COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur, Zeitfragen 18. Juli 2011, 19.30 Uhr Der Facebook-Mensch Wie verändern soziale Netzwerke unser Leben? Von Johannes Nichelmann. 01. Atmo: Radiomoderatorin & Musik (SCHON VORPRODUZIERT) 02. Atmo: Bett & Laptop - darüber: Kurz vor acht Uhr - es ist Montag früh, aufwachen! Das heute ist der heißeste Tag des Jahres! 32 Grad erwarten Euch. Und dazu die neuste Musik! Musik - darüber: Reporter Mein erster Griff geht auch an diesem Morgen zum Laptop, mein erster Klick geht auf Facebook. Keine neuen Nachrichten, ich bin enttäuscht. Gestern, zur gleichen Zeit, waren es noch drei. Da fing der Morgen irgendwie besser an. 02. Atmo: Ende/ Blende 03. Atmo: Zähneputzen - darüber: Reporter Ich bin täglich mehrmals auf meinem Profil im Sozialen Netzwerk unterwegs. Am Morgen, am Mittag, am Abend. Aber es bedeutet auch Stress, doch ich kann nicht davon loskommen. Was passiert da mit uns? Eine Internetseite drängt sich in unseren Alltag. Sprecher vom Dienst Der Facebook-Mensch Wie verändern soziale Netzwerke unser Leben? Ein Feature von Johannes Nichelmann. 03. Atmo: Ende/ Blende 01. Atmo: Ende/ Blende 04. Atmo: S-Bahn - darüber: Sprecherin Eine volle S-Bahn in Berlin. Kaum Platz zum Atmen. Dazu die Hitze, es riecht nach Schweiß. Der Zug kommt kaum voran, ist schon 15 Minuten hinter seinem Zeitplan. Reporter Wir sind alle genervt. Nur eine Frau kann sich gut ablenken. Mit ihrem internetfähigen Handy auf dem Schoß, chattet sie via Facebook mit einer Kollegin und lässt sich alle Informationen aus der Sitzung zukommen, die sie gerade anscheinend verpasst. Sie ist dabei, obwohl sie nicht dabei ist. Sie ist um die dreißig. Der deutsche Durchschnittsfacebooker ist 37 Jahre alt. 04. Atmo: Ende/ Blende Musik Sprecherin Ein Megakonzern aus den USA verändert das Kommunikationsverhalten einer ganzen Generation. Facebook sei die Welt, steht in der Zeitung. Alles was über Facebook geschrieben wird, klingt überdimensional. 750 Millionen Menschen weltweit sind Mitglied im größten Sozialen Netzwerk der Erde. Davon kommen 20 Millionen Menschen aus Deutschland. Das sind 90 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Seite hat ein einfaches Design. Weiß, blau, schlicht. Unten rechts befindet sich eine Funktion, mit der die User chatten können. Am linken Rand werden die Freunde aufgelistet. Wer darf also im persönlichen Netzwerk mitmachen? Und in der Mitte stehen die Statusmeldungen der Freunde. Neben privatem Allerlei, gibt es hier Videos, Hinweise auf Artikel und Fotos. Eine persönliche Nachrichten-Agentur. All das kann kommentiert und per Knopfdruck für gut befunden werden. Sollte dieses neue Kommunikationsmittel genauso so nachhaltig sein wie das Telefon? So revolutionär wie das Fernsehen? Oder wäre es möglich, sich ohne weiteres wieder aus sozialen Netzwerken zu lösen? 06. Atmo: Park - darüber: Sprecherin Christoph Koch hat das Buch "Ich bin dann mal Offline" geschrieben. Er hat sich vorgenommen vierzig Tage abstinent von Internet und Telefon zu leben. 01. O-Ton: Koch (0,04) Ich wollte mal ausprobieren, ob man das überhaupt noch schafft, in unserer modernen Welt, ohne all das zu überleben. Reporter Der Autor ist, genau wie ich, auch im Facebook-Zwiespalt gefangen. 