COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Sport am Rande  Vereinsleben im Osten von Mecklenburg-Vorpommern Von Jörn Pissowotzki Hauke Runge, der Präsident der TSG Neustrelitz, wirkt keinesfalls nervös. Aber er weiß, wie es um seine Mannschaft steht. In diesem Herbst, in der Fußball-Regionalliga Nordost:   "Also, ich bin Realist. Einstelliger Tabellenplatz, das hatten wir eigentlich vor, denn man darf ja nicht vergessen: einmal Meister und dreimal der achte Platz. Davon können wir uns verabschieden. Hier geht es jetzt ganz klar um einen knallharten Abstiegskampf, den wir aber bestehen werden...“ Typisch Runge. Der Mann hat die Mecklenburger Ruhe in sich,  und er ist Optimist. Der Geschäftsmann steht seit vielen Jahren an der Spitze des größten Fußballvereins in Neustrelitz. Hauke Runge hat den langen Weg der TSG von unten nach oben mitbestimmt: "Also ein Verein, der sich hochgearbeitet hat, über zwanzig Jahre, von der Landesliga, bis zur Regionalliga, mit breiter Unterstützung vieler kleiner Sponsoren.“ Die Werbeschilder dieser Geldgeber hängen im schmucken Neustrelitzer Parkstadion. Gerade Ende Juli ist es nach seiner Sanierung übergeben worden. Anderthalb Millionen Euro hat es gekostet, die Spielstätte regionalliga-tauglich zu machen. Es ist eine Arena, in der die TSG zu Hause eine Macht sein wollte. Aber seit dem Saisonstart im Sommer sind hier zahlreiche Spiele verloren gegangen. Und auch auswärts schlichen die Neustrelitzer häufig als Verlierer vom Platz. Beispielsweise in Fürstenwalde. Der Trainer Benjamin Duray war fassungslos nach diesem 0:1. "Dass es natürlich so beschissen läuft, da wird man natürlich etwas sprachlos, ne. Aber das ist eben typisch, wenn du unten stehst. Grundsätzlich haben wir das Spiel im Griff gehabt, wir haben es dann nicht geschafft, aus unserer Feldüberlegenheit und den vielen guten Situationen Kapital zu schlagen. Dann verschießen wir natürlich den Elfmeter, und ich bin mir sicher, wenn wir den reinmachen, fahren wir hier als Sieger nach Hause.“   Bis zum vergangenen Sonntag hatte die TSG überhaupt noch kein Saisonspiel gewonnen. Weder daheim noch auswärts. Vor einer Woche hagelte es sogar ein 0:4 zu Hause gegen Cottbus. Die Zuschauer sind trotzdem treu: "Ja, is halt traurig für uns Fans. Wir hoffen immernoch auf die Mannschaft und ja... Momentan is Scheiße, Scheißstimmung, fetzt nicht. Gründe? Na ja: Mannschaft. Stimmt nicht, passt nicht, kein Potential. Is egal wir halten das durch. Das Team ist zu jung, da fehlen noch ein paar erfahrene Leute. Jetzt ist wieder unser Verteidiger krank geworden. Wir schaffen das, da bin ich von überzeugt.“     Gegen den Abstieg zu spielen, war die TSG seit Jahren nicht gewohnt. Es passte nicht mehr zu dem einst erfolgreichen Verein. Aus dem für die Mecklenburgische Geschichte so bedeutenden Neustrelitz.  Einer Stadt mit 20tausend Einwohnern, die knapp über einhundert Kilometer nördlich von Berlin liegt. Malerisch, mit viel Grün und Wasser drumherum. Die Touristen kommen hierher wegen der schönen Landschaft und der Historie, die den Fußballpräsidenten Runge stolz macht: "Na, selbstverständlich! Ich sage nur Königin Luise. Das ist doch ganz klar. Nein, wir Neustrelitzer sind schon ein stolzes Völkchen. Und man darf ja nicht vergessen, es gab ja nur zwei Mecklenburgs: Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz.