Höfling und Revolutionär Eine Lange Nacht über das Leben Voltaires Wiederholung aus dem Jahre 2016 Autor: Kai Lückemeier Regie: Stefan Hilsbecher Redaktion: Dr. Monika Künzel Sprecher: Doris Wolters Matthias Haase Volker Risch Reinhold Weiser Susanne Schieffer Sendetermine: 26. Mai 2018 Deutschlandfunk Kultur 26./27. Mai 2018 Deutschlandfunk __________________________________________________________________________ Urheberrechtlicher Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in den §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. © Deutschlandradio - unkorrigiertes Exemplar - insofern zutreffend. 1. Stunde Musik Erzählerin: „Wenn die Welt heute nur noch zu zwei Fünfteln aus Schurken und zu drei Achteln aus Idioten besteht, so ist das zu einem guten Teil Voltaire zu verdanken“, notierte Egon Friedell in seiner „Kulturgeschichte der Neuzeit“. Wie kein zweiter verkörpert Voltaire die Epoche der Aufklärung: ihre Eleganz, ihren Erkenntnishunger, ihren republikanischen Mut – nicht zuletzt die enge Verbindung von naturwissenschaftlich-philosophischer Erkenntnis und dem praktischen Interesse an einer Förderung der menschlichen Wohlfahrt. Bis heute bezeichnen die Franzosen das 18. Jahrhundert voller Respekt als das „Zeitalter Voltaires“, ganz so wie sie die Epoche zuvor als das „Zeitalter Ludwig XIV.“ charakterisieren. Wenn Voltaire, wie Goethe in einem schönen Gleichnis bemerkte, tatsächlich alle Merkmale seiner Zeit in seiner Person vereinte, kann man ihm keinen Vorwurf daraus machen, dass sich in seiner Physiognomie auch Schönheitsfehler finden. Der bürgerliche Schriftsteller, der mit gekrönten Häuptern korrespondierte, verkörperte nicht nur die Vernunftidee einer neuen und freieren Welt, sondern auch die Mängel und Irrtümer, Untugenden und Widersprüche der alten: Jener Welt des Rokoko, der er entstammte, in der er lebte und als Höfling Karriere machte. Und die er schließlich zu stürzen half, indem er die Figur des Intellektuellen entwarf, der sich im Namen universeller Werte mit den Mächtigen anlegt. Eine Lange Nacht über die vielen Gesichter des Voltaire und sein wechselvolles Leben zwischen Bastille und Königshöfen, dem Londoner Exil und seinem „kleinen Königreich“ Ferney am Genfer See. Sprecher: In den ersten Julitagen des Jahres 1753 rollt eine kostbare Equipage von der Freien Reichstadt Frankfurt in das benachbarte Kurfürstentum Mainz. Ihr Fahrgast: ein älterer Mann, das Gesicht bestehend aus Nase, hervorspringendem Kinn und zwei Karfunkel-Augen unter der gepuderten Perücke. – Monsieur de Voltaire, Exkämmerer des Königs von Frankreich, Exkämmerer des Königs von Preußen, ein Höfling. Zugleich Philosoph, Dramatiker, Lyriker, Historiker, Skeptiker, ehemaliger Gefangener der Bastille und: ungekröntes Haupt der europäischen Aufklärung. Bei der Ankunft in Mainz wird der prominente Besucher wie ein Märtyrer und Held empfangen. Er bleibt drei Wochen zu Gast und macht der tiefen Empörung in seinem Inneren in einem langen Brief an den preußischen König Luft. Friedrich der Große, der „Fürst-Philosoph“, sein „lieber Freund“, an dessen Hof er die letzten drei Jahre seines Lebens verbracht hat, hat ihn mehrere Wochen lang in Frankfurt festsetzen lassen „wie einen Kriegsgefangenen“. Die Kränkung sitzt tief. Und das Wissen, dass er sich selbst in diese peinliche Lage gebracht hat, macht seine Laune nicht besser. Er setzt einen langen Klagebrief auf: „… dass man ihn ins Gefängnis geworfen …, dass man seine Begleiterin Madame Denis auf einen Dachboden geschafft …, dass man ihnen alles Gold-, alles Silbergeld und zwei wertvolle Schatullen abgenommen …, dass man ihnen auch noch 128 Taler in Rechnung gestellt …, dass man …“. Als Friedrich das Schreiben erhält, wird er es seinem Minister Podewils gegenüber mit den Worten quittiert: Friedrich: „Er soll nur nicht antworten, es ist nicht der Mühe wert; es wird sonst des Correspondierens kein Ende sein.“ Sprecher: Voltaire hat hoch gepokert – und verloren. Er hat hinter dem Rücken des Königs verbotene Geldgeschäfte eingefädelt, sich zu despektierlichen Äußerungen hinreißen lassen, einen gehässigen Streit mit Maupertuis, dem Direktor der Preußischen Akademie, angezettelt und bei der Abreise auch noch einen Eklat provoziert. Sein Verhältnis zu Friedrich II. ist auf einem Tiefpunkt. Von Mainz reist er nach Mannheim, dann, wie ohne rechtes Ziel, ins Elsass. Auf eine Antwort auf Potsdam wartet er vergebens. Seine Lage ist prekär. Auch wenn er von den deutschen Fürsten wie ein Ehrengast gefeiert wird: Mit seinen fast sechzig Jahre fühlt er sich alt, entmutigt und krank. Am liebsten ginge er in seine Heimatstadt Paris zurück. Aber seine Nichte Marie-Louise – vorausgefahren, um die Lage zu sondieren – musste zur Kenntnis nehmen, dass Ludwig XV. auf die Anwesenheit des einstigen Hofgünstlings keinen Wert mehr legt. Kaum im elsässischen Colmar angekommen, ereilt ihn die offizielle königliche Order, Paris nie wieder zu betreten. Auch nach Preußen führt kein Weg zurück. Kurz vor seinem 60. Geburtstag sitzt Voltaire zwischen allen Stühlen. Wieder einmal. Er ist und bleibt: der Mensch in seinem Widerspruch. Kritiker haben ihm bisweilen einen zweideutigen, sogar tückischen Charakter vorgeworfen. Kein Zweifel: Er ist geldversessen, eitel, schnell verletzbar, intrigant. Man kann aus ihm keinen Heiligen machen. Er ist aber auch und zugleich: ein großer Vorkämpfer der Freiheit. Er riskiert Sätze, für die man nach geltendem Recht immer noch gefoltert, gerädert und verbrannt werden kann. Er ist ein glänzender Stilist und ein hochgebildeter Gelehrter, den die anderen Aufklärer fraglos als ihren Meister anerkennen. Überdies ist er im Privaten ein ebenso treuer wie großzügiger Freund. Und durchdrungen von einem unbeugsamen Gerechtigkeitssinn. Was wäre von ihm geblieben, hätte er sich an diesem Wendepunkt seines Lebens zur Ruhe gesetzt? Die Mittel dazu hat er. Königliche Zuwendungen, ein ansehnliches Erbe, sein ausgeprägter Sinn für Kapitalunternehmungen und seine Einkünfte als Autor haben ihm zu einem gigantischen Vermögen verholfen. Er ist der mit Abstand reichste Schriftsteller seiner Zeit. Auch als Autor muss er nichts mehr beweisen. Sein eindrucksvolles Oeuvre umfasst bereits zahlreiche Dramen und Oden, Satiren in Versen und Prosa, Opernlibretti, Epen und historische Werke. Seit der triumphalen Aufführung seines Dramas „Zaire“ vor gut 20 Jahren wird er von den Zeitgenossen Corneille und Racine gleichgestellt. Missvergnügt logiert der Berühmte, Verehrte, von vielen Gehasste in Colmar. Er ist erschöpft. In den Briefen bezeichnet er sich immer häufiger als „Greis“. Aber: Er steckt noch voller Ideen. Und er spürt: Das Leben der höfischen Kompromisse ist vorbei. Er arbeitet an einer Universalgeschichte. Und er hat erste Texte zu Kernbegriffen der Aufklärung verfasst, die er später in einem Band veröffentlichen möchte. Voltaire steht an der Grenze zu seinem Alterswerk – es wird am Ende Hunderte von Artikeln für die „Enzyklopädie“ und das „Philosophische Wörterbuch“, knapp zwanzig Romane und Erzählungen, den mehrbändigen „Versuch über die Sitten“, das „Traktat über die Toleranz“ und weitere Texte umfassen. Seine Altersproduktivität ist ein Phänomen, das schon die Zeitgenossen Staunen macht und bis heute verblüfft. Radikaler und furchtloser denn je verfasst er jetzt jene Schriften, die seinen historischen Ruhm begründen. Sprechpause, Musikeinspieler (Solo-Akustik-Gitarre?) Erzählerin: Geboren wird der berühmteste Franzose des 18. Jahrhunderts 1694 unter dem Namen Francois Marie Arouet. Den Namen Voltaire, ein Anagramm aus Arouet le jeune, „dem Jüngeren“, wird er sich erst später zulegen. Seine ersten 21 Lebensjahre verbringt er unter dem Sonnenkönig. Kein Hof in Europa entfaltet eine solche Pracht wie der von Versailles. Frankreich ist ein europäischer Hegemon – aber innerlich zerrissen. Ludwigs XIV. hat die Stände entmachtet und 300 000 Hugenotten aus dem Land vertrieben. Das Volk ist verarmt, Bauern und Handwerker seufzen unter Frondiensten und Steuern, den Folgen einer kostspieligen Macht- und Kriegspolitik. Auch die Aristokraten murren, denn der König hat den stolzen Hochadel zum eitlen Hofadel degradiert. Dem jungen Francois bleibt die Erfahrung der Armut erspart. Die Arouets gehörten zum gehobenen Bürgertum. Mit zwei älteren Geschwistern wächst er im Viertel zwischen Königsresidenz, Justizpalast und Universität auf, dem politischen und geistigen Zentrum Frankreichs. Der Vater ist königlicher Rat und hat einen Posten bei der Rechnungskammer. Im Salon der Arouets verkehren Großbürger, Aristokraten, sogar Mitglieder des Hochadels wie die Herzöge von Sully und Saint-Simon, denen der Vater als Rechtsberater dient. Voltaire ist sieben, als seine Mutter stirbt. Der Vater bringt ihn im Jesuitenkolleg Louis-le-Grand unter, einem Elite-Internat für die Sprösslinge der führenden Familien des Landes. Die Erzieher erkennen rasch den scharfen Geist ihres Zöglings, aber auch seinen Narzissmus. Sein Beichtvater notiert: Sprecher: „Der Wunsch, berühmt zu sein, verzehrt dieses Kind.“ Erzählerin: Ungeachtet dessen ist der Hochbegabte bei Lehrern und Mitschüler beliebt. Einige Kameraden werden ihm später oft nützlich sein, wie die Brüder d‘Argenson oder der Herzog von Richelieu. Auch die Patres mögen den jungen Arouet. Schon mit elf erteilt man ihm einen Auftrag, den er mit Bravour erfüllt: Im Namen eines Invaliden reimt er eine Bittschrift für den König, die auf Anhieb Gehör findet. Voltaire hat in späteren Schriften oft gegen die Jesuiten polemisiert, aber seine Lehrer ausdrücklich ausgenommen: Voltaire: „Ich bin sieben Jahre von Männern erzogen worden, die sich unermüdlich Mühe gaben, Geist und Sitten der Jugend zu bilden. Wenn man fragt, was ich in den Jahren, als ich im Hause der Jesuiten lebte, bei ihnen gesehen habe, so kann ich nur antworten: das arbeitsamste, bescheidenste, regelmäßigste Leben; alle Stunden eingeteilt zwischen der Sorgfalt, die sie uns widmeten, und den Übungen, die ihr strenges Glaubensbekenntnis mit sich brachte.“ Erzählerin: Mit siebzehn möchte Francois Schriftsteller werden. Der Vater duldet das nicht. Ein „homme de lettres“, das ist für ihn ein Taugenichts, der seinen Eltern zur Last liegen und vor Hunger sterben möchte. Er verordnet dem Sohn ein Studium der Rechte. Lieber als die Vorlesungen an der Sorbonne besucht Francois allerdings die Treffen des „Cercle du Temple“. In diesem leicht verrufenen Zirkel treffen sich adlige Schöngeister und Literaten, um zu klatschen, über König und Klerus zu witzeln und um galante Gedichte vorzutragen. Der elegante Neuling aus dem Advokatenmilieu fällt durch seine brillante Rhetorik und seine geschliffenen Verse auf. Und durch seine Abstinenz. Das geistige Getränk seiner Wahl wird sein Leben lang der Kaffee sein. Schon bald genießt Francois den Ruf des literarischen Wunderkinds. Er ist aber noch ganz ein Dichter des Rokoko. Die leichte Poesie der Epoche umschifft die Klippen der Liebe durch Galanterie, den Schmerz durch heiteren Wehmut, die Empörung durch fröhlichen Spott: Voltaire: „Die wahre Weisheit / besteht in der Kunst, vor der Traurigkeit / in die Arme der Lust zu fliehen.“ Erzählerin: … schreibt er 20-jährig. Er verfasst Verse über gehörnte Gatten, liebestolle Ehefrauen und die Schwächen der Zeitgenossen. Seine Reime sind hübsch, aber ohne tiefere Intention. Von den philosophischen Überzeugungen des späteren Aufklärers ist er noch weit entfernt. Allerdings schreibt er bereits an der „Ödipus“-Tragödie, seinem ersten großen Erfolg. Mitglieder der Temple-Runde gelten als Freidenker. Der königliche Rat Arouet ist deshalb froh, als sich die Möglichkeit bietet, seinen Sohn als Pagen des Gesandten in Den Haag unterzubringen. Doch dort begegnet der junge Mann rasch seiner ersten großen Liebe: Olympe. Die Mutter, eine ehrgeizige Hugenottin, ist über die amourösen Annäherungsversuche so empörte, dass man Francois schon nach wenigen Wochen nach Paris zurückschaffen muss. Weil der Vater nun ernsthaft über eine Verbannung auf die Antillen nachdenkt, rafft sich sein Jüngster zu einem devoten Schreiben auf: Voltaire: „Ich bin damit einverstanden, mein Vater, nach Amerika zu gehen und dort von Wasser und Brot zu leben. Aber vor meiner Abreise erlaubt mir, Eure Knie zu umarmen.“ Erzählerin: Arouet senior lässt Gnade vor Recht ergehen, bringt den aufsässigen Filius aber bei einem Rechtsanwalt unter. Die Arbeit als Advokatengehilfe ermüdet Francois. Dafür erwirbt er Kenntnisse, die ihm später von unschätzbarem Nutzen sein werden. Mit dem Schicksalsgefährten Claude Thieriot schließt er Freundschaft fürs Leben. Musikzäsur Erzählerin: Als Ludwig XIV. 1715 stirbt, tanzen die Pariser vor Freude auf den Straßen. Unter Herzog Philippe II. von Orleans bricht eine Epoche größerer Freiheiten an. Die religiösen Verfolgungen lassen nach, das Parlament erhält alte Befugnisse zurück. Die Verdienste der Regierung werden jedoch überschattet vom skandalösen Privatleben des Regenten, der zügellos dem Alkohol und der Liebe huldigt. Ein beliebtes Gesprächsthema in den Pariser Salons sind seine amourösen Abenteuer. Man sagt ihm intime Beziehungen nicht nur zu Hofdamen und Schauspielerinnen, sondern auch zur eigenen Tochter nach, der Herzogin von Berry. Bald macht das Gerücht die Runde, sie erwarte ein Kind von ihm. Als dem Regenten zu Ohren kommt, der junge Arouet sei Verfasser eines entsprechenden Spottgedichts, leugnet Francois ohne falsche Bescheidenheit: Voltaire: „Diese Verse können nicht von mir sein, sie sind zu schlecht. Man kann mir alles vorwerfen, aber nicht, ein schlechter Dichter zu sein.“ Erzählerin: Als Unschuldsbeweis reicht das nicht. Aber Francois hat Glück. Philipp II. verhängt eine für Majestätsbeleidigungen sehr milde Buße. Der Lästerer wird in die Provinz verbannt, darf den Ort sogar selbst wählen. Acht Monate verbringt er auf dem Schloss des Herzogs von Sully, dann lässt man ihn in die Hauptstadt zurück. Dort handelt er sich in Windeseile neuen Ärger ein. Aus gekränkter Eitelkeit erzählt Francois jedem, der es hören möchte, dass der Regent ein Flegel und seine Tochter eine Dirne sei. Trotzig bekennt er sich jetzt zu genau jenem Poem, dessen Urheberschaft er bestritten hatte – dummerweise auch gegenüber einem Spitzel der Polizei. Für Philippe II. muss es so scheinen, als ob der Sohn des Rates Arouet unverbesserlich sei. Unter einem anderen Landesherrn wäre er gefoltert worden, doch der Herzog, dem martialische Strafen zuwider sind, begnügte sich mit der Order: Sprecher: „Seine Königliche Hoheit trifft die Verfügung, dass Herr Arouet Sohn verhaftet und in die Bastille überführt werde. Philippe d'Orleans.“ Atmo: hier vielleicht „Bastille-Atmosphäre“ (Wachen im Gleichschritt, quietschende Schlösser, zufallende Türen), dann Rokoko-Musik unter Text ziehen Erzählerin: Im Mai 1717 wird der 23-jährige Francois in das Staatsgefängnis eingeliefert. Als Häftling aus gutem Haus erhält er ein eigenes Zimmer, darf sich Bücher kommen lassen, gelegentlich Freunde empfangen, aber sein Hauptwunsch – Feder, Tinte und Papier – wird ihm verwehrt. So schreibt er mit dem Bleistift eigene Texte zwischen die Zeilen anderer Bücher. Die elf Monate seiner Gefangenschaft werden zu einer quälenden Geduldsprobe für ihn. Auch Vater Arouet hat es nicht leicht. Während sein Jüngster in der Bastille schmachtet, hat sich sein Ältester, Armand, zu einem bigotten Frömmler entwickelt, was im lebensfrohen Paris dieser Jahre völlig absurd erscheint. Freunden gegenüber bekennt der königliche Rat resigniert: Sprecher: „Ich habe zwei Narren als Söhne. Der eine ist zu gottlos, der andere zu fromm.