02. O-Ton: Koch (1,14) Ich würde genauso sagen, dass dieser Zwiespalt besteht. Das man einerseits sagt, das ist eine sehr gute, eine sehr gut funktionierende Seite, die wahnsinnig viel vereint. Nämlich diesen Netzwerkgedanken, ein sehr gutes Messagingsystem. Ein Nachrichtenfilter ist, weil ich tatsächlich auch News darüber mitkriege über so ein Empfehlungssystem. Das ich einfach merke, was ist meinen Freunden wichtig. Was gucken die gerade? Was lesen die gerade? Reporter Christoph Koch sagt genau das, was in meinem Kopf vor sich geht. Auf der einen Seite ist es toll, was da passiert. Wir können grenzenlos Informationen austauschen. Das klingt dann aber auch wieder banal: Leute erzählen sich etwas, egal ob es interessiert. Und ohne all das? 03. O-Ton: Koch (1,05) Man hat weniger Input, ist nicht ganz so getrieben und springt auch nicht ständig zwischen vielen verschiedenen Programmfenstern hin und her. Guckt hier in die Emails, hier bei Facebook, da bei Twitter. Da wieder auf die Nachrichtenseite. Und dann wieder von vorne. Sondern es entschleunigt sich tatsächlich, aber viele Sachen werden natürlich dann auch viel komplizierter. Also ich hab's für mich natürlich schon sehr gemerkt. Weil mir tatsächlich viel gefehlt hat und ich auch so ein bisschen überrascht war, dass tatsächlich auch die Freundschaften, von denen ich eigentlich gedacht habe, dass funktioniert bei mir noch sehr analog und ich hab noch so einen Freundeskreis, den ich regelmäßig sehe. Der eigentlich so gar nicht digital verortet ist. Deswegen habe ich mir da gar nicht so Sorgen gemacht, das sich das ändern würde. Trotzdem war dann da so ein Schritt, dass ich gemerkt habe, mit denen verabrede ich mich dann doch per Email, vielleicht auch per Facebook. Geburtstagseinladungen werden per Rundmail verschickt. Die Treffen finden zwar noch in echt statt, aber man verabredet sich eben so über die digitalen Kanäle und wenn man sich da so rauszieht, dann kriegt man auch erstmal nichts mehr mit. Also, es steht ja keiner mehr unangemeldet vor der Tür und sagt 'Ding Dong, ich war gerade in der Straße, hab ein Six-Pack Bier mitgebracht. Hallo!' Das macht ja niemand mehr. 06. Atmo: Ende/ Blende Sprecherin Für einen Ausstieg aus den sozialen Netzwerken ist es wohl zu spät. Ein Teil der Gesellschaft ist schon zu sehr dabei. Nur der richtige Umgang damit, ist den meisten noch nicht klar. Reporter Mit meinen 22 Jahren habe ich momentan 260 Freunde angesammelt. Die meisten kenne ich persönlich. Sprecherin Der Begriff "Freunde" ist hier ein anderer und es ist ein Fehler, ihn mit dem Freundschaftsbegriff aus der realen Welt zu verwechseln. "Freund" bedeutet "Du bist in meinem Netzwerk". Mehr nicht. 02. Musik 04. O-Ton: Julie (1,05) Mein Name ist Julie und ich bin 38 Jahre alt. Also ich war besonders bei Facebook aktiv, nachdem Osama bin Laden umgebracht wurde. Das war so eine Zeit in der ich dann 24 oder 48 Stunden am Stück eigentlich auf Facebook mich mit fünf verschiedenen Leuten oder in fünf verschiedenen Gruppen gestritten habe, weil es mich dann so geärgert hat, dass so viele Menschen dann doch geschrieben haben, dass sie fänden: Naja, netter Familienvater und der hätte doch einen richtigen Prozess gebraucht und so. Da hab ich mich dann eben halt geärgert und mich mit vielen alten Freunden mich dann so ein bisschen überworfen und irgendwann mir gesagt: Stopp! Es geht jetzt zu weit, ich muss damit aufhören. Auch wenn ich eben Menschen kenne, die, meiner Meinung nach, verrückte Meinungen vertreten, muss ich mich dann einfach dem entziehen und einfach diese schrecklichen Meinungen oder diese Meinungen, die mich nerven auch existieren lassen. Damit kann ich noch nicht so richtig umgehen, wenn mich da was ärgert. Ich hab zum Beispiel auch meine Schwägerin aus meinem Freundeskreis rausgeschmissen. Diesen Konflikt hätte es vorher einfach nie gegeben. 02. Musik 05. O-Ton: Daniel (0,21) Daniel, 32 Jahre. Stimmt gar nicht. Ich bin 31. Daniel, 31 Jahre. Sagen wir mal so. Ich stehe um acht auf, gehe um zwölf ins Bett. Das sind 16 Stunden. Ich denke, ich bin jede Stunde mindestens zweimal auf Facebook, ja. Machen wir mal acht draus. Neun, zehn, elf, viel. Sehr viel. Reporter Daniel bezeichnet sich selbst als digitales Trüffelschwein und sammelt für uns, seine Facebookfreunde, sämtliche kuriosen Dinge aus dem Netz zusammen. Außerdem diskutiert auch er gern und viel über die unterschiedlichsten Dinge. Das hier ist sein Schlüsselerlebnis. 