COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Länderreport 24.5.2012, 13.07 Uhr Letzte Ausfahrt Das Ende des Bergbaus im Saarland Länge: 19'26 Min. Autorin: Tonia Koch Redaktion: Heidrun Wimmersberg O- Ton Glückauf, Glückauf Das Glückauf der Bergleute, lange wird es nicht mehr zu hören sein. Denn in vier Wochen wird es für die wenigen Hundert übrig gebliebenen Saar- Bergleute der Grube Ensdorf zum letzten Mal heißen: O-Ton Anschläger: Bitte aufrücken... Ein letztes Mal wird dann das Rollgitter des Korbes geschlossen und das Abfahrts- signal ertönen. O-Töne: Rollgitter, Signal Es ist auch das Zeichen für den Kollegen unter Tage, dass Bergleute oder Material nach unter Tage unterwegs sind. Denn es geht schnell. 8 bis 16 Meter schafft der Korb pro Sekunde. O- Ton Armo: Korbfahrt In 1300 Metern unter der Erde kommt der Korb zum Stehen. Hier ist alles hell erleuchtet. Eine Schienenflurbahn wartet. Die Bergleute nennen das wenig komfortabel ausgestattete Schienenfahrzeug, Kulibahn. O- Ton Atmo: Kulibahn Die Bahn verbindet die verschiedenen Betriebspunkte miteinander, die kilometerweit auseinander liegen. Bis dahin wo die Kohle abgebaut wird, sind es etwa 20 Minuten Fahrtzeit. Transportbänder auf denen die Kohle nach über Tage befördert wird, verlaufen parallel zur unterirdischen Bahntrasse. Belüftungsröhren und dicke Kabelschläuche schlängeln sich seitlich durch die Strecken. O-Ton Atmo: Kulibahn/Blende Die letzten Meter bis dahin wo die Kohle abgebaut wird, müssen die Bergleute zu Fuß zurück legen. Wir treffen auf Yannick Gothier. Er beendet dieser Tage seine Ausbildung zum Elektroniker. Bereits seit 20 Jahren werden im Saarbergbau keine rein bergmännischen Berufe mehr ausgebildet. Die Ausbildung hat sich auf Berufsbilder konzentriert, die auch anderswo in der Industrie benötigt werden. Yannick Gothiers Weg führt diesen Sommer in eine andere berufliche Zukunft. O- Ton Goutier: " Zur Bundeswehr." Der Abschied fällt dem 21 -jährigen leichter als den alten Hasen. O-Ton Goutier: " Gesetzt den Fall, der Bergbau hier in Deutschland wäre weiter gegangen, dann wäre es eine Option gewesen, hier zu bleiben, denn es hat mir wirklich gut gefallen." Sein älterer Kollege Peter Erb wird im September für mindestens drei Jahre nach Ibbenbüren in Nord-Rhein-Westfalen verlegt. Dort soll noch bis 2018 Kohle gefördert werden. Peter Erb weiß, was ihn erwartet. O- Ton Erb: "Ja, man hat Kontakt, telefoniert, redet, da weiß man schon was los ist hat ja auch schon die Gespräche geführt wo man hinkommt in welche Abteilung und so. Man weiß schon was los ist, das ist schon richtig." Beim Gedanken an den Wechsel nach Ibbenbüren beschleicht den 47-Jährigen trotzdem Wehmut. O- Ton Erb: "Es tut halt weh. Man kommt von der Familie weg, das ganze Umfeld, alles bricht weg. Man weiß ja nicht, wie es weiter geht, wenn man retour kommt, ob man dann wieder so schnell Abschluss findet." Vorne im Streb, da wo die Kohle abgebaut wird, nähert sich mit Getöse ein Hobel. O- Ton: "Hobel läuft" Für das saarländische Kohlerevier ist die Hobeltechnik eine ungewöhnliche Abbautechnik. Über Jahrzehnte wurde die Kohle mit Hilfe riesiger Stahlwalzen aus den Flözen geschnitten. Aber diese Technik erfordert Flözhöhen von zwei bis 4 Metern. Die stehen nicht mehr zur Verfügung, weil sie nicht mehr abgebaut werden dürfen, nachdem am 23. Februar 2008 ein Erdbeben das Abbaugebiet erschüttert hatte. Der Bergbau hatte es ausgelöst. Das letzte Kohleflöz, das im Saar-Revier abgebaut wird, ist nur noch 1 Meter 40 hoch. Thomas Peters. O- Ton Peters: "Durch die Beben, die wir hatten, sind wir ausgewichen und müssen hier abbauen." Seit Ende der 1990er Jahre traten diese Beben auf. Zunächst hatte das Bergbauunternehmen, die