Kleiner großer Mann Die Lange Nacht über den österreichischen Volksschauspieler Hans Moser Autor: Nikolaus Scholz Regie: Nikolaus Scholz Redaktion: Dr. Monika Künzel Sprecher: Dörte Lyssewski Markus Hering Michael Dangl, Zitate Erwin Steinhauer, Zitate Moser & Rolle Hans Moser Sandra Cervik, Rolle Blanca Moser Sendetermine: 10. Februar 2018 Deutschlandfunk Kultur 10./11. Februar 2018 Deutschlandfunk __________________________________________________________________________ Urheberrechtlicher Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in den §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. © Deutschlandradio - unkorrigiertes Exemplar - insofern zutreffend. 1. Stunde „Hallo, Dienstmann“ (Lied) a.d.gln. Film (2.40) MODERATION W Als der Film „Hallo Dienstmann“ 1952 unter der Regie des österreichischen Produzenten Franz Antel gedreht wird, steht einer der beiden Hauptdarsteller am Zenit seiner Karriere: M Die Rede ist von Hans Moser, jenem beliebten österreichischen Volksschauspieler, der am 6. August 1880 in Wien als Johann Julier geboren wird, und viele Jahre unentdeckt in kleinen und Kleinstrollen bei Wandertheatern in der österreichisch-ungarischen Provinz sein Auskommen fristen muss, bevor er ab den 1930er Jahren einen nahezu kometenhaften Aufstieg seiner Karriere erfährt. W Ihm widmen wir die kommenden drei Stunden. Einleitung (hustet) ... auf gebaut kommt’s nicht an. Also, sammas ... sind mir soweit? MODERATION W 1952 – drei Jahre vor Unterzeichnung des österreichischen Staatsvertrages - ist Hans Moser 72 Jahre alt, und wirkt neben seiner Glanzrolle als Wiener Dienstmann auch im satirischen Science-Fiction-Film „1. April 2000“ mit. M Der von der österreichischen Bundesregierung in Auftrag gegebene Propagandafilm unter der Regie von Wolfgang Liebeneiner soll zeigen, wie die Österreicher wirklich sind: Friedliebend, heiter, harmlos und vor allem musikalisch. W Von Mozart über Prinz Eugen, Kaiserin Maria Theresia, dem Wiener Wein, dem Wiener Walzer bis hin zu österreichischen Alpen- und Seenlandschaften unter wolkenlosem Himmel – kein Klischee wird dabei ausgelassen. M Der Film, in dem neben Hans Moser auch Schauspieler-größen wie Curd Jürgens, Paul Hörbiger, Helmut Qualtinger und Josef Meinrad spielen, soll als starkes Signal an die Alliierten wirken, Österreich endlich seinen Staatsvertrag zu ermöglichen und in seine Souveränität zu entlassen. W Als prägnantes Beispiel für die Botschaft des Films gilt jene Filmszene, in der der damalige Burgtheaterschauspieler Karl Eidlitz sowie Hans Moser an der Komposition des Österreichlieds arbeiten. Österreichlied (1.00) „Ein Stück vom Herz der Welt ist Österreich ... drum macht uns gleich und reich.“ MODERATION M Hans Moser, dieser Wiener Charlie Chaplin, brachte wie kein anderer Schauspieler den typischen Österreicher zum Ausdruck. Mit seiner kauzigen Art, dem schief verhatschten Gang einer Proletarier-Schildkröte, seinem G’schau – wie die Wiener den Gesichtsausdruck nennen - und dem berühmten Nuscheln verkörperte er den hierzulande gängigen Eigensinn und die unbestechliche Souveränität des kleinen Mannes. W Im der Verwechslungskomödie „Hallo Dienstmann“ rund um einen echten sowie einen falschen Dienstmann spielt neben Hans Moser der ebenso grandiose Schauspieler Paul Hörbiger, der die Idee für das Drehbuch hatte. Markus 1 Das erste Buch, das ich geschrieben hab, waren die Memoiren von Paul Hörbiger - also ich war sein Ghostwriter - und der hat natürlich mir sehr viel über Hans Moser erzählen können. MODERATION W Erinnert sich der Wiener Kolumnist und Sachbuchautor Georg Markus. Markus 1 Die haben ja sehr viele Filme miteinander gedreht – das war ja eine Traumpaarung: Hans Moser und Paul Hörbiger, die so gegensätzlich waren - äußerlich - haben sich so wunderbar ergänzt, als zwei Wiener Typen, jeder für sich einzigartig: Paul Hörbiger war der Grandseigneur und Hans Moser hat im wahrsten Sinne des Wortes den kleinen Mann gespielt. Er hat fast immer ... seine Rollen waren fast immer Menschen, die in einfachen Verhältnissen gelebt haben, die irgendwie von der Größe der Welt geträumt haben, aber dann vielleicht durch den Kontakt mit der Figur, die der Paul Hörbiger gespielt hat, so ein bisschen in diese „bessere Welt“zu gelangen. Äußerlich haben sie sich natürlich unterschieden: Paul Hörbiger war sehr groß, war ungefähr 1.85 und Hans Moser war 1.58 klein, und das ist natürlich ein weiteres Unterscheidungsmerkmal, aber menschlich waren sich einander wieder sehr nahe, sowohl was mir der Paul Hörbiger eben erzählt hat, persönlich, als auch im Film. Sie haben sich so wunderbar ergänzt. Sie haben viele der Szenen - es gibt ja für jede Szene ein genaues Drehbuch, das unter normalen Umständen von allen Schauspielern natürlich eingehalten wird, aber die beiden haben bis zu 30 % des Drehbuchs durch eigene Ideen ergänzt, und es war dann am Schluss ... hat das ganz anders ausgeschaut, oft zur Verzweiflung zuerst des jeweiligen Regisseurs, aber mit dem Produkt war man dann doch sehr zufrieden. MODERATION W Die Handlung des Films „Hallo Dienstmann“, in dem sich die Protagonisten Hans Moser und Paul Hörbiger gegenüberstehen, ist schnell erzählt: M Der Wiener Musikprofessor Ferdinand Godai – gespielt von Paul Hörbiger - geht als Dienstmann verkleidet auf einen Maskenball, der bis in die frühen Morgenstunden dauert. Nach Ende des Balls wechselt der immer noch als Dienstmann verkleidete, und vom Alkohol illuminierte Professor mit seinen Freunden zum Frühschoppen in ein nahes Bahnhofslokal. W Dort wird er von dem echten Dienstmann Anton Lischka – dargestellt von Hans Moser – fälschlicherweise als Kollege erkannt und um Hilfe gebeten - sehr zum Amüsement der gut aufgelegten Gesellschaft des verkleideten Professors. Szene aus „Hallo, Dienstmann“ HADIE 01 „Bist du blöd, bemerkst du nicht, dass ich die ganze Zeit wink’ ... kumm, a G’schäft hamma ... (lachen) kumm scho, kumm .... Bitte gnä’ Frau wir kommen gleich. MODERATION W Der als Dienstmann verkleidete Professor macht spaßeshalber mit, zumal ihn die aparte Dame, deren Gepäck er tragen soll, sehr interessiert. Szene aus „Hallo, Dienstmann“ HADIE 02 Kumm, geh’ ma ... das is sie ... Die is ja reizend, da hilf ich gerne mit ... Aber du kannst ja nicht ... ... er muss ... das ist seine Gewerbepflicht ... (lachen) Gnädigste, wir sind schon da. Wenn ich gewusst hätte, welch’ reizende junge Dame meine Dienste benötigt, ich wäre geflogen ... Was ist denn, bist Du b’soffen? Du bist ja besoffen. Hatten Gnädigste eine gute Fahrt? Ja, danke. Kommen gnädigste von weit her? Red’ net so blöd daher ... siehst du nicht, dass sie schon ein G’sicht macht? MODERATION W Gemeinsam transportieren die beiden Dienstmänner die Koffer und Kisten in die Wohnung, wo sie beide mit einer großen Holzkiste der Dame kämpfen – M eine der berühmtesten Szenen in der österreichischen Filmgeschichte. Szene aus „Hallo, Dienstmann“ HADIE 03 MODERATION W Georg Markus, Jahrgang 1951, der bereits einige Biografien über Hans Moser verfasst hat, kann sich noch gut an diesen Film erinnern, als er ihn das erste Mal im Kino erleben konnte. Markus 3 Der bekannteste Film schlechthin - und auch den habe ich mir als ersten vielleicht gemerkt, und habe ihn in Erinnerung - ist „Hallo, Dienstmann!“, nicht. Der Dienstmann, das ist so der typische kleine Mann, den der Hans Moser dargestellt hat. Den Dienstmann, der hat ihn ja sein Leben lang begleitet: es war im Jahr 1923, da war er also schon 43 Jahre alt, ist er in einem Wiener Kabarett aufgetreten, weil er endlich von dieser Schmiere loskommen wollte, in einem Kellertheater, in einem Unbedeutenden aufgetreten, und hat gesehen, wie die berühmten Komiker damals mit Solonummern Erfolge gefeiert haben. Und er hat sich gedacht: das könnte ich eigentlich auch. Aber woher nimmt man eine Solonummer? Und da war eine Kollegin, die auch in diesem Kabarett aufgetreten ist, die war verlobt mit dem damals berühmten Schriftsteller Fritz Löhner-Beda, der für Lehar viele Operettentexte, aber auch Kabaretttexte geschrieben hat, ein ganz berühmter Schriftsteller, und der Moser hat ihn angesprochen, als der seine Verlobte abgeholt hat vom Kabarett, und hat gesagt: Herr Dr., bitte schreiben Sie mir doch a Solonummer. Der hatte so viel zu tun, der hat gar nicht dran denken können, dass er da für einen völlig unbekannten Schauspieler eine Solonummer schreiben ... aber der Hans Moser ist ihm eigentlich so lange auf die Nerven gegangen ... er hat gewusst, das ist meine Chance, eine Solonummer. Dann kann ich denen allen zeigen, was ich wirklich kann. Und der ist ihm so lang auf die Nerven gegangen, bis der Löhner-Beda das geschrieben hat, und das war ... die Szene hieß: der Hausmeister vom 7er Haus. Und da hat er schon so einen kleinen Mann, einen bösen Hausmeister, der alle schikaniert, die in dem Haus wohnen - so eine typische schon für später dann Moser-Rolle. Der Moser war ja einer, der immer allen auf die Nerven gegangen ist, der sekkant war, die Leute sekkiert hat, und unangenehm war, in dem aber - das war dann immer zu erkennen - doch ein weiches Herz letztlich gesteckt hat. MODERATION W Auch wenn Hans Moser in dem Sketch „Der Hausmeister vom Siebener-Haus“ einen furchteinflößenden Charakter darstellt, bleibt er doch in all seiner Verbitterung und Verzweiflung stets ein herzensguter alter Mann. Markus 7 Der Löhner-Beda hat dem Moser nach dieser ersten Hausmeisterszene noch zwei weitere Szenen geschrieben, und danach hat sich der Moser gedacht, ich kann’ das eigentlich auch, und hat sich eine Szene geschrieben: Der Dienstmann, wo er als überforderte Dienstmann, weil viel zu schwach für den riesigen Koffer, einem deutschen Ehepaar, das er noch dazu von der Sprache her schwer verstanden hat - des Wienerische und der preußische Dialekt wollen wir sagen - das war auch ein Stück der Komik, und das war also der Durchbruch - mit dieser Nummer ist er dann in diesem größeren Theater, im Ronacher eben aufgetreten. Der Dienstmann (6.35, eingekürzt) Sketch von Hans Moser (1923) HERR (ungeduldig): Wo bleibt denn nur der Dienst­mann, das ist ja zum Tollwerden! DAME: Wir versäumen den Zug, es ist schrecklich! DIENSTMANN (kommt keuchend): Habe d'Ehre! HERR: Na endlich, na, ein bißchen rascher doch. DIENSTMANN: I renn ja eh. Was für a Gepäck kommt denn da weg? HERR: Der Koffer da! DIENSTMANN: Das soll a Koffer sein, na hern S', das is ja a Schubladkasten! DAME: Also machen Sie schon. Wir kommen zu spät! DIENSTMANN: Aber was, wir kommen schon z'recht (versucht den Koffer zu heben). Na servas, der hat a G'wicht, was haben S' denn da drin? HERR: No, Kleidungsstücke. DIENSTMANN: Einen Koffer so anstopfen is a Bledsinn! (hustet) Wie soll i denn den tragen? HERR: Das wird schon nicht so schwer sein. Na, wenn ich so gebaut bin wie Sie, dann ist das doch eine Spielerei. DIENSTMANN: Gebaut, gebaut. DAME: Na, so nehmen Sie ihn doch schon! DIENSTMANN: Na, weil der Herr sagt gebaut. Auf gebaut kommt's net an. Schaun S' mei Alte an, die hat hundertdrei Kilo und is gar nix wert (setzt sich auf den Koffer). Es gibt ja Leute ... HERR: Nun setzt er sich auch noch nieder! DIENSTMANN: ... zum Beispiel der Schrnetacek ihr Bua ist siebzehn Jahr, aber eine Kraft wie ein Büffel. Der nimmt a Singermaschin mit aner Hand und stemmt 's... HERR: Das interessiert mich nicht! DIENSTMANN (beleidigt): Wenn's ka Interesse haben. I hätt Ihna's erzählt. HERR: Na, 'n bißchen fixer doch! DIENSTMANN: I versteh ihn net. Der kommt lhna aber sehr hoch, wenn i den tragen tu. DAME: Das wird doch noch zu bezahlen sein. DIENSTMANN: Der Kilo kommt Ihnen halt auf 31 Groschen, nach'n neuen Tarif HERR: Aber ja doch. DIENSTMANN: Wia nehm man denn? HERR: Wie? DIENSTMANN: Wia nehm man denn? HERR: Mensch, ich versteh Sie nicht. DIENSTMANN: Wie nehmen mir ihm denn? HERR: Das müssen Sie doch wissen. DAME: Wir kommen zu spät. DIENSTMANN: Aber was, lächerlich, kommen S' nur, reiß ma'n auf! HERR: Was wollen Sie? DIENSTMANN: Reißen mir ihm empor! HERR (verzweifelt): Ja! DIENSTMANN: Also, passen S' auf, jetzt reiß ich ihn auf, und wenn ich ihn oben hab, so gehen Sie mir hinten nach, und wenn er mir auskommt, dann fangen S' ihn. HERR: Gut! DIENSTMANN: Na also. Also: eh — (nimmt keuchend den Koffer)— hopp, abiagn, abiagn, laß nach, laß nach, umikanten, geben S' acht, Sie zwicken mir ja den Schädel ab, was treiben S' denn, bleiben S' steh'n, was fahren S' denn Ringelspiel? So was Bledes hab i no net g'sehn, warten S', i hab ihn scho. Mei Lieber, uje, uje, uje, fangen S' ihn, fangen S' ihn (Koffer fällt laut krachend zu Boden). HERR: Verflucht! DAME: Und der Koffer ist auch noch kaputt! DIENSTMANN: So was Deppertes, naja, die Schlösser san ja a nix wert. HERR: Also, was zum Teufel... DIENSTMANN: San ja a nix wert. I krieg dreihundert Kronen. HERR: Wofür denn? DIENSTMANN: Ja was, is doch lächerlich, ich hab doch a halbe Stund gearbeitet, Sie können doch net verlangen, daß ma das umsonst (hält die Hand auf) ... kommt was retour? DAME: Aber gehen S'. DIENSTMANN: A so a Bledsinn, den