche" über die Vorzüge von Tiefkühlkost. Vor allem die Pharmaindustrie tut sich in den letzen Jahren als eifriger Förderer des Qualitätsjournalismus hervor: 6. O-Ton: Markus Grill Ich glaube nicht, dass die sich für die Förderung des Qualitätsjournalismus interessieren, sondern die suchen eine Möglichkeit, Aufmerksamkeit für ihr Unternehmen oder ihre Produkte zu schaffen; und insofern, stimmt, es gibt sehr viele Pharmaunternehmen, die Journalistenpreise vergeben, auch sehr gut dotierte, also 10.000, 20.000 Euro und in der Regel hat das einen direkten Bezug zu dem Produkt, das sie herstellen, oder zu dem Krankheitsbild, für das sie Produkte anbieten. Sprecherin: Markus Grill, Wirtschaftsredakteur beim SPIEGEL in Hamburg und mehrfach ausgezeichneter investigativer Journalist. Vor allem durch Enthüllungen im Bereich der Pharmawirtschaft hat er sich einen Namen gemacht. In seinem Buch "Kranke Geschäfte. Wie die Pharma-Industrie uns manipuliert" zeigt er unter anderem auf, wie Pharmakonzerne Journalistenpreise dazu benutzen, Öffentlichkeitsarbeit in eigener Sache zu machen. 7. O-Ton: Markus Grill Der Pharmakonzern Novo Nordisk zum Beispiel bietet einen Journalistenpreis an, der sich um Diabetes und Diabetesbehandlung kümmern muss, und Novo Nordisk ist einer der größten Hersteller von Diabetes-Präparaten, also da sehen Sie einen klaren Zusammenhang und das finden Sie bei den meisten dieser Journalistenpreise, so einen Zusammenhang. Sprecherin: Um direkte Werbung für ein bestimmtes Produkt des Unternehmens geht es dabei in der Regel allerdings nicht, sondern um weichere Formen der Interessenvertretung: 8. O-Ton: Markus Grill Das ist ja ein wichtiger Punkt der Pharmaindustrie, dass sie Awareness - Aufmerksamkeit - für bestimmte Krankheiten schafft, möglicherweise auch für Krankheiten, wo man gar nicht drunter leidet, also nehmen Sie zum Beispiel Blutfettsenker, Cholesterinwerte. Da ist es ja sehr umstritten, ob man überhaupt und bei welchem Grenzwert man diese Cholesterinsenker nehmen soll, und da nützt es durchaus, Aufmerksamkeit auf das Thema der Blutfettwerte zu lenken, um dann möglicherweise auch zusätzliche Kunden, das heißt Patienten zu gewinnen. Sprecherin: So vergibt etwa der Pharmakonzern Pfizer einen mit 10.000 Schweizer Franken dotierten Journalistenpreis, der in diesem Jahr unter dem Motto steht: "Übergewicht als Volkskrankheit". Wer würde heute noch anzweifeln, dass die Deutschen viel zu dick, ja, dass sie sogar das dickste Volk Europas sind, und dass das Milliardenkosten verursacht, die das Gesundheitswesen an den Rand des Kollaps bringen? Wer aber würde umgekehrt auf die Idee kommen, dass die - so der Soziologe Friedrich Schorb - grassierende "Fett-Hysterie" auch mit den massiven Anstrengungen der Pharma- Lobby zu tun hat, den Grenzwert zu senken, ab dem jemand als übergewichtig gilt, was einen immensen zusätzlichen Behandlungsbedarf geschaffen hat? 9. O-Ton: Markus Grill Also, insofern, diese Preise haben alle ein ... wie soll ich sagen, ein Geschmäckle, dass man natürlich immer sich zum Interessensvertreter des Preissponsors macht, dass man, ob man will oder nicht, doch immer die Interessen des Pharmaunternehmens dann befördert. Musikakzent Sprecherin: Journalistenpreise als PR-Instrument - Für Moralisten mag das skandalös klingen, doch warum eigentlich? Mit welchem Recht und mit welchen Argumenten wollte man in einer freien