“ Atmo: Musik noch einmal kurz hochziehen Erzählerin: Als Francois im April 1718 aus der Bastille entlassen wird, verspürt er wenig Lust, in das Anwaltsbüro zurückzukehren. Doch er muss Geld verdienen, der väterliche Zuschuss ist knapp. Eine Existenz als Schriftsteller kann er nur mit Unterstützung des Hofes begründen. Deshalb fasst er den kecken Entschluss, zum Hofdichter genau jenes Regenten zu werden, den er so oft gelästert hat. Er vollendet sein Ödipus-Drama, offeriert es im Herbst der Comédie-Francaise und bittet Herzog Philippe II. um Protektion. Der weigert sich zwar, das Schauspiel eines jüngst entlassenen Bastille-Häftlings zu protegieren, erscheint aber gnädig zur Uraufführung. Das Stück wird überraschend ein großer Erfolg. Zum einen ist der Name des Autors dem Pariser Publikum inzwischen bekannt. Überdies gibt es in dem Drama Zeilen, die sich als Kritik an den Zuständen unter Ludwig XIV. interpretieren lassen. Voltaire: „Unsere Priester sind keinesfalls so, wie das gemeine Volk sie sich vorstellt; unsere Leichtgläubigkeit ist ihre ganze Wissenschaft.“ Erzählerin: Das Publikum quittiert diese Passagen mit frenetischem Beifall. Sie gefallen auch dem Regenten, der den Einfluss der Kardinäle und Beichtväter eindämmen will. Er bewilligt dem Autor großzügig ein Jahresgehalt von 1200 Livres. Ein halbes Jahr nach seiner Entlassung aus dem Staatsgefängnis wird „Herr Arouet Sohn“ zum Empfänger eines höfischen Ehrensoldes. Und er wird zu „Monsieur de Voltaire“ – in der Buchausgabe des „Ödipus“ benutzt der 24-Jährige erstmals das Pseudonym, das ihn sein Leben lang begleiten wird. Voltaire genießt das Leben eines jungen Autors in den folgenden Jahren in vollen Zügen. Die Abende und Nächte verbringt er in Pariser Cafés und Theatern, zuweilen fährt er mit der Kutsche übers Land, von Schloss zu Schloss. In den Salons brilliert er mit Bonmots, maliziösem Spott und Vorlesungen aus eigenen Schriften. Und er legt sich eine adlige Geliebte zu, Suzanne. Dass sie ihm mit anderen Männern untreu wird, nimmt er ihr nicht übel. Als 1722 sein Vater stirbt, erbt sein Bruder dessen lukratives Amt und ein Großteil des Vermögens. Weil Voltaire sich übervorteilt fühlt, strengt er einen Rechtsstreit an. Doch unter Geldnot leidet er schon lange nicht mehr. Zum Ehrensold kommen weitere 2000 Livres aus der königlichen Kasse, zudem hilft er Angehörigen der Oberschicht bei Geldgeschäften. Schon mit dreißig gilt Voltaire als der reichste Literat von Paris. Zeit seines Lebens wird er nie aus materiellen Gründen schreiben müssen. Musikzäsur Erzählerin: Je unabhängiger er wird, umso mehr machen sich ideelle Motive in Voltaires Schriften geltend. Er vollendet ein Epos über Heinrich IV., der mit dem Edikt von Nantes die Religionskriege in Frankreich beendet hatte. Kernthema der „Henriade“ ist der Kampf gegen Fanatismus und Intoleranz. Voltaire hat mit der Niederschrift in der Bastille begonnen. Als das Poem erscheint, bedeutet es den Zeitgenossen mehr als der Nachwelt. In einem Vorwort wird König Friedrich II. später schreiben: Friedrich: „Die ganze ‚Henriade‘ atmet nichts als Menschlichkeit. Unablässig hebt Voltaire diese Tugend hervor, die für den Fürsten so nötig ist. (…) Da Fanatismus und Aberglaube stets die Triebfedern der abscheulichen Politik der Großen und Geistlichen waren, so muss ihnen unbedingt ein Damm entgegengesetzt werden. Mit der ganzen Glut seiner Einbildungskraft hat der Dichter die Torheiten unserer Vorfahren der Gegenwart vor Augen gestellt, um uns für immer davor zu bewahren.“ Erzählerin: Der Autor der „Henriade“ ist kein seichter Schönschreiber mehr, sondern ein ernsthafter, geistvoller Kulturphilosoph. In der drastischen Schilderung der grausamen Religionskriege und dem flammenden Bekenntnis zum „guten König“ verbirgt sich zugleich eine harsche Kritik an der religiösen Intoleranz seiner Zeit. Voltaire propagiert erstmals die Idee einer „natürlichen Religion“, eines humanen Glaubens jenseits aller Konfessionen. Seine Lebenspläne geraten durcheinander, als Philippe II. Ende 1723 überraschend stirbt. Voltaire hatte ihm die „Henriade“ widmen wollen. Weil er nicht auf eine behördliche Genehmigung warten möchte, lässt er das Epos in Rouen drucken und in Möbelwagen nach Paris schmuggeln. Es bekommt dadurch den Reiz des Verbotenen; zumal, als sich der päpstliche Nuntius offiziell über das Werk beschwert. Für Voltaire ist es der Beginn seines ewigen Kampfes mit der Zensur. Zahllose seiner Schriften werden später anonym oder mit fingierten Angaben erscheinen. Musikzäsur Erzählerin: Voltaires Brieffreunden sind die Stoßseufzer, dass er am Rande des Grabes stehe, nur allzu vertraut. Von Geburt an schwächlich, ist er schon als junger Mann ein Hypochonder. Ständig leidet er unter Erschöpfung, Koliken, fieberhaften Infekten und Schwindelanfällen. Er besitzt zahllose Fläschchen und Döschen mit Tinkturen und Pillen, die er oft wahllos konsumiert. Doch im Winter 1723/24 wird er ernstlich krank, ein Opfer der Pockenepidemie, die Zehntausende Pariser dahinrafft. Voltaire kommt davon. Einige Monate später macht er die Bekanntschaft der einflussreichen Mätresse des Premierministers. Die Marquise de Prie stellt ihn der angehenden Königin vor, der er aus zwei neuen Stücken, einer Tragödie und einer Komödie, vortragen darf. Stolz berichtet er dem Freund Thieriot: Voltaire: „Sie hat über „Mariamne“ geweint. Sie hat gelächelt, als sie „Der Indiskrete“ hörte. Sie spricht oft mit mir. Sie nennt mich ‚mein armer Voltaire‘.“ Erzählerin: Anlässlich der Hochzeit von König Ludwigs XV. und Maria Leszczy?ska 1725 werden gleich drei Stücke des „armen Voltaire“ in Versailles aufgeführt. Es ist eine paradoxe Situation: Der Verfasser der „Henriade“, die noch immer heimlich vertrieben wird, ist auf dem besten Weg, zum Hofdichter des Königs zu werden. Doch dann tritt ein Ereignis ein, das seine Karriere bei Hof abrupt beendete. Voltaire lebt in einer Zeit, die geprägt ist durch den Konflikt zwischen dem aufstrebenden Bürgertum und dem Adel, der auf alte Privilegien pocht, aber seine gesellschaftliche Funktion verloren hat. Auf die praktische Überlegenheit des Bürgertums reagieren viele Aristokraten damit, dass sie die Ungleichheit der Herkunft noch stärker betonen. Voltaire hätte mit seinem Pseudonym nie Ärger erregt, hätte er es bei einer Buchstabenspielerei belassen. Aber dass er sich ungeniert das Adelsprädikat „de“ zulegt, „Monsieur de Voltaire“, das wird von manchen als unverzeihliche Anmaßung empfunden. Sein Fall beginnt mit einer bühnenreifen Szene in der Pariser Oper. Der Chevalier de Rohan, Spross einer der einflussreichsten Familien Frankreichs, ruft dem Dichter in provozierendem Tonfall zu: Sprecher: „Monsieur de Voltaire, Monsieur Arouet – wie heißen Sie eigentlich?“ Erzählerin: Voltaire, so berichten Zeugen, erwidert: Voltaire: „Ich schleppe keinen großen Namen hinter mir her; aber ich mache dem Namen Ehre, den ich trage.“ Erzählerin: Ein paar Tage später wiederholt sich der Wortwechsel in der Comedie Francaise. Eine befreundete Schauspielerin kann durch Vortäuschung einer Ohnmacht eine handfeste Auseinandersetzung verhindern. Doch der Chevalier ist entschlossen, dem Bourgeois einen Denkzettel zu verpassen. Als der Dichter Anfang Februar 1726 beim Herzog von Sully weilt, meldet ein Diener, Voltaire werde vor dem Palais erwartet. Dort stürzen sich Diener Rohans mit Stöcken auf ihn, der Chevalier leitet die Aktion mit höhnischen Kommentaren. In den nächsten Wochen macht Voltaire eine Erfahrung, die ihn zutiefst verletzt: keiner seiner adligen Freunde unterstützt ihn. Der Chevalier gilt als ein Windbeutel – aber er ist ein Standesgenosse. Und gegen einen Bourgeois halten die Aristokraten zusammen, ausnahmslos. Voltaire fordert ein Duell, aber er ist nicht „satisfaktionsfähig“ für ein Mitglied des Hochadels. Aufs äußerte gekränkt, lästert er in den Pariser Salons so lange über die Feigheit des Chevaliers, bis er im April 1726 auf Druck der Familie Rohan in die Bastille eingeliefert wird. Der designierte Hofdichter im Staatsgefängnis – es spricht sich herum wie ein Lauffeuer in Paris. Ludwig XV. ist unwohl dabei. Deshalb gibt er seinem Minister Anweisung, beim Gouverneur der Bastille für angemessene Bedingungen zu sorgen: Atmo: vielleicht kurz raschelndes Papier, kratzende Feder, dann unter Text ziehen (?) Sprecher: „Voltaire ist ein so genialer Mann, dass er der Schonung bedarf. Seine Majestät hat für gut befunden, dass ich Ihnen schreibe. Der König möchte, dass Sie ihm alle Annehmlichkeiten und Freiheiten der Bastille verschaffen, die die Sicherheit seiner Haft nicht in Gefahr bringt.“ Erzählerin: Trotz Vorzugsbehandlung ist Voltaire verbittert. Ohne langes Zögern entschließt er sich zur Auswanderung in ein Land, in dem auch Bürger Rechte besitzen. Kurz nach seiner Inhaftierung schreibt er an den Minister: Voltaire: „Sieur de Voltaire bringt ehrerbietigst zur Kenntnis, dass er von dem tapferen Chevalier de Rohan mörderisch überfallen wurde, wobei diesem sechs Banditen halfen, hinter denen er selbst kühn seinen Platz eingenommen hatte. Sieur de Voltaire hat seitdem beständig versucht, nicht seine, sondern die Ehre des Chevalier wiederherzustellen, was sich jedoch als allzu schwierig erwies. Er bittet um die Erlaubnis, bei dem Gouverneur der Bastille zu speisen. Noch eindringlicher bittet er, nach England reisen zu dürfen.“ Erzählerin: Das Gesuch wird rasch zu seinen Gunsten entschieden. Schon nach zwei Wochen darf er die Bastille verlassen. Mit der überstürzten Überfahrt endete die erste Periode in seinem Leben. Musikzäsur Erzählerin: Das England dieser Jahre ist den europäischen Mächten in vielem voraus. Nach der Glorious Revolution hatte Wilhelm III. von Oranien 1689 die konstitutionelle Monarchie eingeführt. Die politische Liberalisierung war einhergegangen mit einer allgemeinen Befreiung des Denkens von der Vormundschaft der Kirche. Als Voltaire am 5. Mai seinen Fuß auf englischen Boden setzt, nehmen ihn Freunde und reiche Gönnern mit offenen Armen auf. Auch von französischer Seite erhält er Unterstützung. Um zu verhindern, dass der gekränkte Autor antifranzösische Schriften verbreitet, bittet Paris den englischen Gesandten, dafür zu sorgen, dass „Monsieur de Voltaire“ in jeder Form unterstützt werde. Voltaire wird bei Hof empfangen, Einladungen der Londoner Gesellschaft folgen. Man ist neugierig auf den ungewöhnlichen Gast, der nicht nur ein erfolgreicher Dichter und geistreicher Unterhalter, sondern auch ein ehemaliger Sträfling ist. Schon bald kann er sich vor Festlichkeiten kaum retten. Aus einem Brief an Thieriot geht hervor, dass sich der Gesellschaftslöwe insgeheim mit Zweifeln plagt: Voltaire: „Ich bin noch sehr unsicher, ob ich mich in London niederlassen werde. Ich weiß, dass dies ein Land ist, in dem die Künste geehrt werden. In diesem Lande denkt man frei und vornehm, ohne durch knechtische Furcht gehemmt zu sein. Wenn es nach meiner Neigung ginge, würde ich hierbleiben, allein schon, um denken zu lernen. Aber ich weiß nicht, ob (…) meine schlechte Gesundheit und meine Vorliebe für ein zurückgezogenes Leben mir erlauben werden, mich in den Trubel von Whitehall und London zu stürzen.“ Erzählerin: Voltaire sieht sich gezwungen, den gesellschaftlichen Pflichten mehr Zeit opfern, als ihm lieb ist. „Ich bin der Höfe überdrüssig“, stöhnt er in einem Brief an Thieriot. Doch zugleich saugt er begeistert die neuen Eindrücke auf. Ihn beeindruckt, dass englische Bauern als freie Männer auf ihrem eigenen Grund und Boden leben, während sie in Frankreich noch immer ein gedrücktes und menschenunwürdiges Dasein führen. Nicht weniger fasziniert ihn, dass Menschen aller Stände in Cafés und Straßen über politische und religiöse Themen diskutieren. Zu einem unvergesslichen Erlebnis wird ihm im Frühjahr 1727 das Begräbnis von Sir Isaac Newton. Er sieht, wie der Sarg von sechs Herzögen und sechs Grafen, darunter der Lordkanzler, zur Westminster Abbey getragen wird. Dass einem Mann allein wegen seiner wissenschaftlichen Verdienste eine solche Ehrung zuteilwird, erscheint ihm wie die Morgenröte einer neuen, glücklicheren Zeit. Im englischen Exil gewinnt Voltaire politisch und philosophisch Profil. Begeistert adaptierte er die republikanischen Ideen. Bis zu seiner Überfahrt war er vor allem das „enfant terrible“ des literarischen Rokoko. Praktisch sein ganzes bisheriges Werk ist in Versen gehalten. Erst jetzt reift er zum philosophischen Denker, zu einem Aufklärer, der nicht nur glänzen, sondern wirken möchte. England gibt seiner Opposition Ziel und Richtung. Der literarische Ertrag, die „Philosophischen Briefe", werden zu einer Abrechnung mit den französischen Verhältnissen. Mit diesem publizistischen Meisterwerk sichert sich Voltaire seine Vorreiterrolle in der Aufklärungsbewegung. Und zugleich steckt er hier die großen Themen ab, die sich – ungeachtet aller Präzisierungen und Modifizierungen – als Fixpunkte seines Denkens bis ins hohe Alter erhalten werden. Sie lauten: Toleranz über allem. Deismus im Religiösen. Empirismus im Philosophischen. Aufgeklärte Monarchie im Politischen. Bürgerlicher Liberalismus im Ökonomischen. Die Methoden Newtons als Basis aller naturwissenschaftlichen Erkenntnis. Musikzäsur Sprecher: Zur prägenden intellektuellen Erfahrung wird ihm die geistige Begegnung mit Sir Isaac Newton und John Locke. In Frankreich, seiner Heimat, wird die Philosophie seit Jahrzehnten vom Cartesianismus dominiert. Sein Begründer, René Descartes, hat die Geschichte der Philosophie entscheidend geprägt. In seiner an der Geometrie geschulten Methodik ist er seiner Zeit um Längen voraus, ein Vordenker der Moderne. Gleichzeitig aber hält Descartes an der mittelalterlichen Verbindung von Theologie und Wissenschaft fest. Nach seiner dualistischen Weltauffassung sind unsere Sinne zur Erweiterung unserer Kenntnisse nicht geeignet, weil sie sich täuschen lassen. Das beweist ihm zum Beispiel das Phänomen der Lichtbrechung. Mit den mittelalterlichen Scholastikern nimmt Descartes an, dass es ewige Wahrheiten gibt. Nur durch deduktive Schlussfolgerungen können wir, von diesen Wahrheiten ausgehend, zu sicheren Erkenntnissen gelangen. Die Vertreter des englischen Empirismus brechen mit dieser abendländischen Denktradition und wählen den umgekehrten Erkenntnisweg. Sie gehen induktiv vor, das heißt: Sie schließen von Beobachtungen und Experimenten auf Gesetze. Sie richten ihren Blick nicht mehr in den Himmel, sondern auf die Erde. Statt „Gottesbeweise“ zu unternehmen, erforschen sie die Wirklichkeit. Das Phänomen der Lichtbrechung lässt sie nicht an der Vernunft zweifeln, vielmehr versuchen sie, sein Problem mit den Mitteln der Physik und Optik zu lösen. Für Voltaire ist die Begegnung mit diesem neuen Denken eine Offenbarung. Newton erklärt das Weltall mit Bezug auf natürliche Prozesse, mit der Mechanik und der Physik. An die Stelle des spekulativen Denkens des Mittelalters setzt er die objektive Forschung. Damit weichen zugleich die dogmatischen Behauptungen der alten Metaphysik einer neuen erkenntniskritischen Bescheidenheit. „Was wir wissen“, schreibt Newton, „ist ein Tropfen, was wir nicht wissen, ist ein Ozean.“ John Locke hat Newtons Prinzipien auf die Geisteswissenschaften übertragen. „Niemals vielleicht“, schwärmt Voltaire in den Philosophischen Briefen, „gab es einen klügeren, methodischeren Geist, einen exakteren Logiker als Locke.