tragt Ihna ja ka Mensch alanig, sei Lebtag tragt den ka Mensch alanig. CD (Robert Stolz od. Franz Lehar) MODERATION M 1923. Das Jahr, in dem Hans Moser seinen berühmten Koffer-Sketch schreibt, wird als das Jahr der Hyperinflation in der Weimarer Republik eingehen. Innerhalb eines halben Jahres steigt der Preis für ein Straßenbahnticket von 600 Reichsmark auf 50 Milliarden Reichsmark. W Dennoch, oder gerade deshalb suchen die Menschen ihren Sorgen zu entfliehen, zumindest für wenige Stunden. Besonders beliebt ist in Deutschland und Österreich der 20er Jahre die Operette. Diese meist komödiantische Mischung aus leichten Melodien und Sprechtheater zieht auch breite Bevölkerungsschichten in die Musiktheater. M Operetten-Hits des Jahres 1923 sind unter anderem das Robert-Stolz-Werk „Mädi“ und Franz Lehars romantisches Stück „Die gelbe Jacke“, für das Fritz Löhner-Beda als Texter verantwortlich zeichnet. Bei der am 17. November in Wien Premiere feiernden Operette „Die Perlen der Cleopatra“ stehen mit dem gern Monokel tragenden „König des Belcanto“ Richard Tauber und dem Ehepaar Fritzi Massary und Max Pallenberg gleich drei damalige Superstars der leichten Muse gemeinsam auf der Bühne. W 1923 ist aber auch jenes Jahr, in dem Theaterprinzipal Max Reinhardt die Direktion der Berliner Bühnen abgibt, mit finanzieller Hilfe des Italienisch-österreichischen Spekulanten Camilli Castiglioni das Theater in der Josefstadt erwirbt, und es in Anlehnung an das berühmte Teatro La Fenice in Venedig mit rotem Damast, Goldschmuck und venezianischem Lüster-Prunk ausstatten lässt. Nach dem kostspieligen Umbau übernimmt er dessen künstlerische Leitung, und wird In den kommenden Jahren Schaupielergrößen wie Paula Wessely und Attila Hörbiger engagieren. M Von einem Hans Moser, der in dieser Zeit noch daran arbeitet, seinen Ruf als Charakterkomiker zu festigen, noch keine Spur. Zwar wird sein Name auf Plakaten fett gedruckt, wie beispiels­weise zu Auftritten im Wiener Café Royal und im Lurion, er selbst erlangt aber bestenfalls lokale Bekanntheit. W Im Lurion, einem Kaffeehaus und Vergnügungslokal mit Salonkapelle, ist Hans Moser 1922 in Ludwig Hirschfelds Groteske „Doppelpunkt“ mit seinem Dienstmann-Sketch Straubinger zu sehen - eine Rolle, die ab diesem Zeitpunkt zu einem festen Bestandteil von seinen Soloprogrammen wird. Moser hat endlich sein Markzeichen gefunden. M Mit der Darstellung von ausgefuchsten Dienern, die mit Vergnügen wohlhabende Fabrikanten und gutbürgerliche Herren der Gesellschaft austricksen, schafft er sich eine einmalige Position und gleichzeitig ein unverwechselbares Profil gegenüber bereits etablierten Komikern wie Armin Berg, Karl Farkas und Sigi Hofer. W 1923 tritt Moser schließlich im Ronacher auf, in Wiens damals renommiertestem Varieté. Der Titel der Ausstattungsrevue von Altmeister Karl Farkas: „Gib acht!“. Die Kritik zeigt sich begeistert: ZITAT 1.1 Eine Überraschung ist Hans Mosers Leistung. Dieser Episodist, dessen nun so seltene Begabung ganz im Wiener Volkstum wurzelt, hat in der Figur eines Dienstmannes und in einer sehr heiteren und witzigen Szene als Pompes funebres - Arrangeur Gelegenheit, sein noch immer viel zu wenig gewür­digtes Talent zu zeigen. MODERATION M 1924 entscheidet sich Hans Moser, nicht mehr ausschließlich allein oder in großen Ensembles aufzutreten. Mit Armin Berg, Adolf Glinger und Sigi Hofer gründet er die Gruppe Theater der Komiker, die sich an der Rolandbühne in der Praterstraße 25 im zweiten Wiener Gemeindebezirk etablieren kann. W Neben Revuen — beispielsweise mit der Vortragskünstlerin Lilly Rainer, der Gesangs-Soubrette Lea Gregor, oder dem schwedischen Meister-Detektiv Sven Orro – M der »große okkulte Forscher und berühmteste Experimentalpsychologe des Kontinents«, W stehen auch Schwänke und Possen aus dem Milieu des kleinen Mannes auf dem Programm. M Hier tritt Hans Moser in diversen Possen zusam­men mit dem weiblichen Publikumsliebling Gisela Werbezirk auf, wie etwa in jenen mit dem Titel „Versicherung gegen Ehebruch und Im Tunnel“. W Es finden sich auch bisweilen Stücke, die aktuelle sozialkritische Probleme thematisieren wie etwa Inflation und Wirtschaftskrise in der Schwank-Revue „Ohne Geld geht's auch!“ Moser tritt darin gleich in drei verschiedenen Rollen auf - das Illustrierte Wiener Extrablatt stellt fest: ZITAT 1.3 Der heutige Lacherfolg ist auch ein Verdienst der Darstellung, aus der Hans Moser hervorragt. Er hat drei Rollen und gibt drei Menschen, die verblüffend echt und hinreißend belustigend sind. MODERATION W Im Schwank „Er oder Er“ wird Moser bereits als Star angekündigt und ist, als Zwillinger und der Gehilfe Haberditzl, die Sensation des Abends, wie ein Kritiker anmerkt. ZITAT 1.4 Ich ging, mit Wohlwollen bis an den Rand gefüllt, in das Theater der Komiker, deren jeder, ganz richtig, ein Unikum ist, und an deren Spitze mir Hans Moser zu schreiten scheint, ein großer Künstler von allerfeinstem Verständnis für jegliche Art komischer Substanz. MODERATION W Im Dezember 1924 spielt Moser in dem Schwank Der Bucklige, verfasst von seinen beiden Kollegen Adolf Glinger und Otto Taussig. Die Kritik vermerkt: ZITAT 1.5 Ein Stück und zwei Vorwände. Das Stück heißt Der Bucklige, aber eigentlich heißt es Hans Moser. Der spielt nämlich die Hauptrolle, einen jüdischen Winkeladvokaten. Er spielt ihn hinreißend komisch, stattet die erschütternd lebenswahre Gestalt mit einer Fülle feinster Einzelzüge aus, ohne sich jemals auch nur der leisesten Übertreibung schuldig zu machen. Die Vielseitigkeit dieses so spät entdeckten Künstlers ist erstaunlich, seine Beliebtheit beim Publikum mit Recht enorm. MODERATION W Als das Theater der Komiker 1925 aus wirtschaftlichen Überlegungen aufgelöst wird, ist Hans Moser bereits im Kabarett Die Hölle engagiert, das im Souterrain des Theater an der Wien angesiedelt ist. Moser bleibt seinem Figurenrepertoire treu und erntet damit wachsende Erfolge bei Intendanz und Publikum. M Als „Der Urkomische" gehört er bis 1926 der Bühne an und tritt mit der Diseuse Josma Selim und Ralph Benatzky in Revuen auf, oder gemeinsam mit „Canova's entzückenden lebenden Plastiken“, „Manfred Kassin, dem originellen Blitzkarikaturisten“ oder der „american exentric danser Fransky“. W Parallel dazu gibt Moser den so genannten Dritten-Akt-Komiker in Operetten, eine Kleinstrolle auf der großen Bühne des Theater an der Wien, wie etwa jene des Billeteurs in der Musikkomödie Der Orlow. Markus 9 Das war die große Zeit der silbernen Operette in den zwanziger Jahren, und da hat der Direktor Hubert Marischka erkannt, dass Hans Moser der Dritte-Akt-Komiker schlechthin ist. Also im dritten Akt jeder Operette gab’s immer eine Komiker-Rolle und für die war also Hans Moser prädestiniert. Die Erste war ja in der Gräfin Mariza, die ist damals uraufgeführt worden, und war ein Riesenerfolg sofort für Hans Moser. MODERATION W Im Theater an der Wien soll ihn – so wird es erzählt – der österreichische Theaterproduzent Max Reinhardt entdeckt und 1925 als Vorwitz in Hugo von Hofmannsthals Das Große Salzburger Welttheater für die Salzburger Festspiele engagiert haben. M Wie aus einem Brief an seine spätere Frau - die Schauspielerin Helene Thimig - hervorgeht, soll Max Reinhardt Hans Moser in der Rolle des Vorwitz bereits vor Augen gehabt haben, als er das Werk nach dessen Uraufführung in der Kollegienkirche neu adaptieren ließ: ZITAT 1.7 Er ... MODERATION W Mit „Er“ meint Max Reinhardt den Schriftsteller und Mitbegründer der Salzburger Festspiele Hugo von Hofmannsthal, einen der wichtigsten Repräsentanten des deutschsprachigen Fin de Siècle und der Wiener Moderne. ZITAT Er müßte, glaub ich, etwas hinzutun, für den Vorwitz. Das Komische war mir immer zu schwach. Bei dem Salzburger wünschte man sich schließlich nicht mehr. Aber für diesen glänzenden Moser, der wie ich höre, engagiert ist, muß mehr Gelegenheit sein. Das wird auch dem Stück sehr nützen. In der Intention ist es ja da. Aber an Worten fehlt es. Die komische Figur gehört hinein (ist auch bei Calderon immer da), wenn sie aber da ist, verlangt man mehr von ihr. Also schreib ihm das. Er wird unglücklich sein. Aber der entscheidende Moment für das Werk kommt jetzt! Das Stück braucht viel, viel wirkliches Leben, wenn es atmen soll. MODERATION W Trotz seiner Verehrung für den großen Meister und Regisseur, kann Moser nicht sofort Max Reinhardts Ruf folgen, da er vertraglich noch an das Theater an der Wien gebunden ist. Zahlreiche Telegramme aus den Jahren 1925 bis 1929 dokumentieren, das Reinhardt Moser massiv unter Druck gesetzt hat, auch wenn er ihn gleichzeitig hoch einzuschätzen wusste: ZITAT 1.8 Hochschätze sie künstlerisch menschlich ungewöhnlich. MODERATION W Hans Moser tritt auch nach seinen ersten Erfolgen bei den Salzburger Festspielen 1925 und 1926 weiterhin in Revuen und Kabarettprogrammen auf. M Im Januar 1926 ist er in der Hölle in der Revue Lachendes Wien zu sehen, fett gedruckt angekündigt als Wärter Alois Buchinger im sechsten Bild „In der Nervenheilanstalt“. W Der kleinwüchsige Schauspieler reüssiert als der komische lokale Typ beim Publikum, vor allem in jenen Etablissements, deren Programme Varieté und Revue miteinander verbinden. Noch im selben Jahr spielt er in Karl Farkas' ABC-Revue unter anderem in Fritz Löhner-Bedas bewährtem Sketch „Der Patient“. Die Neue Freie Presse schreibt dazu in ihrer Rezension: ZITAT 1.9 Der Superlativ der Revue heißt: Hans Moser. Die Szene Ottakringer Strindberg, in der er wieder einen seiner fabelhaft gesehenen „kleinen Männer“ spielt, wird womöglich noch übertroffen von jener Szene, in der er als Herr Nussenblatt in der Ordination eines Arztes erscheint, um sich ein Krankheitszeugnis heraus zu schwindeln. Diese Szene rückt nur satzweise, unendlich schleppend vor, da man auf der Bühne immer wieder die Lachsalven des Publikums abwarten mußte. Der Patient (eingekürzt) Patientin: Was bin ich schuldig, Herr Doktor? Arzt: Zehn Schilling. Patientin: Bitte. Arzt: Dankeschön. Küß die Hand, gnädige Frau! Patientin: Guten Tag. Moser: Sie lacht. Eine sehr fesche Person. Arzt: Nehmen Sie Platz. Moser: Danke. Arzt: Also, wo fehlt’s? Moser: Ich weiß. Arzt: Was heißt das? Moser: Ich weiß allein nicht, wo es mir fehlt, Herr Doktor. Ich habe Kopfdreh und hier im Rücken ... vor ca. 14 Tagen hat sich mir gemacht ein Schmerz, der hat’s mir hereingegeben, und wenn ich einen Zieh’ mache, so spüre ich einen Stich. Arzt: Wenn sie was machen? Moser: Wenn ich einen Zieh’ mache. Arzt: Einen Zieh’? Was ist das? Moser: So (atmet aus). Arzt: Ach so, beim Atmen? Moser: Nein, Herr Doktor, nicht beim Atmen, sondern nur, wenn ich einen Zieh’ mache. Arzt: (lacht) Moser: So Herr Doktor, lachen Sie? Arzt: Nein, nein. Moser: Herr Doktor kommen mir sehr bekannt vor. Sie waren früher nicht bei der Oper? Arzt: Nein. Moser: Der Bruder Ihrer auch nicht? Arzt: Nein. Moser: Haben Sie einen Doppelgänger? Arzt: Möglich. Moser: Genauso wie sie hab’ ich gesehen einen Opernsänger in Cernowitz. Sie waren nicht in Cernowitz? Arzt: Nein. Moser: Ich pflege nämlich sehr gerne in die Oper zu gehen, für gewisse Sachen: Wagner ist mir zu geräuschvoll, Mozart zu lieblich, aber ein Rigoletto, ein Trobadour, das ist mir ... Arzt: Also ziehen sie sich aus. Moser: Herr Doktor, ich glaube es wird gar nicht sein von Nöten, dass ich mich ausziehe, weil ich brauche nur eine Erkrankungszeugnis. Arzt: Wozu brauchen Sie das Erkrankungszeugnis? Moser: Man hat mich bedrängt Herr Doktor. Und jetzt verlangt man von mir, ich soll abgeben einen Offenbarungseid. Wozu brauch’ ich abzugeben ein Offenbarungseid, in drei Wochen, soll sein vier Wochen werde ich führen das Geschäft weiter. Ich möchte nur bitten .... Arzt: Nein, nein, nein, nein. Solche Sachen mache ich nicht. Ich werde sie untersuchen: Sind sie krank sind, sie krank. Sind sie gesund, sind sie gesund. Arzt: Also kommen Sie, machen Sie mal den Mund auf, und geben Sie die Zunge heraus! Moser: Warum? Arzt: Weil ich sie sehen will ... Na also, los! Moser: Nein bitte. Ich trau mich nicht! Arzt: Also machen Sie doch auf ... weiter ... weiter! Moser: (redet mit geöffneten Mund) ... So eine Unverschämtheit! Er verlangt 200 Schillinge für ein Zimmer .... Arzt: Reden Sie nicht so viel, machen Sie den Mund auf! Moser: Herr Doktor, bitte. Es tut mich so würgen. ... Arzt: Also rasch! Moser: Hier habe ich einen schlechten Zahn. Arzt: Das interessiert mich nicht. Moser: Ich hab gedacht, wenn ich schon hier bin, Herr Doktor ... Arzt: Setzen Sie sich. Sagen Sie, haben Sie Appetit? Moser: Ja. D.h. ja, d.h. nein. Es kommt darauf an, was man mir vorgibt, vorlegt. Arzt: vorsetzt! Und wie steht es mit der Verdauung? Moser: Ich bin zufrieden. Es verdaut sich mir sehr gut. Arzt: Also, ziehen Sie sich die Weste aus. Na, na, na, Arme herunter. Jetzt atmen sie! Moser: (atmet) Arzt: Was treiben sie denn? Moser: Atmen. Arzt: Aber doch so! (atmet) Moser: Ja. Einen langen Zieh. Arzt: Atmen Sie!? Moser: Bitte. Arzt: Nicht atmen. Atmen. ... nicht atmen. Atmen. Moser: Er macht mich