Gesellschaft Unternehmen und Interessengruppen verbieten, Öffentlichkeitsarbeit für ihr Anliegen zu machen? Das sieht auch SPIEGEL- Redakteur Markus Grill so: 10. O-Ton: Markus Grill Man muss halt schauen, was sagen diese Preise eigentlich aus? Ich meine, das ist ja wirklich keine Einrichtung zur Förderung des Qualitätsjournalismus. Das sieht man schon daran, wer in diesen Jurys sitzt dieser Preise. Das sind ja oftmals Vertreter der Marketingabteilung des Unternehmens oder der Geschäftsführung oder irgendwelche Honoratioren, Professoren, die haben ja alle überhaupt keine Ahnung von Journalismus. Sprecherin: Wie funktioniert das also konkret mit dem Spagat zwischen Werbung in eigener Sache und Förderung des Qualitätsjournalismus? Zum Beispiel beim Thema Zeitarbeit: 11. O-Ton: Andrea Resigkeit Auf die Idee sind wir natürlich gekommen, weil das Aufkommen der Zeitungsartikel über die Zeitarbeit entsprechend des Anstiegs der Zeitarbeitnehmer auch stieg. Wir haben uns angeguckt, wie darüber berichtet wird und kamen dann ziemlich schnell zu der Entscheidung, dass es offensichtlich sehr schwierig ist für Journalisten, mit dem Thema manchmal umzugehen. Sprecherin: Andrea Resigkeit leitet das Berliner Büro des IGZ, des Interessenverbandes deutscher Zeitarbeitsunternehmen. Lobbyistin für Zeitarbeit - das dürfte einer der härtesten Jobs sein, den die Branche zu vergeben hat. Kaum ein Wirtschaftszweig, der mit einem ähnlich schlechten Ruf zu kämpfen hat: Vielen gelten diese Firmen als eine Art Sklavenhalter und Menschenhändler, die ihre bedauernswerten Mitarbeiter mit Dumpinglöhnen abspeisen. 12. O-Ton: Andrea Resigkeit Und dann ist irgendwann mal die Idee gereift, dass wir vor allen Dingen Artikel, die sich sachbezogen mit dem Thema auseinandersetzen, prämieren wollten, um einfach auch einen Anreiz zu geben, die Zeitarbeit wirklich mal genauer unter die Lupe zu nehmen und nicht nur mit den klassischen Vorurteilen Dumpinglöhne, Ausbeutung und was man alles kennt, darzustellen. Sprecherin: Seit 2006 vergibt die IGZ jährlich einen Journalistenpreis: "Das blaue Z". Zu gewinnen sind neben einer Skulptur in Form eines "Z" jeweils drei Preise in den Kategorien Print und elektronische Medien, dotiert mit 2000 Euro für den 1. Platz, 1000 für den zweiten und 500 Euro für den dritten Platz. Laut Ausschreibungstext wird die Auszeichnung für "herausragende journalistische Leistungen" vergeben, die Zeitarbeit "mit ihrem innovativen Anspruch und ihren Perspektiven" darstellen. Andrea Resigkeit verwahrt sich jedoch vehement und durchaus mit Recht gegen die Unterstellung, mit dem mit dem Blauen Z würden Journalisten dafür belohnt, dass sie plumpe Werbung für Zeitarbeit machen: 13. O-Ton: Andrea Resigkeit Es geht uns nicht darum, dass nur positive Berichterstattung - also sozusagen jetzt der Umkehrschluss von der negativen Berichterstattung nur die positive "abzusahnen" und entsprechend zu honorieren. Wir haben ja gerade im letzten Jahr auch durchaus Artikel bewertet - "Erst geheuert, dann gefeuert. Leiharbeiter als Konjunkturpuffer" zum Beispiel oder "Betrogene Arbeitnehmer. Dumpinglöhne in der Zeitarbeit" - das lässt schon darauf schließen, dass das jetzt nicht unbedingt nur ne Lobhudelei auf die Zeitarbeit ist, sondern dass das Artikel sind, die sich sehr sachbezogen mit dem Thema auseinandergesetzt haben und das ist uns wichtig. Sprecherin: Wie aber sieht