“ Luise, die Prinzessin aus dem Hause Mecklenburg-Strelitz, war später die Mutter von Kaiser Wilhelm I. Das nur nebenbei. Für die jüngere Neustrelitzer Geschichte steht René Pütt, der mit fast sechs Jahren Zugehörigkeit der dienstälteste Spieler im Kader des Fußballteams der TSG ist.  Er hat beispielsweise das Landespokalfinale vor drei Jahren mitgemacht: lm eigenen Stadion bezwangen die Neustrelitzer damals den Landesprimus Hansa Rostock mit 3:0.  Mannschaftskapitän Pütt erinnert sich auch noch gut an die darauffolgende Liga-Saison 2013/14. Als die TSG die Meisterschaft in der Regionalliga eroberte. Damals mit dem Ex-Nationalspieler Thomas Brdaric als Trainer. Die Basis dafür war ein 3:1 gegen den Berliner AK. Mit gleich zwei Toren von René Pütt: "Ja, das war echt ein geiles Spiel. Und ne geile Feier, die es danach gab. Es war einfach eine überragende Saison von allen, ne. Hat alles super geklappt und am Ende hat man ja gesehen, wo wir gelandet sind.“ Als Spieler konnte Rene Pütt einfach nur hier landen. Er ist eigentlich Berliner, aber seine Oma Neustrelitzerin. Pütts Freundin kommt aus der Gegend und hat hier einen guten Job, erzählt er. Ausreichend Gründe für den Spieler, am Ort zu bleiben. Und was das Portemonnaie angeht? In der vierten Liga zu spielen, lohnt sich das? "Ich kann zur Zeit davon leben, ja.“ ABER: Egal, wer in Neustrelitz gefragt wird, wieviel Professionalität nun wirklich im bezahlten Fußball bei der TSG steckt:  Die Antwort ist immer gleich. Spieler René Pütt: "Na, Fußballprofi würde ich mich jetzt nicht bezeichnen. Es ist für mich ein normaler Beruf würde ich jetzt sagen, weil Profis verdienen weiß ich was für Summen. Ich mach das aus reinem Spaß, weil Fußball mein Leben ist und später oder in ein paar Jahren werde ich mich dann beruflich anders weiter ausbilden.“ Die TSG eine Profimannschaft? Auch Präsident Runge muss nicht lange überlegen: "Nein, nein, so kann man das nicht sagen. Und das ist das Problem in der Regionalliga. Professionelle Bedingungen, aber kein Profiverein.“ Warum gibt es diese Diskrepanz? "Weil das finanziell gar nicht machbar ist. Weil das finanziell gar nicht gehen würde.“ Und jetzt mitten in diesem Herbst im harten Abstiegskampf der vierten Fußball-Liga wird Präsident Runge noch konkreter, was die Rahmenbedingungen vor Ort angeht:   "Denn es ist die einzige Liga, wo man unter professionellen Bedingungen arbeiten muss, ob man will oder nicht, aber die Eintrittspreise und auch die Fernsehgelder nicht reichen, um das eigentlich zu machen, und daher ist die Regionalliga also die schwierigste Liga, würde ich sagen.“ Dazu kommt jeden Sommer eine Lotterie. Nämlich die Auswahl der Spieler für die jeweils kommende Saison zu treffen. Nach der vergangenen Spielzeit waren gerade noch fünf, sechs Spieler übrig. Sie blieben in Neustrelitz. Der Rest des Kaders verließ den Verein - aus unterschiedlichen Gründen. Unter ihnen war mit Fabio Viteritti der erfolgreichste Torschütze und Vorlagengeber. Er ging zum Ligakonkurrenten Energie Cottbus. Die Lausitzer können mehr Geld bieten als die TSG an der Peripherie mitten in Mecklenburg... Präsident Runge muss beim Personal jedes Jahr aufs Neue