Deutsche Steinkohle AG, DSK, versucht, die Erderschütterungen als Gott gegeben anzusehen. Jürgen Eickhoff, Vorstand der DSK. O - Ton Eickhoff: " Aktivitäten im Bergbau ohne diese Erscheinungen gibt es auf der ganzen Welt nicht." Die Erschütterungen erreichten umgerechnet in Erdbebenstärke Werte von bis zu vier auf der Richterskala. Materielle Schäden verursachten sie zunächst nur selten. Es waren vor allem psychische Belastungen unter denen die Menschen in den Kohleabbaugebieten litten. Collage: "Da werden Urängste geweckt. Man erschrickt und kann nichts dagegen machen und hat Angst um sich und die Kinder. Wir haben Angst um unsere Kinder, unser Kind bekommt Panik wenn eine Erschütterung ist. Der jüngste mit 12 kommt gar nicht mehr richtig zur Ruhe, und die Große, die 15-jährige, die sagt immer, sie will nicht mehr hier wohnen bleiben, keines der Kinder will mehr hier bleiben." Trotz der vom Unternehmen betriebenen Ursachenforschung, ließ sich nicht zweifelsfrei klären, was zu diesen Beben führte, deshalb blieben Gegenmaßnahmen, die von der DSK eingeleitet wurden, weitgehend wirkungslos. Als am 23. Februar 2008 vom Kirchturm des katholischen Gotteshauses St. Blasius in Saarwellingen Steinquader auf die Treppe stürzten, bedeutete dies das vorzeitige Endes des Bergbaues an der Saar. Der damalige Wirtschaftsminister Joachim Rippel versprach den Bergbau-Betroffenen. O-Ton Rippel: "Es kann in diesem Land keinen Bergbau mehr geben, der Gesundheit und Leben der Menschen bedroht." Auf Druck der Behörden setzt das Unternehmen den Betrieb vorübergehend aus. Die Bergbaubetroffenen hoffen auf eine endgültige Entscheidung. O-Töne Bergbaubetroffene: "Endgültig soll Schluss sein, sofort. Zumachen, Deckel drauf machen, Schluss. Sofort, Bergbaustopp sofort!" Der damalige Regierungschef Peter Müller von der CDU sitzt zwischen Baum und Borke. Müller hatte seit 1999, als er an die Regierung kam im Saarland, immer wieder versprochen, er werde sich dafür einsetzen, den Bergbau so schnell wie möglich auslaufen zu lassen. Aber ihm war auch klar, dass mit einem Mal 5000 Bergbaubeschäftigte auf der Straße stehen würden, wenn die letzte Grube ihren Betrieb von einem Tag auf den anderen einstellen würde. O - Ton Müller: "Ich bitte um Verständnis, dass kein Ministerpräsident es verantworten kann, tausende von Menschen über Nacht arbeitslos zu machen." Es wäre das erste Mal gewesen, dass der seit Jahrzehnten laufende Anpassungsprozess im deutschen Steinkohlenbergbau eine derartige Zäsur erlebt hätte. Arbeitsplätze im Bergbau wurden und werden bis heute sozialverträglich abgebaut. Das heißt, die Beschäftigten steigen mit speziellen Regeln wie zum Beispiel dem Anpassungsgeld und über Vorruhestandregelungen aus dem Bergbau aus. Wer lange Jahre unter Tage gearbeitet hat und 50 Jahre alt wird, kann gehen. Etwa 1400 saarländische Bergleute erreichen diese Altersgrenze bis Ende Juni nicht, wenn die letzte saarländische Grube dicht gemacht wird. Vor zwei Jahren wurde deshalb damit begonnen, die Jüngeren überwiegend ins 450 Kilometer entfernte Ibbenbüren zu verlegen. Hans -Jürgen Becker, Betriebsrasvorsitzender des Bergwerks Saar. O- Ton Becker: " Am Anfang hatten wir Schwierigkeiten, die Leute waren bedrückt. Der Saarländer ist es nicht gewohnt von seiner Heimat weg zu sein, das ist so. Und Ibbenbüren sind 450 Kilometer, die können wir durch die beste Betriebsvereinbarung oder den besten Sozialplan nicht wett machen. Aber, es bilden sich die ersten Freundschaften, es sind Treffs da, wo sich die Kollegen unterhalten können. Die Saarländer sind gut aufgenommen worden. Man braucht ihre Erfahrung und tatsächlich auch ihre Hände, um das Ziel zu erreichen, das Bergwerk zumindest bis zum 31.12. 