COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Länderreport Ländersache Kultur (7a) Die Kulturpolitik der Bundesländer Schleswig-Holstein Autor Mohaupt, Dietrich Redaktion Stucke, Julius Sendung 05.04.12 - 13.07 Uhr Sprecher Holländer, Thomas Regie Graf, Roswitha - M A N U S K R I P T B E I T R A G - Bilder sagen manchmal mehr als Worte, und ein besonders gutes Bild von der Kulturpolitik Schleswig-Holsteins - das findet jedenfalls der Generalintendant des Landestheaters, Peter Grisebach - liefert der Dachboden seiner Spielstätte in Schleswig: "Sinnbild für die Kulturpolitik des Landes Schleswig-Holstein ist dieses Gebäude. Wir sehen einbrechende Bodendielen, völlig vergammelte Dachkonstruktionen - nicht isoliert. Das war mal hier das Archiv des Schleswiger Standorts des Landestheaters." Das Gebäude stammt aus der Mitte des 19. Jahrhunderts - marode ist nicht nur das Dachgeschoss des Verwaltungstrakts. Das Theater am Ufer der Schlei ist insgesamt in einem beklagenswerten Zustand. Der Untergrund gibt immer weiter nach, mit fatalen Folgen. "Das ganze Gebäude rutscht in Richtung Schlei - und das bedingt, dass das Dach über dem Zuschauerraum und den großen Wandelgängen und auch über unserer Studiobühne stark einsturzgefährdet ist. Deswegen wurde es von einem Tag auf den nächsten am 16. Juni des letzten Jahres gesperrt." Und seither tut sich nichts auf der Baustelle Landestheater - genau das meint Peter Grisebach, wenn er von einem Sinnbild für die Kulturpolitik in Schleswig- Holstein spricht. Fatale Kürzungen, Stillstand allenthalben - und das schon seit Jahren. "Wenn man bedenkt, wie hoch oder wie niedrig letztendlich die Kulturausgaben des Landes Schleswig-Holstein tatsächlich sind, und wo Schleswig-Holstein steht mit der Höhe dieser Kulturausgaben, dann ist das hier augenfällig, wohin es führt. Kultur ist kein Sparobjekt, nichts, womit man irgendeinen öffentlichen Haushalt sanieren kann." Genau so sieht das auch der Vorsitzende des Landeskulturverbandes, Rolf Teucher. Im Jahr 2000 lag der Anteil der Kulturausgaben am Gesamthaushalt des Landes noch bei knapp einem Prozent - seither ging es steil bergab, immer wieder wurde gekürzt. "Alle Ausgaben des Landes, die derzeit für Kultur fließen im Landeshaushalt, machen genau 0,3 % des Haushalts aus." Die traurige Wahrheit heute aus Sicht des Landeskulturverbandes: Schleswig- Holstein ist Schlusslicht im Ländervergleich. "Es wird etwas mehr natürlich für Kultur ausgegeben weil auch die Kommunen Geld ausgeben, aber wenn das Land keinerlei Kultur mehr fördern würde, würde das keineswegs auch nur ansatzweise ausreichen, die Sparnotwendigkeiten des Landes wirklich zu erfüllen." Die Kultur ist kein Sahnehäubchen, sondern ein Lebensmittel für das ganze Land - mit diesem öffentlichen Weckruf hatten sich schon im November 2010 Vertreter verschiedener Kulturverbände an die Landesregierung gewandt. Gemeinsam beklagten sie die Sprachlosigkeit des Kulturministeriums. Dort verstecke man sich in den eigenen vier Wänden, von Kommunikation, von einem Dialog mit den Kulturschaffenden keine Spur, so der Vorwurf damals in Richtung des zuständigen Ministers Eckhard Klug von der FDP. Bis heute warte man vergeblich auf den damals zugesagten Kultur-Entwicklungsplan, kritisiert Rolf Teucher. "Wir wollen eine Leitlinie haben in der Frage: Unter den derzeitigen finanziellen Grundlagen des Landes Schleswig-Holstein - was kann dieses Land künftig an Kultur noch fördern, was muss es fördern und was brauchen wir, um eine kulturelle Infrastruktur in einem Flächenland zu erhalten? Sind dazu nur notwendig sozusagen die Leuchttürme der Kultur oder brauchen wir nicht auch im ländlichen Raum eine breit aufgestellte Kultur?" Eine willkommene Steilvorlage für den Aufsichtsratsvorsitzenden des Landestheaters, Jörn Klimant. Das marode Theatergebäude in Schleswig sei für die Landesregierung so etwas wie eine Nagelprobe, meint er. "Also das Landestheater ist für mich ein Symbol dafür, wie ernst man kulturelles Angebot in der Fläche, im ländlichen Raum, macht. Denn nur über so ein Konstrukt, wo an drei großen Spielstätten - bei uns eben in Flensburg, Schleswig und Rendsburg - Theater produziert wird das dann ausschwärmt in die Region, nur durch dieses Konstrukt ist es möglich, neben den vielen auch liebenswerten kleinen lokalen kulturellen Ereignissen wirklich auf hohem Niveau Kultur in der Region - und zwar vor Ort - den Menschen zu präsentieren." Großbaustelle Kulturpolitik - immerhin soll das Landestheater fast 40 % der Landesfläche im Norden und an der Westküste versorgen. Kein roter Faden, kein Konzept - stattdessen Ratlosigkeit und zwanghaftes Sparen. Damit stehe mehr auf dem Spiel als ein kulturelles Angebot für eine gesellschaftliche Elite, mahnt Wolfgang Meyer-Hesemann, Vorsitzender