06. O-Ton: Daniel (0,37) Und zwar war das eine hoch brisante politische Debatte, mit einem Kollegen, der sich aber zu rechtsideologisch sehr kritischen Äußerungen hinreißen lies. Wie blind er war, dass er sich gerade hier vor seinen Kollegen, die er früher oder später auch in Persona wieder treffen wird, um Kopf und Kragen redet. Da dachte ich, um Himmels willen, das steht da jetzt für immer. So, diese kruden Thesen, die stehen da und die kann man auf ewig ihm nachweisen. Und das fand ich dann doch sehr eindrücklich und das hab ich mir gemerkt und mein Handeln daraufhin auch angepasst. 02. Musik: Ende/ Blende 07. Atmo: UDK Berlin I - darüber: Sprecherin Wer aber eigenverantwortlich und sinnvoll mit Facebook, sowie den anderen sozialen Netzwerken umgehen will, muss das System dahinter verstehen. An der Universität der Künste in Berlin gibt es ein eigenes Seminar, das sich mit den Ursachen des Erfolgs von Facebook beschäftigt. Geleitet wird es von Professorin Kerstin Brandes. 07. Atmo: Ende/ Blende 08. Atmo: UDK Berlin II - darüber: 07. O-Ton: Brandes (0,37) Aber wenn man nach den Voraussetzungsbedingungen fragt, wie Facebook entstanden ist und welche Idee sozusagen am Anfang stand und was dabei herausgekommen ist, dann hat das eine gewisse Absurdität. Das so eine Netzwerkseite eigentlich auf der Grundidee basiert, eines sehr sehr klugen Collagekids, ich sag das mal so, der Interesse daran hatte die Kommilitonen zu kontaktieren oder angefangen mit einer Idee, das schönste Mädchen auf dem Collage irgendwie zu bewerten... Sprecherin: Die Soziologin hat ebenfalls ein Profil im größten aller sozialen Netzwerke. Dort hat sie bisher einen Freund hinzugefügt. Sie stellt sich für sich spannendere Freizeitbeschäftigungen vor, wie sie sagt. 08. O-Ton: Brandes (0,45) Es wird ein bestimmter Voyeurismus ja nun auch gefördert. Das macht neugierig. Das Blättern, das Gucken. Was gibt's Neues? Was ist passiert? Das ist vielleicht vergleichbar mit Dorfklatsch, aber es ist kein Dorfklatsch, es ist trotzdem etwas anderes. Es ist Facebook. Wenn ich bei Facebook etwas poste, dann tue ich das nicht, weil ich jemanden gegenüber habe, dem ich in die Augen gucke, sondern ich habe einen Bildschirm gegenüber und ich imaginiere ein Publikum, was hoffentlich diese Nachricht liest und mir hoffentlich antwortet. 08. Atmo: Ende/ Blende 03. Musik: flächig, treibend - darüber: Reporter Ich fühle ich mich von ihr ertappt. Ich denke daran, was ich gestern als Status-Meldung geschrieben habe. Ich beschrieb eine Alltagsbeobachtung von der Straße. Kindererziehung leicht gemacht: "Wenn Du weiter bockst, darfst Du nicht mehr zu Deinem Papa". 14 Leuten gefällt dies, dazu 12 Kommentare. Es fühlt sich einfach gut an, für diese Leistung belohnt worden zu sein. Sprecherin 16 Stunden monatlich verbringt der Durchschnittsnutzer auf Facebook. Viele der Profile halten das reale Leben fest. Eine Langzeitdokumentation in Form von Kommentaren und Fotos. Ein Tagebuch. 08. Atmo: UDK Berlin II - darüber: 09. O-Ton: Brandes (0,30) Und das ist etwas, was man auch nicht vergessen darf. Solange ich Antworten bekomme, solange ich Reaktionen bekomme, solange ich mich gemeint fühlen kann mit irgendetwas... Das kickt ja auch! Das macht ja dann auch Spaß. Hier bin ich! Und das kann ja dann auch hunderttausend Mal am Tag passieren. Und dessen muss man sich versichern und deswegen guckt man dann da rein. Musik Sprecherin Dies ist die Lebenswirklichkeit von Millionen von Menschen. Der Kick lässt sich nicht mehr nur vor dem Computer abholen, sondern auch von unterwegs. Mobiltelefone mit Internetzugang haben Facebook meist schon vorinstalliert. Dabei werden Datenmengen verschickt, die der Deutschen Telekom im ersten Quartal des Jahres 2011, über 400 Millionen Euro Gewinn einbrachten. Dies liegt nicht zuletzt an der intensiven Nutzung der sozialen Netzwerke. 