mevulve. Arzt: So, jetzt ziehen sie sich an, und zwar ziehen sie sich möglichst schnell an, und die Sache ist erledigt. Moser: Danke Herr Doktor, danke. Arzt: Sie sind gesund. Moser: Ach, das ist mir sehr unangenehm. Herr Doktor, vielleicht wäre es möglich, ... Arzt: Ich habe Ihnen bereits einmal gesagt, dass ich derlei Dinge nicht mache. Moser: Ein schlechter Mensch. Gehe ich zu einem anderen Doktor, Arzt: Das können Sie halten, wie sie wollen. Moser: Bitte, guten Tag. Arzt: Halt, halt! Ich bekomme 20 Schilling. Moser: Nein, ich bin in der Krankenkasse. Arzt: Aber da hätten sie doch Vormittag zwischen elf und kommen müssen! Moser: Komm’ ich morgen! Arzt: Aber sie sind doch schon untersucht! Moser: Brauche ich morgen doch gar nicht zu kommen! CD Klezmer music MODERATION W Im Juni 1927 entschließt sich Hans Moser, dem Druck Max Reinhardts nachzugeben. Max Reinhardt ist glücklich, weiß er doch, dass er einen Typ wie Moser auf der Bühne braucht. Zwar nicht in einer tragenden Hauptrolle, aber als einer, der eine noch so kleine Nebenrollen aufzuputzen vermag, und ihr zu menschlichem Glanz verhelfen kann. M So übernimmt Hans Moser in Reinhardts Berliner Inszenierung von George Watters' und Arthur Hopkins' Stück Artisten an der Komödie am Kürfürstendamm die Rolle des Inspizienten Jimmy. W Zur gleichen Zeit steht Moser allerdings noch bei Ernst Marischka am Theater an der Wien unter Vertrag, sehr zum Ärger von Max Reinhardt. In einem Brief an Hans Moser lässt er seinem Unmut freien Lauf: ZITAT 1.10 Entsetzt über Mayers Nachricht, dass sie daran denken können, etwa August Artisten zu verlassen damit ihren enormen Erfolg zu zerstören meine mühsame Arbeit zu degradieren und Theater schwer zu schädigen Stopp in Berlin ist durchhalten einer Erfolgsserie mit unveränderter Besetzung für den Schauspieler ebenso entscheidend wie für das Theater bitte sie dringendst durchzuhalten Herzlichste Grüße Max Reinhardt. MODERATION W Auch wenn der Erfolg in Artisten Hans Moser in Berlin schlagartig bekannt macht, bleibt er parallel dazu viel beschäftigtes und bewährtes Mitglied im Ensemble des Theaters in der Josefstadt. Denn er zählt zu den wenigen Künstlern, die ein Garant für ausverkaufte Häuser sind. So ist in der österreichischen Tageszeitung „Die Stunde“ vom 13. Mai 1928 zu lesen: ZITAT 1.11 Hans Moser hat also augenblicklich einen Vertrag mit dem Theater in der Josefstadt für die Abendvorstellung und einen zweiten Ver­trag mit dem Theater an der Wien. Dieser lautet aber nur für den dritten Akt der Kürnan-Operette. Hans Moser ist demnach bis ungefähr 10 Uhr dem Theater in der Josefstadt verpflichtet und später dem Theater an der Wien. Nun ergibt sich Komplikation auf Komplikation. Max Reinhardt will nämlich Hans Moser für Berlin haben. Er inszeniert dort eine amerikanische Komödie „Artisten" und hat sich die Rolle eines Garderobiers als Moser-Rolle zurechtgelegt. Hans Moser ist für Berlin ein neuer Mann und Reinhardt ver­spricht sich sehr viel von seinem Erfolg in Berlin. Da er nun ans Theater in der Josefstadt engagiert ist, könnte er natürlich ohne weiteres nach Berlin fahren. Aber er müßte, laut Vertrag mit Direktor Marischka, jeden Tag zum dritten Akt der „Herzogin von Chicago" wieder in Wien sein. Das geht nun trotz Luftverkehr nicht. Und Direktor Marischka will Moser nicht weglassen, weil er der Meinung ist, Hans Moser sei im dritten Akt der jeweiligen Theater an der Wien-Operette eine solche Selbstverständlichkeit, daß er unabkömmlich sei. Jeden Ersatz, den man Marischka bisher geboten hat, lehnt er ab. Reinhardt in Berlin hofft noch immer auf Moser. Aber bevor Marischka für den letzten Akt nicht mindestens Chaplin hat, wird er auf Moser nicht verzichten. MODERATION W Dennoch gelingt Moser, den Spagat zwischen Wien und Berlin zu knüpfen, wo er nicht nur für Max Reinhardt auf der Bühne steht, sondern auch Gastauftritte an Berliner Kleinkunstbühnen zusagt, wie beispielsweise im Spätsommer 1928. Er wird als ZITAT 1.11 Wiens größter Komiker MODERATION W in Kurt Robitscheks Berliner Kabarett der Komiker angekündigt. Die deutsche Presse überschlägt sich in Lobeshymnen: ZITAT 1.11ff Hans Moser, von Max Reinhardt für Artisten verpflichtet, gastiert ab heute im Kabarett der Komiker. Dieser geniale Künstler ist als Solist im Kabarett gleichwertig dem großen Komiker Karl Valentin. Sein Auftreten bedeutet die Sensation der Sommerspielzeit. MODERATION W Moser ist nicht mehr nur ein Markenname, hat er sich denn zu einem authentischen Darsteller kleiner bis mittelgroßer Rollen gewandelt, der auch iseine Anlagen dazu bereits in seinen Typendarstellungen entwickelt hat. Der Wiener Kolumnist und Sachbuchautor Georg Markus: Markus 5 Und er selbst hat er später dann in den zwanziger Jahren in einem Interview gesagt: „Ich war immer schon genauso wie ich jetzt bin - wir er schon berühmt war - ich war immer schon genauso wie ich jetzt bin, aber es hat mich keiner erkannt“. MODERATION W In einer frühen Originalaufnahme aus dem Jahr 1934 ist Hans Moser als Heiratsvermittler Adolf Brandeis in einer Szene aus dem Schwank „Amor in Nikolsburg“ zu hören: Amor in Nikolsburg (eingekürzt) ... sind Sie soweit? Dann fangen Sie an: Schreiben Sie mir oben den Datum. Brünn, den wievielten haben wir heute? Den 23. Dieses. An Herrn Efraim Mohnblum ... bezugnehmend auf ihr Fräulein Tochter, auf der herauf Sie mir geschrieben haben ... dass sie beabsichtigen wollen, die selbige an einen besseren jungen Mann aus guter Familie hintan zu gebe, muss ich Ihnen leider erwiddern ... dass der Bedarf an Damen jetzt momentan kein sehr großer ist. Nichtsdestoweniger bin ich in der Lage, ihnen ein prima Offert zu unterbreiten ... Jakob Bloch Sohn, den ich momentan und freibleibend auf Lager habe .. könnte und würde sich ihren Fräulein Tochter auf das allerbeste passen. Der junge Mann hat Geld und erwartet auch Selbiges von Ihnen. Ich glaube, wenn Sie den oben erwähnten Jakob Bloch Sohn 100.000 Kronen versprechen, bei der Verlobung von 80.000 reden, so wird er bei der Hochzeit mit 30-35 leicht zu machen sein. Nun zum Geschäft: ich kann diese Partie unter 10 % nicht machen. Wie ich sie aber kenn’, werden sie doch handeln. Und so sage ich ihnen lieber gleich, dass ist unter 8 nicht gehe. Weil aber Sie es sind, und ich doch weiß, wie schwer bei Ihnen ein Provision herauszureißen is’, und so reduziere ich meine Ansprüche auf siebeneinhalb. Sollten Sie mir aber bloß 5 bieten, dann strengen sie sich gar nicht an mit einem Schreibebrief, denn ich kann es nicht machen unter 6. Und womit ich verbleibe mit den besten Grüßen an Ihnen und Fräulein Tochter, die ich in der Hoffnung glaube, auf die Wochen zu einer glücklichen Braut befördern zu können mit bewußtem Bloch Sohn und einer ausgezeichneten Familie ... das brauche ich nicht, das haben wir schon ... jetzt unterschreibe ich. Hochachtungsvollst ... ich unterschreibe jetzt ... Adolf Brandeis. Jetzt picken Sie den Brief gleich zu, und geben ihn rein in a Kastl. CD „Ja, das sind halt Wiener G'schichten“ (2.50) MODERATION W In der kommenden zweiten Stunde dieser langen Nacht über Hans Moser erfahren sie mehr über den schwierigen Anfang seiner Karriere als Schauspieler auf den so genannten Schmierenbühnen und Theaterbrettern in der österreichisch-ungarischen Provinz, und auch über jene Zeit, als er während der Nazidiktatur als bestverdienender Filmschauspieler gefällige Heimatfilme dreht. Musik 2. Stunde CD „Ich trag’ im Herzen drin“ a.d. Film Wir bitten zum Tanz (3.25) MODERATION W 1941. M In dem Jahr, als die deutsche Filmkomödie „Wir bitten zum Tanz“ mit Hans Moser unter der Regie des österreichischen Schauspielers, Operettensängers und Drehbuchautors Hubert Marischka gedreht wird, ordnet Heinrich Himmler die Errichtung des Konzentrationslagers Auschwitz an. Adolf Hitler und Benito Mussolini treffen sich am Brennerpass und vereinbaren die militärische Allianz gegen Frankreich und Großbritannien. W In dieser hochbrisanten Zeit kommt das rührselige Walzerstück, dem die deutsche Filmprüfstelle das Prädikat „volkstümlich wertvoll“ verleiht, gerade zur rechten Zeit. Wostry 5 Es ist ganz klar: Diktaturen haben generell ein großes Interesse an der Propaganda, der Film als das wichtigste, als das Leitmedium dieser Zeit war natürlich besonders im Fokus der Machthaber, und wurde entsprechend gefördert. MODERATION W Nikolaus Wostry ist Geschäftsführer und Leiter des österreichischen Filmarchivs, in dem unter anderen auch zahlreiche Originalnegative von Filmen mit Hans Moser lagern. Wostry 5 Die Produktionen in Österreich während der Nazizeit sind natürlich nicht unter einem derartigen finanziellen Druck gestanden, wie die Vorkriegsproduktionen. Es wurden in den Wien-Film-Ateliers enorme Investitionen getätigt, es wurden eigene Kopierwerke errichtet, später dann auch für Farbkopierungen - das ist durch die Bombardierungen dann nicht zustande gekommen - aber was wir sehen können ist, dass rein das Materielle der Filmüberlieferung erschreckend gut ist. Also wenn man sich die österreichische Filmüberlieferung anschaut der Zeit vor dem Anschluss und der Zeit nach dem Anschluss, dann sieht man einfach die Not. Man sieht in den Negativen das Verwenden verschiedener Materialien, weil es einfach eine Sparmaßnahme ist. In der Nazizeit sind nicht nur die Originalnegative überliefert, sondern wir haben auch Masterpositive, Duplikat-Negative in großer Zahl - das bedeutet vom Materiellen waren die in einer Weise ausgestattet, wie nie zuvor und nie danach. Und das sieht man generell diesen Produktionen an: Kamerafahrten irgendwo, die wirklich irgendwo teilweise bravourös sind, wo einfach mit dem Material und auch mit den Mitteln nicht gespart werden musste. Ausschnitt a.d. Film „Wir bitten zum Tanz“ (0.25-1.50) MODERATION M Herbst 1941. W Zu diesem Zeitpunkt steht der damals bereits 61jährige Hans Moser ganz oben in der Beliebtheitsskala des Publikums, ja selbst Adolf Hitler hat einen Narren an ihm gefressen. M Das war nicht immer so: die ersten fünf Jahrzehnte seines Lebens ist das komische Talent des Volkschauspielers weitgehend unentdeckt geblieben. W Der am 6. August 1880 als Sohn des ungarischen Bildhauers Franz Julier und seiner Frau Serafine in Wien geborene Johann will schon in seiner Jugend hoch hinaus – nicht gerade zur Freude seiner Eltern: Auch sein kleiner Wuchs – er misst gerade mal ein Meter 58 – hält ihn nicht davon ab, seinen unbändigen Wunsch verwirklichen zu wollen, einmal auf jenen Brettern zu stehen, die die Welt bedeuten. ZITAT 2.1 Schauspieler willst werden? Mit der Stimm' und der Figur? MODERATION W ist die erste Reaktion des Vaters, als er erfährt, dass sein Sohn nach Abschluss einer Handels­lehre zur Bühne will. M Die Kritik von Direktor Gutmayer — Leiter einer privaten Theaterschule— klingt ebenfalls alles andere als vielversprechend: ZITAT 2.2 Talent ha­ben S' keines, aber wenn S' wollen, kön­nen S' trotzdem bleiben! MODERATION W Moser darf bleiben – aus rein ökonomischen Überlegungen des Theaterschuldirektors. Das monatliche Schulgeld in Höhe von 15 Gulden trägt das seine dazu bei, das künstlerische Lehrinstitut finanziell über Wasser zu halten. M Den tatsächlichen Schauspielunterricht – parallel zu seiner Ausbildung zum Lederwarenhändler - erhält er dann von einem entfernten Verwandten, dem Hof­schauspieler Josef Moser. W Dieser ist als so genannter Episodist – als ein Kleindarsteller - am Burgtheater engagiert. Ihm zu Ehren wird Johann Julier wenig später den Künstlernamen Hans Moser annehmen. M Mit Siebzehn kündigt Johann Julier alias Hans Moser seinen Fixposten in der Buchhaltung eines Lederwarengeschäfts zugunsten einer ungewissen Theaterkarriere. W Damals, knapp vor der Wende zum 20. Jahrhundert, existierten drei Kategorien von Theatern, wie der Autor und Moser-Kenner Georg Markus erzählt: Markus 2 Die großen Bühnen in Wien, in Berlin, in Prag - damals auch deutschsprachig - da gab's die wirklich sehr gute Provinz. Das waren auch hervorragende Schauspieler, die dann später ... die dort geschult wurden und dann später zu den großen Bühnen ans Burgtheater, Schillertheater usw. kamen. In der Provinz, das war in mährisch Ostrau, in Reichenberg, und wie sie alle hießen, sehr oft in Böhmen und Mähren gelegen - alles deutschsprachige Theater. Und dann gab's die dritte Stufe, die unterste Stufe, und das war die Schmiere. Das waren Gasthaussäle, in der man nicht einmal Geld bekommen hat, sondern oft nur das Essen, und das war nicht gut. Und Hans Moser war dazu verdammt über 20 Jahre lang in der Schmiere zu spielen, in der untersten Stufe des Theaters, weil ihn einfach niemand erkannt hat, weil er von der Figur her ... er hat die, wie er jung war, die Liebhaber, die jungen Liebhaber gespielt, für die er natürlich nicht geschaffen war mit 1,58 m, und daher hat ihn auch niemand erkannt, und niemand hat ihn eingesetzt, als das, was er natürlich war, als Komödianten, als Komiker im weiteren Sinne. MODERATION M Manchmal muss Hans Moser auch als Statist und Kulissenschieber einspringen, und ist sogar vertraglich verpflichtet, Theaterzettel auszutragen und seine Kostüme selbst mitzubringen. W Doch er träumt immer noch davon, an die großen Bühnen in Wien, Berlin und Prag engagiert zu werden – ein Traum, der zum ersten Mal in Erfüllung geht, als Moser 22 Jahre jung ist. Markus 8 Und da hat er im Jahr 1902 ein Angebot bekommen vom Direktor Josef Jarno im Theater in der Josefstadt, eben an diese berühmte Bühne zu kommen, und er hat geglaubt, gehofft, jetzt findet sein Durchbruch statt, aber es war nicht. Der Jarno, ein an sich wirklich großer Theatermann hat sein Genie nicht erkannt, und hat in kleine, winzige Rollenspiel lassen, und er nach einem Jahr wieder zurück in die Schmiere gegangen - so furchtbar das war – aber dort hat er wenigstens größere Rollen spielen können. Er hat geglaubt immer, dort kann er dann ... wird er dann entdeckt, aber niemand hat sich die Schmiere angeschaut, kein wichtiger Theaterdirektor und drum hat es so lange gedauert. MODERATION M Der große Durchbruch bleibt allerdings aus. W Schuld daran ist nicht Hans Moser selbst, sondern eine klare Fehlbesetzung seiner Person. Anstatt sein komisches Talent zu nutzen, wird er mit der Darstellung des Liebhabers betraut - sein Aussehen und seine Körpergröße lassen ihn jedoch an dieser ihm zugedachten Rolle scheitern. Mehr Erfolg hat er im Privatleben. M 1910 lernt er die Frau kennen, die sich sowohl für sein Privatleben als auch für sein berufliches Fortkommen als Glücks­fall erweisen sollte: W Blanka Hirschler, eine resche und dominante junge Frau jüdischer Abstammung. 