viel Überzeugungsarbeit leisten: "Also, wir hier in Mecklenburg haben natürlich zu kämpfen und haben auch keine Großstadt in der Hinterhand, wo denn die jungen Leute auch noch viel Spaß haben. Also, eins ist Fakt: Geld, ob man es will oder nicht, Geld schießt nun mal Tore. Und wenn man sieht, mit welchen Etats im Süden die Vereine aufwarten, da können wir nicht mithalten, aber Jammern gilt nicht. Wir versuchen, mit einem schmalen Haushalt trotzdem weiter Regionalliga-Fußball für unser Land zu bieten.“    Der Etat der Mecklenburger für diese Saison liegt bei geschätzten dreihundert tausend Euro. Das ist unteres Drittel der Liga. Der Viertligist Carl Zeiss Jena hat wohl mehr als das Fünffache zur Verfügung. So schätzt es Präsident Runge ein. Aber zurück zum aktuell tristen Alltag: Die vielen neuen Neustrelitzer Spieler, die im Sommer kamen, benötigen in diesem Herbst viel Zeit, um zu einer Mannschaft zu werden.  Um dieses Fremdeln zukünftig zu vermeiden, setzt  Hauke Runge auf Langfristigkeit bei den Verträgen: "Da die TSG immer dann am stärksten war, wenn sie lange Zeit einen Trainer hatte und eine Mannschaft, die länger zusammengespielt hat, ist unser Ziel, dieses Mal eindeutig, dass wir im Januar/Februar, so ist es auch mit dem Trainer besprochen, bereits einen Grundkader von 10, 12 Mann zu haben und dann sieht man ja auch im Laufe der Saison: wer paßt zu uns und wer nicht. So dass uns das in der nächsten Saison definitiv nicht passieren wird.“  Ortswechsel! Es ist nur eine kurze Autofahrt. Eine halbe Stunde von Neustrelitz in nordöstlicher Richtung nach Neubrandenburg. Am Tollensesee entlang. Zum Jahnsportforum, einer Mehrzweckhalle mit vielen Trainingsmöglichkeiten. Es ist das Herz des Sportklubs Neubrandenburg. Leichtathletin Claudine Vita wuchtet dort in der Trainingshalle den Diskus  in die hinter ihr stehende gepolsterte Wand.... Claudines Verein, der SC N, hat viele Olympiasieger hervorgebracht. In jüngster Zeit den Kanuten Andreas Dittmer, der zwischen 1996 und 2004 gleich dreimal olympisches Gold gewann oder auch die Kugelstoßerin Astrid Kumbernuss. Und 2016? Bei Olympia in Rio hat kein Neubrandenburger Athlet die deutschen Farben vertreten. Kein Kanute, nicht einmal Olympiasieger Martin Hollstein, keine Triathletin und keine Leichtathletin schafften trotz Anstrengungen die Qualifikation! Claudine Vita hatte bis zuletzt ums Ticket in Richtung Copacabana gekämpft: "Ich bin 20 geworden, ich weiß, ich hab noch viele Jahre vor mir, und ich denke, es ist ja schon mal ein gutes Zeichen gewesen, dass ich Vierte war und auch als Ersatz nominiert. Das sollte auf jeden Fall Ansporn und Motivation sein, so weiter zu machen und irgendwann nicht mehr als Ersatz nominiert zu sein, sondern wirklich dabei zu sein.“ Der Vereinsgeschäftsführer Stefan Saager hat die aus SC N-Sicht verpassten Spiele schon abgehakt und möchte darauf gar nicht mehr angesprochen werden: "Grundsätzlich muss ich sagen, ich find`s schade, dass soviel auf dieser einen Tatsache herumgeritten wird.“ Saager betont dies so besonders, nicht weil er sauer ist, immer wieder dieselbe Tatsache kommentieren zu müssen, sondern weil er schon an die Zukunft denkt: "Weil wir sehen: Wenn wir uns zum Beispiel den Bereich Kanu betrachten, gerade bei den Deutschen Meisterschaften oder jetzt bei den Olympic Hope Games, dass die Entwicklung sehr positiv ist.