09. Atmo: Proteste in der arabischen Welt - darüber: 04. Musik: ernsthaft, flächig - darüber: Sprecherin Und die können weitaus mehr, als nur für Zerstreuung sorgen. Bei den Revolutionen von Tunesien und Ägypten galten sie als die Brandbeschleuniger. Das sich Leute vernetzten, um für eine Sache einzustehen, ist nichts Neues. Weil aber nun ganze Generationen per Mausklick zu erreichen sind, werden solche Bewegungen schneller und schneller. Nachrichtensprecher Vierter Februar 2008. Weltweit kam es heute zu Massenprotesten gegen die kolumbianische Terror-Organisation "FARC". Etwa zehn Millionen Menschen gingen in Kolumbien auf die Straße. Circa zwei Millionen Menschen trafen sich in Städten überall in der Welt, zu weiteren Protestkundgebungen. Die Guerilleros der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens halten derzeit bis zu 700 Menschen gefangen. Auslöser für die Demonstrationen war eine vom Ingenieur Oscar Morales gegründete Facebookgruppe. 04. Musik: Ende/ Fade Out Sprecherin Oscar Morales gründete eine Gruppe bei Facebook, "Eine Million Stimmen gegen die FARC" und konnte so die Menschen auf der ganzen Welt dazu bewegen gegen ein Unrecht auf die Straße zu gehen. Er mobilisierte seine Mitmenschen, die Behörden und die Regierung. Er schwächte ein System, vom heimischen Computer aus. Facebook, so sagte Oscar Morales, sei sein Hauptquartier gewesen. Die Zeitung, die Kommandozentrale, das Labor. Musik 10. Atmo: CDU Party Außen (2,55) - darüber: Sprecherin Abenteuerlich wird es, wenn die Mobilisierung eine Art digitale Drohgebärde ist. Ein schöner Sommerabend in Berlins Bezirk Spandau. In einer urigen Eckkneipe tagt heute, wie so oft, der Ortsverband der CDU. Es ist 19 Uhr - in einer halben Stunde wollen die Christdemokraten über die Sicherheit in ihrer Stadt sprechen. Und sie sind nervös. Sie haben über Facebook zu ihrer Veranstaltung eingeladen. Dies rief ein gewaltiges Echo hervor, 3000 Leute haben zugesagt. Die Ruhe vor dem Sturm? 10. O-Ton: Leo (0,10) Ich hätte ja eigentlich gerne hier eine große Schlageranlage aufgebaut und die Leute mit Schlager vertrieben. Aber da waren andere doch zu skeptisch, dass das nichts wird. Sprecherin Der 21jährige Leo, von der Jungen Union, hat noch die Bilder vor Augen, von der Geburtstagsparty einer 16jährigen aus Hamburg. Sie hatte die Einladung zu ihrem Geburtstag versehentlich öffentlich gemacht. Tausende kamen und die Kosten für den Polizeieinsatz waren hoch. Deswegen wollen Politiker der CDU Facebookpartys verbieten. Ein sinnloses Unterfangen. Und der Grund für die Netzattacke auf die CDU Spandau. 11. O-Ton: Leo (0,15) Ich glaube nicht, dass Facebookpartys eine gute Sache sind. Und wenn das weiterhin gemacht wird, sollte man da ja eine Lösung finden. Wenn ich eine hätte, wäre das großartig, würde ich sie natürlich auch allen verraten. Aber ähm... Sprecherin Die CDU lädt öffentlich zu einer Veranstaltung ein und beschwert sich im Anschluss darüber, dass die Öffentlichkeit an der Veranstaltung teilnehmen will. Der politische Gegner habe einfach so auf die Sitzung hingewiesen, um der Partei im Wahlkampf zu schaden. Matthias Brauner, um dessen Wahlkreis es geht, ist ein bisschen komisch zumute. 