es mit dem Anspruch auf journalistische Exzellenz aus? Schließlich sollen laut Ausschreibung journalistisch herausragende Arbeiten prämiert werden: 14. O-Ton: Andrea Resigkeit Kriterien sind natürlich schon eine Berichterstattung, die sich definiert darüber, dass sie wirklich detailliert recherchiert worden ist, dass sie sprachlich korrekt wiedergegeben worden ist, dass die sehr schwierigen Details, wenn es etwa um Tarifrecht in der Zeitarbeit geht, auch wirklich korrekt dargestellt wird. Es geht hauptsächlich um die korrekte, vernünftige Darstellung. Nicht so viel Wert wird unbedingt jetzt auf Stil oder Ausdruck gelegt, wie es in verschiedenen anderen Journalistenpreisen eher der Fall ist. Sprecherin: Ausgezeichnet werden keine journalistischen Glanzstücke, sondern bestenfalls solide Hausmannskost. So gewann beispielsweise den 1. Preis in der Kategorie Printjournalismus in diesem Jahr ein Servicebeitrag: "Erfolgreich Mitarbeiter ausleihen". Ein Artikel, an dem vor allem die vielen Spiegelstriche ins Auge stechen, weil er größtenteils aus Aufzählungen und Auflistungen besteht und weniger aus Fließtext. Über dieses Manko, dass bei themenbezogenen Preisen aus Wirtschaft und Verbänden die prämierten Beiträge nach journalistischen Kriterien nicht unbedingt preiswürdig erscheinen, redet man bei den Stiftern normalerweise nicht so gern. Stattdessen betont Andrea Resigkeit lieber, welche prominenten und "fundierten Wissensträger des Journalismus" man für die Jury habe gewinnen können. Schließlich muss es für die Stifter darum gehen, ihren Preis als ganz normalen Journalistenpreis zu etablieren. Und allzu unverhohlene PR gilt unter Journalisten nach wie vor als etwas anrüchig. 15. O-Ton: Andrea Resigkeit Es dauert natürlich immer ein bisschen, bis so ein Preis sich etabliert, bis er sich rumspricht, Journalisten gehen natürlich auch erst mal vorsichtig da ran, weil es natürlich sein kann, dass das vielleicht gar nicht so besonders förderlich ist für die Karriere, aber ich hab inzwischen das Gefühl, dass dieser Preis sich immer mehr etabliert. Das zeigt sich auch daran, dass bei der letzten Preisverleihung der Hans- Ulrich Jörges die Laudatio gehalten hat, Mitglied eben der Chefredaktion des "sterns", der eben ein sehr renommierter Journalist ist mit hohem Anspruch und mit hohem Renommee und das bürgt glaube ich auch für die Qualität dieses Preises. Sprecherin: Das Konzept vieler Unternehmen oder Verbände, ihren Journalistenpreis durch prominente Juroren oder indem man ihn einem prominenten Journalisten anträgt zu etablieren, scheint aufzugehen. Journalisten orientieren sich im Zweifel gern an den Leitwölfen ihrer Branche. Auch Markus Grill hat das getan, als ihm 2005 der Bundesverband der Pressesprecher seinen Journalistenpreis "Der Goldene Apfel" antrug. Der Medienwissenschaftler Stephan Ruß-Mohl warnt allerdings davor, alle unternehmens- oder verbandsfinanzierten Journalistenpreise von vornherein zu verwerfen. Aber man müsse eben stark differenzieren: 16. O-Ton: Stephan Ruß-Mohl Kann man sagen, wenn man genau hinguckt, da ist irgendwo noch ein Interesse an der Förderung des Journalismus oder ein öffentliches Interesse gegeben, dass so ein Preis eingerichtet wird? Oder schaut es doch sehr stark danach aus, dass man eigentlich als Stifter sich selbst in den Vordergrund rücken möchte und gar kein so großes Interesse an Journalismus und an