“ In diesem Sommer hat beispielsweise die 14jährige Josefine Landt den Neubrandenburger Verantwortlichen Freude bereitet. Die junge Kanutin räumte vordere Plätze ab.  Zuletzt bei den eben erwähnten Olympic Hope Games in Ungarn, im September: "Ja, hätt ` ich nicht erwartet, dass es so gut läuft für meinen ersten internationalen Einsatz. Ich bin einmal Erster und zweimal Dritter, und ja, ich war sehr erfreut über diese Ergebnisse.“ Josefine geht in die neunte Klasse des Sportgymnasiums. Sie erzählt schon ganz abgeklärt von ihrem sportlichen Alltag. Und es blitzen die Augen beim Gedanken an ihr wichtigstes Vorhaben: "Also mein großes Ziel ist natürlich auch, Olympiasiegerin zu werden. Und ich arbeite auch tagtäglich dafür, dass ich das auch irgendwann schaffe. Ja, und jetzt gucke ich optimistisch in die Zukunft.“ Wenn alles ideal läuft, könnte Josefine dann in vier Jahren in Tokio starten. Trainer Klaus Dittmer schaut ihr bei der Arbeit ganz genau zu. "Keine Ahnung, hängt von vielen Dingen ab... Man kann auch als junger Athlet schon da starten. Das hängt davon ab: sie ist im Moment auf einem sehr guten Niveau. Auch was die Leistung anbelangt. Die Frage ist: welche Leistungssprünge kann man in den nächsten vier Jahren machen.“ Klaus Dittmer ist 1970 der erste WM-Teilnehmer des Sportklubs Neubrandenburg bei einer Kanu-WM gewesen. Im Einer-Canadier. In dem fuhr später auch sein Sohn Andreas zu dreimal Olympiagold. Auch Tochter Anja war Olympiateilnehmerin -im Triathlon. Im Gespräch mit Klaus Dittmer fallen oft Worte wie "Leistung“,"Leistungsbereitschaft“, "Qualität“. Es schwingt dabei mit, dass er auf der einen Seite Optimist ist. Aber er sagt auch ehrlich, woran es im Leistungssport in Deutschland hapert. Generell: "Viele Jugendliche sind gar nicht mehr bereit, sich diesen Herausforderungen zu stellen. Unabhängig davon muss man natürlich denjenigen immer ein hohes Lob zollen, die nach wie vor bereit sind, das zu machen. Und das ist dann auch schon eine dieser Schnittmengen. Wir haben einfach zuwenig Sportler, die bereit sind, sich diesen Herausforderungen zu stellen.“   Es ist in Neubrandenburg nicht anders als in Neustrelitz oder bei den Handballern auf Usedom. Leistung? - schön und gut, aber wie wird das Leben neben dem Sport gemanagt? Mitten im strukturschwachen Mecklenburg-Vorpommern. Trainer Dittmer macht sich nichts vor: "Sicherlich sind wir keine Region, wo man mit dem Sport reich werden kann.“ So treten andere Dinge in den Vordergrund, zählt der Neubrandenburger Geschäftsführer Stefan Saager auf: "Allein die Kita-Betreuung, wo man in den alten Bundesländern einfach nicht glauben kann, wie gut das organisiert ist und zu welchen Preisen das hier funktioniert. Die Wohnung kostet hier vielleicht die Hälfte von großen Städten. Das sind alles so Bedingungen, mit denen man vielleicht auch Sportlern das Leben hier schmackhaft machen kann. Davon abgesehen, dass die Landschaft hier einfach unbeschreiblich schön ist.“ Auch Klaus Dittmer lobt die Vorzüge, am geographischen Rand zu leben und nicht mittendrin. "Also, ich finde Sport an der Peripherie in Deutschland zehnmal besser als Sport in einem Ballungsgebiet. Die Chancen in einem Ballungsgebiet sind sicherlich größer, weil einfach ne größere Auswahl da ist. Aber die Risiken sind auch viel größer. Weil die Ablenkung viel zu groß ist.