2018 zu betreiben." 2018 läuft der subventionierte Steinkohlenbergbau überall in Deutschland aus. Das ist 2007 im sogenannten Steinkohleinanzierungsgesetz festgelegt worden. Ursprünglich sollte der Ausstiegsbeschluss in diesem Jahr vom Bundestag noch einmal überprüft werden, um auf eventuelle veränderte energiepolitische Rahmenbedingungen reagieren zu können. Aber diese sogenannte Revisionsklausel ist auf Druck der Europäischen Kommission, die nationale Beihilfen für die Deutsche Steinkohleförderung genehmigen muss, im vergangen Jahr gestrichen worden. Das Enddatum 2018 ist daher unverrückbar. Für den Betriebsratsvorsitzenden Hans Jürgen Becker nach dem Atomausstieg und aufgrund steigender Energiekosten politisch fragwürdig. O- Ton Becker: "Aus heutiger Sicht würde ich sagen, es war eine Fehlentscheidung." Rückzugsgefechte führt der Bergbau seit den 1960er Jahren. In immer neuen und immer schneller aufeinanderfolgenden Kohlerunden wird der Absatz deutscher Steinkohle an die Stahlhütten und die Stromwirtschaft politisch festgelegt. Und im März 1997 kommt es zu Protesten als die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung neue Kohleziele festlegen möchte. Vor allem die FDP drängt auf eine drastische Absenkung der Subventionen und den Abbau von mindestens 50.000 Stellen im deutschen Steinkohlenbergbau. Ein Aderlass, der ohne Entlassungen nicht möglich gewesen wäre. Die Bergleute sind empört. An Ruhr und Saar blockieren sie tagelang Straßen und Autobahnen und mit hunderten von Bussen und Motorrädern setzen sie sich nach Bonn in Bewegung. Vertrauensleute versuchen, die aufgebrachten Männer zu beruhigen. O- Ton Vertrauensmann: "Wir wissen nicht wie die Lage ist. Der Bundesgrenzschutzi ist mit Spezialhundertschaften da, mit Wasserwerfern. Wir rufen zur Gewaltfreiheit auf, geht der Gewalt aus dem Weg, geht den Wasserwerfern aus dem Weg ihr Männer. Jeder muss auf sich selbst aufpassen und auf seinen Kameraden...." 15.000 Bergleute belagern das Regierungsviertel und die Bonner FDP-Zentrale. O - Töne Bergleute: "Es bleibt belagert hier. Wissen sie wie weit das kommt, es kommt zur Eskalation, da gibt es Mord und Totschlag, soweit führen die das." Bundskanzler Helmut Kohl von der CDU sagt aufgrund der machtvollen Demonstration die Verhandlungen mit den Unternehmen und den Gewerkschaften ab. Er will sich dem Druck der Straße nicht beugen. Die tausenden Saarländer unter den Demonstranten skandieren daraufhin. O- Ton: "Der Dicke muss weg..." Der damalige Chef der Industriegewerkschaft Bergbau und Energie, Hans Berger, hat alle Mühe, zu den aufgebrachten Demonstranten durchzudringen. O- Ton Berger. " Wir dürfen nicht in diese Falle laufen, lasst uns morgen früh die Proteste aus Bonn verlagern...Buh-Rufe, Pfiffe, Blende..." Berger sieht einen Verhandlungs-Kompromiss mit der Politik gefährdet, für den Fall, dass sich die Bergarbeiter nicht zurückziehen. Sie folgen schließlich Bergers Aufruf zum Abzug und verbringen eine eiskalte Nacht im Müngersdorfer Stadion in Köln, wo der zuständige saarländische Gewerkschaftsvertreter Gerd Zibell am darauffolgenden Tag ein Ergebnis verkünden kann. O- Ton Zibell: "Wir werden im Jahr 2005 mit zwei guten Standorten einen lebensfähigen Bergbau haben im Saarland. Und liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt kommt der entscheidende Satz: Bis ins Jahr 2005 wird es keine Kündigungen geben." Es ist dabei geblieben, dass es im deutschen Seinkohlenbergbau keine betriebsbedingten Kündigungen gibt. Nur mit der Überlebensfähigkeit des deutschen Steinkohlenbergbaues ist es seit 2007, seit dem Beschluss, den Bergbau auslaufen zu lassen, vorbei. Bergwerksdirektor Friedrich Breinig hatte ausreichend Zeit, sich auf seine Aufgabe