“ Locke leugnet nicht die Existenz Gottes, vertritt aber die revolutionäre Auffassung, dass die Vernunft die entscheidende Instanz alles Denkens sei. Die Vorstellung angeborener Ideen, von Platon begründet und bis Descartes tradiert, verweist er in das Reich der Fabeln. Stattdessen versuchte er zu zeigen, dass alle Erkenntnis aus der Erfahrung stammt. „Nichts ist im Verstand, was nicht vorher in den Sinnen ist“, schreibt er. Als Staatstheoretiker ist er der bedeutendste Vordenker des Liberalismus und der modernen Demokratie. Sprecher: Voltaires „Philosophischen Briefe“ beginnen mit einer Schilderung des religiösen Lebens in England. Dort gibt es neben der Anglikanischen Kirche viele andere Bekenntnisse, zum Beispiel Wiedertäufer, Quäker, Presbyterianer und Arianer. Voltaire kommt aus einem Land der religiösen Repression. Die Vertreibung der Hugenotten hat das öffentliche Leben vergiftet und schwere wirtschaftliche Schäden angerichtet. In England erlebt er eine Gesellschaft, in der die unterschiedlichsten Religionen und Bekenntnisse friedlich koexistieren. Für Voltaire ist die Glaubenstoleranz der Engländer zum einen auf gesunden Pragmatismus, zum anderen auf die zivilisierende Kraft des liberalen Handels zurückzuführen. Er schreibt: Voltaire: „Wenn es in England nur einen Glauben gäbe, müsste man Despotismus fürchten; gäbe es zwei, schnitten sie sich die Hälse ab; aber es gibt dreißig davon, und sie leben glücklich und in Frieden. (…) Gehen Sie in die Londoner Börse, dieser Ort ist respektierlicher als mancher Hof; Sie sehen dort die Abgesandten aller Völker zum Wohle der Menschheit versammelt. Da handeln der Jude, der Mohammedaner und der Christ einer mit dem anderen, als seien sie desselben Glaubens, und bezeichnen nur die Bankrotteure als untreu; da vertraut sich der Presbyterianer dem Wiedertäufer an, und der Anglikaner erhält das Wort des Quäkers. Beim Verlassen dieser friedfertigen Versammlungen gehen die einen zur Synagoge, die anderen trinken; dieser lässt sich in einer großen Wanne taufen (…), jener lässt seinem Sohn die Vorhaut beschneiden; und alle sind zufrieden.“ Sprecher: Nach Locke soll ein Staat die religiösen Überzeugungen seiner Bürger dulden, soweit sie nicht das Allgemeinwohl gefährden. Voltaire, in dessen Heimat die Macht der Kirche noch ungebrochen ist, schwärmt nicht nur von der englischen Toleranz, sondern auch vom blühenden Handel, der die Einwohner reich und das Land groß gemacht habe. Während in England jeder Adlige einen Kaufmannsberuf ergreifen könne, ohne an Ansehen zu verlieren, herrsche im rückständigen Frankreich noch immer Standesdünkel. Voltaire: „Ich aber weiß nicht, was einem Staat nützlicher ist, ein wohlgepuderter Herr, der genau weiß, zu welcher Stunde der König (…) zu Bett geht, und der sich etwas von Größe gibt, wenn er im Vorzimmer eines Ministers die Rolle eines Sklaven spielt, oder ein Kaufmann, der sein Land bereichert, aus seinem Kontor Orders nach Surate und Kairo gibt und zum Guten der Welt beiträgt.“ Sprecher: Nach Locke hat jeder Mensch ein natürliches Recht auf Freiheit und Eigentum. Im England erlebt Voltaire erstmals eine Gesellschaft, in der das Gesetz auch den kleinen Leuten persönliche Rechte garantiert. Voltaire: „Den Bauern drückt nicht der Holzschuh; er isst Weißbrot, trägt gute Kleidung und schreckt nicht davor zurück, die Zahl seiner Haustiere zu vergrößern oder sein Dach mit Ziegeln zu decken, weil man ihn vielleicht im nächsten Jahr mit höheren Steuern belasten könnte.(…) Das englische Volk ist das einzige auf der Erde, dem es gelungen ist, die Macht der Könige einzuschränken, und (…) eine kluge Regierungsform zu errichten, bei der der Fürst allmächtig ist, Gutes zu tun, während er verhindert wird, Übeltaten zu begehen.“ Musikzäsur Sprecher: Nach den Ausführungen über Religion, Regierung und Handel folgt seine Kritik am Cartesianismus. Voltaire wirft den alten Metaphysikern vor, dass sie wie die Theologen Urteile über Dinge fällen, die sich ihrer Kenntnis entziehen. Sie gebrauchen Begriffe wie „Materie“ und „Seele“, die tiefe Einsicht suggerieren, aber in Wahrheit nur Wortblasen sind. Voltaire: „Sie sagen uns zunächst, dass es eine Seele gibt, und dann, was sie sein muss. Sie sprechen das Wort Materie aus und entscheiden dann mir nichts dir nichts, was die Materie ist. Ich aber sage ihnen: Ihr kennt weder den Geist noch die Materie. (…) Von der Materie behauptet ihr ernsthaft, dass ihre einzigen Eigenschaften die Ausdehnung und die Dichte seien; ich aber sage euch in aller Bescheidenheit, dass sie tausend Eigenschaften haben kann, die wir alle zusammen nicht kennen. Ihr sagt, die Seele sei unteilbar und ewig, und damit setzt ihr voraus, was in Frage steht.“ Sprecher: Voltaires wichtigste Erkenntnis im englischen Exil ist die, dass die wenigsten Wahrheiten einer genaueren Prüfung standhalten. Aufgabe der Philosophie ist deshalb die Kritik, die Befreiung des Denkens von Trugschlüssen, dogmatischen Irrtümern, falschen Gewissheiten und leeren Begriffen. Säulenheilige wie Platon, Aristoteles oder Descartes bedeuten ihm wenig. Sie haben phantasievolle Romane geschrieben, aber über unser Leben und die Wirklichkeit verraten sie uns nichts. Die theoretische Vernunft soll Vorurteile zerschlagen und aus Beobachtungen folgerichtige Schlüsse ziehen, mehr nicht. Zur Metaphysik ist sie gänzlich ungeeignet. Voltaire: „Die letzten Ursachen werden wir erst erkennen, wenn wir Götter sind. Uns ist gegeben zu rechnen, zu wägen, zu messen und zu beobachten. Das ist Naturphilosophie, fast alles Übrige ist Spekulation.“ Sprecher: Descartes, so wird er später formulieren, habe das Chaos des Aristoteles nur durch ein neues Chaos ersetzt, statt sich auf die wissenschaftlichen Methoden und Erkenntnisse der Neuzeit zu stützen: das Experiment, die Geometrie, die Entdeckungen von Gelehrten wie Galilei. Heute werde Descartes nur noch von Ignoranten gepriesen, insbesondere von französischen ...: Voltaire: „Leute, die niemals Descartes oder Newton gelesen haben, behaupteten, Newton verdanke ihm alle seine Entdeckungen. Aber es ist ganz sicher, dass es in allen Luftschlössern Descartes' nicht einen Stein gibt, auf dem Newton aufgebaut hätte. Er hat sich nie an ihn gehalten, ihn weder erläutert noch widerlegt; er hat ihn kaum gekannt. Eines Tages wollte er einen Band von ihm lesen; nachdem er auf sieben oder acht Seiten „error" an den Rand geschrieben hatte, las er ihn nie wieder. Newtons Neffe hat diesen Band noch lange besessen. Der Cartesianismus ist in Frankreich eine Modephilosophie gewesen; Newtons Experimente mit dem Licht dagegen und seine mathematischen Prinzipien können ebenso wenig eine Mode sein wie die Beweisführungen Euklids.“ Erzählerin: Voltaire reift in England zum führenden Autor der europäischen Aufklärung. Es gelingt ihm zugleich, seine kurzzeitig strapazierten Finanzen zu sanieren. König Georg II. bewilligt eine englische Auflage der „Henriade“, Voltaire darf das Epos sogar der Königin widmen. Sämtliche Mitglieder des Hofes und alle Persönlichkeiten von Rang tragen sich daraufhin in die Subskriptionsliste ein. Die extrem teure Quartausgabe ist schnell vergriffen, auch folgenden Editionen verkaufen sich rasch. In kürzester Zeit verdient Voltaire rund 150 000 Livres, nach heutigen Maßstäben ein Millionenvermögen. So bedeutend die englischen Einflüsse für sein Denken sind, so wenig versteht er sich auf Dauer mit den Menschen. Voltaire ist ein komplizierter Charakter. Er überwirft sich mit Lord Peterborough, einem seiner wichtigsten Gönner, auch in den Salons auf der Insel wird er nicht mehr so gerne gesehen. Vielleicht geht den Engländern seine Redseligkeit auf die Nerven, vielleicht befürchten sie auch, er könne ein Agent der französischen Regierung sein. Nach rund zweieinhalb Jahren, das genaue Datum ist unbekannt, entschließt sich Voltaire zur Rückkehr in die Heimat. Zwischen Ende 1728 und Anfang 1729 lässt er sich in einem kleinen Ort bei Paris nieder. Erst einige Monate später darf er wieder in die Hauptstadt zurück. Abschlussmusik: kurz anspielen, dann unter Text ziehen Sprecher: Mit seiner Rückkehr endet die erste große Lebensphase, seine französisch-englischen Lehrjahre. In England ist aus dem „enfant terrible“ des literarischen Rokoko ein wortgewaltiger Kritiker der französischen Verhältnisse und ein Vordenker der Aufklärung geworden. In den turbulenten Jahren, die vor ihm liegen, wird Voltaire der Liebe seines Lebens begegnen, im Triumph an den Hof von Versailles zurückkehren und sogar als französischer Spion dilettieren, bis ein dramatisches Ereignis seinem Leben eine neue Richtung geben und ihn an den preußischen Hof verschlagen wird. Um diese Ereignisse wird es in der zweiten Stunde gehen … Musik 2. Stunde Musik Erzählerin: Voltaire verbringt eine recht sorglose Jugend unter Ludwig XIV, dem Sonnenkönig. In den Pariser Salon glänzt der Sohn eines königlichen Rats als Charmeur, Salonlöwe und Verfasser spitzzüngiger Flugschriften, die ihm Ärger eintragen, aber politisch harmlos sind. Erst im englischen Exil macht er, inspiriert durch die geistige Begegnung mit Newton und Locke, den entscheidenden Schritt vom „enfant terrible“ des literarischen Rokoko zum Freidenker. Als er mit 32 Jahren nach Frankreich zurückkehrt, ist seine politisch-philosophische Profilierung weitgehend abgeschlossen. Seine „Philosophischen Briefe“ werden zu einer scharfen Abrechnung mit den französischen Verhältnissen. Aber das ist nur die eine Seite seines Wesens. Sein gesellschaftlicher Ehrgeiz ist noch ungestillt, und die Ziele des bürgerlichen Aufsteigers sind hoch gesteckt. In den folgenden gut 25 Jahren, die Gegenstand der zweiten Stunde sind, wird Voltaire der Liebe seines Lebens begegnen, an zwei Königshöfen brillieren, aber auch in Ungnade fallen und große literarische Erfolge feiern ... Musikzäsur Erzählerin: Mit Mitte dreißig kehrt Voltaire aus dem englischen Exil nach Paris zurück. Er nimmt eine bescheidene Wohnung in der heutige Rue Molière, unweit des Louvre. Kaum daheim, gelingt ihm ein spektakulärer Coup. In Frankreich wird zu dieser Zeit von Generalkontrolleur Lepelletier ein kompliziertes neues Lotteriesystem eingeführt. Voltaire lässt es sich von einem Mathematiker erklären und errechnet, dass ein sicherer Millionen-Gewinn für den herausspringt, der alle Lose auf einmal kauft. Weil er nicht genug Bargeld besitzt, besorgt er sich in Windeseile Partner. Dann heuert er Helfer an, die am Stichtag vor den Ausgabestellen warten. Als Voltaire dem Generalkontrolleur sämtliche Lose vorgelegt, wird der kreidebleich. Doch er muss zahlen, denn bei der Staatslotterie steht das Ansehen der Regierung auf dem Spiel. Voltaire macht ein Vermögen, der arme Lepelletier wird wegen Unfähigkeit abgesetzt. Voltaire ist in Geschäftsangelegenheiten sehr clever, wenn nötig auch skrupellos, aber er ist nicht von Raffgier getrieben. Geld ist für ihn kein Fetisch, sondern ein Garant der Unabhängigkeit. In einem Brief schreibt er: Voltaire: „Das Los eines Literaten und die zweifelhafte Ehre, eine Pariser Berühmtheit zu sein, hat als Kehrseite gar zu viele Verdrießlichkeiten. In diesem Stand, der keinen Rang hat, muss man Demütigungen einstecken von Seiten derer, die etwas haben und etwas sind, und wird ein Opfer des Neides derer, die nichts haben und nichts sind. Um mich für diese üblen Begleiterscheinungen der Schriftstellerei schadlos zu halten, habe ich mir vorgenommen, ein großes Vermögen zu machen.“ Erzählerin: Die fünf Jahre nach dem Exil werden zu einer der fruchtbarsten Perioden seines Lebens. Er arbeitet an historischen Werken, es entstehen Dramen, Gedichte, Aufsätze, Satiren. Stark durch die Englanderfahrung geprägt ist seine Tragödie „Brutus“ von 1731. Die leichten Sujets treten in den Hintergrund, politische Themen rücken in den Fokus. Neu für das französische Theater ist die Propagierung bürgerlich-liberaler Ideen. „Die Freiheit“, heißt es in dem Drama, „haucht dem Menschen eine Größe ein, die er ohne sie niemals auf dem Grunde seines Herzens fände.“ Gegen Ende rät Brutus dem Sohn mit republikanischem Pathos: „Sei immer ein Held; sei mehr, sei Bürger!“ Noch im selben Jahr erscheint „Die Geschichte Karls XII.“. Um die Zensur zu umgehen, lässt Voltaire das Buch erneut in Rouen drucken und nach Paris schmuggeln. Das glänzend geschriebene Geschichtswerk über den Schwedenkönig macht Furore. Es erscheint allein zu Voltaires Lebzeiten in rund 60 Auflagen. Wie weit sein Autor dem Geist des Rokoko entwachsen ist, belegt sein Brief an einen Leser, den Marschall Graf von der Schulenburg: Voltaire: „Wäre Peter der Große weniger grausam und Karl XII. weniger starrsinnig gewesen, so hätte dies mehr zum Glück der Menschen beigetragen. Ich ziehe diesen beiden unbedingt einen Fürsten vor, der die Menschlichkeit als erste Tugend ansieht, der (…) den Frieden liebt, weil er die Menschen liebt, (…) mit einem Wort: einen Philosophen auf dem Thron. Haben Sie, Herr Marschall, nicht schon oft darüber nachgedacht, dass Ihr glorreicher Beruf, mag er auch notwendig sein, ein abscheulicher ist?“ Erzählerin: 1732 vollendet Voltaire sein dramatisches Meisterwerk „Zaire“. Die Tragödie, in der es um die fatalen Folgen religiöser Vorurteile geht, spielt im Jerusalem der Kreuzfahrerzeit. Der Sultan tötet aus Eifersucht die christliche Sklavin Zaire, seine große Liebe, und folgt ihr dann in den Tod. Voltaire lässt die Heldin zu der Einsicht kommen, dass die Zugehörigkeit zu einer Religion nicht von einer höheren Fügung, sondern vom Zufall der Geburt abhängig ist. Zaire wird bewusst, dass sie an der Ufern des Ganges Hinduistin und in Bagdad Muslimin geworden wäre. Das Drama wird zum größten Theatererfolg der Epoche. Manchen gilt es als die beste französische Tragödie des 18. Jahrhunderts überhaupt. Musikzäsur Erzählerin: Die Kehrseite seiner literarischen Produktivität sind schwere gesundheitliche Krisen. Seine Taschen sind stets mit Pillen und Fläschchen gefüllt. Voltaires geliebte Schwester Catherine war während seines Exils mit nur 40 Jahren gestorben, nun fürchtet er, ihr bald ins Grab zu folgen. Zuvor möchte er unbedingt seine „Philosophischen Briefe“ publizieren. Mit dieser Schrift wird er den „englischen Bazillus“ nach Frankreich einschleppen: das alle Dogmen hinterfragende, naturwissenschaftlich-kritische Denken. Voltaire: „Eine neue Welt ist von den Philosophen des letzten Jahrhunderts entdeckt worden, und diese Welt war umso schwieriger kennenzulernen, als man nicht einmal geahnt hatte, dass es sie gab. Den Weisesten erschien es als Vermessenheit, auch nur daran zu denken, man könne herausfinden, nach welchen Gesetzmäßigkeiten sich die Himmelskörper bewegen und wie das Licht wirkt.“ Erzählerin: Die „Philosophischen Briefe“ streifen nicht nur alle späteren Lebensthemen, sie zeigen auch alle charakteristischen Merkmale seiner Philosophie. Voltaire ist kein systematischer Denker. Er legt kein geschlossenes Lehrwerk vor, wie ein Aristoteles oder Descartes. Sein Denken entfaltet sich in der Auseinandersetzung, im polemischen Streit, in Artikeln und Essays, in der Korrespondenz. Kaum eine seiner Thesen ist originell – er bedient sich ohne Scheu bei anderen. Seine unnachahmliche Begabung besteht darin, theoretische Einsichten mit leichter Hand in die Alltagssprache zu übersetzen, sie virtuos zu vereinfachen oder ironisch zu wenden. Voltaire ist nicht der philosophisch bedeutendste, aber er der publizistisch wirksamste Vertreter der kritischen Vernunft. Für die Kirche und die Krone sind die „Philosophischen Briefe“ eine unerträgliche Provokation. Der Drucker wird in die Bastille geworfen, das Werk auf Befehl des Königs vom Henker verbrannt. Gegen den anonymen Verfasser, der sich M. de V. nennt, ergeht ein Haftbefehl. Es ist ein offenes Geheimnis, wer sich hinter dem Kürzel verbirgt. Tage vor der geplanten Inhaftierung erhält Voltaire eine Warnung und kann rechtzeitig fliehen. Seine Freunde bei Hof werden ihn noch manches Mal vor der Bastille bewahren müssen, denn wenn es um die Publikation seiner Schriften geht, zeigt der stets gebrechliche Mann einen erstaunlichen Mut. Erzählerin: Die Flucht aus Paris hat allerdings auch einen privaten Grund. Im Sommer 1733, kurz vor seinem 40. Geburtstag, hat sich Voltaire in die Marquise du Châtelet verliebt. Die elf Jahre jüngere Émilie wird zur großen Liebe seines Lebens. Sechzehn Jahre währt ihr Verhältnis, das in Frankreich einen ähnlichen Ruf hat wie in Deutschland die Liebe zwischen Goethe und Charlotte von Stein. Wie Charlotte ist Émilie verheiratet, mit einem Generalleutnant der Armee. Seit sie ihm Sohn und Tochter geboren und damit ihre konventionellen Pflichten erfüllt hat, leben die Eheleute gleichgültig-freundlich nebeneinander. Der Marquis widmet sich dem Militärwesen und der Jagd, duldet aber die vielseitigen geistigen Interessen und die Liebhaber seiner Frau. Auch Voltaire gewährt er in den folgenden Jahren großzügig Asyl auf seinem Schloss Cirey in der Champagne. Das französische Traumpaar des 18. Jahrhunderts teilt nicht nur ein Interesse für Literatur, Physik und Mathematik, sondern auch die Leidenschaft für Luxus. Voltaire gibt in den folgenden Jahren ein Vermögen für Bücher, Silbergeschirr, Mobiliar, Porzellan, Samttapeten und Gemälde aus, um das Landgut in einen Herrensitz großen Stils zu verwandeln. Er lässt ein Laboratorium errichten und entdeckt seine Passion für die Anlage von Terrassen und Gärten. Im Sommer 1736 arbeitet Émilie an einem Traktat „Über das Feuer“, Voltaire an den „Elementen der Philosophie Newtons“, als ihn ein Brief aus Potsdam erreicht: Friedrich: „Monsieur, wenngleich ich nicht die Genugtuung habe, Sie persönlich zu kennen, so sind mir Ihre Werke sehr wohl bekannt. Es sind, wenn ich mich so ausdrücken kann, Schätze des Esprits. Ich vermeinte darin den Charakter ihres ingeniösen Schöpfers widerzuerkennen, der unserem Jahrhundert zur Ehre gereicht. (…) In solchen Augenblicken fühle ich, dass die Vorzüge von Geburt (…) zu wenig nütze sind, oder besser ausgedrückt: zu nichts. Wie sehr sind ihnen die Gaben des Geistes vorzuziehen.