1911 heirateten sie, zwei Jahre später kommt Tochter Margarete zur Welt. M Blanca Hirschler, zehn Jahre jünger als Hans Moser, nimmt fortan seine Karriere in die Hand und beginnt ihn zu ma­nagen. Ge­meinsam klappern Blanca und Hans Kabaretts, Variétes und Nachtlokale ab, wenn auch anfangs nur mit mäßigem Erfolg. W Sie studiert mit ihm neue Rollen ein, handelt Verträge aus, und kümmert sich um Engagements. Vor allem aber macht sie ihm Mut, und holt ihn aus seinen Depressionen. M 1914 bricht der 1. Weltkrieg aus, Moser wird zum 4. Infanterieregiment der Hoch- und Deutschmeister eingezogen. W Vier Jahre lang kämpft Moser an den Fronten am Isonzo, in Russland und in Polen, bevor er 1918 heimkehrt – wie durch ein Wunder unverletzt. Der Vater der inzwischen 5jährigen Margarethe Moser muss wieder von Null beginnen. CD „Wenn der Herrgott net will, nutzt es gar nix“ (2.35) MODERATION W Der Wiener Schriftsteller und Kritiker Anton Kuh hat den realistischen Esprit Mosers als erster festgehalten, als er schrieb, dass Moser sich in der "schlapfenden, rückenverbogenen, quetschstimmigen Erscheinung des proletarischen Wieners am wohlsten" fühle, und ihn "borstig und klassenbewusst" nannte, M eine "magische Verknüpfung aus Hobellied und Achtstundentag". W 1924 bekommt Hans Moser erstmals eine Rolle im Stummfilm „Die Stadt ohne Juden“ angeboten – ein Film, der auf dem zwei Jahre zuvor erschienenen, gleichnamigen Roman von Hugo Bettauer basiert. M Aus heutiger Perspektive beweist die Handlung des Films eine geradezu prophetische Weitsicht in Bezug auf die Geschehnisse im Dritten Reich, die sich auch in den filmischen Bildern der Vertreibung der Juden widerspiegelt. W Nur wenige Monate nach der Uraufführung am 25. Juli 1924 in Wien wird der Autor der Romanvorlage Hugo Bettauer von dem Nationalsozialisten Otto Rothstock in seinem Büro erschossen. Hans Moser spielt in der „Stadt ohne Juden“ den Rat Bernard. Wostry 1 Selbst im Stummfilm ist der Hans Moser eigentlich schon als Persönlichkeit ziemlich ausgeprägt: Sogar in der „Stadt ohne Juden“, wo er einen ganz rabiaten Antisemiten spielt - ganz gegen das, was der Moser tatsächlich darstellt – und was der Moser eigentlich war. Moser war ja bekanntlich mit einer jüdischen Frau verheiratet. Aber selbst in diesem Film ist der Moser eigentlich schon der Moser. Es ist wirklich erstaunlich, wie diese Persönlichkeit selbst ohne Ton im Grunde genommen schon einen Typus kreiert hatte, den man dann später in der Tonfilmzeit ganz besonders ausbauen wird. MODERATION W Nikolaus Wostry ist neben seiner Funktion als Leiter des österreichischen Filmarchivs auch ein bekennender Moser-Fan. Wostry 2a Ja, der Hans Moser ist einfach eine ganz ausgeprägte Individualität - oder wie man das früher genannt hat: ein Original. Und zu diesem Original gehört natürlich der sprachliche Ausdruck, und der ist ja beim Moser extrem prägnant, nicht: Dieses Nuscheln, aber dieses nörglerisch Larmoyante. MODERATION M Hans Moser hatte in allen, vor allem durch ihn populär gewordenen Filmen eine eigenartige, individuelle, gewissermaßen privatsprachliche Art zu sprechen. Wie er die Wörter aussprach, seine unverwechselbare Art der Artikulation, entsprach in keinem Fall den Regeln eines Aussprachewörterbuchs, etwa denen des Siebs oder des Aussprache-Dudens, W schreibt der österreichische Philologe Alois Brandstetter in einem Artikel in der Tageszeitung „Die Presse“: M Und wenn er Mundart sprach, dann auch nicht einfach „die“ Wiener Mundart, sondern „seine“ Wiener Mundart, kein Schönbrunnerisch und auch kein Vorstadtwienerisch, und auch nicht einfach proletarisch, selbst dann nicht, wenn er einen Domestiken darstellt. W In der 1942 gedrehten Komödie „Wiener Blut“, eine freie Adaption der gleichnamigen Johann-Strauß-Operette in der Regie von Willi Forst, schlüpft Hans Moser in die Rolle des Kammerdieners Knöpfel. Als dieser auf einer Veranstaltung kompromittiert wird, verliert er die Fassung. M In weiteren Rollen hören Sie in dieser Szene Theo Lingen und den Tenor und Schauspieler Fritz Imhoff. FILMAUSSCHNITT „Wiener Blut“ (1.30) „Pardon, der Tisch is‘ reserviert ... Grissemann 03 Selbst wenn man aus Wien kommt, hat man mitunter Schwierigkeiten, Hans Moser zu verstehen - das liegt nicht nur am mitunter noch nicht ganz ausgereiften Tonsystems des frühen Tonfilms ... ein Theoretiker hatte von der Reanimalisierung der Sprache bei Hans Moser gesprochen, was interessant ist, weil er wirklich so ‘was fast Impulsives, Instinktives hat, in dem wie er spricht, in diesem Herausschießen von Silben, und Satzteilen, und Bedeutungsfragmenten steckt auch etwas Unbewusstes, so als würde jemand, der nicht wirklich denkt, oder nicht wirklich vernünftig agiert, eben fast animalisch ‘was äußern und was zum Ausdruck bringen, was aber möglicherweise... in dem möglicheweise viel mehr Wahrheit steckt, als in den dressierten Sprachäußerungen der Starschaupieler jener Tage. MODERATION W Der österreichische Kulturjournalist und Filmkritiker Stefan Grissemann, der zwei Jahre nach Hans Mosers Tod auf die Welt kam, kennt den Schauspieler von der Leinwand und sieht in ihm einen bis heute unterschätzten Charakterdarsteller. Grissemann 02 Er war auch ein Bewegungsartist, nicht nur ein Sprach-Nuschelkünstler, sondern auch ein Bewegungs-Virtuose. Und man hätte meinen können, dass es eine Zeit gegeben hätte - in den Zehnerjahren, Zwanziger Jahren, in denen er ein großer Stummfilmkomiker gewesen hätte sein können. War er aber nicht. War er nie, weil er vom Theater kam, weil er viel zu spät zum Kino überhaupt übergetreten ist, das ihn anfangs gar nicht interessiert hat. Und trotzdem hatte er sowas wie der Buster Keaton in den dreißiger Jahren, der völlig anders gespielt hat natürlich, eine völlig andere Figur war, aber der hatte auch in den dreißiger und vierziger Jahren, als er in den Filmen aufgetreten ist ... die Melancholie eines Hasbeen’s, eines Menschen, der mal ein Star war, und ein großer Virtuose auf dem Gebiet der Bewegungscomic. Und bei Hans Moser schwingt das auch irgendwie mit – es ist, als hätte er eine Vergangenheit gehabt, die er eigentlich nie gehabt hat, das mag vielleicht einen Teil der Traurigkeit, die auch in vielen bewusst komisch gesetzten Rollen mitschwingt. MODERATION W Grissemanns persönlicher Lieblingsfilm ist der 1934 gedrehte Streifen: „Vorstadtvarieté – Die Amsel vom Lichtenthal“ Filmausschnitt „Vorstadtvarieté – Die Amsel vom Lichtenthal“ (0.00) Grissemann 01 Also in „Vorstadtvarieté spielt er eine eigentlich sehr unfreundliche Rolle - das ist schon mal das erste Ungewöhnliche daran, weil Hans Moser ja Zeit seines Lebens sehr ... er hat kleine Männer gespielt, den prototypischen kleinen österreichischen Mann, der aber immer sehr liebenswert dargestellt war, obwohl er grantig war, aber er war letztlich doch sehr gemütlich und gutmütiger. Also in „Vorstadtvarieté spielt er eine Rolle, die ihn noch weiter herausfordert, nämlich eine, auch zu guten Teilen, böse Figur, einen sehr ordnungsfanatischen Vater eines netten Mädchens, das Luise Ulrich da spielt - eine tolle Schauspielerin. Das spannende ist, das er so diesen ordnungsfanatischen, präfaschistischen Vater spielt, und das ist eine Rolle, die den Charakterdarsteller Hans Moser natürlich sehr, sehr herausgefordert hat. Es hat ihn herausgefordert, aber es hat ihn eben auch ... es hat gezeigt, wie weit er gehen kann, das ist vielleicht das Interessante dran. Filmausschnitt „Vorstadtvarieté – Die Amsel vom Lichtenthal“ (0.00) MODERATION W Erst mit Beginn des Tonfilms Anfang der 1930er Jahre beginnt die österreichische Filmindustrie festzustellen, was sie an Hans Moser wirklich hat, wie Nikolaus Wostry vom österreichischen Filmarchiv anmerkt. Wostry 2b Das ist zu Beginn eigentlich noch gar nicht so klar... im ersten Tonfilm, in den Hans Moser mitspielt: „Geld auf der Straße“ ist er noch nicht so sehr der Moser, er ist eine eher negative Person. Was aber vielleicht ganz interessant ist: in dieser Rolle ist Hans Moser ... spielt er eigentlich einen Juden, und den bisserl werden so zart auch antisemitische Konnotationen mitverbunden. Es ist kein antisemitischer Film - das natürlich nicht - es ist eine Komödie, aber der Moser selbst ist als der Typ, als den wir ihn kennen, noch nicht kreiert. MODERATION W 1930. M In dem Jahr, als die Komödie „Geld auf die Strasse“ in die Kinosäle kommt, beginnt der langsame, aber unaufhaltsame Aufstieg des Hans Moser. W Wenige Jahre zuvor hat ihn der Theaterprinzipal Max Reinhardt entdeckt und für das Deutsche Theater in Berlin und die Salzburger Festspiele engagiert. M 1932 brilliert Hans Moser in dem Wiener Volkstück „Essig und Öl“ unter der Regie von Otto Preminger in der Titelrolle des Greißlers Seiberl. W Der Greißler, ein Wienerischer Begriff für einen kleinen Lebensmittelhändler, sieht sich wirtschaftlich am Ende. Nostalgisch blickt er auf die Belle Epoque vor 1914 zurück. Heute ist seine Kundschaft verarmt, die Wirtschaftskrise und die Konkurrenz großer Filialunternehmen haben ihn ruiniert. CD „Der Doktor Lueger hat mir einmal die Hand gereicht“ (3.10) M Die Premiere des Stückes „Essig und Öl“ am 2. September 1932 in den Wiener Kammerspielen gerät zu einem fulminanten Erfolg für Hans Moser. Wegen der jüdischen Herkunft der Autoren wird das Stück in Deutschland allerdings kaum gespielt. W Das Theater, und vor allem der Tonfilm machen Hans Moser bald über die Grenzen Österreichs hinaus im deutschen Sprachraum populär. Wie etwa in der Komödie „Himmel auf Erden“ aus dem Jahr 1935, in dem Hans Moser als Wirtshausbesitzer Hans Adlgasser brilliert. FILMAUSSCHNITT „Himmel auf Erden“ (1.35) MODERATION W Die Servilität des Wirtshausbesitzers Hans Adlgasser in der Gestalt Hans Mosers hat etwas Subversives, und obwohl für ihn der Gast König ist, ist ihm Moser stets überlegen und auf den eigenen Vorteil bedacht. FILMAUSSCHNITT „Himmel auf Erden“ (1.15) MODERATION W In einigen Szenen kämpft Moser gegen die Tücke des Objekts, wobei etwa eine Reisetasche oder eine Zimmertür ein erstaunliches Eigenleben entwickeln und zu Partnern im komödiantischen Wechselspiel werden. M Selbiges gilt auch für die deutsch-niederländische Schauspielerin Adele Sandrock, deren herrisches und herablassendes Gehabe Moser sogar zu ein paar Sätzen in französischer und englischer Sprache provoziert. FILMAUSSCHNITT „Himmel auf Erden“ (x.xx) MODERATION W Die Verwechslungskomödie „Himmel auf Erden“ mündet schließlich - wie alle Filmkomödien – in ein Happy End, in dem sich die Verliebten in die Arme schließen können, und selbst der grantelnde Moser dem Stammgast sein gerührtes Herz ausschütten kann. FILMAUSSCHNITT „Himmel auf Erden“ (1.50) endet mit Musik! Wostry 3 Die österreichische Filmindustrie ist immer unter einem ziemlich großen finanziellen Druck gestanden. In Österreich selbst könnten sie 10-15 % des Produktionsbudgets lukrieren. D.h. ein österreichischer Film war weit davon entfernt, am Inlandsmarkt seine Kosten einzuspielen. Es hat zwar Versuche gegeben, auch noch während des Autofaschismus mit der Machtübernahme durch Hitler 1933 eine Filmproduktion aufzubauen, die quasi am deutschen Markt vorbei produziert, um jüdischen Filmschaffenden eine Möglichkeit zu geben, noch im Film tätig zu werden. Diese Produktion war aber unter ganz prekären Bedingungen eigentlich zum Scheitern verurteilt. Und das bewirkt etwas, was in anderen Ländern nicht so stark war: der Druck vor dem Anschluss war bereits