des Kulturforums Schleswig-Holstein. "Ich glaube schon, dass - wie bei der Bildung - wir auch im Kulturbereich eine erhebliche soziale Spaltung inzwischen beobachten können und dass sehr viele Menschen schon keinen Zugang mehr zu traditionellen Kulturtechniken und zu kulturellen Medien haben. Viele nehmen nur noch den Bildschirm oder vielleicht noch mal irgendein Event wahr und vielleicht den Computer - und ich glaube das verändert die Menschen und das verändert auch unsere Lebenskultur in der wir uns bewegen. Und das halte ich für ein Land, das sich mal als Kulturnation gefühlt hat, für beschämend." Eine schallende Ohrfeige für die Verantwortlichen - die das aber nicht so einfach hinnehmen wollen. Schließlich habe er zum ersten Mal einen Dialog eingeleitet zwischen Land, Kommunen und den verschiedenen Kulturorganisationen, erklärt Ressortchef Eckhard Klug. Seit gut zwei Jahren führt er das Ministerium für Bildung und Kultur - in der Vergangenheit hätten andere es versäumt, diesen Dialog zu starten, betont er. "Das hätte man eigentlich schon früher machen müssen - in Zeiten als man Entwicklungen auch auf Grund damals besserer finanzieller Rahmenbedingungen vom Haushalt her hätte abfedern können. Aber immerhin - wir haben das angepackt, und das was wir nun versuchen, auch mit der kommunalen Familie ein abgestimmtes Konzept über die arbeitsteiligen Aufgaben im Kulturbereich zu Papier zu bringen, das gibt es zurzeit noch in keinem anderen Bundesland, soweit ich weiß." Der rote Faden einer Kulturentwicklungspolitik soll also gesponnen werden - nur: Einfach mit viel Geld ein viele Schichten ansprechendes Kulturangebot schaffen, das sei kein erfolgversprechender Ansatz - Kultur brauche mehr, betont der auch für Schule und Bildung zuständige Minister. "Die Zielsetzung, die ich für vorrangig halte für die nächste Zeit ist, über eine intensivere kulturelle Bildung auch für Kinder und Jugendliche das Fundament für eine Gesellschaft zu legen, in der auch in Zukunft weiterhin viele Bürger Kulturangebote nachfragen, die ins Theater gehen, die Konzerte besuchen, die sich Museen anschauen. Und das muss ja frühzeitig angelegt sein, durch eine gute kulturelle Bildung, dass wir mehr junge Leute in die Kultureinrichtungen bekommen." Gar nicht so schlecht, dieser Ansatz, meint Günter Schiemann von der Landesarbeitsgemeinschaft Soziokultur. Allerdings sprechen die aktuellen Zahlen eine ganz andere Sprache, kritisiert der Geschäftsführer der Organisation, die als Dachverband mehr als 20 soziokulturelle Einrichtungen im Land vertritt - vom freien Theater über regionale Veranstaltungszentren bis hin zu Kulturwerkstätten auf dem flachen Land. Wer eine gute kulturelle Bildung für Kinder und Jugendliche propagiere müsse sich fragen lassen, warum das Land zum Beispiel das Projekt "Kindertheater des Monats" nur mit 4 ? pro Besucher unterstützt, während jeder "normale" Theaterbesucher mit 140 ? subventioniert werde. Soziokultur - das sei für die Landesregierung offenbar doch eher eine Art Sparschwein, kritisiert Schiemann. "Sehr deutlich macht sich das jetzt fest an der quasi nicht mehr vorhandenen Projektförderung, was dazu führt, dass soziokulturelle Zentren neben dem Standardprogramm keine innovativen Projekte angehen können. Denn ohne Landesförderung, ohne Projektförderung, haben wir auch keinerlei Chance Bundesförderung zu generieren - das bedeutet, es werden keine Projekte mehr angefasst." Auch mit Blick auf die anstehende Landtagswahl am 6. Mai hat Günter Schiemann klare Vorstellungen, wie eine neue Projektförderung für die Soziokultur im Land aussehen könnte. "Zentren könnten über drei Jahre jeweils 40.000 ? erhalten - vom Land, zusätzlich zu dem, was sie sonst von der Kommune bekommen. Mit diesem Geld könnten zum Beispiel grenzüberschreitende Veranstaltungskonzepte entwickelt werden. Anderer Bereich ist Kulturarbeit von und mit älteren Mitbürgern - das sind Menschen, die sind aktiv, die haben Interessen, aber es gibt kaum Angebote für diese Zielgruppe, für diese Altersgruppe." 170.000 ? pro Jahr würde das kosten - Geld, das auf keinen Fall in anderen Bereiche wieder eingespart werden dürfe, fordert Rolf Teucher vom Landeskulturverband. Um genau das zu verhindern, müsse es endlich einen in sich schlüssigen, nachhaltigen Kulturentwicklungsplan für das Land geben. Denn - Kultur, das ist eben nicht nur das große Theater in den Städten oder das international renommierte Musikfestival, mahnt Rolf Teucher. "Kultur sind Volkshochschulen, öffentliche Bibliotheken, Musikschulen, Kultur sind die kleinen Museen in den Dörfern vor Ort, der Sängerbund oder der Heimatbund - das alles ist das Stück Kultur, das wir in Schleswig-Holstein zu erhalten haben. Und da darf sich eben das Land nicht heraus mogeln." - E N D E - 1