irgendwelchen öffentlichen Angelegenheiten hat. Sprecherin: Kein Problem hätte er damit, wenn beispielsweise die Industrie- und Handelskammer oder ein anderer Wirtschaftsverband einen Preis für Wirtschaftsjournalismus generell ausschriebe und die Jury kompetent besetzt und unabhängig sei. Mit der Unabhängigkeit von Jurys hat der Wirtschaftsjournalist Werner Rügemer allerdings so seine Erfahrungen gemacht, als ihm 2003 der Journalistenpreis des Verbandes Kommunaler Unternehmen, kurz VKU verliehen werden sollte. Für ein kritisches Hörfunkfeature über Cross-Border-Leasing. Vor einigen Jahren noch von Vielen als Zaubermittel zur Sanierung kommunaler Haushalte gepriesen ist Cross-Border- Leasing inzwischen gründlich in Verruf geraten, Dabei verkauften deutsche Kommunen in großer Zahl ihre Infrastrukturunternehmen an amerikanische Investoren und mieteten sie umgehend von diesen zurück. 17. O-Ton: Werner Rügemer Zwei Tage vor der Preisverleihung bekam ich also den Anruf des Juryvorsitzenden, der mir mitteilte, ja, leider, Herr Rügemer, wir können Ihnen den Preis doch nicht verleihen. Wir haben gefunden, dass Ihre Unterschrift unter einem Flugblatt steht, einem Flugblatt, das von der attac-Gruppe Köln verantwortet wird und wo die Stadt Köln aufgefordert wird, ein solches Cross-border-leasing-Geschäft mit ihren Trinkwasseranlagen mit einem unbekannten amerikanischen Investor zu unterlassen. Und da dies doch eine Verletzung der journalistisch gebotenen Neutralität sei, können wir Ihnen den Preis dann doch nicht verleihen. Die Sache ist damit beendet. Musikakzent 18. O-Ton: Werner Rügemer Ich habe mir dann folgende Erklärung gemacht durch die vielen Telefonate und Gespräche, die ich da geführt habe, nämlich dass ja mehrere der Mitgliedsstädte im VKU solche Geschäfte gemacht haben, zum Beispiel auch die Stadt Köln, und dass der Pressesprecher der städtischen Unternehmen Kölns auch Mitglied der Jury gewesen ist und möglicherweise haben doch einige Städte, nachdem sie das realisiert haben, wofür dieser Preis vergeben werden soll, dann doch inzwischen interveniert und haben gesagt: also, wir haben doch alle solche cross-border-leasing- Geschäfte gemacht, da können wir doch jetzt nicht einen Preis vergeben, wo diese Geschäfte in Grund und Boden verdammt werden. Musikakzent 19. O-Ton: Werner Rügemer Nachdem ich mich dann da etwas berappelt hatte, hab ich mal geguckt, wer ist eigentlich in dieser Jury und dann habe ich die anderen, ich glaube, etwa fünf Mitglieder der Jury angerufen und gefragt, wie war das denn mit der Entscheidung? Und dann habe ich gehört, also, die FAZ-Redakteurin, die war gar nicht da bei einer solchen Sitzung und die vom Juryvorsitzenden behauptete Einstimmigkeit der Entscheidung, die gab es überhaupt nicht, und da wachte ich allmählich auf und sagte, das lasse ich mir nicht bieten und bin deshalb vor Gericht gegangen und habe auf Herausgabe des Preises und des Preisgeldes geklagt, und habe da schließlich auch Recht bekommen. Musikakzent Sprecherin: Trotz der massiven Zunahme von Journalistenpreisen und deren zunehmender Verflechtung mit PR haben bisher weder die Medien selbst noch die Medienwissenschaft dem Thema Journalistenpreise sonderliche Aufmerksamkeit geschenkt. Wozu auch? Sieht es doch so aus, als gäbe es bei Journalistenpreisen nur Gewinner. Zum Beispiel die freien Autoren: 20. O-Ton: Beate Krol Die Stiftung Lesen