12. O-Ton: Brauner (0,11) Ich denke, man wird jetzt mal sehen, wie das mit Offlinewelt und Onlinewelt alles zusammenhängt. Offline ist ja alles das, was nicht im Netz stattfindet. Wir sind hier bei den Menschen, bei den Bürgern. Das ist nun mal offline, aber das ist mittendrin. 10. Atmo: Ende/ Blende 11. Atmo: CDU Party Innen (2,48) - darüber: Sprecherin Am Ende aber hat niemand aus der Onlinewelt an der CDU, Ortsverband Spandau, Interesse. Matthias Brauner ist erleichtert. 11. Atmo: Ende/ Blende 12 . Atmo: Gewitter/ Innen und Außen (3,59) - darüber: Sprecherin Um Facebook-Fallen geht es auch in Potsdam. Der Himmel zieht sich zu. Sascha Adamek wohnt hier, blickt aus dem Fenster. Er ist Investigativjournalist, arbeitet fürs Fernsehen. 13. O-Ton: Adamek (0,13) Was ich festgestellt habe, auch in einem Test... Oder ich fange mal so rum an: es gibt dort eine Freundesuchfunktion. Facebook... Der Kaffee! Kleiner Moment. Ganz analog! 13. Atmo: Küchentisch - darüber: Sprecherin Die Küche des Journalisten ist klein und gemütlich. Es riecht nach Kaffee. Adamek schrieb das Buch "Die Facebook-Falle. Wie das soziale Netzwerk unser Leben verkauft". Stichwort Datenschutz. 14. O-Ton: Adamek (0,41) Also, ich wollte ja mal erzählen. Diese Freundesuchfunktion ist ja nach wie vor im Gange und nach wie vor wird die von Datenschützern in Deutschland, von Behörden auch, für illegal gehalten. Die funktioniert einfach auf Grund der Tatsache, dass es so einfach ist. Ich sitze beispielsweise, wenn ich ein Smartphone habe, abends in der U-Bahn, hab vielleicht schon ein Bier getrunken und werde aufgefordert: "Synchronisieren", meine Kontakte verknüpfen. Was ich dabei nicht bedenke ist, dass sämtliche Kontakte und alle Daten, ob Geburtsdaten oder ob der Typ mir sympathisch ist, in welcher Eigenschaft ich ihn kennen gelernt habe... all das wird ausgelesen und kann von Facebook benutzt werden. Daten halt von Menschen, die nie was mit Facebook zu tun haben wollten. Das ist das eigentliche Geheimnis, das Facebook dadurch an die Daten von Dritten gelangt. Sprecherin Nicht wenige werden häufig von Facebook darauf hingewiesen, wen sie im Netzwerk vielleicht kennen könnten. Das sind zumeist Klassenkameraden aus Schulzeiten oder ehemalige Arbeitskollegen, bei denen der Kontaktabbruch kein Untergang ist. Das alles, weil Menschen die Zugangsdaten ihrer Email-Postfächer an einen Konzern an der US-Amerikanischen Westküste abgeben. Wer gibt schon sein Passwort ab? 15. O-Ton: Adamek (0,17) Wer macht das schon? Nicht mal seiner Freundin oder seinem Freund gibt man sein Email-Passwort. Das ist eigentlich unser liebstes Geheimnis im Netz. Aber es gibt eben Millionen von Usern, die das regelmäßig bei Facebook abgeben und Facebook gestatten, die kompletten Kontakte auszulesen. Sprecherin Das ist fragwürdig, wird aber nicht nur von Facebook so gehandhabt. Facebook braucht Daten, um zu leben. Nur so kann das Unternehmen wachsen und nur so kann die Werbung, über die sich Facebook finanziert, auf jeden einzelnen abgestimmt werden. 16. O-Ton: Adamek (1,05) Ist auch den meisten wahrscheinlich klar. Was viele halt nicht wissen ist, wie offen sie sich damit legen. Weil Facebook es natürlich auch nicht kenntlich macht. Die Datenschutzerklärung von Facebook ist länger als die amerikanische Verfassung. An Worten. Wer macht sich schon die Mühe, darein zu gucken. Wenn man da reinschaut und ich habe das für das Buch natürlich auch getan, stellt man fest, dass Facebook sich viele Rechte herausnimmt, übrigens auch das Recht, dass Werbepartner von Facebook in mein Profil gucken können. Insofern ist es dann ja auch immer zu sagen, es ist ja ein Akt der Freiwilligkeit. Auf der anderen Seite haben auch Unternehmen eine Verpflichtung, auch gesetzlich, ihre Kunden, ihre User auch über Änderungen zu informieren und auf die Möglichkeiten hinzuweisen, wie Daten auch abgespeichert werden. Und da ist auch das große Problem. Ich soll mich offenlegen. Marc Zuckerberg sagt: "We make the world more open, more connected". Wir machen die Welt besser, in dem wir uns öffnen. Indem wir eine Identität haben im Netz und analog. Wenn es darum geht sich selbst so offenzulegen, wie werden denn die Daten von sechshundert Millionen Usern verarbeitet? Wir wird da verknüpft? Nach welchen Algorithmen? Erfährt man nichts. 