vorzubereiten, das letzte saarländische Bergwerk in Ensdorf abzuwickeln. O- Ton Breinig: "Wir demontieren noch das Equipement das wir brauchen im Unternehmen aber auch das, was vermarktungsfähig ist auf dem Weltmarkt und werden dann anschließend die Schächte mit Beton verfüllen, nachdem wir nach Umweltauflagen unter Tage geräumt haben." Der Bergbau hinterlässt 2.350 Hektar Flächen, die nun anderweitig genutzt werden können. O - Ton Bereinig: "Man kann jetzt nicht annehmen, dass 2.350 Hektar Flächen für Gewerbeansiedlung zur Verfügung gestellt werden, so viel Gewerbe gibt es nicht. Durchaus kann die Inwertsetzung auch einmal die Rückgabe ab die Natur bedeuten." Auf den frei werdenden Flächen sind Photovoltaik-Anlagen in großem Stil geplant und es wird auch geprüft, ob stillgelegte Bergwerke als Pumpspeicher dienen können, um Strom zu erzeugen. Das aber ist Zukunftsmusik. Die Erfahrung lehrt, dass es schwierig ist, die frei werdenden Bergbauflächen zu vermarkten. Manche Investoren zögern auch deshalb, sich mit ehemaligen Bergbauflächen anzufreunden, weil sie die Folgeschäden nicht abschätzen können. Nach Beendigung des Steinkohlenbergbaues an Ruhr und Saar soll eine Stiftung für die sogenannten Ewigkeitslasten des Bergbaues finanziell aufkommen. Zu den auf ewig bleibenden Folgen zählt der Anstieg des Grubenwassers. Denn die verlassenen Grubenbaue laufen voll, wenn die Pumpen abgestellt werden. Teile von Nord-Rhein-Westfalen zum Beispiel würden überschwemmt, überließe man das Wasser sich selbst. Im Saarland sind die topographischen Verhältnisse andere, hier könnte es riskiert werden, die Pumpen abzustellen, glaubt Bergwerksdirektor Breinig. O-Ton Breinig: "Theoretisch ist es so, wenn wir alle Pumpen abstellen, käme das Wasser in der Größenordnung 22 Jahre an der tiefsten Stelle im Karbon an, das wäre am Standort Duhamel und könnte dann gefahrlos in die Saar abgeleitet werden." Im Hinblick auf die Wasserhaltung ist noch nichts entschieden. Aber die Bewohner in den Bergbaugebieten hegen die Befürchtung, dass die Trinkwasserversorgung durch das salzhaltigere Grubenwasser gefährdet werden könnte. Darüber hinaus befürworten die Bergbaubetroffenen ein öffentlich zugängliches Bergschadenskataster. Peter Lehnert Vertreter der IGAB, der Interessengemeinschaft zur Abwendung von Bergschäden im Saarland. Ton Lehnert: "Ganz konkret muss man offen legen, was unter der Erde passiert ist. Welche Altbergbaue haben stattgefunden nicht nur im Jahr 2000 oder 1980 sondern wir müssen in den Bereich gehen von vor 1865. Gerade diese Altbergbauten sind gefährlich, weil sie oft oberflächennah sind und es hier zu Einbrüchen kommt. Wir wissen durch das KPMG-Gutachten, dass wir allein im Saarland 500 Bergbaueinrichtungen haben, die wir nicht kennen und die nicht gesichert sind. Wir haben die Politik mehrfach in aller Form darauf hingewiesen, endlich hier tätig zu werden" Die Wirtschaftsberatungsgesellschaft KPMG war von der Bundesregierung beauftragt worden, die Risiken der Alt-Bergbauten zu bewerten. Und diese Untersuchung hat dazu geführt, dass die Deutsche Steinkohle AG damit begonnen hat, diese Gefahrenherde aufzuspüren und sie sukzessive zu sichern. Die IGAB fordert trotzdem ein öffentlich zugängliches Kataster, um sich informieren zu können. Diese Forderung nach Transparenz, werde jedoch nicht einmal von den betroffenen Kommunen unterstützt, so Lehnert. O- Ton Lehnert: "Für mich ist eines ganz klar, wenn man öffentlich seine Gemeinde darstellt als Bergbau-Betroffene Gemeinde, dann verliert man an Wohnwert und an finanziellem Wert beim Verkauf von Bauplätzen und Gewerbeflächen. Kein Bürgermeister macht das mit." Die Häusle-Besitzer sind eine mächtige Lobby im Saarland. Und das hängt daran, dass