“ Erzählerin: Unterzeichnet ist das viele Seiten lange Schriftstück mit den Worten: Friedrich: „… Ihr zutiefst ergebener Freund, Frederic, Kronprinz von Preußen.“ Voltaire: „Monseigneur, man müsste fühllos sein, um von dem Brief, mit dem Ehrwürdige Königliche Hoheit mich zu ehren geruhten, nicht inniglichst gerührt zu sein. Er schmeichelt meiner Eigenliebe nur zu sehr; aber die Liebe zum Menschengeschlecht (…) schenkte mir eine tausendfach reinere Freude, als ich erkannte, dass es auf der Welt einen Prinzen gibt, der als Mensch denkt, einen Fürsten-Philosophen, der die Menschen glücklich machen wird. (…) Gleichgültig, in welchem Erdenwinkel ich mein Leben beschließe, seien Sie versichert, Monseigneur, dass ich ohne Unterlass das Beste für Sie wünschen werde.“ Erzählerin: Mit diesen Briefen beginnt die fast 42 Jahre andauernde Korrespondenz zwischen Voltaire und Friedrich dem Großen, den beiden „Königen des Jahrhunderts“, wie Voltaire-Biograph Jean Orieux formulierte. Am reinsten ist die Freundschaft dieser sehr unterschiedlichen, und doch in vielem so ähnlichen Männer zu Beginn ihrer Bekanntschaft. Begeistert tauschen sie Briefe, Bücher, Gedichte, Manuskripte und Komplimente aus. Ihre Schreiben berühren weite Bereiche der Theologie, Philosophie, Literatur, Geschichte und Politik. Sie diskutierten auch eigene Werke wie den „Anti-Machiavelli“, den Friedrich 1739 zu verfassen beginnt. Es ist sein Grundsatz-Programm des tugendhaften Herrschers, der sich als „der erste Diener seines Staates“ versteht. Im Mai 1740 stirbt Friedrichs Vater, der „Soldatenkönig“. Sophie von Anhalt-Zerbst, spätere als Katharina die Große bekannt, notiert: Zitatorin: „Ich glaube, niemals hat ein Volk mehr Freude bezeugt als bei dieser Nachricht das seine. Auf den Straßen umarmten und beglückwünschten sich die Vorübergehenden zum Tode des Königs, er war gehasst und verabscheut von klein und groß; (…) ich glaube, er hatte nichts Liebenswürdiges, weder in seinem öffentlichen noch in seinem privaten Leben.“ Erzählerin: Noch am selben Tag besteigt der Kronprinz als Friedrich II. den preußischen Thron. Seine erste Amtshandlung ist die Abschaffung der Folter. Wenige Tage später beschwört er dem „werten Freund“ gegenüber die Kontinuität der vertrauten Korrespondenz: Friedrich: „Letztendlich, mein lieber Voltaire, sind wir eben doch nicht Meister unseres Schicksals. Der Wirbel der Geschehnisse reißt uns fort, und wir müssen uns fortreißen lassen. Ich bitte Sie, sehen Sie in mir nichts als einen fleißigen Bürger, einen leicht skeptischen Philosophen, doch einen wahrhaft treuen Freund. In Gottes Namen, schreiben Sie mir einfach als Mensch und verpönen Sie bei mir Titel, Namen und äußerlichen Glanz.“ Voltaire: „Eure Majestät befehlen mir, beim Schreiben weniger an den König als an den Menschen zu denken. Diese Order ist ganz nach meinem Herzen. Ich verstehe mich nicht auf den Umgang mit einem König; doch bei einem wirklichen Menschen, in dessen Kopf und Herzen die Liebe zum Menschengeschlecht lebt, ist mir wohl.“ Erzählerin: Die erste persönliche Begegnung der beiden Freunde im September 1740 auf Schloss Moyland ist kurz, aber herzlich. Friederich ist begeistert von der Eloquenz und Weisheit des „französischen Homer“. Kaum weniger enthusiastisch klingt Voltaire. Voltaire: „Noch weiß ich nicht genau, ob es je größere Könige gab, liebenswertere Menschen jedenfalls kaum. Es ist ein Naturwunder, dass der Sohn eines gekrönten Menschenfressers (…) zu dieser Feinheit und dieser natürlichen Anmut fand.“ Erzählerin: Allerdings wird die Freundschaft von Hintergedanken getrübt – und zwar auf beiden Seiten. Der ehrgeizige Friedrich möchte den berühmtesten Schriftsteller Europas gerne als Prunkstück für seinen Hof gewinnen. Voltaire dagegen sieht in der Beziehung zum preußischen Herrscher ein probates Mittel, die Gunst des französischen Königs zu gewinnen. In der komplizierten Beziehung zu Friedrich II. offenbaren sich die Widersprüche im Wesen Voltaires. Als Schriftsteller legt er sich ein ums andere Mal couragiert und furchtlos mit der Krone, der Kirche und Behörden an. Doch als bürgerlicher Aufsteiger wird er zugleich von einem unstillbaren Ehrgeiz getrieben, zur gesellschaftlichen Elite zu zählen, am Hofe des Königs Karriere zu machen – selbst wenn er sich dabei restlos kompromittiert. Bevor er im Herbst 1740 nach Berlin reist, macht der Autor der „Philosophischen Briefe“ – auf jeder Seite eine Kritik an den französischen Verhältnissen –, seinem Intimfeind Kardinal de Fleury das Angebot, Versailles mit Neuigkeiten aus Berlin zu versorgen. Der Kardinal nimmt dankend an. Mitte November wird Voltaire in Preußen, wie Graf Manteuffel unfroh bemerkt, „wie ein kleiner Messias“ empfangen. Doch schon drei Wochen später ist die Stimmung umgeschlagen. Der Gast aus Paris hat sich etwas zu eifrig in preußische Staatsangelegenheiten eingemischt. Friedrich ist zu seinem Besucher auf Distanz gegangen. Manteuffel meldet an Graf Brühl: Sprecher: „Betreffs des Voltaire heißt es, dass das große Vertrauen, das Seine Preußische Majestät am Anfang ihm bezeugt hätte, sich plötzlich in Nichts aufgelöst hätte, da dieser gelehrte Kopf sich mit mehr Freiheit und Offenheit, als Seine Majestät es üblicherweise gestattet, in alle Dinge und Fragen eingemischt hätte.“ Erzählerin: Niemand ist traurig, als Voltaire nach einem Monat wieder in die Kutsche steigt und abreist. Musikzäsur Erzählerin: Nach der Aufführung seiner Tragödie „Mahomet“, einer poetischen Stellungnahme gegen Heuchelei und religiöse Intoleranz, behaupten ein paar spitzfindige Kleriker, Voltaire habe in der Figur des Fanatikers Mohammed eigentlich Jesus Christus diffamieren wollen, das Stück sei ein Angriff auf die Kirche. Im August 1742 wird das Drama vom Spielplan genommen. Voltaire wendet sich daraufhin an den Papst mit der Bitte, ihm das Trauerspiel widmen zu dürfen: Voltaire: „Heiliger Vater, Eure Heiligkeit wird die Freiheit verzeihen, die sich einer der größten Bewunderer der Tugend herausnimmt, indem er dem Oberhaupt der wahren Religion eine Schrift gegen den Begründer einer falschen und barbarischen Sekte widmet.“ Erzählerin: Papst Benedikt XIV., ein gelehrter und geistvoller Mann, reagiert liebenswürdig. In dem Dankschreiben an den „geliebten Sohn“ behauptete er, die „bewunderungswürdige Tragödie“ mit „großer Freude“ gelesen zu haben und spricht Voltaire seine „besondere Hochachtung“ aus. Sein Brief schließt mit der Formel: Sprecher: „Es bleibt Uns nur noch übrig, Ihnen Unsern Apostolischen Segen zu erteilen.“ Erzählerin: Durch diesen klugen Schachzug ist Voltaire für eine Weile vor bigotten Kritikern gefeit. Drei Jahre später, kurz vor Ende des Zweiten Schlesischen Krieges, offeriert er dem französischen Hof erneut seine Dienste. Für eine Prämie von 8000 Francs will er Friedrich II. aushorchen. Doch mit der Geheimhaltung des Unternehmens nimmt man es nicht so genau. Ganz Paris tuschelt bald über den Meisterspion. Voltaires Unternehmen habe „einen Hauch von Komödie“, spottet die Marquise de Tencin in einem Brief an Richelieu. In den Cafés können die preußischen Spitzel rasch Details des Auftrags notieren. Nur Voltaire scheint sich noch immer für einen ganz ausgebufften Agenten zu halten. Dass seine Reisemotive schon in einer Kölner Zeitung diskutiert werden, während seine Kutsche im August 1745 nach Potsdam rollt, ahnt er nicht. Ebenso wenig rechnet er damit, dass Friedrich II. längst eine kleine Privatrache vorbereitet. Dem Vertrauten Graf Rothenburg teilt der preußische König mit: Friedrich: „Hier haben Sie ein Stück eines Briefes von Voltaire, den ich Sie, ohne dass Wir dabei in Erscheinung treten, dem Bischof von Mirepoix in die Hände zu spielen bitte. Es ist meine Absicht, Voltaire mit Frankreich so restlos zu entzweien, dass ihm nichts anderes übrigbleiben wird, als bei mir zu bleiben.“ Erzählerin: Als Voltaire Berlin erreicht, kommt es zu einem betont herzlichen Treffen zwischen den Freunden. Tagelang tauschen sie Billetts mit wechselseitigen Huldigungen aus. Als Voltaire die Zeit gekommen fühlt, gestalterisch in die Politik einzugreifen, lässt sich Friedrich nicht anmerken, dass er das Schurkenspiel durchschaut. Er findet großes Vergnügen daran, die Nerven des intriganten Freundes mit Allgemeinplätzen und nichtssagenden Bemerkungen zu strapazieren. In den sechs Wochen seines Aufenthalts erfährt Voltaire nicht eine Information von Belang. Seine stümperhaften Spionageversuche sind in der Sache belanglos. Doch zusammen mit dem Schreiben des Papstes führen sie dazu, dass die adligen Freunde den umstrittenen Autor wieder vorbehaltslos dem französischen König empfehlen können. Und das hat durchaus Folgen … Erzählerin: Es beginnt eine etwa fünf Jahre andauernde Phase, in der sich Voltaire als Hofdichter König Ludwig XV. betätigt. Den entscheidenden Auftrag verschaffte ihm der Herzog von Richelieu. Voltaire schreibt das Libretto zu einem Festspiel, das bei der Hochzeit des Thronfolgers mit Maria Theresia 1745 mit großem Pomp aufgeführt wird. Er wird zum „Historiographen des Königs“ ernannt und mit einer königlichen Leibrente beehrt. Als Hofpoet besingt der erklärte Kriegsverächter in martialischen Worten die Schlacht von Fonteney, bei der an einem Tag 15 000 Menschen sterben. Er widmete das Werk dem König … Voltaire: „… mit der tiefsten Ehrfurcht eines Eurer geringsten Untertanen und glühendsten Bewunderers.“ Erzählerin: 1746 wird er Mitglied der Pariser Akademie und erhält das Patent eines Kammerherrn. Der Bourgeois Francois-Marie Arouet wird Edelmann. Kritiker haben Voltaire diese Jahre sehr verübelt. Bei allem Genie, aller Brillanz, ergibt er sich wehrlos dem Erfolgsstreben. Seine Metamorphose zum Schmeichelredner bleibt auch den Zeitgenossen nicht unverborgen. In den Pariser Cafés kursieren bald Spottgedichte auf den Hofpoeten, den Günstling des Königs und seiner Mätresse, der Marquise de Pompadour. Ob seine Karriere auch die Beziehung zur Marquise du Châtelet belastet, die ihn einst bewundert hat? Fest steht, dass sich Émilie 1748, fünfzehn Jahre nach dem Beginn ihrer Beziehung, einen jüngeren Liebhaber zulegt. Als Voltaire die beiden Liebenden eines Abends auf Schloss Cirey in flagranti erwischt, kommt es zu einer bühnenreifen Szene, und fast zu einem Duell. Doch dann versöhnte sich Voltaire mit der Realität. Freundschaft im Sinne von „Seelenverwandtschaft“ ist ihm heilig. Was die physische Liebe betrifft, ist er großzügig. An den Nebenbuhler Jean-François de Saint-Lambert schreibt er gönnerhaft: Voltaire: „Mein Kind, ich habe alles vergessen; ich bin es, der Unrecht hatte. Sie sind in dem glücklichen Alter, in dem man liebt. Genießen Sie diesen kurzen Augenblick; einem Greis wie mir sind diese Freuden nicht mehr zuträglich.“ Erzählerin: Die folgenden Monate verbringen Émilie und ihre drei Männer in leidlicher Harmonie. Im Winter bemerkt die Marquise, dass sie schwanger ist. Voltaire erhält weiter Einladungen aus Sanssouci, aber er lehnt sie ab, nicht zuletzt wegen Émilie. Friedrich ist es unbegreiflich, dass jemand eine Berufung nach Potsdam ausschlagen kann – auch noch wegen einer Frau! Friedrich: „Hören Sie! Ich bin ganz närrisch, Sie zu sehen! Madame du Châtelet kommt nieder. Sie sind keine Hebamme; also kann sie ihre Niederkunft ohne Sie abhalten. Wenn ich Sie schelte, so geschieht es, weil alle an Gicht Leidenden es so machen. Tun Sie, was Sie wollen, aber ich lasse mich nicht täuschen und werde sehen, ob Sie mich ernstlich lieben oder ob alles, was Sie mir sagen, nur theatralisches Geschwätz ist.“ Erzählerin: Voltaire antwortete, diesmal nicht höfisch devot, sondern resolut: Voltaire: „Ich bin weder ein Arzt noch eine Hebamme, aber ich bin ein Freund, und ich werde selbst Eurer Majestät zuliebe nicht eine Frau verlassen, die im September sterben kann. Ihr Kindbett scheint mir sehr gefährlich zu werden; aber wenn sie gut davonkommt, dann, Sire, verspreche ich, Ihnen im Oktober meine Aufwartung zu machen.“ Erzählerin: Anfang September 1749 bringt die Marquise eine Tochter zur Welt. Voller Freude meldete Voltaire das Ereignis dem Marquis d‘Argental. Doch dann werden die schlimmsten Befürchtungen wahr. Bei Émilie treten Fieber und Erstickungsanfälle auf. Einige Tage nach der Geburt, am 10. September, stirbt sie an Kindbettfieber. Voltaire steht unter Schock, kann sich kaum auf den Beinen halten, ist gesundheitlich und nervlich am Ende. Dem scherzhaften Bericht an den Schulfreund d‘Argental lässt er das traurige Bekenntnis folgen: Voltaire: „Ich habe nicht nur den Verlust einer Geliebten erlitten. Ich habe die Hälfte von meinem Selbst verloren, einen Geist, der meinen vollendet ergänzt.“ Erzählerin: Émilies Tod wird zum großen Einschnitt in seinem Leben. Auf Schloss Cirey kann er nicht bleiben. Eine Kolonne von Wagen, beladen mit Möbeln, Büchern und Bildern, rollt in den nächsten Wochen nach Paris. Freundschaftlich verabschiedete er sich vom Marquis du Châtelet, den die Anwesenheit des ihm wesensfremden Geliebten seiner Frau offenbar nie gestört hat, und auch von Saint-Lambert, den er in späteren Jahren stets unterstützt. Der Verlust der Freundin und die Übersiedlung nach Paris nehmen ihn so mit, dass er über Monate matt zu Bette liegt. Gepflegt wird er von seiner Nichte Marie-Louise, die sich um den Pariser Haushalt des Onkels kümmert. Für den Erfolgsverwöhnten beginnt eine schlimme, demütigende Zeit. Zwei neue Dramen finden wenig Beifall. Und als er bei Hofe die Einladung nach Preußen erwähnt, versucht niemand ihn aufzuhalten. König Ludwig XV. äußert einem Vertrauten gegenüber, wenn Voltaire nach Potsdam ginge, gäbe es an seinem Hof einen Narren weniger und in Preußen einen mehr. Tief gekränkt bricht der königliche Kammerherr Ende Juni 1750 auf. Sein Freund d’Argenson schreibt in sein Tagebuch: Sprecher: „Voltaire hat Frankreich für immer verlassen, er hat dem König sein Amt als Historiograph zur Verfügung gestellt und seiner Nichte aufgetragen, alle Wechsel zu verkaufen und ihm nach Preußen nachzukommen. Seine Preußische Majestät zahlt ihm eine bedeutende Apanage.