hatte also für ein Radiofeature, halbe Stunde, Geschichten in der Schmökerecke, da geht's darum, wie man Kinder zum Lesen bringt, gefunden, dass das eben einen zweiten Preis wert ist und hatte mir den verliehen und das war natürlich ne tolle Sache. Sprecherin: Beate Krol, freie Journalistin für Print und Hörfunk. Gerade für freie Journalisten bieten Preise eine Möglichkeit, sich aus der Masse der etwa 50.000 hauptberuflichen Journalisten herauszuheben, die es derzeit in Deutschland gibt. Angesichts des massiven Überangebots an Journalisten auf dem Markt für den Einzelnen fast eine schiere Notwendigkeit. Die Berufsgruppe der freien Journalisten ist stark unter Druck: Immer schlechter bezahlt, ein oft einsamer, frustrierender Schreibtischjob und dann noch behandelt als Journalisten zweiter Klasse - "Zeilenknechte" sozusagen. Da tut jedes Lob gut: 21. O-Ton: Beate Krol Es war vor allen Dingen für mich selber wichtig, weil ich wusste, so wie ich es mache, ist es offenbar gut. Das ist ja nicht immer selbstverständlich, weil es eben dieses Feedback ja selten gibt, sowohl aus der Redaktion wenig Feedback als auch wenig Feedback von Hörern oder Lesern. Wenn Feedback kommt, ist es ja eher ne Negativkritik, dass einem vorgeworfen wird, das hat man falsch verstanden oder falsch gemacht oder es ist eh alles ganz unverschämt, und von daher ist es natürlich schön, diese positive Bestätigung zu bekommen und zu wissen, da kann ich so weitermachen. Sprecherin: Selbst der kritischste Journalist braucht Anerkennung - Werner Rügemer: 22. O-Ton: Werner Rügemer Für einen Autor wie mich, der mit seinen Themen immer gegen den mainstream ankämpfen musste, auch in den Medien, waren solche Preise, die ja auch nicht sehr häufig waren, doch eine wichtige Sache, sowohl in finanzieller Hinsicht - also, für mich als Autor sind Beträge wie 3000 Euro schon etwas, worüber ich mich sehr freue und ein bisschen Anerkennung kann man in dieser defensiven Stellung, die ich so am Rande des Mediengeschehens habe, die sind doch etwas, was ich dann gerne nehme. Sprecherin: Für die Medizinjournalistin Anna Schmidt gibt es insofern bei Journalistenpreisen kein Pro und Contra: 23. O-Ton: Anna Schmidt Also, ich brauche das Geld, ich brauche einfach mehr Geld und ich fühle mich im Journalismus tierisch unterbezahlt und habe das Gefühl, einen Preis zu bekommen ist halt ein kleiner Ausgleich für diese ewige Unterbezahlung und diesen ewigen Frust darüber. Sprecherin: Außerdem, fragt Anna Schmidt, wo liegt dabei eigentlich das Problem, wenn ein Autor für einen Beitrag, den er nach bestem Wissen und Gewissen recherchiert und geschrieben hat, im Nachhinein einen Preis bekommt, auch wenn dieser von einem Interessenverband oder einem Wirtschaftsunternehmen verliehen wird? 24. O-Ton: Anna Schmidt Ich schreibe schon im Großen und Ganzen Texte, hinter denen ich stehe, und wenn ich für einen Text, hinter dem ich stehe, einen Preis bekomme, dann scheint ja irgendwas nicht völlig schief gelaufen zu sein. Sprecherin: Nur - wie will man eigentlich überprüfen, ob ein Autor einfach aus Interesse über ein Thema schreibt oder ob ihn die Ausschreibung für einen Journalistenpreis dazu motiviert hat? Letzteres ist der Generalverdacht, unter dem alle Journalisten stehen, und die meisten Journalisten sind davon überzeugt, dass zumindest der eine oder andere Kollege so etwas tut. Beate Krol: 25. O-Ton: Beate