so groß, dass im Grunde genommen der Anschluss sich schleichend vollzogen hat, und der Arier-Paragraf de facto in der österreichischen Filmindustrie bei den Schauspielern und bei den Kameraleuten usw. durchgesetzt war. MODERATION M März 1938. W Mit dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich hat sich auch die Wien-Filmproduktion dem Diktat der Nationalsozialisten zu unterwerfen. So wird Karl Hartl, Direktor der Wien Film von 1938-45 angewiesen, ZITAT 2.4 ... mit besonderer Sorgfalt darauf zu achten, dass in den Filmen der Wiener Dialekt oder der Dialekt der Alpen- und Donaugaue so abgestimmt wird, d. h. dem in Deutschland allgemein verständlichen Schrift- und Hochdeutsch angepasst wird, dass die Filme dem deutschen Publikum alle Stämme verständlich bleiben. MODERATION W Hans Moser soll in den Filmen den Typus eines unsympathischen Nörglers verkörpern, macht jedoch dem Propagandaministerium einen gehörigen Strich durch die Rechnung, erzählt der Kolumnist und Schriftsteller Georg Markus: Markus 13 Das war ja der ursprüngliche Plan, dass Hans Moser diese unsympathischen, faulen Ostmärker, wie man die Österreicher in dieser Zeit genannt hat, darstellen sollte. Es sollte eine Figur sein, die der Deutsche nicht mag, die er ablehnt - und es ist aber das Gegenteil passiert, gegen den Wunsch von Goebbels, der hinter all diesen Dingen immer gesteckt ist, der Propagandaminister, der sich um jeden Film gekümmert hat. Es ist das Gegenteil passiert: diese Figur war den Menschen, nun auch den Deutschen, nicht unsympathisch, sondern, ganz im Gegenteil, er wurde zu einem Sympathieträger, und das war den Nazis das eigentlich gar nicht so recht. Sie wollten die Österreicher eher so als faule Leute darstellen, die also nicht so anpacken wie die Deutschen, und er war aber von seiner ganzen ... von seinem Habitus und seinem Charakter so, dass das Österreichische sympathisch wurde. MODERATION W Und wie hat Hans Moser selbst die Auflage des Propagandaministeriums gesehen, seine Sprache den in Deutschland allgemein verständlichen Schrift und Hochdeutsch anzupassen gesehen? ZITAT 2.5 Mo Unsere Schriftsprachen, alle - auch die deutsche - sind wie Hosen mit Bügelfalten, von denen die eine wie die andere ist. Der Dialekt aber ist die Hose der kleinen Leut’, verknautscht und ausg’franst und wesenseins mit dem, der sie anhat. Da ist nicht eine genauso wie die andere. CD „Wann i amol in Himmel kumm'“ (2.40) Markus 14 Hitler hatte einige Lieblingsdarsteller, zu denen zählte eben Heinz Rühmann, Paul Hörbiger, von den Komikern Theo Lingen, und – glaube ich - an erster Stelle Hans Moser. Aber das darf man - um Gottes Willen - dem Hans Moser nicht zum Vorwurf machen. Er konnte nix dafür, er war sicherlich ein aufrechter Anti-Nazi, der natürlich wie viele andere auch sich durch diese Zeit durchgeschwindelt haben, und es dabei wirklich nicht leicht hatte. Er hat zwar sehr viel Geld verdient in dieser Zeit - das muss man schon sagen – er hat wirklich viele Filme gedreht, aber er hat schrecklich gelitten, denn seine Frau war Jüdin, und er hat an den Hitler einen Brief geschrieben, in dem er Hitler gebeten hat, eine Ausnahmeregelung für seine nichtarische – wie das damals geheißen hat - Frau zu finden. ZITAT 2.6 Mo An die Kanzlei des Führers, Abteilung Österreich, Wien, Parlament. Mein Führer! Ich lebe mit meiner Frau seit 25 Jahren in glücklichster Ehe. Ich bin vollkommen arischer Abstammung, während meine Frau Jüdin ist. Die für Juden geltenden Ausnahmegesetze be­hindern mich außerordentlich, insbeson­dere zermürben sie mich seelisch, wenn ich ansehen muß, wie meine Frau, die so viel Gutes für mich getan hat, dauernd abseits stehen muß. Ich würde mir nicht erlaubt haben dieses Gnadengesuch ein­zubringen, aber ich habe so viel Kummer (jetzt wieder durch die neuen Reisebe­stimmungen). Ich bitte Sie deshalb inständigst, meiner Gattin die für Juden geltenden Sonderbestimmungen gnaden­weise zu erlassen, insbesondere von der Eintragung des 'J' in ihrem Paß und von der Führung des ihr auferlegten jüdi­schen Vornamen zu befreien. Heil mein Führer! Hans Moser recte Julier, Schau­spieler Wien XIII Auhofstraße 76 Markus 14 Soweit man weiß, hat Hitler nie drauf geantwortet. Jedenfalls gab's keine Ausnahmeregelungen, auch nicht für die Frau eines so berühmten und beliebten Schauspielers, und sie ist dann nach Budapest geflüchtet, und hat dort im Untergrund die ganze Nazizeit überlebt, und ist nach 1945, oder 1945, nach Wien zurückgekehrt. Aber diese Zeit war – das hat mir seine Nichte vor allem, die ja in Wien gelebt hat, mit der er in einer Wohnung gelebt hat, denn er hat es nicht ertragen, allein in seiner großen Villa in dieser Zeit in Hietzing zu leben, sondern hat in der Stadt bei seiner Schwester und seiner Nichte gewohnt, und war furchtbar unglücklich über diesen Umstand, dass seine Frau, die er über alles geliebt hat, so lange von ihm getrennt war. MODERATION W Bis 1945 wohnt Hans Moser bei seiner Schwester Sera in der Trautsongasse im achten Wiener Gemeindebezirk, und schläft während dieser Zeit sogar in deren Ehebett, da Sera’s Mann an der Front kämpft. M Onkel Hans habe sich innerhalb der Familie vehement gegen das NS-Regime ausgesprochen, erinnerte sich seine Nichte Lotte Kirchdorfer zu Lebzeiten, und lebte in ständiger Angst um sein eigenes Leben und das seiner geliebten Frau Blanca. W Blanca Moser - nach den Nürnberger Gesetzen „Volljüdin" - emigriert 1939 über Zürich nach Budapest, wo sie nach der Besetzung Ungarns durch deutsche Truppen in großer Ge­fahr schwebt. Ihre drei Brüder fallen dem Holocaust zum Opfer. M Margarete Hasdeu, die gemeinsame Tochter von Hans und Blanca Moser, flieht mit ihrem Mann nach Bukarest, bevor beide gemeinsam über Paris nach Bue­nos Aires emi­grieren. W Warum Moser trotz der er­zwungenen Trennung von Frau und Tochter in Österreich beziehungsweise Deutschland bleibt, erklärt er nach dem Krieg so: ZITAT 2.7 Mo Ich habe mich auf den Stand­punkt gestellt, ich kann für die Blanca nur dann sorgen, wenn ich arbeite und Geld verdiene. Hätte ich hier alles hinge­schmissen und wäre ins Ausland gegan­gen, ich hätte ihr finanziell nicht helfen können. Und daß die Barbarei einmal vorbei ist, daran habe ich fest geglaubt. MODERATION W In der Zeit zwischen 1938-45 wirkte Hans Moser in etwa 30 Filmen mit, so auch in dem 1943 gedrehten Streifen „Das Ferienkind“ unter der Regie von Karl Leitner. Die Handlung der sentimentalen Verwechslungskömodie: M Der pensionierte Bahnhofsvorstand Vinzenz Panigel – dargestellt von Hans Moser – nimmt ein Ferienkind aus Hamburg in seinem Haus auf. Allerdings nur aus einem einzigen Grund: Er beabsichtigt damit, seine beiden ledigen Cousinen, die sich bei ihm eingenistet haben, für immer aus dem Haus zu vertreiben. W In der folgenden Szene sucht sich Vinzenz Panigel aus den aus Hamburg ankommenden Ferienkindern just den wildesten aus. Ohne dabei nicht im leisesten zu ahnen, dass die Wahl auf sein Enkelkind gefallen ist - ein Umstand, der ihm erst gegen Ende des Films bewusst wird. FILMAUSSCHNITT „Das Ferienkind“ (1.20) Wostry 4 Aber selbst in scheinbar so unverfänglichen Filmen wie „das Ferienkind“ usw. wirkt die Zeit nach. Wir haben das an sich nicht gewusst, aber gerade in dem Film zum Beispiel, der ganz auf den Hans Moser zugeschnitten ist, ist ja schon die Handlung, wenn man sich das anschaut: ein Großvater wählt sich sein Ferienkind selbst, und er wählt sich sozusagen mit der Stimme des Blutes das eigene Fleisch und Blut. Dieser Großvater hat sozusagen den Instinkt des Blutes - das ist schon einmal sehr deutlich in der Zeit angesiedelt - und wenn wir uns die Fassung anschauen, die in der Nazizeit distribuiert wurde, so unterscheidet sich die doch noch deutlich von der in der Nachkriegszeit. Das ist bisher eigentlich nicht so bewusst gewesen, weil diese Anzüglichkeiten irgendwo, in der die Nazizeit zu sprechen beginnt, klein und sich weglöschen ließen: In dem „Ferienkind“ zum Beispiel haben wir eine historische Nitrokopie, die direkt aus der Ursprungszeit der Distribution kommt, und in dieser Kopie schimpfen zum Beispiel ... also es wird ein Streit dargestellt zwischen diesen Kindern, und als hässlichstes und brutalstes der Schimpfwörter wird dann einem Kinder an den Kopf geworfen: Jude! Das ist natürlich in der Nachkriegszeit aus sämtlichen Kopien verschwunden, und wir haben uns das einmal angeschaut: wir haben ja sämtliche Original-Negative der Wienfilm-Produktion. Selbst in den Originalnegativen wurde das ausgemerzt. MODERATION M Nach Kriegsende wurde „Das Ferienkind“ von den Alliierten als nationalsozialistische Propaganda eingestuft. W Hintergrund für diese Entscheidung dürfte wohl gewesen sein, dass damit der Landbevölkerung die Verschickung deutscher Kinder aus den vom Bombenangriffen bedrohten Städten schmackhaft gemacht werden sollte. M „Das Ferienkind“ - einer der Lieblingsfilme Hans Mosers – zeigt den Schauspieler in den ersten 60 Filmminuten so, wie das Publikum ihn sehen will, als missmutigen Grantler. W Das Grundmotiv des Streifens ist das gleiche wie in „Der kleine Lord“: aus einem hartherzigen Alten wird schlussendlich ein liebevoller Großvater. FILMAUSSCHNITT „Das Ferienkind“ (1.30) MODERATION W In den Produktionen der Wien-Film im 2. Weltkrieg werden natürlich auch jene Sujets bedient, die die Österreicherinnen und Österreicher in ihrem Nationalbewusstsein fest eingeschrieben haben. Wostry 6 Der Österreicher ist überzeugt von der Schönheit seines Landes, er ist überzeugt, dass die Landschaft hier schönes als anderswo wäre, und es ist tatsächlich so, dass die Wien-Filmproduktionen auch sehr viel „on location“ drehen. Es wird sehr viel in den österreichischen Bundesländern gedreht, Außenaufnahmen sind keine Seltenheit, obwohl sie natürlich, was den Produktionsablauf ist, wesentlich schwieriger Hand zu haben sind, aber das ist in Filmen auch deutlich eingeschrieben. MODERATION W Auch nach Kriegsende setzen Regisseure wie Franz Antel, Hubert Marischka und E.W. Emo auf das Zugpferd Hans Moser - ein Garant für volle Kinosäle, vom Publikum geliebt und verehrt. Markus 18 & „Reblaus“ (4.25) Immer, wenn er in Wien zu einem Heurigen gekommen ist, oder irgendwohin, und Menschen haben ihn gesehen – er war ja unglaublich populär - und die Leute haben ihn geliebt, ihm selber war das gar nicht so angenehm, diese Nähe der Menschen, die sie gesucht haben, aber es war einmal so. Und wo immer er hingekommen is’, haben die Leute gesagt: „Herr Moser, singen S’ die Reblaus!“ Und also eines Tages kam er in das Heurigenlokal des Herrn Karl Föderl, so hieß der. Der war gleichzeitig auch der Komponist und Autor des Wiener Liedes „Die Reblaus“ und die Leute rufen ihm dort zu, in diesem Heurigenlokal: „Herr Moser, singen S’ uns die Reblaus!“ ... der Moser setzt sich hin, und der Föderl nimmt seine Ziehharmonika, und fangt an, die ersten Takte zu spielen, und da sagt der Moser leise zu ihm: „Sag Karl, ... - obwohl er das Lied schon tausende Mal gesungen hatte, ist ihm der Anfang nicht eingefallen, und er sagt zum Föderl: „Sag Karl, wie fangt’s an?“ Sagt der: „Ich weiß net ...“ Sagt er: „Was? Wie’s anfangt, will ich wissen!“ Sagt der: „Ich weiß net ...“ Sagt er: „Das gibt’s doch nicht, du hast es doch g’schrieben!“ Und dann ist ihm erst eingefallen, es fangt an: „Ich weiß net, was des is’, ich trink’ so gern a Flascherl Wein ...“ MODERATION W In der kommenden dritten Stunde dieser langen Nacht über Hans Moser beleuchten wir insbesondere das letzte Lebensjahrzehnt dieses grandiosen Wiener Volksschauspielers, der in dieser Zeit auf der Bühne des Burgtheaters ebenso brillierte, wie an den Münchner Kammerspielen und bei den Salzburger Festspielen. Musik 3. Stunde CD Hobellied aus dem Zaubermärchen „Der Verschwender“ (2.20) ... endet mit „da leg ich meinen Hobel hin, und sag’ der Welt Ade.