“ Erzählerin: Die Behörden und die Geistlichkeit sehen mit einer gewissen Erleichterung einen Mann verschwinden, dessen Spottlust vor niemandem Halt macht, nicht vor dem Papst, dem er den „Mahomet“ widmete, nicht vor der Ehe, die er in Cirey zu dritt oder viert führte, nicht vor der katholischen Lehre, die er mit dem Irrglauben auf eine Stufe stellt – ein Mann, der als ehrgeiziger Höfling und unsicherer Kantonist gilt. Paris verliert dagegen einen gefeierten Dramatiker, einen Universalgelehrten und glänzenden Plauderer. Erst kurz vor seinem Tod, 28 Jahre später, wird Voltaire seine Vaterstadt wiedersehen. Atmo: vielleicht wieder Pferdekutsche und Hufgetrappel Musikzäsur Erzählerin: In Potsdam wird Voltaire im Juli 1750 ein großer Empfang bereitet. Er erhält Räumlichkeiten im Schloss, ein Jahresgehalt von 5000 Talern, eine prächtige Equipage und den Kammerherrenschlüssel. Bei den Tafelrunden in Sanssouci, dem kurz zuvor vollendeten Lustschloss, ist er der prominenteste Gast. Man liest, diskutiert, studiert die europäischen Journale, streitet über Politik, Naturwissenschaften und Philosophie. Mitglieder des exquisiten Zirkels sind unter anderem der materialistische Philosoph Jules Offray de la Mettrie und Voltaires alter Bekannter de Maupertuis, früher Lehrer Émilies, jetzt Präsident der Preußischen Akademie. In Sanssouci wird Französisch parliert. „Deutsch“, so Friedrich II., „spreche ich höchstens mit meinem Pferd“. Es ist die Sprache des Gesindes und der Kutscher. „Ich bin fest davon überzeugt, dass Sie hier sehr glücklich sein werden, solange ich am Leben bin“, schreibt Friedrich dem neuen Gast kurz nach dessen Ankunft. Tatsächlich kann Voltaire in Preußen Gedanken wagen, für die man in Frankreich die Bastille riskiert. Er genießt die Freiheit, im kleinen Kreis ohne Scheu zu sprechen, auch als Schriftsteller kehrt er nach den wenig ertragreichen Jahren zu alter Produktivität zurück. An die Nichte Marie-Louise in Paris schreibt er: Voltaire: „Es ist wahr, dass Potsdam von Schnurrbärten und Grenadiermützen bewohnt ist; aber, Gott sei Dank, ich sehe sie gar nicht. Ich arbeite friedlich in meinem Zimmer bei Trommelwirbel. Ich habe mich von den Diners des Königs zurückgezogen; es gibt da zu viele Generale und Fürsten. (…) Ich soupiere mit ihm in kleinerer Gesellschaft. Man hat mich also, mein liebes Kind, in aller Form an den König von Preußen abgetreten. Meine Ehe ist geschlossen; wird sie glücklich sein? Ich weiß es nicht.“ Erzählerin: Freunden gegenüber schwärmt Voltaire vom Leben an der Seite des Regenten, den Annehmlichkeiten, die ein königlicher Schlossherr bieten kann, bezeichnet Potsdam als „Paradies für Philosophen“. Doch Wochen später, mit Herannahen des Winters, klingen seine Zeilen an Marie-Louise bereits leicht deprimiert: Voltaire: „Man weiß also in Paris, mein liebes Kind, dass wir in Potsdam „Cäsars Tod" gespielt haben (…) und dass es hier Vergnügen gibt? All das ist wahr, aber ... aber ... Die königlichen Soupers sind köstlich, man spricht dort über Vernunft, Geist, Wissenschaft, und es herrscht Freiheit: Der König ist die Seele von all dem, keine schlechte Laune, keine Wolke, zumindest keine Gewitter. Mein Leben ist frei und schaffensreich, aber ... aber ... Oper, Komödien, Jahrmärkte, Soupers in Sanssouci, Kriegsmanöver, Konzerte, Studien, Lektüren, aber ... aber ... (…), mein teures Kind, das Wetter beginnt schon kühl zu werden.“ Erzählerin: Im ersten Winter leidet Voltaire entsetzlich unter der Kälte, unter Koliken und Schwindel. Hinzu kommt eine schwere, skorbut-ähnliche Krankheit. Er wird sehr schwach, verliert fast alle Zähne. Schon länger bezeichnet er sich in Briefen als „Greis“ – nun formt sich sein bekanntes Greisenantlitz, mit eingefallenem Mund, hagerem Schädel und gepuderter Perücke. Doch auch Krankheiten können Voltaire nicht bremsen, wenn er gute Geschäfte wittert. In Potsdam versucht er im November 1750 über den Juwelenhändler Abraham Hirschel sächsische Steuerpapiere zu erwerben, die er mit 35 Prozent Gewinn zu verkaufen hofft. Das ist pikant, denn Friedrich hat den Handel ausdrücklich verboten. Sachsen ist ein Intimfeind Preußens, zwischen beiden Staaten herrscht ein latenter Wirtschaftskrieg. Friedrich ist durch die kapriziösen Wünsche seines französischen Gastes ohnehin schon leicht verstimmt, als er von der illegalen Transaktion erfährt: Friedrich: „Sie machen die übelsten Geschäfte mit einem Juden. Sie haben in der ganzen Stadt einen schrecklichen Lärm verursacht. Ihre Affäre mit den sächsischen Wertpapieren ist so bekannt in Sachsen, dass man sich bitter bei mir beklagt hat. Was mich betrifft, so konnte ich bis zu Ihrer Ankunft Frieden in meinem Haus bewahren, und ich warne Sie: Wenn Sie eine Leidenschaft für Intrigen und Ränkespiele haben, so sind Sie bei mir an der falschen Adresse.“ Erzählerin: Augenblicklich um Deeskalation bemüht, antwortet Voltaire zerknirscht: Voltaire: „Eure Majestät haben recht, und zwar so recht, wie man nur recht haben kann; und ich, ich habe in meinem Alter einen fast nicht wiedergutzumachenden Fehler begangen.“ Erzählerin: Nach diesem ersten Eklat glätten sich die Wogen. Im März 1751 bezieht Voltaire das Marquisat, das Lusthaus im Garten. Gegen Ende des Jahres schreibt Friedrich vergnügt an seinen Bruder, Voltaire sei „origineller denn je.“ Dank geringer Verpflichtungen kann sich der französische Gast wieder verstärkt seiner Arbeit widmen. Er vollendet das „Jahrhundert Ludwigs, des XIV.“, ein epochales Werk, mit dem Voltaire die moderne Geschichtsschreibung begründet. Statt eine Chronik der Könige zu schreiben, gilt sein Interesse der Alltagsgeschichte: den Lebenshaltungskosten, Löhnen und Steuern, den Münzen und ihrer Kaufkraft, technischen Erfindungen wie der Herstellung von Hemden, Tellern und Brillen, dem Hausbau, der Entwicklung der Einwohnerzahlen, den Kolonien. Voltaire: „Mir scheint, man hat die Historie bisher (…) weder als Bürger noch als Aufklärer geschrieben (…) Ich habe mich so gut wie möglich bemüht, die Geschichte der Sitten, der Wissenschaften, der Gesetze, der Gebräuche, des Aberglaubens zu schreiben. Ich sehe fast nur Geschichten von Königen; ich will die Geschichte der Menschheit.“ Erzählerin: Das „Jahrhundert Ludwig XIV.“ erscheint im Dezember 1751 in Berlin. Ein halbes Jahr später, Voltaire arbeitet inzwischen an ersten Artikeln für sein „Philosophisches Wörterbuch“, bekommt er einen Brief aus Paris. Sein Absender ist Jean le Rond d‘Alembert, der gemeinsam mit Denis Diderot an einer völlig neuartigen, umfassenden Darstellung allen verfügbaren Wissens arbeitet. Das Mammutwerk trägt den Titel „Enzyklopädie der Wissenschaften, Künste und Handwerke“ und wird am Ende 35 Bände umfassen. Seine Autoren werden von Krone und Klerus mit Argusausgen überwacht, die Behörden werfen ihnen ständig neue Steine in den Weg. D’Alembert möchte den berühmten Voltaire unbedingt für die Mitarbeit gewinnen. Der lobt das Unternehmen in höchsten Tönen, lehnt aber eine Mitarbeit bedauernd ab, jedenfalls vorläufig: Voltaire: „Sie und Herr Diderot arbeiten an einem Werk, das Frankreichs Ruhm sein wird und die Schmach derer, welche Sie verfolgt haben. Paris ist voll von Schreiberlingen, doch an Philosophen, die zu schreiben verstehen, kenne ich nur Sie und ihn. Es ist wahr, dass ein solches Werk fern von den Dummköpfen und Fanatikern verfasst werden müsste, unter den Augen eines Königs, der ebenso sehr Philosoph ist wie Sie, aber die Hilfsmittel fehlen hier völlig. Es gibt hier ungeheuer viel Bajonette und sehr wenig Bücher.“ Erzählerin: Wenig später zieht Unheil herauf. Heraufbeschworen wird es von dem einstigen Lehrer Émilies, Maupertuis. Gebildet, sprachgewaltig und stets von einem schwarzen Diener flankiert, ist er mit seiner roten Perücke eine exzentrische Erscheinung. Vor der Ankunft Voltaires war der Mathematiker und Geodät, der die Abflachung der Pole bewiesen hat, der berühmteste Franzose am preußischen Hof. 1746 hatte ihn Friedrich zum Präsident der Preußischen Akademie ernannt. Doch im Verlaufe der gut zwei Jahre, die seit Voltaires Ankunft vergangen sind, sind die beiden Landsleute immer mehr zu Rivalen um die Gunst des Monarchen geworden. Maupertuis setzt Ende 1752 ein böses Gerücht in Umlauf: Als Voltaire wieder einmal Gedichte des Königs zum Korrigieren erhielt, soll er gestöhnt haben: „Wird er denn nie müde, mir seine schmutzige Wäsche zu schicken!“ Friedrich übergeht diese – nicht ganz unwahrscheinliche – Unverschämtheit. Voltaire dagegen ist nicht bereit, Maupertuis Indiskretion zu übergehen. Der Akademiepräsident hat ihm durch seine bizarren Ideen einige willkommene Anlässe zur Polemik geliefert. So hatte er beispielsweise gefordert, die ägyptischen Pyramiden zu sprengen, ein Loch zum Erdmittelpunkt zu bohren und den Körper von Todkranken mit Harz einzustreichen, um ein Ausdünsten ihrer Seele zu verhindern. Voltaire verfasst eine beißende Satire, das „Pamphlet des Doktor Akakia“. Ein Mitglied des Hofstabs berichtet: Sprecher: „Voltaire las seinen Akakia dem Könige vor; dieser lachte (...) sehr herzlich darüber; da ihm indes daran gelegen sein musste, dass der von ihm selbst gewählte Präsident seiner Akademie nicht vor ganz Europa lächerlich würde, bat er Voltaire, seine Satire zurückzuhalten.“ Erzählerin: Voltaire gelobt Gehorsam. Und lässt die Schmähschrift anschließend heimlich drucken! Und zwar nachdem er vom König die Druckerlaubnis für ein ganz anderes Werk eingeholt hat. Es ist eine Dreistigkeit sondergleichen. Ihre Folgen schildert Friedrich dem preußischen Gesandten in Paris so: Friedrich: „Ich erfuhr die Sache und ließ ihn kommen. Er musste seine Gaunerei zugeben. Ich drohte, ihn hinauswerfen zu lassen, wenn er nicht erstens die gesamte Auflage der ‚Akakia‘ herausgebe und zweitens ein Schriftstück unterzeichne, in dem er versprach, in Zukunft weder Fürsten noch Privatleute anzugreifen. Das musste er hinnehmen. Kaum komme ich in Berlin an, so erfahre ich, dass ‚Akakia‘ verkauft wird. Darauf ließ ich das Buch durch Henkershand verbrennen und Voltaire seinen Kammerherrenschlüssel und Orden abfordern. Auf seine inständigen Bitten hin ließ ich mich erweichen und verlangte von ihm nur, in der Zeitung seine nichtswürdigen Schmähschriften zu widerrufen, was er dann auch tun musste.“ Erzählerin: „Ihre Unverfrorenheit setzt mich in Erstaunen“, schreibt Friedrich an Voltaire, der eiligst um Nachsicht bittet und sein Schicksal demütig in die Hände des Monarchen legt. Mit diesem Kniefall wird der Streit formal beigelegt. Aber der Bruch zwischen dem König und dem Philosophen ist jetzt nicht mehr zu übersehen. Ein schwedischer Diplomat berichtet: Sprecher: „Ich habe Voltaire gesehen, und ich kann versichern, sein Los ist nicht beneidenswert. Er sitzt den ganzen Tag allein auf seinem Zimmer und nachher speist er mit dem König auch mehr aus Not als aus eigenem Trieb: er merkt recht wohl, dass er da ungefähr dieselbe Rolle spielt wie die Mitglieder der Pariser Oper zu der Zeit, als die gute Gesellschaft sie nur zuließ, um Tafelmusik zu haben.“ Erzählerin: Voltaire ist unglücklich. Er möchte „unbedingt fort“, vertraut er im Januar 1753 der Nichte an. Auch der König ist die Konflikte und Dispute mit dem Idol seiner Jugend leid. Als der Anfang März den Wunsch äußert, in einem französischen Badeort eine Kur anzutreten, antwortet Friedrich ungnädig: Friedrich: „Es war nicht nötig, dass Sie eine angeblich dringliche Badereise nach Plombières zum Vorwand nahmen, um Ihren Abschied zu verlangen. Sie können aus meinem Dienst ausscheiden, wann es Ihnen gut dünkt; ehe Sie jedoch abreisen, wollen Sie mir den Kammerherrnschlüssel, den Orden und den Ihnen anvertrauten Band Gedichte zurücksenden.“ Erzählerin: Ende März 1753 verabschiedet sich Voltaire von Friedrich II. und reist für immer aus Preußen fort. Über Leipzig und Gotha, wo er schwer erkrankt, gelangt er am 30. Mai nach Frankfurt. Seine Nichte Marie-Louise erwartet ihn dort schon. Doch fast gleichzeitig trifft in der Freien Reichsstadt ein folgenschweres Schreiben ein. In dem Brief teilt der König dem preußischen Residenten Freytag mit, dass ein gewisser Monsieur de Voltaire einen Band mit privaten Gedichten Seiner Majestät herausrücken solle. Unseligerweise befindet sich der Band in einer Gepäckladung, die über Hamburg nachkommen soll. Freytag ist hilflos, aber zum Durchgreifen entschlossen. Er lässt Voltaire, seinen Sekretär und Marie-Louise festnehmen, wie Verbrecher bewachen und mehrfach durchsuchen. Nach zwei Bastille-Aufenthalten ist dies Voltaires dritte Begegnung mit königlichen Vollzugsorganen. Die Lage bleibt tagelang ungeklärt. Voltaire unternimmt verkleidet einen Fluchtversuch, wird aber vor den Toren Frankfurts von Freytags Leuten wieder eingefangen. Als das Gepäck endlich eintrifft, werden die Gefangenen immer noch nicht freigelassen. Freytag weiß nicht, ob er sie ungeschoren weiterreisen lassen darf. Er lässt sie zu einem Hofrat überführen, der ihnen alle Wertgegenstände abnimmt, das Geld, den Schmuck, sogar die Tabaksdose. Erst Anfang Juli setzt ein Freilassungsbefehl des Königs einen Schlussstrich unter Voltaires kurzes, wenig ruhmvolles Intermezzo am preußischen Hof. Über Mainz und Mannheim gelangt Voltaire schließlich nach Colmar. Seine Gesundheit ist angeschlagen, seine Gemütsverfassung schlecht, seine Lage prekär. Als eine anonyme Schmähschrift über Friedrich II. in Umlauf kommt, fällt der Verdacht natürlich auf ihn. Eiligst setzt er einen Brief auf, in dem er sich von der „infamen Schandschrift“ distanziert. Wenig später, fast auf den Tag ein Jahr nach ihrer letzten Begegnung, erreicht ihn ein königliches Antwortschreiben: Friedrich: „Ich habe niemals geglaubt, dass Sie der Verfasser wären. Ich bin mit Ihrem Stil allzu vertraut, um mich hierin zu täuschen; und wären Sie es doch, so würde ich Ihnen wohlgemut verzeihen. Sie sollten sich daran erinnern, dass ich (…) Ihnen versicherte, ich wolle alles Vorgefallene gerne vergessen, sofern Sie mir Ihr Wort gäben, nichts mehr gegen Maupertuis zu unternehmen. Hätten Sie damals Wort gehalten, so hätte ich Sie mit Freuden zurückkehren sehen (…). Ich fand es übel gehandelt, wie Sie, trotz des mir gegebenen Versprechens, nicht aufhörten, gegen ihn zu schreiben, und dass Sie, damit noch nicht zufrieden, (…) meine Akademie der Lächerlichkeit preisgeben wollten (…). Das sind die Klagen, die ich gegen Sie vorbringe; denn was meine Person betrifft, so wüsste ich keine. (…) Ihre Talente werde ich bewundern, wie ich sie immer bewundert habe. Zu sehr ehren Sie das Menschengeschlecht durch Ihr Genie, als dass ich an Ihrem Los nicht Anteil nähme.“ Erzählerin: Die Zeilen aus Potsdam sind versöhnlich. Aber Voltaires heimliche Hoffnung auf eine Entschuldigung oder gar Entschädigung für die Frankfurter Ereignisse erfüllt sich nicht. Der Sommer zieht an ihm vorbei, ohne dass sich seine Lage verbessert. Als Friedrichs Schwester Ende des Jahres 1754 durch Colmar reist und Voltaire einen Besuch abstattet, findet sie den einstigen Ehrengast des Potsdamer Hofes stark verändert vor. Spürbar bewegt berichtet die Markgräfin von Bayreuth ihrem Bruder: Zitatorin: „Man sagte mir, dass Voltaire (…) seit sechs Monaten kaum das Bett verlasse und gar nicht ausginge. (…) Ich gestehe Ihnen, dass ich betroffen war, so sehr fand ich ihn verändert, er stützte sich auf zwei Bedienstete, die ihm die Treppe heruntergeholfen hatten. (…) Sein Zustand wie sein Reden erweckten mein Mitleid. Ich machte ihm einige Vorhaltungen wegen seines Verhaltens, aber ich hatte nicht den Mut, weiter in ihn zu dringen und ihn noch mehr zu bekümmern.