05. Musik: Sprecherin Algorithmen. Facebookgründer Marc Zuckerberg sagte auch noch etwas anderes. Es ist ein sehr deutliches Zitat. Er findet, dass ein im Vorgarten sterbendes Eichhörnchen für ihn persönlich durchaus relevanter sein könne, als sterbende Menschen in Afrika. Es geht bei Facebook um Relevanz. Status-Meldungen und Nachrichten werden gewichtet. Facebook wertet aus, wie ein Nutzer auf die Beiträge seiner Freunde reagiert und errechnet daraus, welche Informationen künftig prominenter und welche gar nicht gezeigt werden sollen. Man könnte diesen Filter ausschalten, wenn man davon weiß. Ansonsten sieht man nur eine Welt, die gefällt. Die Menschen werden eingeschlossen in eine Blase. Das macht uns nicht gerade klüger. Aber bei Dingen die uns interessieren, bekommen wir einfach mehr mit. 17. O-Ton: Adamek (0,38) Wenn ich mir ansehe, wie die Verweildauern sind auf Facebook und wie die Expansion ist, dann gibt es kein vergleichbares Unternehmen auf der Welt, was in so kurzer Zeit so schnell expandiert. Immer neue Funktionen schafft. Und das ist ja auch ein Teil meiner Kritik an Facebook. Ich mag halt ein Internet, was bunt ist, was viele Zugänge bietet, was viele Quellen bietet, auf die ich zurückgreifen kann. Und wenn jetzt alles im Internet sozusagen nur noch über ein Portal, über Facebook, läuft, indem da jetzt auch Email integriert wird. Eine Suchmaschine integriert wird, sehe ich einfach das Problem, dass wir uns einfach abhängig machen von einem großen Konzern. Reporter Was will Facebook? Wohin steuert dieser Koloss? Ich muss mit den Leuten, die hinter diesem Konzern stehen sprechen. Nach mehreren Emails, einigen Telefonaten und einem persönlichen Vorgespräch mit der Pressereferentin, kommt es nach ein paar Wochen zum Interview. 13. Atmo: Hamburger Hafen (1,51)- darüber: Sprecherin Hamburg. Ein windiger Nachmittag. Hier ist die Zentrale von Facebook Deutschland. Gute zehn Minuten vom Hafen entfernt. 13. Atmo: Ende/ Blende 14. Atmo: Begrüßung in der Zentrale Sprecherin Scott Woods ist Amerikaner und lebt schon seit Jahren in Deutschland. Hier kümmert er sich mit einem kleinen Team, um die Vermarktung der Plattform, auch für Österreich und die Schweiz. Früher arbeitete Woods, unter anderem bei Google. Reporter Er ist ein charismatischer, smarter Typ. Bei seinem Auftreten, fühle ich mich etwas unterlegen. 14. Atmo: Ende/ Blende 18. O-Ton: Woods (0,22) Der Reiz ist letztendlich mit seinen Freunden und mit seinen Kontakten weiterhin in Kontakt zu sein und auf einen Stand zu sein, was sie so machen. Ich hab sehr viele Freunde noch in den USA und Facebook ist natürlich ein super Mittel für mich, noch in Kontakt zu bleiben mit Freunden, die ganz weit weg sind. Reporter Je mehr ich dem Commercial Director zuhöre, desto mehr glaube ich daran, dass Facebook einfach perfekt ist. 19. O-Ton: Woods/ Reporter (0,55) (Woods)Also im Bezug auf Wachstum sind wir, speziell in Deutschland, noch ziemlich am Anfang, würde ich sagen. Wir haben inzwischen schon über zwanzig Millionen Nutzer. Aber wenn man einfach den Vergleich sieht mit anderen Ländern, ist die Nutzung in dem Markt noch etwas hinterher. (Reporter) Wie wollen Sie denn in Deutschland mehr User erreichen? (Woods) Ich glaube letztendlich, dass es fast von