“ Ganz der Trainer, hat Dittmer sofort den Leistungsgedanken im Kopf. "Ich finde das manchmal als ganz großen Vorteil: Immer schön weit weg von der Masse! Man muss dann natürlich auch konsequent seinen Weg verfolgen, und dann hat man auch Riesenchancen.“ In seiner Philosophie spielt ein intaktes Umfeld der Sportler eine wichtige Rolle! So kann Erfolg entstehen: "Ja, ich finde dieses Zusammengehörigkeitsgefühl, wenn es denn da ist, das ist natürlich ne Menge wert. Und das Einzige, was mich ärgert an der Peripherie ist, immer wenn wir vom Wettkampf fahren, dass wir 10 Stunden nach Hause fahren. Dass man erst Montagmorgen irgendwann mitten in der Nacht erst zu Hause ist...“  Und am nächsten Tag müssen die jungen SCN-Athleten gleich wieder in die Schule. Obwohl: so lange sie dort lernen, ist es auch für den Trainer am einfachsten: "Ich plane immer erst mal nur solange die Schule hier ist. Solange die Sportler zur Schule gehen, haben wir wunderbare Bedingungen.   Und danach denke ich mal, sind auch andere gefordert, sich entsprechend einzubringen, um dann an den Rahmenbedingungen noch weiter zu arbeiten.“ Also: wie ist der Sportler für seine Zukunft auch beruflich abgesichert? In einer Region, in der man durch Sport nicht reich werden kann. Die regionale Wirtschaft ist mit im Boot. Klub-Geschäftsführer Stefan Saager: "Die Unternehmen in der Umgebung sind schon sehr froh, über den SCN und seine Athleten, nicht bloß, weil sie eine Bühne haben, wo sie sich als Sponsor präsentieren können, sondern auch, weil sie wissen, die Jungs und Mädels, die vom Sportgymnasium kommen, die sind die Dauerbelastung und auch die Doppelbelastung gewohnt, von Schule und Sport, und das sind Menschen, die können einfach arbeiten, die können mit Belastungen umgehen, und die freuen sich über jeden, der dann zu ihnen kommt.“ Einige Belastungen hat auch schon der HSV Insel Usedom hinter sich. Noch einmal Ortswechsel: Der Handballverein aus der vierten Liga ist in Ahlbeck beheimatet, einem der Kaiserbäder auf der Ostseeinsel. Von Neubrandenburg ist man mit dem Auto in nordöstlicher Richtung fahrend in zwei Stunden am Ziel. 2006 musste der HSV aus Ahlbeck Insolvenz anmelden. Mitten in der laufenden Zweitliga-Saison. Heute ist Nico Heidenreich dort Geschäftsführer des Vereins, damals war er Spieler. Und kämpfte plötzlich nur noch für die Ehre. Ohne zu murren:   "Für mich dadurch, dass ich ja schon mit vierzehn Jahren auf die Insel gekommen bin, war es für mich immer relativ, also dieser Verein ist für mich eine Herzensangelegenheit, auch für mich, und ich hätte, und ich hab´s dann ja auch gemacht, wir haben auch ohne Geld gespielt. Das ist dann einfach so! Um einfach die Saison auch abzusichern, für den Neustart! So war es damals, so würde ich es heute wieder tun.“  Seit 1970 ist Jens Teetzen Vereinsmitglied. 