“ Erzählerin: Wenige Tage nach diesem Besuch packt Voltaire seine Sachen und reist von Colmar ab. Eineinhalb Jahre nach seinem Abschied von Potsdam sucht er nach einem Alterssitz. Sein Weg führt ihn zunächst nach Lyon. Doch dort wird er vom Kardinal und vom Stadtkommandanten unliebenswürdig abgefertigt. Man gibt ihm deutlich zu verstehen, dass er unerwünscht sei. Also entschließt er sich, sein Glück in Genf zu versuchen ... Musik: kurz anspielen, dann unter Text ziehen Sprecher: Mit 60 Jahren ist Voltaire zwar der berühmteste Schriftsteller Europas, aber er ist auch heimatlos, seiner Vaterstadt verwiesen, von Behörden bedrängt. Er kann in vornehmer Gesellschaft glänzen, aber er hat kein Talent zum Höfling – weder in Versailles noch in Sanssouci. Mit dem Abschied aus Potsdam endete die zweite große Phase seines Lebens, die wechselvollen mittleren Jahre, die er als Gast an zwei Königshöfen und in Cirey verbrachte, mehr als 15 Jahre lang an der Seite der Marquise du Châtelet, der Liebe seines Lebens. Am Genfer See wird er, wie in der dritten Stunde zu sehen sein wird, einen Ort findet, an dem er zur Ruhe kommt. Nach Jahrzehnten an fremden Höfen erwirbt er erstmals Grundbesitz. Auf seinen Landgütern am Fuße der Alpen wird er in den fast 25 Jahren, die noch vor ihm liegen, sein gigantisches Alterswerk in Angriff nehmen. Er wird als Kopf der „Philosophen“ jene Schriften verfassen, die seinen weltliterarischen Ruf begründen und als Anwalt der Entrechteten die Herzen der Franzosen erobern ... Musik 3. Stunde Musik Erzählerin: Voltaire, in seiner Jugend ein Dichter des Rokoko, entwickelt sich erst zum Aufklärer, als er 1726 im Londoner Exil mit dem naturwissenschaftlich-kritischen Denken des englischen Empirismus in Berührung kommt. Seine „Philosophischen Briefen“ von 1734 werden zu einer schonungslosen Abrechnung mit den Verhältnissen im französischen Spätabsolutismus. Doch gleichzeitig treibt ihn sein unstillbarer Ehrgeiz an den Hof von Versailles, an dem er vorübergehend eine glänzende Stellung gewinnt. Erst nachdem er dort in Ungnade gefallen ist und seine große Liebe, Émilie, 1749 im Kindbett stirbt, folgte er einem Ruf Friedrich des Großen an den Potsdamer Hof. Doch das preußische Intermezzo endete nach nur drei Jahren ähnlich unrühmlich, mit einem großen Eklat. Voltaire, inzwischen 60 Jahre alt, in ganz Europa berühmt und unermesslich reich, könnte sich zur Ruhe setzen und die Früchte seiner Arbeit genießen. Doch stattdessen zieht es ihn an den Genfer See, wo er mit einer phänomenalen Schaffenskraft sein erstaunliches Alterswerk in Angriff nimmt ... Erzählerin: Nachdem Voltaire Anfang 1755 das mondäne Landgut „Les Délices“ an den Ufern des Genfer Sees erworben hat, schreibt er heiter wie lange nicht an den Freund Thieriot: Voltaire: „Ich habe mich zum Maurer, Zimmermann und Gärtner entwickelt. In meinem Hause herrscht Konfusion. Madame Denis und ich, wir sind dabei, für unsere Freunde und für unsere Hühner Behausungen zu schaffen. Wir pflanzen Orangenbäume und Zwiebeln, Tulpen und Karotten. An allen Ecken und Enden fehlt etwas. Es gilt, Karthago neu zu gründen.“ Erzählerin: Bald ersteht Voltaire zusätzliche zwei Villen in Lausanne, dann dehnt er auch seine Domäne auf die französische Seite aus: 1758 kauft er die Herrschaften Tournay und Ferney, die seinen Schweizer Besitz noch bei weitem übertreffen. Seine Liegenschaften am Genfer See werden in den mehr als zwanzig Jahren, die noch vor ihm liegen, sein fester Aufenthaltsort sein. Dank ihrer Lage fühlt er sich endlich vor behördlichen Zugriffen sicher. Nach Paris schreibt er scherzhaft: Voltaire: „Ein Philosoph muss gegen die Hunde, die ihn verfolgen, mehrere Schlupflöcher haben. Ich habe vier Pfoten, nicht nur zwei. Mit der einen stehe ich in Lausanne, mit der zweiten in Genf, wo mir die gute Gesellschaft Besuche macht. Dies sind meine beiden Vorderpfoten. Mit den Hinterpfoten aber stehe ich in Ferney und in der Grafschaft Tournay.“ Erzählerin: Dass Voltaire über Schlupflöcher nachdenkt, ist keine Koketterie. In einem Alter, in dem sich andere zur Ruhe setzen, geht er auf die Barrikaden – radikal und furchtlos wie nie. Er beginnt mit der Mitarbeit an der „Enzyklopädie“, schreibt an dem epochalen „Versuch über die Sitten und den Geist der Nationen“ und nimmt sein Alterswerk in Angriff. An den Weggefährten d‘Alembert schreibt er kampflustig: Voltaire: „Ich habe nun vierzig Jahre lang die Misshandlungen der Frömmler und Buben erduldet, ich habe gesehen, dass ich mit meiner Mäßigung nichts gewonnen habe, und dass es eine Narrheit ist, es zu hoffen. Man muss den Krieg machen und nobel sterben, ein ganzes Frömmlerheer rings um sich hingestreckt.“ Erzählerin: Voltaire arbeitet im Alter achtzehn Stunden täglich. Er kümmert sich um die Verwaltung der Güter, empfängt Gäste, widmet sich der literarischen Arbeit und seiner Korrespondenzen, die zum bedeutendsten Briefwechsel des Jahrhunderts anschwillt. Voltaire sei nie so produktiv gewesen wie in dieser letzten Lebensperiode, resümiert sein Biograph David Friedrich Strauß. Den Gipfel seines Ruhmes hat er schon erreicht, aber seine historische Bedeutung beruht vorzugsweise auf dem, was er in den folgenden Jahren leistet ... Musikzäsur Erzählerin: Im ersten Sommer in der neuen Heimat erhält Voltaire Post von einem Autor, der fünf Jahre zuvor mit einer aufsehenerregenden „Abhandlung über die Wissenschaften und Künste“ blitzartig zu einer Berühmtheit geworden ist: Jean-Jacques Rousseau. Er schickt ihm seine Schrift über den „Ursprung der Ungleichheit unter den Menschen“. In dem bahnbrechenden Werk finden sich kühne Sätze wie diese: Sprecher: „Der Erste, welcher ein Stück Landes umzäunte, sich in den Sinn kommen ließ zu sagen: Dieses ist mein, (…) der war der wahre Stifter der bürgerlichen Gesellschaft. Wie viel Laster, wie viel Krieg, wie viel Mord, Elend und Gräuel hätte einer nicht verhüten können, der die Pfähle ausgerissen, den Graben verschüttet und seinen Mitmenschen zugerufen hätte: ,Glaubt diesem Betrüger nicht; Ihr seid verloren, wenn Ihr vergesst, dass die Früchte Euch allen, der Boden aber niemandem gehört.'“ Erzählerin: Rousseau beschwört einen imaginären „Urzustand“ des Menschen – ein Leben im Einklang mit der Natur. Sein Ideal orientiert sich an der präindustriellen Agrargesellschaft. Als Voltaire die – in seinen Augen sehr befremdliche – Preisschrift liest, ahnt er nicht, dass die Nachwelt diesen Sozialromantiker einst als seinen großen philosophischen Antipoden wahrnehmen wird. Er hat Mühe, ihn ernst zu nehmen. Als Denker sind beide so grundverschieden, wie zwei Menschen nur sein können. Ende August antwortet er dem Jüngeren: Voltaire: „Ich habe Ihr neues Buch gegen das Menschengeschlecht erhalten, ich danke Ihnen dafür; Sie werden bei den Menschen, denen Sie die Wahrheit sagen, Gefallen finden, und Sie werden sie nicht bessern. (…) Niemals ist so viel Geist aufgewandt worden, um uns zu Tieren zu machen. Man bekommt richtig Lust, auf allen Vieren zu gehen, wenn man Ihr Werk liest. (…) Ich gestehe mit Ihnen, dass die Literatur und die Wissenschaft bisweilen Böses angerichtet hat. Aber, mein Herr, Sie müssen auch zugeben, dass weder Cicero noch Lukrez, noch Vergil, noch Horaz die Urheber von Verfolgungen waren. (…) Die Literatur gibt der Seele Nahrung, sie bessert und tröstet sie, und sie gereicht auch Ihnen zum Ruhme, sogar in dem Augenblick, da Sie gegen sie schreiben. (…) Herr Chapui teilt mir mit, dass Ihre Gesundheit sehr schlecht ist. Sie sollten hierherkommen und sie in der Heimatluft wiederherstellen, die Milch unserer Kühe trinken und unsere Wiesen abweiden.“ Erzählerin: Die Gegensätze zwischen beiden sind unüberwindlich, weil sie Grundsätzliches betreffen: Voltaire, ein humanistischer Aufklärer, empfindet den Kulturpessimismus Rousseaus und die Verherrlichung eines barbarischen Urzustandes ohne Kunst, Literatur und Wissenschaften als geradezu töricht. Das Theater ist für ihn ein Werkzeug der Aufklärung. Überdies genießt er als kultivierter Mensch die Opulenz von Schauspiel und Oper – im krassen Unterschied zu dem Asketen und Theaterfeind Rousseau. Der Konflikt zwischen ihnen spielt aber nicht nur auf persönlicher Ebene, er steht für einen Bruch in den Reihen der Aufklärer selbst. Wie viele Autoren der Enzyklopädie glaubt Voltaire an die kultivierende Kraft des Liberalismus und des freien Marktes. Rousseau träumt dagegen als Wortführer der sozialrevolutionären Intellektuellen von einer egalitären Gesellschaft ohne Standes- und Besitzunterschiede. In seiner Antwort ist er um einen ironischen Ton bemüht, aber spürbar gekränkt: Sprecher: „Als ich Ihnen den Entwurf meiner traurigen Phantastereien darbot, hatte ich nicht geglaubt, Ihnen ein würdiges Geschenk zu machen, sondern wollte einer Pflicht genügen und Ihnen eine Huldigung darbringen, die wir alle Ihnen als unserem Haupte schuldig sind. (…) Versuchen Sie nicht, wieder auf vier Füßen zu gehen, niemandem auf der Welt würde das schlechter gelingen als Ihnen.“ Atmo: Musik einspielen, eventuell Katastrophengeräuschen einblenden (Erdbeben, Feuer, Schreie, einstürzende Gebäude etc.), dann ausfaden Erzählerin: Im November des Jahres 1755 erschüttert eine Katastrophe Europa. Das Erdbeben von Lissabon reißt in einer einzigen Nacht mindestens 30 000 Menschen in den Tod. Große Teile der portugiesischen Hauptstadt werden restlos zerstört. Goethe, damals gerade sechs Jahre alt, wird sich später daran erinnern, wie sein kindliches Weltvertrauen durch dieses Ereignis im Tiefsten zerrüttet wurde. Wie ihm, geht es vielen. Das Erdbeben ist der Schock des 18. Jahrhunderts – und Auslöser langer philosophischer Dispute. In ihrem Mittelpunkt steht das Theodizee-Problem, also die Frage, wie ein gütiger Gott es zulassen kann, dass Tausende Unschuldige sterben. Für die Kirche ist das Erdbeben eine himmlische Strafe für die Verderbtheit der Stadt. Voltaire empfindet diese Deutung als empörend und geradezu grotesk, ebenso wie den realitätsblinden Optimismus, der sich auf Gottfried Wilhelm Leibniz beruft. Der deutsche Philosoph hatte die Ansicht vertreten, dass die von Gott geschaffene Welt die „beste aller möglichen Welten“ sei. Die metaphysische Geborgenheit, die diese These beschwört, ist Voltaire fremd. Er ist ein sehr moderner Denker, der die Verlorenheit des Menschen illusionslos anerkennt. Schon in seiner Fabel „Mikromegas“ finden sich die Zeilen: Voltaire: „Unser Dasein ist ein Punkt, unser Leben ein Augenblick, unser Planet ein Atom. Kaum hat man begonnen, sich ein wenig auszukennen, kommt der Tod (…). Ich für meinen Teil wage keine Pläne zu machen; ich empfinde mich wie ein Wassertropfen im unermesslichen Ozean.“ Erzählerin: Jetzt schreibt er an seinen Arzt Tronchin: Voltaire: „Da sehen Sie, mein Herr, wie furchtbar grausam doch die Natur ist. Man wird ganz schön in Verlegenheit sein zu enträtseln, wie die Gesetze der Bewegung solche furchtbaren Verwüstungen in der besten aller möglichen Welten anrichten können (…) Welch trübes Spiel des Zufalls ist doch das menschliche Leben. (…) Ich bin’s zufrieden, dass wenigstens die ehrwürdigen Patres Inquisitoren mit den anderen dahingerafft sind. Das sollte doch die Menschen lehren, nicht ihresgleichen zu verfolgen, denn während einige heilige Schufte ein paar Fanatiker verbrennen, verschlingt die Erde alle beide.“ Erzählerin: Voltaires Beitrag zur Theodizee-Debatte ist das Gedicht „Erdbeben von Lissabon oder Prüfung des Axioms: Alles ist gut“ – eine erschütternde Klage über die Gleichgültigkeit der blinden Naturgewalten: Voltaire: „(…) Getäuschte Philosophen, die ihr alles gut nennt, kommt her und seht die grauenhaften Trümmer, Ruinen, Fetzen, seht dies Häuflein Asche. Verschüttet, liegen Frauen, Kinder durcheinander, und der gestürzte Marmor deckt die abgerissenen Glieder. Die Erde hat hunderttausend Elende verschlungen, die, atmend noch, zerfleischt und blutig, von ihrem Dach begraben, hilflos enden. Wollt ihr, wenn sie mit halber Stimme sterbend seufzen (…) noch immer sagen: ‚Dies ist die Folge ewiger Gesetze, die eines freien, guten Gottes Wahl bedingen?‘ (...) Wir sind gepeinigte Atome bloß auf einem Haufen Schlamm, Spielball des Schicksals und des Todes Beute; Atome aber, die begreifen, deren Augen die Himmel unter Einführung des Gedankens ausgemessen haben.“ Atmo: Musik kurz anspielen, dann unter den Text ziehen Erzählerin: Rousseau reagiert auf das Gedicht mit einem langen Brief, in dem er das Erdbeben als Folge des zivilisatorischen Übermuts interpretiert. Voltaire sind seine Ausführungen zutiefst fremd, dennoch antwortet er in versöhnlichem Ton: Voltaire: „Mein verehrter Philosoph, in den Zeiten zwischen unseren Krankheiten können wir, Sie und ich, in Versen und in Prosa philosophieren. Doch im gegenwärtigen Augenblick werden Sie mir verzeihen, wenn ich all diese philosophischen Erörterungen beiseitelasse, die ja doch nur eitle Vergnügen sind. Ihr Brief ist sehr schön, ich habe aber eine meiner Nichten hier bei mir (…). Ich bin Krankenwärter und dabei selber sehr krank. Ich will warten, bis es mir besser geht und bis meine Nichte gesund ist, ehe ich wage, mit Ihnen zu denken.“ Erzählerin: 1756 erscheint Voltaires „Versuch über die Sitten und den Geist der Nationen“, das umfangreichste seiner historischen Werke. Voltaire spricht bescheiden von einem „Essay“, tatsächlich handelt es sich um ein vierbändiges Monumentalwerk über die ideellen und kulturellen Leistungen der Völker, nicht nur in Europa, sondern auch in Indien, China und Japan. Mit diesem Buch, an dem er fast fünfzehn Jahre gearbeitet hat, wird Voltaire zum Begründer der Universalgeschichte. Über seinen kulturhistorischen Ansatz schreibt er an Thieriot: Voltaire: „Die Schleuse eines Kanals, die zwei Meere verbindet, ein Bild von Poussin, eine schöne Tragödie, eine an den Tag gebrachte Wahrheit sind tausendmal wertvoller als alle Annalen des Hofes, als alle Berichte über Feldzüge. (…) Groß nenne ich die Männer, die sich im Nützlichen und Angenehmen hervorgetan haben. Die Verwüster von Provinzen sind nur Helden.“ Erzählerin: Einer dieser Helden, Friedrich II., löst im April 1756 durch den Einmarsch in Sachsen den Siebenjährigen Krieg aus. Die Verschärfung der Zensur bringt die Arbeiten an der „Enzyklopädie“ für drei Jahre zum Erliegen. In einem Brief an d‘Alembert klagt Voltaire: Voltaire: „Wie albern ist Paris doch noch immer. Weshalb nur diese Wut gegen die Philosophie? Ich kann mich gar nicht daran gewöhnen, die Weisen von Toren in den Staub getreten zu sehen. Mein Herz ist tief verwundet.“ Erzählerin: Und über Rousseau, der sich inzwischen auch unter die Feinde der Enzyklopädie gesellt hat, schreibt er spürbar verärgert: Voltaire: „Rousseau ist doppelt undankbar. Er greift eine Kunst an, die er selbst ausgeübt hat, und er schreibt gegen Sie, der Sie ihn mit Lob überhäuft haben. Wahrhaftig, ‚die Klügsten sind nicht immer die Weisesten‘. (…) Der König von Preußen sitzt in der Klemme. Maria Theresia sinnt auf Auswege, alle sind sie ruiniert. Rousseau ist nicht der schlimmste Verrückte in dieser Welt.“ Erzählerin: Die Auseinandersetzung erhält neue Nahrung, als Voltaire in Genf ein Theater gründet. Rousseau hält das Theater für einen Ort der Sittenverderbnis und gebärdet sich als der sittenstrengste aller Calvinisten, als rigoroser Gegner „weltlicher Lustbarkeiten“. An Voltaire schreibt er im Sommer 1760 voller Bitterkeit: Sprecher: „Ich liebe Sie nicht, mein Herr; Sie haben mir Böses angetan, (…) mir, Ihrem Schüler und begeisterten Anhänger. Sie haben Genf (…) verdorben; den Aufenthalt in meiner Heimat haben Sie mir unerträglich gemacht; Sie sind schuld, dass ich in fremder Erde sterbe, allen Trostes der Sterbenden beraubt (…) – Ich hasse Sie, nun ja, weil Sie es so gewollt haben; aber ich hasse Sie als ein Mann, der es noch mehr wert gewesen wäre, Sie zu lieben, wenn Sie es gewollt hätten.“ Erzählerin: Nach vielen Anfechtungen zerstreitet sich Rousseau nun mit fast allen früheren Weggefährten und gewinnt zunehmend paranoide Züge. Voltaire an d‘Alembert: Voltaire: „Über Ihren Jean-Jacques bin ich am meisten aufgebracht. Dieser Erznarr, der etwas hätte sein können, wenn er sich von Ihnen hätte leiten lassen, lässt sich einfallen, eine Partei für sich zu machen; er eifert gegen das Schauspiel, er lässt seine Freunde im Stich, er schreibt mir den impertinentesten Brief, den jemals ein Fanatiker gekritzelt hat.