Krol Als ich damals noch in der Ausbildung war, hatte ich eine Praktikumsstation in einer großen deutschen Wochenzeitung und da hab ich mich sehr gewundert, dass eine Kollegin plötzlich ein Thema auskramte, was überhaupt nicht zu ihrem Beritt gehörte üblicherweise. Dann hab ich mich ein paar Monate später gewundert, dass ich ständig überall dieses Thema las, da ging es um Zwangserkrankungen, ich hab einen Film plötzlich gesehen, ich hab's im Radio gehört, und hab dann im Nachhinein erst erfahren, dass eben die Gesellschaft für Zwangserkrankungen einen Preis ausgeschrieben hatte. Und da hat mich das dann überhaupt nicht mehr gewundert. Sprecherin: Spätestens dann, wenn Journalisten durch den finanziellen Anreiz eines Preises erfolgreich motiviert würden, Beiträge zu bestimmten Themen in die Medien zu bringen, wäre es um die journalistische Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit geschehen. Das sehen selbst diejenigen so, die ansonsten Journalistenpreisen wenig kritisch gegenüber stehen. Die Medizinjournalistin Anna Schmidt wehrt sich jedoch dagegen, dass hier der Schwarze Peter allein den freien Autoren zugeschoben wird. 26. O-Ton: Anna Schmidt Der ganze Medizinjournalismus und wahrscheinlich nicht nur der Medizinjournalismus, der ist schon relativ durchdrungen von der Pharmaindustrie. Ich hab das erlebt, ich hab einen Artikel geschrieben für Zeitungen über eine unabhängige Patientenzeitschrift, also, die bewusst unabhängig ist und über Arzneimittel informiert, und da hab ich sehr viel Ärger bekommen. Also, eine Zeitung hat es letztlich gedruckt, eine zweite Zeitung, da wollte es der Redakteur drucken und hat dann Riesenärger mit seinem Chef bekommen, und der Chef hat ihm gesagt, dass von mir in Zukunft erst mal keine Artikel mehr gedruckt werden, und von einer dritten Redakteurin hab ich gehört: das wirft ja ein Geschmäckle auf unsere Zunft. Das hat mich damals sehr geärgert und mir eigentlich auch noch mal die Augen geöffnet, wie sehr die Medien selber auch verflochten sind mit der Pharmaindustrie. Und warum sollen dann ausgerechnet die freien Journalistinnen und Journalisten päpstlicher sein als der Papst? Sprecherin: Seitens der Redaktionen, Sendeanstalten und Zeitungsverlage gibt es ebenso wenig Anlass, die Flut an Journalistenpreisen in Frage zu stellen. Auch hier weit und breit nur Gewinner: Zitator: Die Reiseredaktion der WELT am Sonntag ist in diesem Jahr bereits zum dritten Mal mit einem Journalistenpreis ausgezeichnet worden! Sprecherin: Medienpreis der Lungenstiftung an Deutschlandfunkautor! Zitator: "Goldener Prometheus" an Filmkritikerin von Deutschlandradio Kultur verliehen Sprecherin: Handelsblatt-Redakteur gewinnt Journalistenpreis des Deutschen Derivate Verbandes und der Scoach Europa AG Zitator: Zeit-Redakteure erhalten den Ernst-Schneider-Preis 2009 Sprecherin: Viele Zeitungen, Rundfunk- und Fernsehanstalten benutzen die Auszeichnungen, die ihre Mitarbeiter bekommen, zur Eigenwerbung - und da scheint es immer gleichgültiger zu werden, ob es sich dabei um den PR-Preis eines Unternehmens oder Interessenverbandes handelt oder um einen der wirklich renommierten Journalistenpreise wie zum Beispiel den Henri-Nannen-Preis. Mehr und mehr verschwimmen dabei die Unterschiede zwischen PR und journalistischer Qualitätssicherung - aber die Krise der Medienbranche beschränkt sich nun einmal nicht auf die freien