alleine passiert. Sag ich ganz ehrlich. Die Nutzer, die unsere Plattform benutzen und es toll finden mit ihren Freunden in Kontakt zu bleiben, Fotos miteinander auszutauschen, etc. die erzählen das wiederum ihren Freunden, wie gut und effektiv das ist. Dann kommen andere hinzu, probieren es mal aus und wenn sie überzeugt sind, dann bleiben sie beim Produkt. Es ist Empfehlungsmarketing. Das hat uns bis hierhin gebracht und das wird uns, glaube ich, auch weiter tragen. Das Wichtige ist, dass wir letztendlich ein super Produkt haben, das die User gerne nutzen mögen. Reporter Aber je häufiger Scott Woods beschreibt, wie glücklich wir alle sein könnten, wenn wir nur sein Produkt nutzten, desto skeptischer werde ich. Facebook ist ein Konzern, der nicht vom Glück der User allein leben kann. Sind die Mitglieder nun die Kunden oder ein Teil des Produkts? 20. O-Ton: Reporter/ Woods (0,41) (Reporter) Welchen finanziellen Wert hat denn jeder User, jeder Nutzer, für Facebook? (Woods) Das würde ich... Ich würde die Frage jetzt gar nicht so stellen. Also wir jedenfalls stellen uns die Frage so nicht. Natürlich ist es ganz anders... Wir haben ganz viele Nutzer in Indonesien. Und wir haben ganz viele Nutzer in Deutschland. Will man jetzt vergleichen, was der Wert des Nutzers da ist und hier ist, einfach durch die Wirtschaftskraft im Markt? Ich glaube, das wäre der falsche Ansatz. Für uns ist einfach. Wir möchten gerne jeden Nutzer haben, der unsere Plattform letztendlich benutzt. Da packen wir kein Dollar- oder Eurozeichen dahinter. Reporter Und was will Facebook dann vom User? Das ist die entscheidende Frage, die mich schon lange umtreibt. Klar, Facebook will meine Daten. Da bin ich mir sicher. 21. O-Ton: Reporter/ Woods (0,35) (Reporter) Und was will Facebook vom User? (Woods) Also.(Pause) Weiß gar nicht... ob ich die Frage so... Ich glaube, Facebook will eher... Will eher wissen, was die User möchten, damit wir das Produkt weiter verbessern. Ansonsten sehe ich nicht etwas, das wir von dem Nutzer haben wollen. Wir wollen eigentlich die Möglichkeit geben, Informationen untereinander auszutauschen. Das ist es letztendlich. (Reporter) Ja. Musik Reporter Alle sind doch glücklich! Das Unternehmen, das wie kein anderes in der Welt wächst, will nur für das Wohl der Menschheit sorgen. Und die Menschheit ist dankbar. Ich fühle mich nicht ernst genommen. 22. O-Ton: Woods (0,21) Also ich würde jetzt nicht sofort für Marc sprechen, jetzt hier. Aber natürlich wollen wir so viele Menschen wie möglich auf der Welt miteinander verbinden. Am Besten: alle! Ja?! Unser nächstes, gestecktes Ziel, ist es letztendlich eine Milliarde Menschen miteinander zu verknüpfen. Und es muss ja nicht unbedingt da aufhören, weil die Welt ja größer ist. 06. Musik 0,12 Sekunden lang stehen lassen Sprecherin Das Unternehmen soll 100 Milliarden Dollar wert sein. Ob das gerechtfertigt ist oder nicht, Facebook wird weiter wachsen. 23. O-Ton: Imme (0,23) Ich habe aber, wo Du gerade Facebook ansprichst neulich erst von einer sporadisch bekannten Person das erste Mal eine Nachricht bekommen: "Hallo Jonathan! Ich verkleinere gerade meinen Personenkreis." Also die wird sich jetzt auf die aller engsten Freunde und Familie beschränken. "Und ich werde Dich deshalb entfreunden. Nimm es mir nicht übel. Lieben Gruß." Sprecherin "Until we see new land" - "Bis wir neues Land sehen" heißt die Agentur von Jonathan Imme. Das Büro ist auf einer Fabriketage in Berlin Kreuzberg. Hier entwickelt der 27jährige mit seinen Partnern für diverse Unternehmen Ideen für die Zukunft. Er überlegt, wie eine Gesellschaft in ein paar Jahren ticken könnte. 