“ Erzählerin: Voltaire ist zeitlebens überzeugt, dass Rousseau ein im Grund bemitleidenswerter, aber eben auch gefährlicher Narr ist. Musikzäsur Erzählerin: Mit Mitte sechzig wendet sich Voltaire einer neuen literarischen Form zu, dem „kleinen Roman“. Es ist ein seltsames Paradox, dass sein dichterischer Ehrgeiz fast ausschließlich seinen Dramen und Epen gilt, während seine weltliterarische Bedeutung auf der meisterhaften Prosa beruht, die er fast beiläufig niederschreibt. Das funkelndste seiner Prosastücke ist der Roman „Candide“, zu Deutsch „Der Arglose“, eine beißende Satire auf Leibniz‘ Theodizee mit ihrer Lehre von „der besten aller möglichen Welten“. In Mittelpunkt der Geschichte stehen der naive Held Candide und sein Hauslehrer Pangloss. Letzterer, ein glühender Leibnizianer, trichtert seinem Schüler unermüdlich ein, dass in dieser Welt alles aufs Trefflichste eingerichtet sei. Candides Unglück beginnt, als er sich in Kunigunde verliebt, die Tochter eines Barons. Nachdem man ihn mit Fußtritten aus dessen Schloss verjagt hat, stolpert er in rasendem Tempo von einer Katastrophe in die nächste. Er wird in die Armee gepresst, desertiert und muss zur Strafe Spießrutenlaufen. Sein Schicksal treibt ihn von Land zu Land, er gerät in das Erdbeben von Lissabon und wird Opfer eines „prachtvollen Autodafés“: Sprecher: „Die Universität hatte nämlich entschieden, das erhebende Schauspiel einiger Menschen, die lebendigen Leibes an einem langsamen Feuer zu Tode geröstet werden, sei ein unfehlbares Geheimmittel gegen Erdbeben.“ Erzählerin: Kunigunde wird von Soldaten geschändet und ermordet, Candides Begleiter Pangloss gehenkt, er selbst bringt ohne böse Absicht drei Menschen um. Er reist durch das versklavte Lateinamerika und sieht die Gräuel der christlichen Konquistadoren. Zurück in Europa, fällt er Betrügern und Dieben in die Hände und gelangt schließlich auf einer Galeere nach Konstantinopel, wo alle Bewohner des Schlosses wie durch Zauberhand wieder zueinanderfinden. Denn wunderbarerweise haben alle überlebt. Candide hat durch seine schrecklichen Erfahrungen gelernt, dass der Optimismus eine „rasende Tollheit“ ist. „Nun sagen Sie mir, mein lieber Pangloss“, fragt er am Ende, „als Sie gehenkt wurden, als man Sie sezierte, windelweich bläute, als Sie auf den Galeeren rudern mussten, glaubten Sie da immer noch, es sei alles auf Erden zum Besten bestellt?“ Pangloss, ein echter Metaphysiker, ist gegen alle Evidenz immun. Sprecher: „Ich bin immer noch der gleichen Meinung wie eh und je, denn schließlich bin ich ein Philosoph. Es schickt sich nicht für mich, meine Ansicht zu widerrufen, denn Leibniz konnte nicht irren, und überdies ist die prästabilisierte Harmonie das Schönste auf der Welt, so gut wie die körperlose Materie und der volle Raum.“ Erzählerin: „Wohlgesprochen“, erwidert gutmütig Candide, „nun aber müssen wir unseren Garten bestellen.“ – „Il faut cultiver son jardin“: ein Satz, der sich leimotivisch durch Voltaires Spätwerk zieht. Voltaire hat viele Prosastücke geschrieben, aber keines erreicht die satirische Wucht und gedankliche Schärfe dieser Geschichte. Als das Buch anonym erscheint, verbieten es die Behörden in Paris und Genf augenblicklich, doch der Erfolg ist nicht aufzuhalten. Allein zu Lebzeiten Voltaires erscheinen über 40 Auflagen; in Frankreich zählt es zu den meistgelesenen Werken des Jahrhunderts. König Friedrich liest es in den Pausen seiner Schlachten gleich mehrfach. Er schreibt im April 1759 an Voltaire: Friedrich: „Ich bin Ihnen sehr verpflichtet für die Bekanntschaft mit Monsieur Candide, die Sie vermittelt haben; er ist ein modern gewandeter Hiob. Das muss man zugeben: (…) die Beste der möglichen Welten ist sehr böse und sehr unglücklich. Dies ist nun die einzige Art von Roman, die man lesen mag; er ist lehrreich und hat mehr Beweiskraft als Argumentationen.“ Erzählerin: Der Briefwechsel zwischen Friedrich und Voltaire, der einige Jahre fast eingeschlafen war, hat mit Beginn des Siebenjährigen Krieges wieder eingesetzt. Allerdings hat sich der Ton verändert. Jetzt korrespondieren zwei Männer auf Augenhöhe. Voltaire antwortet auf das obige Schreiben: Voltaire: „Ihr Metier als Held und Ihr Rang als König lassen das Herz nicht gerade empfindsam werden; das ist schade, denn dieses Herz war dazu gemacht, menschlich sein, und ohne Heroismus und Thron wären Sie zum liebenswertesten Menschen der Gesellschaft geworden. (…) Zählen sie darauf, dass ich stets dumm genug sein werde, Sie zu lieben und gerecht genug, Sie zu bewundern; seien Sie dankbar für die Offenheit, und empfangen Sie huldvoll den tiefsten Respekt des Schweizers. Voltaire.“ Erzählerin: In einem solchen Ton hat vermutlich niemals irgendwer mit König Friedrich zu sprechen gewagt. Seine Reaktion lässt nicht auf sich warten: Friedrich: „Sind Sie mit Ihren siebzig Jahren noch nicht vernünftig? Lernen Sie endlich in Ihrem Alter, in welcher Art Sie mir zu schreiben haben! Merken Sie sich dies, dass es für Schriftsteller und Schöngeister erlaubte Freiheiten und unerträgliche Frechheiten gibt! Werden Sie endlich einmal ein Philosoph, das heißt vernünftig.“ Musikzäsur Erzählerin: Sein Leben lang hat Voltaire seine eigenen Schriften verleugnet; mal augenzwinkernd, mal entrüstet, mal in gekränkter Unschuld. Die Haltung des Helden hat er nie angestrebt. D’Alembert gegenüber bemerkt er einmal, er sei „ein warmer Freund der Wahrheit, aber keiner des Märtyrertums“. Viele müssen in dieser Epoche ihre Werke verleugnen, aber keiner tut das so oft, eloquent und lustvoll wie Voltaire. Über seinen „Candide“ schreibt er an einen Genfer Pastor: Voltaire: „Ich habe jetzt endlich den Candide zu lesen bekommen, und ganz wie bei der Jeanne d’Arc erkläre ich ihnen, dass man von Vernunft und Sinnen sein muss, um mir eine derartige Schweinerei anzudichten.“ Erzählerin: 1762 gibt Voltaire „Das Testament des Abbe Meslier“ heraus, eine Grundschrift der Religionskritik und eines der skandalösesten Werke der beginnenden Moderne. Durch die Erfahrung des unbeschreiblichen Elends der einfachen Leute hatte der katholische Pfarrer Jean Meslier wenige Jahrzehnte zuvor seinen Glauben verloren. In den sozialrevolutionären Texten, die er heimlich verfasste, erklärte er die Habgier zur Wurzel alles Bösen und schilderte die Aristokraten als eine despotische Parasitenschicht. Als die „größten Volksbetrüger“ galten ihm die Priester: Sprecher: „Wisst also, meine lieben Freunde, was in der Welt als Gottesdienst und Andacht praktiziert wird, ist nichts als Irrtum, Täuschung, Einbildung und Betrug; alle Gesetze, alle Vorschriften, die im Namen (…) Gottes erlassen werden, sind in Wahrheit nichts als menschliche Erfindungen.“ Erzählerin: Hätte der Abbé seine Schriften zu Lebzeiten publiziert, man hätte ihn aufs Rad geflochten und gevierteilt. Voltaire gibt sein „Testament“ heraus, allerdings in einer überarbeiteten Fassung, die das Original in zwei zentralen Punkten verfälscht: Seiner Redaktion zum Opfer fallen die sowohl die revolutionären als auch die streng atheistischen Passagen. Denn Voltaire ist kein Atheist. Er glaubt an ein „höchstes Wesen“, zeitlebens – allerdings als Deist. Wie viele Aufklärer glaubt er, dass Gott die Erde erschaffen hat, aber seit der Schöpfung nicht mehr ins Weltgeschehen eingreift. Was die Theologen über Gott erzählen, ist albern. Sie urteilen über Dinge, von denen wir nichts wissen. Und denken sich Dogmen aus, die zu nichts führen als zu Fanatismus und Streit. Eine wahre, aufgeklärte Religion, so schreibt er … Voltaire: „… dürfte das Wesen der Gottesverehrung nicht in eitlen Zeremonien sehen (…) Sie müsste uns anhalten, unseren Nächsten aus Liebe zu Gott zu dienen, statt sie im Namen Gottes zu verfolgen und umzubringen. Nur eine Religion, die alle anderen duldet und zu deren Wohlwollen würdig ist, kann aus der Menschheit ein Volk von Brüdern machen.“ Erzählerin: Unter seiner Redaktion wird das Testament des ketzerischen Abbé zu einer deistischen Schrift, die im Namen jener Naturreligion, die Gott „in das Herz aller Menschen eingepflanzt hat“, den Klerus und die Kirche kritisiert. Atmo: kurz Musik anspielen, dann unter Text ziehen Erzählerin: Voltaire ist 72 Jahre alt, als das „Philosophische Wörterbuch“ erscheint. Sein Themenspektrum umfasst die Bereiche Kirche, Glaube, Philosophie, Ästhetik und Gesellschaft. Die Diktion ist kurz, klar, oft ironisch. Es ist das theoretisch bedeutendste seiner Werke. Die Verteidigung des Empirismus gegen die alte Metaphysik, die Kritik an den französischen Zuständen und der Kirche, der Kampf gegen Intoleranz und Glaubenseifer – all das ist nicht neu in seinem Werk, wird hier aber mit einer Schärfe vorgetragen, wie selten zuvor. Über religiösen Fanatismus heißt es zum Beispiel: Voltaire: „Was für ein Netz von Betrügereien, Verleumdungen, Schurkereien haben die Fanatiker der römischen Kurie gegen die Fanatiker Calvins, die Jesuiten gegen die Jansenisten gesponnen (…). Sie tragen alle die gleiche Binde vor den Augen, ob es nun darum geht, die Städte und Dörfer ihrer Gegner in Brand zu stecken und die Einwohner zu erwürgen, oder ganz einfach darum, zu betrügen, sich zu bereichern und zum Herrn aufzuwerfen. Der Fanatismus macht sie blind, sie glauben, recht zu tun. Alle Fanatiker sind Schurken aus gutem Gewissen und morden in gutem Glauben an eine gute Sache.“ Erzählerin: Und über die Pervertierung der Fastengesetze: Voltaire: „Die großen Herren und Damen (…) fasten sechs Wochen bei Scholle, Lachs, Steinbutt und Stör. Einer unserer bekanntesten Finanzleute hatte Kuriere, die ihm jeden Tag für hundert Taler frische Seefische nach Paris brachten. Lucullus hätte nicht genüsslicher fasten können (…) Sollte man es für möglich halten, dass es bei den Papsttreuen Gerichtshöfe gegeben hat, die so beschränkt, niederträchtig und grausam waren, arme Bürger zum Tode zu verurteilen, deren einziges Verbrechen darin bestand, in der Fastenzelt Pferdefleisch gegessen zu haben? Und doch ist es vorgekommen, ein Urteil dieser Art liegt mir vor. Ihr beschränkten und grausamen Priester, wem befehlt ihr zu fasten? Vielleicht den Reichen? Sie denken nicht daran. Oder etwa den Armen? Sie fasten das ganze Jahr. Der arme Bauer isst fast niemals Fleisch, und Fisch kann er sich nicht kaufen. Ihr Narren, wann werdet ihr eure widersinnigen Gesetze ändern?“ Erzählerin: Und über Weltgeistliche und selbstherrliche Landpfarrer: Voltaire: „Ist Gott auf die Erde hinabgestiegen, um irgendeinem Abbé den vierten Teil meines Vermögens zu schenken? Nicht, dass ich wüsste. (…) Ihr habt euch die Zeiten der Unwissenheit und des Aberglaubens zunutze gemacht, um uns unser Hab und Gut zu rauben, uns mit Füßen zu treten und euch auf Kosten der Unglücklichen zu mästen. Zittert vor dem anbrechenden Tag der Vernunft!“ Erzählerin: Das „Philosophische Wörterbuch“, das anonym erscheint, wird in Genf und Frankreich auf der Stelle vom Henker verbrannt. Voltaire bittet d’Alembert in einem geheimen Schreiben, ihn rechtzeitig vor Verfolgungen zu warnen: Voltaire: „Sowie es die geringste Gefahr damit hat, bitte ich Sie sehr, mir davon Nachricht zu geben, damit ich das Werk in allen öffentlichen Blättern mit meiner gewohnten Ehrlichkeit und Unschuld desavouieren kann.“ Erzählerin: Das Buch wird zu einem sensationellen Erfolg. Allein in den ersten zwei Jahren kommen fast zwanzig Auflagen heraus. Es ist ein offenes Geheimnis, wer der Verfasser ist. Weil er damit rechnen muss, dass seine Briefe an d‘Alembert von den Behörden heimlich gelesen werden, macht Voltaire sich ein spöttisches Vergnügen daraus, Unschuld zu heucheln: Voltaire: „In der Tat habe ich das verteufelte Wörterbuch gelesen. Es hat mich ebenso wie Sie erschreckt. Aber mein größter Kummer ist der, dass es Christen gibt, die mich in Verdacht haben, der Autor eines so unchristlichen Werkes zu sein.“ Sprechpause, Musikeinspieler (Solo-Akustik-Gitarre) oder … (Atmo: Landszene, Landgeräusche, Pferdekarren, Hühner etc.?) Erzählerin: Derselbe Mann, der ein ganzes Buch mit verbalen Sprengsätzen füllt, der seine Brief mit „Écrasez l'infâme!“ unterzeichnet, „Zermalmt die verruchte Kirche!“, lebt auf seinem Landsitz wie ein Fürst. Allerdings wie ein aufgeklärter, wohltätiger Fürst. Die Entwicklung seines ‚kleinen Königreichs‘ liegt ihm am Herzen. Er steckte ein Vermögen in die Urbarmachung des Landes, gewährt den Bauern zinslose Darlehen und hilft ihnen in Notzeiten mit Geldgeschenken aus. Überdies siedelt er Handwerker an. Uhren aus Ferney werden bald bis nach Moskau und Konstantinopel verkauft. An Freunde in Paris schickt er stolz Seidenstrümpfe aus eigener Manufaktur. Auch als Landwirt ist er produktiv. Er kümmert sich um die Verbesserung der Böden, experimentiert mit Saatgut, geht beim Anpflanzen mit auf die Felder. Beim Kauf von Ferney lebten dort ein paar Dutzend Bauern in kärglichen Behausungen, zwanzig Jahre später ist es ein prosperierender Ort mit 1200 Bewohnern. Wenn Voltaire durch seine Straßen fährt, kommt es zu rührenden Szenen: Sprecher: „Sobald man den Wagen bemerkte, verließen die Arbeiter ihre Werkstätten, alte Leute, Frauen, Kinder stellten sich vor ihm auf, fragten ihn, wie es ihm gehe, baten den Ewigen, er möge seine Tage erhalten: ‚Lieber Gott, erhalte uns unsern guten Herrn von Voltaire, unsern Wohltäter‘. Er ließ die Pferde im Schritt gehen, redete mit ihnen und versprach neue Wohltaten. Er sagte zu mir mehrmals, diese Augenblicke seien die köstlichsten seines Lebens.“ Erzählerin: Zu seinem Reich gehören mehrere Herrschaften, Villen und Schlösser, Äcker und Weinberge, ein eigenes Theater, sogar eine Kirche mit der Inschrift „Deo erexit Voltaire“, „ Für Gott von Voltaire errichtet“. Ferney wird zu einer Art Wallfahrtsort, denn Voltaire ist inzwischen eine Berühmtheit allerersten Ranges. Zur Schar der Besucher zählen Vertreter des Hochadels, Wissenschaftler, Literaten, Schauspieler und Gäste aus aller Herren Länder. Voltaire ist ein großzügiger Gastgeber. Freunden gegenüber bezeichnet er sich manchmal scherzhaft als „Herbergsvater Europas“. Zum Haushalt gehört Vater Adam, ein gutmütiger Mensch und aufrichtiger Christ, der den Bauern manchmal die Messe liest. Seine Hauptaufgabe besteht allerdings darin, mit Voltaire Schach zu spielen und dabei geschickt zu verlieren. Über den Schlossherrn sagt der ehemalige Jesuitenpater: Sprecher: „Es ist schade, dass er nicht ans Christentum glaubt. Er hat viele christliche Tugenden. Er hat die schönste Seele, ist menschenfreundlich und wohltätig, aber gegen das Christentum hat er nun einmal ein Vorurteil. Wenn er ernsthaft aufgelegt ist, suche ich mit ihm zu reden; hat er aber seine lästerlichen Anwandlungen, halte ich lieber den Mund.“ Erzählerin: Die Rolle des unersetzlichen Hausdrachens hat die leb- und leibhafte Marie-Louise. Von den Gästen wird sie halb belächelt, halb gefürchtet. Ihr sprudelndes Temperament weiß auch Voltaire manchmal nur noch mit dem Ruf „Raus, du dicke Sau!“ zu bändigen. Madame d‘Epinay beschreibt sie so: Zitatorin: „Die Nichte Voltaires ist zum Totlachen; eine kleine, dicke Frau, kugelrund, eine ganz unmögliche Frau, hässlich und gutmütig. Sie lügt ganz ohne Absicht und ohne Arg, sie scheint Geist zu haben und hat doch keinen. Sie schreit, sie entscheidet, sie politisiert, sie schwatzt dummes Zeug.