Autoren, sondern setzt auch Redaktionen und Verlagshäuser unter Druck, so dass es auch für diese immer schwerer wird, sich dem Spiel zu entziehen: 27. O-Ton: Beate Krol So gesehen überwiegen für die Redaktionen die positiven Seiten. Und die positiven Seiten sind: auch wir als Redaktion werden bekannt, auch wir als Redaktion oder Ressort haben ein besseres Standing in unserem Haus und kriegen von außen bestätigt, unsere Arbeit ist gut, unsere Arbeit ist wichtig - das gilt dann vielleicht besonders für solche Redaktionen, die sich rechtfertigen müssen, weil sie teuer sind, weil sie ein hohes Budget brauchen und natürlich gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten immer beguckt werden: kann man da nicht einsparen? Und da ist natürlich so ein Preis etwas, von dem man sagt: nee nee, schau, das ist gut, dass wir das so machen, weil das wird auch wahrgenommen. Sprecherin: Stephan Ruß-Mohl vom European Journalism Observatory bedauert den Wildwuchs, der bei Journalistenpreisen inzwischen grassiert. Dieser schade den honorigen Journalistenpreisen, weil die Öffentlichkeit nicht genau zwischen verschiedenen Kategorien von Journalistenpreisen unterscheiden könne. Ansetzen jedoch könne man nur bei den Journalisten selbst: 28. O-Ton: Stephan Ruß-Mohl Ich finde das wie gesagt, völlig legitim, dass Unternehmen solche Preise stiften und dass sie Öffentlichkeitsarbeit machen. Ich würde mir wünschen, dass eher auf der anderen Seite, im Journalismus, in den Journalistenverbänden, in den Chefredaktionen, mehr darüber nachgedacht wird: welche von diesen Preisen wollen wir eigentlich und da unterstützen und arbeiten wir auch in den Jurys mit und bei welchen muss es vielleicht nicht unbedingt sein? Sprecherin: Stephan Ruß-Mohl rät, sich an dieser Stelle die USA zum Vorbild zu nehmen, wo die Medien viel ausführlicher und an prominenter Stelle über die hoch angesehenen Journalistenpreise berichteten: 29. O-Ton: Stephan Ruß-Mohl ...während bei uns über den Theodor-Wolff-Preis maximal mit einem kleinen Einspalter berichtet - es sei denn, man hat ihn selber gekriegt. Dann ist es inzwischen - weil die Redaktionen auch gelernt haben, ein bisschen PR für sich zu machen, auf der Seite 1. Und das ist falsch. Ich denke, der Tiefkühlkostpreis, der gehört überhaupt nicht in den redaktionellen Teil, und der Theodor-Wolff-Preis gehört auch dann in den redaktionellen Teil, wenn man selbst als Redaktion leer ausgegangen ist. Sprecherin: Oder indem man sogar so weit geht, wie Stephan Ruß-Mohl es vor einigen Jahren bei der New York Times erlebt hat: 30. O-Ton: Ruß-Mohl Da war also klar, dass sie wirklich in ihren Arbeitsrichtlinien, die sozusagen monatlich ergänzt werden und die jeder Journalist immer wieder vorgelegt kriegt, dass in diesen Leitlinien auch drinsteht, bei welchen Journalistenpreisen sich New York Times Redakteure bewerben dürfen und bei welchen nicht, also das wird sozusagen von der Chefredaktion kontrolliert und bei Pulitzer-Preisen und ähnlich honorigen Dingen auch gefördert, weil man ja gerne einen kriegen möchte, und bei den eher windigen PR-Preisen sagen die klar: no! Machen wir nicht mit. Sprecher vom Dienst: Geben und Nehmen? Journalistenpreise in Deutschland Eine Sendung von Ulrike Köppchen Es sprachen: Nadja Schulz Berlinghoff Ton: Barbara Zwirner Regie: Rita Höhne Redaktion: Constanze Lehmann Produktion: Deutschlandradio Kultur 2009 1