24. O-Ton: Imme (0,22) Social Networks spielen bei uns eine große Rolle. Da wir den Job gar nicht machen können, wenn es die nicht gibt. Also wir brauchen einerseits die Menschen für unsere Projekte und die erreichen wir, nicht ausschließlich, aber doch zum großen Teil über soziale Netzwerke. Also wie Facebook, Twitter, etc. Und wir brauchen das auch, um so überhaupt, mit den Menschen, mit denen wir arbeiten, in Kontakt zu bleiben. Sprecherin Wie werden soziale Netzwerke in den kommenden Jahren in unser Leben eingreifen? Werden wir irgendwann genug davon haben, ständig damit konfrontiert zu sein? 25. O-Ton: Imme (0,38) Es wird sich so ein bisschen aussondieren. Wir werden Facebook nicht mehr für alles das benutzen, für was wir es momentan noch so ein bisschen austesten. Also auch für diese "Mensch, die Club Mate hat ja wieder lecker geschmeckt". Das ist jetzt für viele noch so ein neues Medium und die finden das dann erstmal interessant, das dann wer anders auf "Gefällt mir" klickt und man denkt so "Komisch, sonst hat das niemand kommentiert, wenn ich auf dem Pausenhof gesagt hab, die Club Mate ist aber lecker. Da werde wir auf jeden Fall Abnutzungserscheinungen haben. Nichts desto trotz werden Soziale Netzwerke, also glaube ich, meine ganz persönliche Einschätzung, in fünf Jahren auch noch einen großen Stellenwert haben, wenn es darum geht mit Leuten in Kontakt zu bleiben, Veranstaltungen zu organisieren. Sprecherin Ob in fünf Jahren noch Facebook die treibende Kraft sein wird, kann noch niemand voraus ahnen. Zumal die Konkurrenz schon längst auf den Markt drängt. Diese Form der Vernetzung aber, hat Potenzial um die Gesellschaft weiter zu verdrahten. 26. O-Ton: Imme (0,22) Es ersetzt vielleicht auch, da bin ich mal gespannt, für alte Leute... So der Wunsch "Es hört mir keiner zu, aber ich hab jetzt achtzig Jahre Wissen und Erfahrung eingesammelt, mit wem darf ich das teilen?". Vielleicht ist Facebook tatsächlich eine Entlastung für Altenpfleger in der Zukunft. Ist jetzt ne steile These,ne!? Sprecherin Eine Sache scheint allerdings unabdingbar. Der richtige Umgang mit dem neuen Massenmedium muss erarbeitet werden. Die Benutzer dürfen sich nicht zu den Opfern des Systems machen lassen, sondern müssen komplett selbst bestimmen können, was mit ihnen im Internet passiert. 27. O-Ton: Imme (0,49) Es müsste auf jeden Fall eine Stunde, jeden Montagmorgen von acht Uhr dreißig bis neun Uhr dreißig, Facebook-Unterricht geben. Also "Ich, in den sozialen Netzwerken". Wie gehe ich eigentlich damit um? Das ist fatal, dass das so ein bisschen autodidaktisch... Ich kenne ja auch wenige Väter, die sagen "Ja, Mensch! Heute mache ich mal einen Tag, wo ich meinem Junior da Facebook beibringe. Es passiert ja da nur noch anders herum, dass man hört: "Okay, heute melde ich meinen Alten mal bei Facebook an, damit der auch mal wieder irgendwie am Zahn der Zeit ist und so ein bisschen mit kommunizieren kann. Es kommt jetzt natürlich auch langsam eine Generation in die Schulen, wo Menschen mit den sozialen Netzwerken aufgewachsen sind und hoffentlich auch einen Weg finden, damit reflektiert umzugehen. 07. Musik: Sprecherin Was passiert, wenn sich 750 Millionen Menschen weltweit ohne weiteres verknüpfen können? Der Facebook-Mensch hat seine Einstellung zur Privatsphäre radikal verändert. Wir präsentieren uns so privat wie nie. Wir können uns ein eigenes Image kreieren. Jeder wird zum Sender seiner eigenen Sendung. Alles andere, der Datenschutz, ist abstrakt und damit für viele User wenig relevant. Sprecher vom Dienst Der Facebook-Mensch. Wie verändern soziale Netzwerke unser Leben? Ein Feature von Johannes Nichelmann. Es sprachen: Karla Schlender und der Autor Ton: Inge Görgner Regie: Frank Merfort Redaktion: Constanze Lehmann Produktion: Deutschlandradio Kultur 2011 1/19