“ Erzählerin: Als Voltaire die Nichte bei Geschäften mit unveröffentlichten Manuskripten ertappt, setzt er sie kurzerhand vor die Tür. Doch nach anderthalb Jahren kehrt sie reumütig zurück. Neider behaupten, weil sie ihren Onkel bald zu beerben hofft. Musikzäsur Erzählerin: Während Voltaire am „Philosophischen Wörterbuch“ schreibt, tritt eine weitere Facette seines vielseitigen Wesens zutage: Die des Intellektuellen, der sich als Anwalt der Entrechteten engagiert, der sich einmischt. Den Anlass gibt der größte Justizskandal seiner Zeit, der Fall Jean Calas. Der hugenottische Kaufmann war 1762 in Toulouse wegen der Ermordung seines Sohnes erst grausam gefoltert und dann hingerichtet worden. Der alte Mann habe, so die Anklage, den Sohn erwürgt, um dessen Übertritt zum Katholizismus zu verhindern. In Wirklichkeit hatte sich der Sohn das Leben genommen. Weil aber die Leichen von Selbstmördern nach der Sitte der Zeit von einem Pferd durch die Straße geschleift und geschändet wurden, hatte der Vater den Suizid verschleiern wollen. Seine Unschuld am Tod des Sohnes ist nach Lage der Indizien evident. Doch er ist Hugenotte und lebt in Toulouse, wo die Katholiken den Jahrestag der mörderischen Bartholomäusnacht noch immer mit Freudenfesten feiern. Als das Gerücht von seiner Schuld in Umlauf kommt, verbreitet es sich rasend. Der Pöbel tobt und geifert, die Pfarrer fordern von der Kanzel herab exemplarische Strafen für Katholikenfeinde. Die Fanatiker versetzen die ganze Stadt in Hysterie, und die Richter lassen sich anstecken. Während der Vater auf das Rad geflochten wird, begleitet eine riesige Prozession den Leichnam des Sohnes, der inzwischen als Märtyrer gilt. Als Voltaire von dem Justizmord hört, beschließt er, die Wahrheit aufzudecken. Aber das erweist sich als mühevoll. Das Gericht verweigert die Herausgabe der Akten. Voltaire beschafft sie sich. Er legte er sich mit den Behörden an, sucht Unterstützer bei Hof, stellt Gerichtsanträge und mobilisiert die Öffentlichkeit. Er schreibt einen langen „Traktat über die Toleranz aus Anlass des Todes von Jean Calas“, in dem er eine „Religion der Toleranz“ beschwört, die Gott nicht zum Tyrannen und den Nächsten nicht zum Opfer macht. Voltaire: „Es bedarf keiner großen Kunst, keiner gesuchten Beredsamkeit, um zu beweisen, dass die Christen einander zu dulden schuldig sind. Ich gehe weiter; ich sage, man muss alle Menschen wie seine Brüder ansehen. – Wie, der Türke mein Bruder? Der Chinese, der Jude, der Siameser mein Bruder? – Ja, zuverlässig. Denn sind wir nicht alle Kinder eines Vaters? Hat uns nicht ein Gott erschaffen?“ Erzählerin: Durch Petitionen, Briefe und unermüdliches Engagement erreicht er eine Überprüfung des Urteils. Bei der Wiederaufnahme des Verfahrens kommen auch Entlastungszeugen zu Wort. Der Schuldspruch der Toulouser Richter wird durch den königlichen Gerichtshof in Paris für nichtig erklärt. Jean Calas wird rehabilitiert, seine Hinterbliebenen erhalten eine Entschädigung von 36 000 Livres. Atmo: kurz Musik anspielen, dann unter Text ziehen Erzählerin: Noch während der Aufklärung dieser Geschehnisse ereignet sich ein ähnlicher Fall. Die Sirvens, auch sie Hugenotten aus der Gegend von Toulouse, sollen ein Kind ebenfalls ermordet haben, weil es zum katholischen Glauben wechseln wollte. Tatsächlich hatte sich das sensible Mädchen in einem Anfall geistiger Verwirrung ertränkt. Voltaire kommentiert: Voltaire: Bei den Katholiken in dieser Provinz betrachtete man es als einen der Hauptpunkte der protestantischen Religion, dass Väter und Mütter gehalten seien, alle ihre Kinder zu erhängen, zu erdrosseln oder zu ertränken, bei denen sie eine Neigung zur römischen Religion vermuteten. Erzählerin: Gewarnt durch das Martyrium des Jean Calas, entschließen sich die Sirvens, mit ihren beiden Töchtern zu Fuß nach Ferney zu fliehen. In Abwesenheit wird der Vater zum Tode verurteilt. Voltaire unterstützt die Familie finanziell und besorgt ihr einen Anwalt. Wieder setzt er alle Hebel in Bewegung – mit Erfolg. Sieben Jahre später verkündet das Gericht den völligen Freispruch. Fast noch mehr erschüttert ihn 1766 der Justizmord an dem Chevalier LaBarre. Der junge Mann hatte mit zwei Freunden an einem Kruzifix eine Fußzehe abgebrochen, einige unzüchtige Lieder gesungen und bei einer Prozession den Hut nicht abgenommen. Einer der drei wurde wegen Unzurechnungsfähigkeit verschont, dem zweiten gelang die Flucht, doch an LaBarre wurde ein bestialisches Exempel statuiert. Er musste mit dem Strick um den Hals öffentlich Buße tun, dann wurde er vor einer johlenden Menschenmenge geköpft. Als Voltaire von dem Ereignis hört, ist er zutiefst erschüttert. Man hat bei LaBarre verbotene Schriften entdeckt, darunter sein „Philosophisches Wörterbuch“. Voltaire verschafft dem flüchtigen Freund des jungen Mannes eine Offiziersstelle in Preußen und geht erneut in die Öffentlichkeit. Noch Jahre später wird er sich – in Absprache mit König Friedrich – um eine Aufhebung des Urteils bemühen. Diesmal ohne Erfolg. Auch als literarischer Autor kämpft er für die Humanisierung des Rechts. In mehreren Denkschriften fordert er die Abschaffung der Leibeigenschaft, die es in Teilen Frankreichs noch gibt. 1766 verfasst er einen Kommentar zu dem Buch „Über Verbrechen und Strafen“, in dem er leidenschaftlich gegen die Folter, die körperliche Strafen und andere Relikte der mittelalterlichen Rechtspraxis polemisiert. Zuweilen verzweifelte er fast an diesem Kampf, wie ein Brief an d‘Alembert verrät: Voltaire: „Ich verstehe nicht, wie denkende Menschen in einem Land voller Affen leben können, die so oft zu Tigern werden. Nun ist es vorbei mit dem Lustigsein. Witze passen nicht zu Massakern. Hier ist Calas gerädert worden; nicht weit davon erstickt ein Generalleutnant an einem Knebel im Mund; und zwei Wochen später werden zwei junge Menschen zum Tode auf dem Scheiterhaufen verurteilt um einiger Streiche willen, für die ein paar Monate Gefängnis Sühne genug gewesen wären. (…) Wohin ich blicke: nichts als barbarische Ungerechtigkeiten.“ Musikzäsur Erzählerin: Gelegentlich unterstützt Voltaire mittellose Mädchen, die er „adoptiert“, um ihnen zu einer guten Heirat zu verhelfen. Eines dieser Mädchen ist die Marquise de Villette, die mit ihrem Mann im Zentrum von Paris, am Ufer der Seine, ein Haus besitzt. Ende März 1778 soll Voltaires neue Tragödie „Irene“ an der Comedie Francaise zur Aufführung kommen. Anlässlich dieses Ereignisses wird Voltaire von dem Ehepaar Villette nach Paris eingeladen. Mit dreiundachtzig hat er große Sehnsucht, die Stadt seiner Jugend wiederzusehen. Bevor er am 5. Februar 1778 in die Kutsche steigt, versichert er den Bewohnern von Ferney, er sei in sechs Wochen zurück. In Paris kommt es zu einem bewegenden Wiedersehen mit alten Freunden wie Richelieu und d‘Argental. Die Akademie schickt ein feierliches Begrüßungskomitee, ebenso die Comedie Francaise. Dann setzte der Ansturm der Bewunderer ein. Die Marquise du Deffand schreibt an einen Freund: Zitatorin: „Voltaire empfing gestern dreihundert Personen. Ich werde mich sehr hüten, mich in diesen Schwarm zu drängen. Der ganze Parnass war dort, vom Sumpf bis zum Gipfel. Er wird die Anstrengung nicht aushalten können; es ist möglich, dass er stirbt, bevor ich ihn zu sehen bekomme.“ Erzählerin: Voltaire lässt sich wie im Glücksrausch durch die Straßen fahren. Wenn man seine Kutsche erkennt, jubeln die Pariser: „Hoch lebe Monsieur de Voltaire, der Verteidiger der Unglücklichen!“. Die meisten Menschen können weder lesen noch schreiben. Sie haben nie ein Buch von ihm gelesen, aber den Verteidiger der Calas und Sirven, den kennt jeder in Frankreich. Nach vierzehn Tagen erleidet er, wie von Freunden befürchtet, einen Zusammenbruch: Voltaire hustet Blut. Einige Tage lang hängt sein Leben am seidenen Faden, doch nach zwei Wochen tritt eine Besserung ein. Am 30. März erlebt er den Höhepunkt seiner triumphalen Rückkehr. Von der Akademie wird er wie ein Fürst geehrt und zum Ehrendirektor ernannt. Auf dem Weg zur Comedie Francaise bilden die Pariser ein Spalier und begleiten ihn mit Hochrufen. Während der Premiere der „Irene“ sind alle Augen auf ihn gerichtet. Ganz Paris weiß von dem Plan, Voltaire an diesem Tag die Ehrenkrone aufzusetzen. Als ein Schauspieler in die Ehrenloge tritt, um ihm einen Lorbeerkranz auf den Kopf zu legen, bricht ein Sturm von Vivat-Rufen los. Voltaire, ein von der Krankheit ausgemergelter Greis, ist vor Freude zu Tränen gerührt. Seine Büste wird auf die Bühne getragen und mit Blumen bekränzt. Als er das Theater verlässt, versucht die Menge, die Pferde auszuspannen, um die Kutsche selbst zu ziehen. Auf seine dringliche Bitte lässt man von dem Vorhaben ab, aber er muss im Schritttempo durch die jubelnde Menge fahren, während Enthusiasten seine Pferde küssen. In den nächsten Wochen steht er noch oft im Mittelpunkt von Ovationen. Anfang Mai präsentiert er sich ein letztes Mal voller Tatendrang. Doch Tage später erleidet er einen weiteren schweren Zusammenbruch. In den folgenden drei Wochen wird sein Zustand immer schlechter. Als am 30. Mai 1778 ein Priester in sein Sterbezimmer tritt, schickt ihn Voltaire mit der Bemerkung vor die Tür: „Lassen Sie mich in Frieden sterben!“. Gegen elf Uhr abends schließt er die Augen, für immer. Musikzäsur Sprecher: Die Ereignisse nach Voltaires Tod tragen Züge einer schwarzen Komödie. Weil der Bischof von Paris dem Erzketzer ein christliches Begräbnis verweigern will, spielen sich in der Todesnacht makabre Szenen ab. Ein Chirurg kümmert sich eiligst um die Sezierung und Einbalsamierung des Toten. Das Gehirn behält er für sich, das Herz übergibt er dem Marquis de Villette. Dann setzt man den Leichnam Voltaires mit Hausrock und Nachtmütze in eine Kutsche. Als schlafender Mann passiert er das Stadttor. Die Mönche einer Abtei bei Troyes, 150 Kilometer südöstlich von Paris, erklären sich bereit, den Toten zu bestatten. Ihr Prior wird deshalb später seines Amtes enthoben. Einen Gedenkstein dürfen seine Freunde und Verwandte ihm nicht errichten. Nach der Französischen Revolution erinnert man sich der fast vergessenen Ruhestätte. 1791 wird Voltaires Sarg ins Pantheon übergeführt. Die Reise des Katafalks gestaltet sich triumphal: man wirft Blumen, feuert Ehrensalven, bildet Spaliere. Dem Sarg folgen unter anderem die Töchter von Jean Calas. Doch die Überreste kommen nicht zur Ruhe. 1814 dringen Royalisten in das Pantheon ein, öffnen die Sarkophage von Voltaire und Rousseau und verscharren deren Knochen am Ufer der Seine. Sie sind verschollen, wie auch Voltaires Gehirn. Geblieben von ihm ist sein Herz, aufbewahrt in der Pariser Nationalbibliothek. Und seine Schriften, die bis heute durch ihren Witz, ihre Eloquenz, ihre Luzidität und ihre Humanität bestechen. Voltaire: „Was ist Toleranz? Sie ist Menschlichkeit überhaupt. Wir sind alle gemacht aus Schwächen und Fehlern; darum sei erstes Naturgesetz, dass wir uns wechselseitig unsere Dummheiten verzeihen.“ Musik: Absage Musik hoch und aus VG Wort Voltaire „Philosophisches Wörterbuch“ Verlag Philipp Reclam jun. Leipzig, 1984 Übersetzung von Erich Salewski 3´10 min Voltaire „Philosophische Briefe“ Verlag Ullstein GmbH, 1985, Übersetzung von Rudolf von Bitter 1´30 min Voltaire „Über die Toleranz“ Suhrkamp Verlag Berlin, 2015 Übersetzung von Karl August Horn, Joachim Timm, Lieselotte Ronte 2´10 min „Voltaire – Friedrich der Große. Briefwechsel“ Haffmanns Verlag Zürich, 1992 Übersetzung von Hans Pleschinski 7´10 min Voltaire „Korrespondenz aus den Jahren 1749–1760“, Röderberg-Verlag GmbH 1978, Frankfurt am Main Übersetzung von Bernhard Henschel 5´30 min Voltaire „Sämtliche Romane und Erzählungen in zwei Bänden“ Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung Leipzig (ohne Jahr) Übersetzung Ilse Lehmann 0´15 min Georg Holmsten „Voltaire“, Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH 2002, Reinbek bei Hamburg 4´10 min Matthias Jung „Voltaire – Die Waffe des Geistes“; emu Verlags- und Vertriebs-GmbH 2007, Lahnstein 1´40 min Jean-Jacques Rousseau „Frühe Schriften“, Verlag Philipp Reclam jun. Leipzig, 1970, Übersetzung von Helga Hasselbach und Winfried Schröder 0´15 min Egon Friedell „Kulturgeschichte der Neuzeit“ C. H. Beck’sche Verlagsbuchhandlung München 1979 (Sonderausgabe) 1´00 min Musikliste Titel: Französische Suite für Klavier Nr. 2 c-Moll, BWV 813, 1. Satz: Allemande Länge: 00:50 Solist: Evgeni Koroliov (Klavier) Komponist: Johann Sebastian Bach Label: TACET Best.-Nr: Tacet 161 Titel: Rondeau. La champetre. Les ecos. Duo für Blockflöte, Traversflöte und Basso continuo Länge: 00:47 Solist: François Lazarevitch (Traversflöte) Ensemble: Ensemble 1700 Komponist: Jacques-Martin Hotteterre Label: Harmonia Mundi Best.-Nr: 7735092 Titel: 4. Satz: Chaconne (Treizième Concert) Länge: 01:20 Ensemble: Violoncello à deux (Birgit Heinemann und Uta Schlichtig (Violoncello)) Komponist: François II Couperin Label: Avi – music Best.-Nr: Vca2 Titel: Sonate für Klavier d-Moll, K 9 (L 413) Länge: 00:54 Solist: Alexandre Thauraud Komponist: Domenico Scarlatti Label: VIRGIN CLASSICS Best.-Nr: keine Titel: Pauls Steeple or The Duke of Norfolke - A Division on a Ground (Instrumental) Länge: 02:25 Ensemble: Lautten Compagney Dirigent: Wolfgang Katschner Komponist: John Playford Label: BERLIN Classics Best.-Nr: 0017842 BC Titel: Sonate für Violine solo a-Moll, B:a3 Länge: 01:40 Solist: Rachel Podger (Violine) Komponist: Nicola Matteis Sohn Label: CHANNEL CLASSICS Best.-Nr: CCS SA35513 Titel: aus: Suite für Klavier D-Dur, 1. Satz: Les tendres plaintes (d-Moll) Länge: 05:27 Solist: Tzimon Barto (Klavier) Komponist: Jean-Philippe Rameau Label: ONDINE Best.-Nr: ODE 1067-2 2. Stunde Titel: aus: Sonate für Violine und Basso continuo A-Dur (Zweites [2.] Buch der Sonaten für Violine und Basso continuo), 4. Satz: Gay Länge: 02:38 Ensemble: Ausonia Dirigent: Frédérick Haas Komponist: François Francoeur Label: ALPHA Best.-Nr: 076 Titel: Triosonate für 2 Blockflöten und Basso continuo d-Moll, 1. Satz: Prélude. Gravement Länge: 00:53 Solisten: Frans Brüggen (Blockflöte), Walter van Hauwe (Blockflöte), Wieland Kuijken (Bassgambe), Gustav Leonhardt (Cembalo) Komponist: Jacques Martin Hotteterre Label: Sony Classical Best.-Nr: 62942 Titel: Concerto grosso Nr. 1 G-Dur, 1. Satz: Vivace Länge: 01:43 Ensemble: Banchetto Musicale - Il Piacere Komponist: Francesco Barsanti Label: Dynamic Italienisch Best.-Nr: DM 8023 Titel: Ouvertüre und Allegro assai für Streicher und Basso continuo, (1) Ouvertüre (2) Allegro assai Länge: 03:42 Orchester: Akademie für Alte Musik Berlin Komponist: Christoph Schaffrath Label: BERLIN Classics Best.-Nr: 0110025 Titel: aus: Burlesque de Quixotte. Ouvertüre für Streicher und Basso continuo G-Dur, TWV 55:G10, 2. Satz: Le réveil de Quixotte Länge: 01:30 Orchester: Europa Galante Dirigent: Fabio Biondi Komponist: Georg Philipp Telemann Label: Agogique Best.-Nr: AGO005 Titel: aus: Burlesque de Quixotte. Ouvertüre für Streicher und Basso continuo G-Dur, TWV 55:G10, 3. Satz: Son attaque des moulins à vent Länge: 01:52 Orchester: Europa Galante Dirigent: Fabio Biondi Komponist: Georg Philipp Telemann Label: Agogique Best.-Nr: AGO005 Titel: Gigue g-Moll für Flöte und Violoncello Länge: 02:04 Solist: Jana Semerádová (Flöte) Komponist: Johann Joachim Quantz Label: SUPRAPHON Best.-Nr: SU 4087-2 3. Stunde Titel: Fantasia für Klavier d-Moll, Fk 19 Länge: 02:23 Solist: Anthony Spiri (Klavier) Komponist: Wilhelm Friedemann Bach Label: OEHMSCLASSICS Best.-Nr: OC 431 Titel: Französische Suite für Klavier Nr. 2 c-Moll, BWV 813, 1. Satz: Allemande Länge: 00:34 Solist: Evgeni Koroliov (Klavier) Komponist: Johann Sebastian Bach Label: TACET Best.-Nr: Tacet 161 Titel: aus: Les élémens Simphonie nouvelle für Orchester (Die Elemente. Choreographische Sinfonie Les Eléments), Nr. 1: Le cahos Länge: 00:44 Orchester: Academy of Ancient Music London Dirigent: Christopher Hogwood Komponist: Jean-Féry Rebel Label: Decca Best.-Nr: 421656-2 Titel: aus: La femme est un grand embarras. Concerto comique Nr. 5 , 1. Satz: Allegro Länge: 02:09 Komponist: Michel Corrette Label: ALPHA Best.-Nr: Alpha 151 Titel: aus: Concerto a 4 c-Moll, 2. Satz: Allegro Länge: 01:41 Orchester: Akademie für Alte Musik Berlin Dirigent: René Jacobs Komponist: Baldassare Galuppi Label: HARMONIA MUNDI FRANCE Best.-Nr: HMC 901778 Titel: Prélude für Klavier C-Dur (Präludium) Länge: 00:45 Solist: Mitzi Meyerson (Hammerklavier) Komponist: Claude-Bénigne Balbastre Label: GLOSSA Best.-Nr: GCD 921803 Titel: aus: Don Juan ou Le festin de Pierre. Tragische Ballett-Pantomime (Don Juan oder Das Fest der Steine), Sinfonia. Allegro 3. Satz: Allegro forte risoluto Länge: 01:01 Orchester: Il Giardino Armonico Dirigent: Giovanni Antonini Komponist: Christoph Willibald Gluck Label: ALPHA Best.-Nr: 670 Titel: aus: Sinfonie F-Dur, Fk 67, 1. Satz: Vivace Länge: 03:46 Dirigent: Stephan Mai Komponist: Wilhelm Friedemann Bach Label: HARMONIA MUNDI FRANCE Best.-Nr: HMC 901772