“ MODERATION W Der Welt tatsächlich Ade sagen wird Hans Moser am 19. Juni 1964. M In dieser dritten Stunde der Langen Nacht über Hans Moser zeichnen wir die letzten beiden Jahrzehnte des österreichischen Volksschauspielers nach, dessen Beliebtheit bis heute nahezu ungebrochen ist. W 2010 hat ihn der oberösterreichische Dramatiker Franzobel mit seinem umstrittenen Stück „Moser oder die Passion des Wochenend-Wohnzimmergottes“ noch einmal auf die Bühne des Theaters in der Josefstadt geholt, und zwar in der Gestalt des Schauspielers Erwin Steinhauer: STEINHAUER Und da Moser ist im Himmel, sitzt am Wolkerl mit de Engerl, trinkt ein Achter!, schaut obe auf d Erd und hat den Humpa Humpa. Humpa Humpa. Er hat den Humpa, Humpa Himmelsblues. Dann setzt er zu seim Nuscheln an, bitte sehr, ja bitte gern. Küss die Hand, lieber Herr Moser, es war ja net so gemeint. Wir haben halt a den Humpa Humpa, Humpa Humpa, Humpa Humpa Himmelsblues. Küss die Hand, lieber Herr Moser, wir haben Sie ja so gern. A wengerl haben wir Sie gnumma über d Schremsen und verkehrt und a bisserl mit nur net hudeln haben wir bröselt auf Ihren Stern. Bitte sehr ja, bitte gern. Humpa Humpa, Humpa Humpa, Humpa Humpa hört man noch beim Ster­ben. Und wenn's uns net gram san, werdns selig nu heit. Vielleicht habens a Freud gehabt, unser Schaden wars net. Humpa Humpa, Humpa Humpa, das ist der Humpa Humpa Himmelsblues. Es war halt a Spül nur, Sie wissen das eh, von einem Gott namens Moser, ei­nem kleinen Falott. Weil Lamperl l san ma alle, ja Lamperl san ma alle, Lamperl san ma alle - net. Humpa Humpa, Humpa Humpa. Es war halt ein Spül von ei­nem kleinen großen Herrn. Hallo. CD Das Herzerl aus dem Film „Mariandl“ (0.35) ... endet mit „is a bisserl naiv, natürlich, aber herzlich. Also, Prosit. (Gläserklingen) MODERATION W 1961, drei Jahre vor Mosers Ableben, beginnt der Berliner Mauerbau. M Im Mai desselben Jahres wird die Oper Elegie für junge Liebende von Hans Werner Henze im Rahmen der Schwetzinger Festspiele uraufgeführt. Sechs Monate später zeigt das österreichische Fernsehen zum ersten Mal den Monolog Der Herr Karl – ein Ein-Personen-Stück, das schonungslos die opportunistische Kleinbürgerlichkeit eines Wieners entlarvt, genial verkörpert durch den Schauspieler Helmut Qualtinger. W Hans Moser, der 1961 bereits in seinem 82. Lebensjahr steht, kehrt an das Theater in der Josefstadt zurück. Diesmal nicht in einer Nebenrolle. Moser spielt in Johann Nestroys kraftvoll-revolutionärer Posse „Höllenangst“ den weinseligen Schuhmacher Pfrim, dessen Sohn Wendelin einen Pakt mit dem vermeintlichen Teufel schließt. Bereits bei seinem ersten Auftritt in der zweiten Szene erntet Publikumsliebling Hans Moser Applaus. Szene aus „Höllenangst“ HÖA 01 (03.20-06.45) Pfrim Da is schon wieder einer gangen, um die Zeit – ja, kommt denn die Lumperei gar nicht ab?! Merkwürdig, um die Stunden, wo nie mehr a honetter Mensch auf der Gassen is, begegn' ich alleweil noch Leut'. Wie oft sagt der Kellner zu mir: Geh' der Herr z' Haus, es is kein Mensch mehr da – den andern Tag erzählt mir nacher der Häusknecht, daß s' in der Fruh noch a paar hervor'kehrt hab'n unter die Tisch'. Es is auf gar nix mehr z' gehn. Alles Lug und Trug auf der Welt. Was is denn das? Da schlaft einer – ja, mancher Mensch find't halt durchaus nicht ins Bett. Es schlägt auf einem nahen Turme vier Uhr. Ignaz Was war denn das? – Vier Uhr hat's g'schlagen, is denn das möglich? Pfrim. Ah ja, auf die Turmuhren kann man sich verlassen, die sind nicht so ungleich wie die Sackuhren – heut' hat man s', morgen sind s' versetzt, da soll sich der Teufel richten danach. Ignaz Jetzt weiß ich wirklich nicht – Pfrim Woher wir uns bekannt sein? Ich weiß's schon, da drüben is ein Hecht, wo allerhand Hechten z'samm'kommen. Ignaz Richtig, beim Hechten, da sprech' ich dann und wann ein, zwischen elfe und zwölfe. Pfrim Recht haben S', die Nacht is keines Menschen Freund, da muß man sich wohin flüchten, wo's lang Tag bleibt. Ignaz Ach, ich bin wie zerschlagen. So viel' Stund' auf einer steinernen Bank liegen, is ka Spaß. Pfrim Da leget ich mich in Ernst schon lieber ins Bett. Übrigens, des Menschen Wille is sein Himmelreich – Ignaz Ja, will ich denn? Pfrim Ah, so? Sie müssen? Nacher is's freilich traurig. Ignaz Ich hab' einen verliebten Herrn, wegen dem ich immer so lang auf der Gassen bleiben muß. Pfrim. Danken S' Gott! Wenn S' einmal a verliebte Frau haben werd'n, wegen der Sie zeitlich nach Haus müssen, nacher lamentieren S'! – Es war mir ein Vergnügen. Besuchen S' mich, sehn S' da, gleich das kleine Häuserl, da logier` ich, beim Tag bin ich z' Haus. Guten Morgen, jetzt geh' ich schlafen. MODERATION W Der Schauspieler Peter Matic – damals gerade mal 24 Jahre jung – steht in der Rolle eines Bediensteten zum ersten Mal mit dem 81jährigen Hans Moser auf der Bühne. An die damaligen Proben kann er sich noch gut erinnern: Matic 2 Bei der Leseprobe - also wie wir zum ersten Mal alle beieinander waren, Axel von Ambesser war der Regisseur, und es ham also viele Kollegen mitgespielt, die Elfriede Ott, die Luzi Neudecker, die Barbara Kohl, der Klaus Löwitsch, der Karl Bosse, der Heribert Eichinger, und die Melanie Horeschovsky, auch. Die war damals auch schon eine ziemlich alte Dame, und man saß, und wir haben eben so mit den verteilten Rollen, hat jeder das gelesen, damit man das also einmal ins Ohr bekommt, wie das wie das so ist ... und die Melanie Horeschovsky hat einen - möchte ich sagen – einen Pointen trächtigen Satz gesprochen, und da unterbricht der Hans Moser, und sagt: „Des is guat, des is ok, des sag’ i. Szene aus „Höllenangst“ HÖA 02 Pfrim Jetzt wär' ich bald ein'duselt auf der Stiegen – ja, da nutzt nix, wenn der Schlaf kommt, das is Natur, da muß man nicht ankämpfen dagegen. Und was is denn das? Mein Weib noch nicht bei der Arbeit, wenn ich nach Haus komm'? Eva Na, bist einmal da? Pfrim. Is das ein' Ordnung? Da können wir freilich auf kein' grünen Zweig kommen, wenn du um die Zeit noch schlafst. Eva Schieb nicht die Schuld auf mich, du trinkst z' viel. Pfrim Das tu' ich, um ein höh'res Wesen nicht zu disgustieren. Hast du nie gehört, daß Kinder und Betrunkene einen eigenen Schutzeng'l haben? Kind bin ich schon lang' keins mehr, also muß ich trinken, um mir meinen Schutzengel nicht zu verscherzen. Eva Hör' auf! Immer nach Haus kommen, wenn's schon bald Tag wird! Pfrim So war's von jeher bei mir, und alte Gebräuche muß man ehren. Ich versprich dir keine Besserung; zu was? Du weißt ohnedem, daß alles Lug und Trug is auf der Welt. Eva. Mit dem Mann hab' ich a wahres Kreuz. MODERATION W Der österreichische Kritiker Edwin Rollett schrieb über Hans Mosers Darstellung als Flickschuster Pfrim in der Wiener Zeitung: ZITAT Er spielt faszinierend echt und erquickend humorvoll den behaglich-versoffenen Flickschuster, dessen pfiffige Lebensphilosophie Nestroys Genialität zu voller Entfaltung hebt. Wie er die geistigen Abbreviaturen und Kurzschlüsse in lebensvoller Ruhe anbringt die naive Egozentrik eines Menschen fühlbar macht, der alle Kleinigkeiten für sich auszuwerten versteht, sich an jedem unerwünschten Platz mit herrlicher Dickköpfigkeit behauptet, seine nachdenklichen Wahrheiten oder Borniertheiten mit der gelassenen Energie selbstverständlichen Rechts ausstreut und bei aller Verludertheit einen größeren Herrn abgibt als jene, die vermögend, elegant und korrupt am Ruder des Staates sitzen, das macht Moser mit unübertrefflicher; in ihrer Bescheidenheit überwältigender Einmaligkeit. Matic 1 Da ist dieser klein gewachsene Mensch auf die Bühne gekommen ... und er war immer im Fokus. Es haben alle Leute auf ihn geschaut, auf ihn gewartet, und haben ihn geliebt. MODERATION M In der folgenden Szene dialogisiert Hans Moser mit Hans Putz, der im Stück seinen Sohn Wendelin spielt. W Im Orchester beginnt eine im Kirchenstil gehaltene Musik. Pfrim und Wendelin treten auf. Pfrim hat auf seinen Hut zwei große Muscheln geheftet. Szene aus „Höllenangst“ HÖA 03 (2.07.30-2.09.55) Beginnt mit Musik, Lachen, Applaus Pfrim. Mir tun jetzt schon die Füß’ weh - Die Stadt haben wir schon weit hinter uns! Wendelin Und die heilige Stätte, nach der wir pilgern, noch viel weiter vor uns. Pfrim Hier wär' auch eine Stätte. Wendelin. Das is a Wirtshaus. Pfrim Glaubst du, dein Vater kennt das nicht? Wenn wir nur nicht irr' gehn. Sollen wir nicht fragen da drin, ob das der Weg nach Rom is? Wendelin Ich weiß ja alles. Von uns vis-à-vis hat ein Bildermann sein Standl, der auch Landkarten verkauft, den hab' ich g'fragt. Wenn man von unten aus Deutschland hinauskommt, steht man an die Berg'! Pfrim Da stehn wir dann da als wie die Pilger, die nicht weiter wissen. Wendelin Wer sagt denn das? Die Berg' heißen die Alpen. Pfrim Ah, das is da, wo die Sirennerinnen – (sich korrigierend) will ich sagen, die Sennerinnen sind; da müssen wir uns in acht nehmen, daß wir keine Zeit vertrantschen. Wendelin Dann geht's über die wällische Grenz' und allweil fort durchs Wällische, bis man endlich Italien betritt. Da kommen einem dann die Abruzzen entgegen. Pfrim Da stehn wir nacher wieder an Berg. Daß uns das so oft passiert! Ich möcht' wissen, was das Schicksal dadurch andeuten will. Wendelin. Dann hört man auf einmal den ganzen Tag zwölfe läuten, und man is in Rom. Matic 5 Er hat auch in dieser „Höllenangst“ sehr oft Sätze eingebracht, die nicht bei Nestroy stehen, aber die einfach so gut gepasst haben, vor allem so gut für ihn gepasst haben, dass er das einfügen konnte, ohne Störung, nein zur Begeisterung von allen. Szene aus „Höllenangst“ HÖA 04 (2.10.00-2.11.05) Pfrim Kumm, einen kleinen Imbiss ... Wendelin Nein. Pfrim Was heißt Nein, gar so kasteien brauchen wir uns a net ... Wendelin Ja, schon ... schau nur, was sich dahinten zamm’zieht ... Pfrim Du, kommt dir nicht vor, als ob sich's Wetter daherziehet von der Stadt? Wendelin Ja, ja, er muß a Spur haben. Da derfen wir schon gar nicht einkehren; er kommt gern durch die Fenster herein, und auf der Pilgerfahrt kann er uns doch nicht so leicht zu. Pfrim Du hast recht, aber laß dich ja nicht mehr ein auf so was. Wendelin Na, ich bin g'witzigt. Die Ängsten haben mir ja mehr als dreißig Dukaten an der Gesundheit ruiniert. Pfrim. Gehn wir! Ah, eine Pilgerschaft ohne Einkehren, das is was Schreckliches. Matic 3 Einmal kann ich mich erinnern: da war eine Nachmittagsvorstellung angesetzt, und an die hatte der Hans Moser sich nicht erinnert, hat es nicht aufgeschrieben oder vergessen oder wie immer, und ich stand damals neben dem Garderober, der angerufen hat beim Hans Moser zu Hause, und es gab damals ein Telefon im ersten Stock des Theaters in der Josefstadt, also wo sich am Gang ... wo sich alles abgespielt hat, jeder hat dort telefoniert - keine Spur natürlich von irgendeinem Mobiltelefon gab's nicht - und er ruft an und der Hans Moser war am Apparat, und ich hab gehört, wie er ganz laut sagt: Ui!, und auflegt. Und ist also in ein Taxi gesprungen - was für ihn eine enorme Verschwendung war, weil normalerweise hat seine Frau Blanka ihn gefahren, in einem sehr einfach ... ich glaub’ ein Volkswagen war es - und ist also sehr schnell dann da gewesen. MODERATION W Die folgende Geschichte wurde Georg Markus, dem Autor und Biograf Hans Mosers, ebenfalls zugetragen – allerdings mit einer ganz anderen Pointe: Markus 12 Er ist einmal ... gibt’s eine Geschichte: hat er eine Vorstellung im Theater in der Josefstadt schon als berühmter Hans Moser versäumt, wurde zu Hause angerufen, warum er denn nicht kommt, und dann har gesag’t: „Jössas, entschuldigen, habe ich ganz vergessen, ich komm’ sofort!“ Das Publikum musste dann noch eine Stunde warten, bis er kommt. Warum? Weil er nicht mit dem Taxi gekommen ist, sondern mit der Straßenbahn, obwohl also wirklich hunderte Menschen auf ihn gewartet haben. Also er war wirklich sehr sparsam. MODERATION W Als Georg Markus an seiner ersten Hans-Moser-Biografie geschrieben hat, wandte er sich an damals noch lebende Zeitzeugen. Und fast jeder von ihnen, die Hans Moser noch persönlich gekannt hatten, begann mit einer Anekdote über dessen Sparsamkeit. Markus 12 Eine erzähl ich kurz - es war eine Filmpremiere, eine Hans-Moser-Filmpremiere, und nachher gab's also Gratisbuffet für alle Schauspieler. Und er ist also immer wieder zu diesem Buffet hingegangen, und hat immer wieder nachgeholt, und er saß an einem Tisch mit seiner Kollegin Marthe Harell, und die Marthe Harell hat zu ihm gesagt: „Sag Hans, ist es dir nicht peinlich, jetzt schon fünfmal immer wieder vom Gratisbuffet etwas zu holen?“ und da hat er gesagt: „Nein. Das ist mit überhaupt nicht peinlich, ich sag den Leuten immer, ich hol’s für die Frau Harell.