2006, im Jahr der Insolvenz, war er Co-Trainer der Mannschaft. "Na, wir haben diese ganze Sache auch ein bisschen verkannt. Es war so, wir hatten gedacht, wir könnten diese Euphorie mitnehmen, aber wir haben dann gesehen, dass zwischen der Regionalliga damals, also der dritten Liga und der zweiten Liga, eigentlich ein Riesensprung liegt. Und wir haben im ersten Jahr noch Glück gehabt. Durch andere Vereine, die auch in die Insolvenz gegangen sind, haben wir dadurch noch den Klassenerhalt geschafft. Und hätten im nachhinein jetzt damals die Reißleine ziehen müssen und wären freiwillig mit runtergegangen und haben versucht, mit Gewalt diese Liga zu halten. Und das ist ein riesiges finanzielles Unternehmen. Da ist leider der Verein dann auch mit baden gegangen...“         Die Insolvenz damals hatte aber auch etwas Gutes. Es wurden die richtigen Konsequenzen gezogen, meint Geschäftsführer Heidenreich. "Danach ist ja auch die GmbH, also die eigene Firma als "Erste Männer“ entstanden, so dass der Verein halt in diese Bredouille einfach nicht mehr kommt, in dieser Insolvenz. Dadurch sollte das nochmal passieren , was ich bei uns nicht glaube, weil bei uns alles gesund, Gott sei Dank, ist der Verein einfach auf der sicheren Seite und abgesichert, weil im Endeffekt müssen wir die Kinder und Jugendlichen schützen, weil, wenn oben im Spielbetrieb der ersten Männer was schief geht, dürfen die Kinder und Jugendlichen nicht bluten darunter.“  Der Nachwuchs sichert dem HSV Insel Usedom die Zukunft. Auch schon vor zehn Jahren.  Jens Teetzen, damals der Co- und A-Jugend-Trainer erinnert sich "Das war genau der Jahrgang, der sehr erfolgreich war, und der Verein wurde eigentlich gerettet durch diese A-Jugend, die gerade im ersten Jahr Männer dann komplett wieder neu einsteigen konnte und wir auch die Gelegenheit hatten in dieser dritten Liga zu starten, und waren dann ja auch über viele Jahre in der dritten Liga erfolgreich. Und diese A-Jugend-Spieler, dieser Jahrgang `87, die bilden auch noch so`n bisschen den Grundstock jetzt in der Ersten Männer, ne, und das war unser Glück, dass wir damals noch rechtzeitig oder parallel dazu viel in den Nachwuchs investiert haben.“ Nach der Insolvenz 2006 wurde aus dem HSV Blau Weiß Insel Usedom der HSV Insel Usedom. Egal, unter welchem Namen, Jens Teetzen kümmert sich heute wie damals um den Nachwuchs. Er ist für die SG Vorpommern zuständig. Hier trainieren und spielen seit fünf Jahren die besten jungen Handballer vom Ahlbecker Verein und dem nahen Greifswald zusammen. "Unser Potential alleine hier so im Leistungsbereich ist schwer zu halten, und Mannschaften zu stellen, um in die hohen Spielklassen im Nachwuchsbereich reinzukommen. Und da haben wir uns mit `nem Greifswalder Verein, das ist die SG HW Greifswald, zusammengeschlossen und haben gesagt, unser Nachwuchsbereich spielt zusammen unter dem Namen "SG Vorpommern“. Und das hat sich so gut entwickelt: Wir haben einfach mal in der C-Jugend angefangen, dann haben wir C B A, und jetzt momentan spielen wir von der E bis zur A im männlichen und weiblichen Bereich zusammen SG Vorpommern. Im Leistungsbereich sieht es so aus, dass wir einmal die Woche trainieren, wir treffen uns in der Mitte, wir treffen uns in Wolgast zum Training.“   Und die ersten Erfolge gibt es auch schon für die Spielgemeinschaft. "Wir sind mit der B-Jugend in der Ostsee-Spree-Liga, das ist die höchste Spielklasse in Deutschland, und wir sind mit der A-Jugend in der Ostsee-Spree-Liga, das ist die zweithöchste Spielklasse in Deutschland, und darüber wächst natürlich die Qualität.