es so viele sind. Die Eingeheimquote ist mit 64 Prozent die höchste in ganz Deutschland und liegt damit 10 Prozent über Baden-Württemberg und Bayern. Das ist eine direkte Folge des Bergbaues, erläutert Professor Dörrenbächer. O- Ton Dörrenbächer: "Der preußische Bergfiskus hatte schon im 19. Jahrhundert den Bergleuten Prämien gewährt zum Bau eigener Häuser. Man muss sich vorstellen, die Bergleute kamen aus dem ländlichen Raum, aus dem Hunsrück, aus dem Hochwald und man brauchte Wohnraum. Man hatte kaum Mietwohnungen gebaut sondern den Bergarbeitern Kredite gezahlt, um ihre eigenen Häuser zu bauen." In den Bergbaugebieten entstanden Dorfgemeinschaften nach ländlichem Vorbild und es entwickelte sich ein starker Zusammenhalt unter den Bewohnern dieser Bergbau-Kommunen. Dieses Gemeinschaftsgefühl, das die Menschen aufgrund ihrer gefährlichen Arbeitsplätze entwickelt hatten, findet seinen Niederschlag bis heute in einer für das Saarland typischen Vereinsstruktur, so Dörrenbächer. O- Ton Dörrenbächer: "Jeder Saarländer vom Baby bis zum Greis ist durchschnittlich in 3 Vereinen Mitglied. Auch das hat damit zu tun, dass der Bergbau anders als andere Industrien von einer sehr, sehr starken Solidarität geprägt war. Bergmännische Arbeit war immer Arbeit im Extremen, in einer extremen Lebenssituation. Es gab eine sehr, sehr starke gegenseitige Abhängigkeit. Die Partien, die Trupps die im Bergbau gearbeitet haben waren Schicksalsgemeinschaften unter Tage und über Tage hat sich das im gesellschaftlichen Leben fortgesetzt." Die Pflege der kulturellen Identität haben sich die Bergarbeiter- und Hüttenvereine auf die Fahnen geschrieben. 800 ehemalige Bergleute haben sich Anfang Mai auf Wallfahrt nach Trier begeben. Dort waren sie in vollem Ornat in ihren traditionellen schwarzen Uniformen und den bunt geschmückten Schachthüten das Photomotiv des Tages. Zu Klängen des Steigermarsches zog die Prozession durch die Trierer Innenstadt in Richtung Konstantinbasilika. O- Ton Steigermarsch... O- Ton Bergmann: "Man ist immer Bergmann, auch wenn wir heut ein unserer Tracht gehen. Ich habe heute mein Leben angezogen, das ist mein Leben. Es hat mein Leben 30 Jahre lang geprägt dieser Beruf." Die etwa einstündige Busfahrt von Ensdorf nach Trier stimmt so manchen mitreisenden Bergmann nachdenklich. Die meisten engagieren sich ehrenamtlich. Entweder in den Traditionsvereinen oder darüber hinaus in weiteren kulturellen oder sozialen Einrichtungen oder in Sportvereinen. Andere haben sich gering bezahlte Nebentätigkeiten gesucht, um der Langeweile zu entkommen. Sie ist im Alter von 50 Jahren unweigerlich über sie hereingebrochen, als sie in den vorgezogenen Ruhestand gehen mussten. O- Töne Bergleute: "Das ist mit Sicherheit keine schöne Sache, mit 50 den Arbeitsplatz verlassen zu müssen. Man fühlt sich nicht zum alten Eisen gehörig und wenn man dann freigesetzt wird, muss man sich Gedanken darüber machen, was mit seinem Leben passieren soll. Die erste Zeit war es sehr schlimm, man hatte das Gefühl nicht mehr gebraucht zu werden, man wurde abgeschoben. Mittlerweile bin ich 52 und habe mich daran gewöhnt, aber am Anfang war es nichts Schönes." Die Wallfahrt ist eine willkommene Abwechslung. Inzwischen ist die Prozession in der Konstantinsbasilika angelangt. O- Ton Saar-Knappenchor: St. Barbara Begleitet vom Saar-Knappenchor senken sich Dutzende zum Teil kunstvoll verzierte Fahnen der verschiedenen Bergbarbeiter-Vereine vor dem Altarraum. Camphausen, Luisenthal, Jägersfreude, Heinitz ist darauf zu lesen. Orte großer Bergbautradition an der Saar. Am 30. Juni wird dieses Kapitel mit der Schließung des letzten saarländischen Bergwerkes in Ensdorf nach 260 Jahren zu Ende gehen. O- Ton Saar-Knappenchor