“ Also so viel zu seiner Sparsamkeit. Ja, die Gründe seiner Sparsamkeit, die Wurzel dieses Geizes, war natürlich diese armselige Zeit, die Jahrzehnte, die er verbracht hat bei der Schmiere und davor schon. Seine Eltern waren auch ... er kam aus sehr kleinem Haus, sein Vater war Bildhauer - aber offensichtlich nicht sehr erfolgreich - also die Mutter hatte ein Milchgeschäft, hat also Milch verkauft, aber sie haben immer unter sehr ärmlichen Umständen gelebt. Also aus diesem jahrzehntelangen Kampf ums Dasein ist eine Art Existenzangst entstanden, die auch immer noch da war, als er schon ein vielfacher Millionär war. MODERATION W Dass Hans Moser am Filmset all seine Telefonate erledigte, um seine eigene Telefonrechnung niedrig zu halten, zählt ebenso zu einer gern erzählten Anekdote über seinen sprichwörtlichen Geiz, wie jene, an die sich Schauspieler Peter Matic noch heute schmunzelnd erinnert. Matic 4 Eines Tages treff’ ich ihn am Gang, am Garderobengang, und er kommt mir entgegen, streckt mir die Hand hin, und sagt: Samma per Du, erparen wir uns das Vierterl. Aber auch an eine Sache erinnere ich mich, wie wir noch nicht per Du waren ... da sind wir im Kaffeehaus gesessen, vor der Probe, und dem Hans Moser ist beim Zahlen ein Zehn-Schilling-Schein - das gab es damals noch - auf den Boden gefallen, und ich habe mich natürlich gebückt, um es aufzuheben ... da ist es ganz schnell mit dem Fuß drauf gestiegen auf den Zehner, und hat gesagt: „Sie werden sich nicht bemühen“. Was natürlich nicht bedeutet hat, dass er geglaubt hat, dass ich sie ihm wegnehm’, aber auch da hatte das Spiel fortgesetzt, dass er mit dem Publikum gehabt hat. MODERATION M Einerseits zählt Hans Moser auch in der Nachkriegszeit zu den best­verdienenden Filmstars seiner Zeit, an­dererseits kursieren unzählige Geschichten über seinen sprich-wörtlichen Geiz. W In seinem Nachlass findet sich ein Brief an die Finanzkammer der Erzdiözese Wien aus dem Jahr 1960, in dem um Er­lass seiner Kirchensteuer-Schuld bittet. Mosers Begündung: STEINHAUER Seit zwei Jahren verdiene ich nichts, weder beim Film noch Thea­ter. Mein Haus wurde zuerst gebombt und dann von der SS angezündet. Es ist total bis auf die Grundmauern niederge­brannt. Ich mußte mir alles neu anschaf­fen, das Haus, die Möbel, mit einem Wort alles. Ich bekam nicht einen Heller Entschädigung. Nachdem ich jetzt von meiner Substanz leben muß, die ich mir mühsam erspart habe, bitte ich nochmals um Erlaß meiner Schuld. Ergebenst Hans Moser Julier. MODERATION M Ab Juni 1954 spielt Hans Moser am Wiener Burgtheater in Arthur Schnitzlers „Liebelei“, ein dramatisches Schauspiel, das die Problematik der außerehelichen Beziehung und jener der Standesunterschiede auf die Bühne bringt. W Hans Moser verkörpert in „Liebelei“ den liebevollen Vater Hans Weiring und begeistert mit seiner Darstellung Kritik und Publikum gleichermaßen. Im Folgenden hören Sie den Beginn des 2. Aktes mit Maria Kramer als Katherina, die Frau eines Strumpfwirkers, und Inge Konradi als Weirings Tochter Christine: Ausschnitt „Liebelei“, Arthur Schnitzler / 2. Akt (eingekürzt) Weiring Guten Abend... Ah, die Frau Binder. Wie geht's Ihnen denn? Katharina Dank' schön. Weiring Und das Linerl? – Und der Herr Gemahl?... Katharina Alles gesund, Gott sei Dank. Weiring Na, das ist schön. – Zu Christine Du bist noch zu Haus bei dem schönen Wetter –? Christine Grad hab' ich fortgehn wollen. Weiring Das ist gescheit! – Eine Luft ist heut draußen, was, Frau Binder, das ist was Wunderbar's. Ich bin jetzt durch den Garten bei der Linie gegangen – da blüht der Flieder – es ist eine Pracht! Ich hab' mich auch einer Übertretung schuldig gemacht! Gibt den Fliederzweig der Christine. Christine Dank' dir, Vater. Katharina Sein S' froh, daß Sie der Wächter nicht erwischt hat. Weiring Gehn S' einmal hin, Frau Binder – es riecht noch genau so gut dort, als wenn ich das Zweigerl nicht abgepflückt hätt'. Katharina Wenn sich das aber alle dächten – Weiring Das wär' freilich g'fehlt! Christine Adieu, Vater! Weiring Wenn du ein paar Minuten warten möchtest, so könntest du mich zum Theater hinbegleiten. Christine Ich... ich hab' der Mizi versprochen, daß ich sie abhol'... Weiring Ah so. – Ist auch gescheiter. Jugend gehört zur Jugend. Adieu, Christin'... Christine küßt ihn. Dann Adieu, Frau Binder! MODERATION W Die Arbeiterzeitung schrieb über die Aufführung ZITAT Aus dieser Tragödie kein theatralisches Schauspiel, sondern ein menschliches Erleiden gemacht zu haben, ist das Verdienst zweier Schauspieler Hans Moser und Inge Konradi meiden die falschen Töne; der Violinspieler Mosers ist voll Liebe und Güte, und dabei ergreifend echt. Wie er alles ahnt und besorgt schweigt wie er seine Tochter vor Leid bewahren, aus der Verzweiflung reißen möchte, das ist schlechthin großartig. Ausschnitt „Liebelei“, Arthur Schnitzler / 2. Akt (7.20-11.47) Weiring Sie weiß noch nichts, sie weiß noch nichts ... Also... was glaubst du, Christin'? Wir werden's halt vergessen, was? – Na ja... ich – und du! Christine Vater, was soll das bedeuten? Weiring Komm her, mein Kind... hör mir ruhig zu. Schau, ich hab' dir ja auch ruhig zugehört, wie du mir's erzählt hast. Christine Ich bitt' dich, sprich nicht so zu mir, Vater... wenn du jetzt darüber nachgedacht hast und einsiehst, daß du mir nicht verzeihen kannst, so jag' mich davon – aber sprich nicht so... Weiring Hör mich nur ruhig an, Christin'! Du kannst ja dann noch immer tun, was du willst... Schau, du bist ja so jung, Christin'. – Hast denn noch nicht gedacht... daß das Ganze ein Irrtum sein könnt' – Christine Warum sagst du mir das, Vater? – Ich weiß ja, was ich getan hab' – und ich verlang' ja auch nichts – von dir und von keinem Menschen auf der Welt, wenn's ein Irrtum gewesen ist... Ich hab' dir ja gesagt – jag mich davon, aber... Weiring Wie kannst denn so reden... Wenn's auch ein Irrtum war, ist denn da gleich eine Ursach' zum verzweifelt sein für so ein junges Geschöpf, wie du eins bist? – Denk doch nur, wie schön, wie wunderschön das Leben ist. Denk nur, an wie vielen Dingen man sich freuen kann, wie viel Jugend, wie viel Glück noch vor dir liegt... Schau, ich hab' doch nicht mehr viel von der ganzen Welt, und sogar für mich ist das Leben noch schön – und auf so viel Sachen kann ich mich noch freuen. Wie du und ich zusammen sein werden – wie wir uns das Leben einrichten wollen – du und ich... wie du wieder – jetzt, wenn die schöne Zeit kommt, anfangen wirst zu singen, und wie wir dann, wenn die Ferien da sind, aufs Land hinausgehen werden ins Grüne, gleich auf den ganzen Tag – ja – oh, so viele schöne Sachen gibt's... so viel. – Es ist ja unsinnig, gleich alles aufzugeben, weil man sein erstes Glück hingeben muß oder irgend was, das man dafür gehalten hat – Christine Warum... muß ich's denn hingeben...? Weiring War's denn eins? Glaubst denn wirklich, Christin', daß du's deinem Vater erst heut hast sagen müssen? Ich hab's längst gewußt! – Und auch, daß du mir's sagen wirst, hab' ich gewußt. Nein, nie war's ein Glück für dich!... Kenn' ich denn die Augen nicht? Da wären nicht so oft Tränen drin gewesen und die Wangen da wären nicht so blaß geworden, wenn du einen lieb gehabt hättest, der's verdient. Christine Wie kannst du das... Was weißt du... Was hast du erfahren? Weiring Nichts, gar nichts... aber du hast mir ja selbst erzählt, was er ist... So ein junger Mensch – Was weiß denn der? – Hat denn der nur eine Ahnung von dem, was ihm so in den Schoß fällt – weiß denn der den Unterschied von echt und unecht – und von deiner ganzen unsinnigen Lieb' – hat er denn von der was verstanden? Christine immer angstvoller Du hast ihn... – Du warst bei ihm? Weiring Aber was fällt dir denn ein! Er ist ja weggefahren, nicht? Aber Christin', ich hab' doch noch meinen Verstand, ich hab' ja meine Augen im Kopf! Schau, Kind, vergiß drauf! Vergiß drauf! Deine Zukunft liegt ja ganz woanders! Du kannst, du wirst noch so glücklich werden, als du's verdienst. Du wirst auch einmal einen Menschen finden, der weiß, was er an dir hat – Weiring Was willst du denn? – Christine Laß mich, ich will fort... Weiring Wohin willst du? Christine Zu ihm... zu ihm... Weiring Aber was fällt dir denn ein... Christine Du verschweigst mir irgend was – laß mich hin – Weiring So komm doch zur Besinnung, Kind. Er ist ja gar nicht da... Er ist ja vielleicht auf sehr lange fortgereist... Bleib doch bei mir, was willst du dort... Morgen oder am Abend schon geh' ich mit dir hin. So kannst du ja nicht auf die Straße... weißt du denn, wie du ausschaust... Christine Du willst – mit mir hingehn –? Weiring Ich versprech' dir's. – Nur jetzt bleib schön da, setz dich nieder und komm wieder zu dir. Man muß ja beinah lachen, wenn man dich so anschaut... für nichts und wieder nichts. – Hältst du's denn bei deinem Vater gar nimmer aus? Christine Was weißt du? Weiring Was soll ich denn wissen... ich weiß, daß ich dich lieb hab', daß du mein einziges Kind bist, daß du bei mir bleiben sollst – daß du immer bei mir hättest bleiben sollen – MODERATION W Im Sommer 1961 tritt Hans Moser bei den Salzburger Festspielen in Ferdinand Raimunds romantischem Zaubermärchen „Das Mädchen aus der Feenwelt oder Der Bauer als Millionär“ auf. Neben Schauspielergrößen wie Käthe Gold als Lacrimosa, Paula Wessely als die Zufriedenheit, Josef Meinrad als Fortunatus Wurzel, und Christiane Hörbiger als Lottchen spielt Hans Moser das Hohe Alter. STEINHAUER Wie ich das hohe Alter spiele. Ich war immer der Lieblingsschauspieler von allen. Wenn ich auftrete, stehen sogar die Beleuchter und Garderobie­ren hinter der Bühne und haben Tränen in den Augen, ach was, solche Patzen, Niagarafälle. So ergriffen sind sie. Und die Leute toben. CD „Brüderlein fein“ (aus dem Zaubermärchen Der Bauer als Millionär) (0.55) MODERATION W Mit dem berühmt gewordenen Lied „Brüderlein fein“ verabschiedet sich die allegorische Figur der Jugend von Fortunatus Wurzel, bei den Salzburger Festspielen 1961 dargestellt von Josef Meinrad, in der folgenden Aufnahme gesprochen von Hans Moser. CD „Brüderlein fein“ ff. (aus dem Zaubermärchen Der Bauer als Millionär) (5.00) Markus 15 Hans Moser war eigentlich ... seine Größe lag nicht in der Verstellung, sondern darin, dass er immer er selbst war. Er hat eigentlich eine relativ geringe Bandbreite gehabt, aber innerhalb dieser Bandbreite war er so einmalig, dass er eben „der Moser“ war, der unersetzlich ist, und es ist der Glücksfall, dass er überhaupt entdeckt wurde, weil wenn man sich ihn so angeschaut hat, hat man ja wirklich nicht denken können, dass hinter diesem Menschen so ein unglaubliches Talent steckt. Dialog aus dem Stück: "Moser oder Die Passion des Wochenend-Wohnzimmergottes" (Franzobel) STEINHAUER Ich will spielen, aber meine Rollen. Ein Schauspieler muss in die Figuren, die man ihm gibt, hinein-kriechen und sie mit Leben füllen. Aber mir gibt man nichts zum Reinkriechen, nur diese Sturmbannführerhülle. Melde gehorsamst, angetreten, zur Stelle. Ich hab immer die kleinen Leute gespielt. So viel Häu­ser gibt es gar nicht, was ich Hausmeister gespielt hab. BLANCA Dann spielst halt die kleinen Leute als große Nazi. STEINHAUER Die Kunst des Schauspiels ist reine Gegenwart, eine Kunst des Augenblicks. Aber die Re­gisseure schaun mich augenblicklich gar nicht an. Und wenn, sagen sie höchstens: Was wollen Sie? Bei der Figur? Mit dem Gesicht? Für einen Helden sind Sie zu klein, für einen Bösewicht zu lächerlich und für einen Charakter fehlt wenigstens die Nase. Wie soll ich mich da durchsetzen? Ich bin ein Typ, aber kein heroischer. MODERATION W Am 5. Februar 2010 fand im Theater der Josefstadt die Uraufführung von "Moser oder Die Passion des Wochenend-Wohnzimmergottes" statt, ein Stück aus der Feder des österreichischen Dramatikers Franzobel. Dialog aus dem Stück: "Moser oder Die Passion des Wochenend-Wohnzimmergottes" ff. BLANCA Seit ich dich zum ersten Mal gesehen hab, Hans, seit ich mich verliebt habe, glaube ich an dich, und ich hab nicht aufgehört, an dich zu glauben. Du wirst ein großer Schauspieler, wie du schon auf der Erde einer warst. STEINHAUER Auf der Erde war ich ein Gott. Und im Himmel bin ich nur ein armer Teufel. BLANCA Es muss dich nur wer antauchen, du brauchst nur jemand, der dich führt. Früher warst ein Kellner, ein Portier, ein Hausmeister. Jetzt bist halt ein Sturmbannführer oder ein Landser, das kann doch nicht so schwer sein. Links zwei, links zwei. STEINHAUER Du hast leicht reden. BLANCA Ich hab mir geschworen, dass ich dir die Trinkerei abgewöhn und dass ich bei dir bleib, ganz egal, was kommt. STEINHAUER Ach, Blanca. Mir kann der ganze Him­mel gestohlen bleiben ohne dich. Aber wenn ich mich nicht durchsetz? Zwei Tage noch. Alle Theater haben wir durch. Da müsst ein Wunder geschehen - und da­ran glaub ich nicht. MODERATION W In dem Stück, das schon vor der Aufführung die Emotionen hochschaukelt – in einer Szene wirft sich Blanca, die jüdische Frau Hans Mosers, schamlos an den Hals von Hitler - spielte Erwin Steinhauer den alten Hans Moser und Sandra Cervik seine Frau Blanca. Dialog aus dem Stück: "Moser oder Die Passion des Wochenend-Wohnzimmergottes" ff. BLANCA Der schlimmste Feind des Menschen ist eine fatalistische Einstellung. Man kann etwas tun, man kann was verändern. Man muss nur wollen. Links zwei, links zwei. Wollen, jawollen. STEINHAUER Weißt Blanca, ich möchte schon wol­len. Ich brauch nicht viel vom ewigen Leben. Ein klei­nes Häuschen, ein Eutzerl Anerkennung und Zeit, dass wir füreinander da sein können. BLANCA Liebst mich noch? STEINHAUER Ausschauen tust du wieder. Bezau­bernd. Ich lieb dich wie ein Glas seinen Fensterkitt, wie ein Vanillepudding den Himbeersaft, wie ein drek-kiges Hemd die Waschrumpel. Aber ich weiß nicht, wie wir durchkommen. Wir sind verstrickt. BLANCA Du musst nur glauben an dich, so wie ich an dich glaube, und zwar so fest, bis es jede Faser in dir glaubt, bis es dich ausfüllt, überspringt, bis auch die anderen daran glauben. Wir werden es schon machen, wirst sehen, du kriegst deine Chance. STEINHAUER Dann muss ich Sturmbannführer spie­len? Habt Acht, strammstehen. Stillgestanden. Glück­lich bin ich dabei nicht. BLANCA Zum Glücklichsein hast später Zeit. MODERATION W Franzobel sah das Stück gewissermaßen als ein Gedankenexperiment, das er gewollt zuspitzte und mit dem er bewusst provozierte. Hans Moser selbst hat den österreichischen Schriftsteller bereits in seinen Jugendtagen begleitet. Franzobel 1 An jedem Wochenende hat man samstags wie Hans Moser Filme gesendet die waren so ein bisschen das Alternativprogramm