“  Auf Damian Marlitz aus Greifswald ruhen die Hoffnungen von Trainer Teetzen. Sein Kumpel Christian Simonsen und er haben es schon in die U16-Nationalmannschaft geschafft, im Beach-Handball. Damian erzählt, wie es dazu kam: "Wir waren bei der DHB-Sichtung, also vom Hallenhandball, in Kienbaum. Und da wurde die Nationalmannschaft der Hallenhandballer zusammengestellt. Und dann im nachhinein, irgendwie drei Wochen später hat man dann ne Einladung bekommen, wer im Beachhandball Kader ist. Davon wussten wir vorher nichts. Und man sollte halt sehr athletisch sein. In Kienbaum hat man vorher einen Athletiktest gemacht. Haben uns halt getroffen, waren zum Anfang 30, 40 Leute, jetzt sind wir halt nur noch 12.“  Bei der letzten EM im Beach-Handball sind die beiden Greifswalder mit dem deutschen Team Sechste geworden. Viel mehr erreicht hat schon Johannes Sellin. Der heute für Melsungen spielende ehemalige Usedomer Handballer wurde in diesem Jahr mit den Männern sensationell Europameister.  Ein bedeutendes Turnier hat auch Damian Marlitz im Blick: "Das ganz große Ziel ist 2024, zur Olympiade zu fahren, weil ab 2024 soll Beach-Handball olympisch werden.“ Ein Eigengewächs des Vereins ist auch Petrick Lende. Seit der F-Jugend ist er dabei. Seit fünf Jahren spielt Lende in der ersten Männer-Mannschaft des HSV.   Lende ist ein typischer Handballer aus Leidenschaft! "Ich sage mal, leben kann man davon bestimmt nicht. Also, man sollte schon nebenbei arbeiten gehen, um so `n gewisses Grundgehalt zu haben, im Leben, um damit auch klarzukommen...  Zwischenfrage: Was machen Sie?   Ich bin nebenbei Vereinssportlehrer hier beim Handball hier beim HSV Insel Usedom.“  Und damit ist er auch für die HSV-Zukunft mitverantwortlich, von der F-Jugend bis zur zweiten Männermannschaft trainiert er die Teams. Die erste Männermannschaft soll in dieser Saison in der Ostsee-Spree-Liga unter die ersten Fünf kommen. Gibt Geschäftsführer Heidenreich als Ziel vor. Der Aufstieg ist kein Thema. Aufgrund des kleinen Etats: "Also, wir sind im sechsstelligen Bereich. Also mindestens das Doppelte müsste schon zusammenkommen, um wirklich ne vernünftige Drittligasaison zu spielen. Weil: Hochgehen und knapsen und wieder hoffen, dass man geradeso drinbleibt: also ist nicht unser Stil. Wollen wir auch nicht mehr. Sondern wir wollen dann gezielt hochgehen, und dann muss man auch überlegen, ob man in der Dritten Liga nicht den einen oder anderen Profi verpflichtet.“ Drei bis vierhundert Zuschauer verfolgen regelmäßig die Spiele der ersten Männermannschaft in der Ahlbecker Pommernhalle. Die härtesten Fans träumen mitunter von einer Rückkehr in die Sphären, in denen der HSV schon mal agierte. 2.Liga – das hört sich gut an. Der Geschäftsführer hat dazu eine klare Meinung: "Also zweite Liga, glaube ich, ist Wunschdenken hier auf der Insel. Da müssen wir auch ganz ehrlich so sein. Das ist schwierig, und eigentlich gar nicht mehr realisierbar hier.“  Ob die Neustrelitzer Fußballer, die Kanuten in Neubrandenburg oder die Ahlbecker Handballer. Was sie gemeinsam haben, ist ihre Bodenhaftung. Ihr Realismus, aber auch das Gefühl,  dass Gewinnen trotzdem schön ist. Fern der Metropolen, hier an der Peripherie in Mecklenburg-Vorpommern.