zu Laurel&Hardy oder Charlie Chaplin, und das war für mich schon eine Stufe weniger interessant - muss ich schon sagen - weil diese Hans Moser Filme doch irgendwie den status quo bestätigt haben: eigentlich immer so eine liebliche Idylle hatten, es ging ums heiraten und der Moser war immer ein Grantler, der auch meistens nur eine kleine Rolle gespielt hat. Der Moser war niemals ein Held oder ein König oder ein Liebhaber ... sondern immer der kleine Hausmeister, oder eben der Dienstbote, oder der Portier ... und diese Hans-Moser-Filme waren einfach immer da, und wenn eben kein Laurel/Hardy war, dann musste man sich einen Hans Moser ansehen. CD „Der alte Herr Kanzleirat“ (2.55) Franzobel 5 Von 95 % all diese Komödien, wo er mitgespielt hat, und es sind ja hunderte Filme - um da hat’s nie eine große Verunsicherung meines Weltbildes gegeben. Während Laurel/Hardie Filmen geht es immer mit kleinen Desastern an, und am Schluss ist immer alles ... bricht das Haus ein, das Auto geht kaputt, es endet immer in der Totalkatastrophe, während bei Hans-Moser-Filmen ja eigentlich immer es in einem Glück ... am Ende spielt dann die Musik, irgendjemand geheiratet, und alle singen und sind glücklich. Und nach der Beschäftigung mit Hans Moser habe ich schon gesehen, dass der wirklich aus kleinsten Rollen - im Prinzip sehr viele für den Fortgang der Handlung gar nicht so bedeutende Rollen - der immer so ein Kleinod daraus gemacht hat. Er spielt immer sich selbst, das ist so eine starke Figur - das macht er auch so großartig, dass er aus jeder kleinsten Szene – wenn er telefoniert, oder wenn er was bestellt - das sind immer diese kleinen Zwischenbemerkungen, die er da einfließen lässt, die ihn immer großartig erscheinen lassen... er ist schon ein eigenes Universum an Schauspielkunst. Er ist schon ein sehr beeindruckender Darsteller gewesen, seiner selbst letztlich, oder der Figur, die er da erfunden hat. Filmausschnitt (N.N.) Franzobel 2 Interessant ist es für mich geworden, als ich ein bisschen über seine Biografie erfahren habe, wie ich gemerkt hab‘, dass es irgendwie doch nicht so ein leichtes Leben hatte – er ist ja auch sehr spät erfolgreich geworden, und hat auch sehr viele Hungerjahre durchlitten, dann diese Sache mit seiner jüdischen Frau, wo er einfach in dieser Nazizeit schau’n musste, dass er irgendwie durchkommt ... gleichzeitig einer der meist beschäftigten Schauspieler überhaupt war ... und da hab’ ich irgendwie gespürt: das ist eine Figur mit Konfliktpotenzial, und das ist für’s Theater natürlich interessant, um dann hat er auch schon etwas typisch österreichisches: er ist eine Figur - jetzt nicht das Nuscheln, aber diese Art vom Grantigkeit, mit der man mit der Welt umgeht, ist ja doch etwas sehr, vielleicht sehr wienerisches, aber auch in ganz Westösterreich immer wieder anzutreffendes, und irgendwie ist erbisserl zu klein geraten und irgendwie ein Star ... er vereint wahnsinnig viele Dinge, mit denen man sich als Österreicher gut identifizieren kann, und insofern ... der müsste eigentlich im Wappen drinnen sein, nicht der Adler, sondern eigentlich müsste der Hans Moser drinnen sein, weil der den Österreicher am besten verkörpert – und das hat mich irgendwie gereizt wahrscheinlich. STEINHAUER Wenn man so werden will, wie ich ge­worden bin, muss man Zugeständnisse machen. Und ich hab sie gemacht. Sonst wär alles danebengegangen. Was hätt ich denn sollen tun? Vielleicht ins KZ marschieren? Mich hat das Wandern nie interessiert. Auswandern? 1938 war ich 58. Da wandert man nicht mehr aus noch ein, da geht sich nichts mehr aus. Aber ich war immer gegen die Nazis, immer, und immer für die Möglichkeit, die Dings, die Menschlichkeit. Aber das war nicht leicht, am Anfang hat der Hitler ja Er­folg gehabt, die Autobahn, die Vollbeschäftigung, die Reichsparteitage, die Weihnachtsbeleuchtungen, die Sonnwendfeuer. Ja, gut, gesagt hab ich nichts, aber ge­schaut hab ich. Haben Sie meinen Blick gesehen? So wie ich geschaut hab, war es gemeingefährlich. Für mein Gschau hätt ich kommen können ins Dings, ins KZ. Ich hab den Widerstand im Blick gehabt. So wie ich geschaut hab, das war Resistance. Außerdem hab ich den Hitler persönlich kennen gelernt. 1910. Was schauen Sie so deppert, hab ich ihn gefragt. Kennen Sie mich? Ich hab damals schon den Romeo gespielt gehabt, leider nur in Znaim, ich war ein gefeierter Ham­let in Fridek-Mistek an der Ostrawitza, als Franz Moor hab ich brilliert in Mährisch-Ostrau. An der Josefstadt war ich Eleve. Darauf sagt der junge Hitler, erstens schaut er nicht mich an, sondern Visionen, und zwei­tens interessiert ihn nur die Opfer. Die Opfer?, frag ich. Was für Opfer? Opfer! Wagner!, schreit er. Große Opfer! Große! Er ist Kunstmaler, aber die akademi­schen Professoren, diese verkrampften, stupiden Beam­tenkreaturen, wollen ihn nicht. Hab ich ihn gefragt, ob er was trinken will. Nein, er trinkt nicht. Aber der Kör­per braucht doch seine Karolin. Ribiselwein? Nein, er trinkt nur Milch. Rauchen tut er auch nicht. Dann ist Ruhig-Stehen, Luft-Schnappen und Aus-dem-Maul-Stinken der einzige Luxus, den er sich gönnt? Hat er gebrummt, Sucht kommt nicht von suchen, sondern von siechen. Und er hat Pläne, eine Berufung hört er, eine Mission, die ihm zuteilwerden wird. Und dann hat er Pläne ausgebreitet für ein neues Linz, wo die Hauptstraße Landstraße heißt, was eh schon alles sagt. Linz wird in 100 Jahren nicht Kulturhauptstadt, sag ich. Aber seine Leidenschaft ist die Opfer. Große Op­fer! Er hat immer Opfer statt Oper gesagt. Er hat selbst eine verfasst, eine Opfer, Wieland der Schmied. Da hab ich ihn gefragt, ob er sich vorstellen könne, auch für einen kleinen Komiker was zu schreiben. Zahlen könnt ich nichts. Ich bin ja nur ein mittelloser, unvermittelbarer, mittelmäßig talentierter Schauspieler mit Mittel­scheitel. Aber wenn ich einmal zu Mitteln komme, werd ich ihm schon was geben. Mittelfristig. Franzobel 4 Für mich war der Moser schon ein Beispiel für typischen Österreicher, einer der Populärsten klarerweise, und es war dann sehr interessant, dass man an so einer Figur irgendwie etwas ausmachen kann, was wahrscheinlich für sehr viel Familien oder sehr viele Menschen gilt, die diese Zeit durchlitten haben. Und dass das so ein Skandal geworden ist, hab’ ich überhaupt nicht verstanden, weil das Stück gar nicht als Skandal angelegt gewesen war – es war für mich eine sehr seriöse Beschäftigung mit dem Hans Moser. Ich hab’ auch nirgendwo das Gefühl gehabt, dass ich dem jetzt Unrecht tue, dass ich den in den Kakao ziehe. Die Presse schreibt dann immer: Hat ihn vom Sockel gestoßen, oder irgend solche Terminologien werden dann gefunden, aber das war für mich alles gar nicht der Fall, sondern es war einfach eine Auseinandersetzung mit seinem Leben, und die war paradigmatisch für die Österreicher, aber es gab dann einige Positionen in der Presse, die von vornherein gesagt ham: der nimmt uns das heile Bild unseres Hans Mosers ... er macht aus Franz Moser einen Nazi, was überhaupt weder in der Realität, noch im Stück vorgekommen ist; und dann hat sich so eine seltsame Dynamik entwickelt, dass sich sehr viele Leute geäußert haben, ohne das Stück gelesen zu haben, weil das Stück tatsächlich nur ganz, ganz wenige Leute gekannt haben. Es ist erst nachher veröffentlicht worden, und auf der Bühne konnte man es erst mit der Premiere sehen, und trotzdem gab's - ich hab mir das damals auch kopiert - tausende Postings ... die mich beschimpft haben, die das Theater beschimpft haben. Und ich bin dann sehr alleine dagestanden, mit diesem Hans-Moser-Stück. STEINHAUER Na, ich sag's ja, von Politik versteh ich nichts, aber gegen Nazis hab ich nie etwas gehabt. Im Grunde war ich sogar sehr dafür. Was ich fanatisch stramm gestanden bin - innerlich. Was ich salutiert hab - mit den Innereien. Gesagt hab ich nichts, aber haben Sie meinen Blick gesehen? Wie ich nationalsozialistisch geschaut habe, Sieg Heil haben meine Augen gebrüllt. Ich wär ja auch sofort in die Partei eingetreten, aber wegen meiner jüdischen Frau hab ich nicht dürfen. Wenn ich jünger gewesen wäre, hätt ich mich freiwillig freiwillig gemeldet. Im Grunde war ich ja begeistert, ein fanatisierter Deutscher. Äußerlich hab ich mir na­türlich nichts anmerken lassen. Wirklich. Ich hab doch die Österreicher nur deswegen so kauzig und raunzig gespielt, dass im Vergleich dazu die Deutschen als ge­radlinige Vorzeigemenschen besser dastehen. Net wahr? Meine besten Kollegen sind emigriert oder wa­ren im Widerstand oder haben zumindest damit sym­pathisiert. Ich nicht. Nie. Aus meiner Vergangenheit kann man mir jetzt keinen Strick drehen, so net und so auch net. CD „Sperrstund’ is“ (2.47) MODERATION W Hans Moser stirbt am 19. Juni 1964 – kurz nach seinem letzten Auftritt – an Alterskrebs, und wird am Wiener Zentralfriedhof beigesetzt. M 5000 Wienerinnen und Wiener erweisen ihm die letzte Ehre, wie auch seine Frau Blanca Moser und seine Filmpartner Paul Hörbiger, Hans Holt und Paula Wessely. Nur Mosers Tochter Grete fehlt: W Die Mutter hatte ihre in Argentinien lebende Tochter nicht vom Tod des geliebten Vaters verständigt. Der Grund war ein tiefgehender Streit zwischen Mutter und Tochter, erzählt der Mosers Biograf Georg Markus: Markus 11 Die Blanca Moser, so wurde mir erzählt, hatte während ihrer Ehe – obwohl es eine sehr gute Ehe war - einen Liebhaber, und die Tochter hat dann - Margarete-Gretl Moser hieß sie - hat diesen Liebhaber dann geheiratet. Der hieß Hasdeu und war ein Argentinier. Grete Moser ist ja nach Argentinien emigriert, weil sie durch ihre Mutter sogenannte Halbjüdin war, und hat in Argentinien diesen Mann dann geheiratet, der eigentlich der Hausfreund der Mutter war. Und das dürfte die Mutter ihr nie verziehen haben. Seither waren sie spinnefeind - Mutter und Tochter ... Markus 10 ... und die Witwe hat ihre Tochter enterbt, ihre und Hans Mosers Tochter gegen den Willen von Hans Moser. In seinem Testament steht ausdrücklich, dass zuerst seine Frau, und dann seine Tochter seinen Nachlass - und der war nicht unbeträchtlich, weil er ja sehr viele Filme gedreht hatte und sehr sparsam immer gelebt hatte - und es ging um viele Millionen Schilling, damals. Und er wollte das eben zuerst die Frau und dann die Tochter das Vermögen erben, aber die Frau wollte das nicht, die Witwe, die hat die Tochter aus ihrem Testament gestrichen, und nach dem Tod der Witwe 1974 - also zehn Jahre nach Hans Moser -musste die Tochter vor Gericht um ihr Erbe kämpfen. Das war wirklich eine tragische Geschichte: das hat das hat 15 Jahre lang gedauert, und diese Tochter hat 15 Jahre in Argentinien in ziemlicher Armut gelebt, und hat dann vom Gericht nach 15 Jahren ungefähr 12 Millionen Schilling - doch ein beträchtlicher Betrag damals - zugesprochen bekommen, und ist kurz danach gestorben, d.h. sie hat nie von dem Erbe ihres Vaters etwas gehabt, sondern im Gegenteil, hat eigentlich in erbärmlichen Umständen leben müssen. MODERATION W In dem Nachwort zur Hans-Moser-Biografie von Georg Markus schreibt Grete Hasdeu, geborene Moser: Markus 19 „Ihn habe ich sehr geliebt. Schade, dass Männer nicht ohne Frauen Kinder bekommen können!“ (eventuell WH, letzte Strophe) CD Hobellied aus dem Zaubermärchen „Der Verschwender“ ... endet mit „da leg ich meinen Hobel hin, und sag’ der Welt Ade.“ MODERATION W Kleiner großer Mann. M Sie hörten eine Lange Nacht über Hans Moser. Von Nikolaus Scholz. W Mit den Stimmen von: Franzobel, Stefan Grissemann, Paul Hörbiger, Fritz Imhoff, Inge Konradi, Theo Lingen, Georg Markus, Peter Matic, Hans Putz, Adele Sandrock und Nikolaus Wostry. M Es sprachen Sandra Cervic, Michael Dangl, Erwin Steinhauer und N.N. als Moderatorin W Regie und Produktion: Der Autor M Redaktion Monika Künzel Musik Musikliste 1. Stunde Titel: Hallo, Dienstmann Länge: 02:36 Interpret: Hans Moser Komponist: Hans Lang Label: Bogner Records Best.-Nr: 7963 Plattentitel: Servus Wien Titel: Der Dienstmann Länge: 03:20 Interpret: Hans Moser mit Ensemble Komponist: Hans Moser Label: unbekannt Best.-Nr: ZUM4904 Titel: Mädi, mein kleines Mädi Länge: 02:58 Interpret: Harry Friedauer Komponist: Robert Stolz Label: Reader's Digest Best.-Nr: 072151 Plattentitel: Robert Stolz - Mein Leben für die Musik Titel: aus: aus: Die Perlen der Cleopatra Operette in 3 Akten. Berliner Fassung von 1924, Länge: 02:30 Solisten: Volker Vogel (Bariton)(Pampylos); Gundula Peyerl (Sopran)(Charmian); Iva Mihanovic (Sopran)(Iras) Chor: Chor des Lehár Festivals Bad Ischl Orchester: Franz Lehár-Orchester Dirigent: Herbert Mogg Komponist: Oscar Straus Label: cpo Best.-Nr: cpo 777022-2 (2 CD) Titel: Der Heiratsvermittler Länge: 02:50 Interpret: Hans Moser (Sprechstimme) Komponist: Armin Freidmann Label: Zyx-Records Best.-Nr: PD5016-2 Plattentitel: Ja, das sind halt Wiener G'schichten Titel: Mi Chomocha Länge: 03:18 Interpret: Giora Feidman Komponist: Jerry Sperling Label: 'pläne' Best.-Nr: 88582 Plattentitel: The singing clarinet Titel: Ja, das sind halt wiener g'schichten Länge: 02:49 Interpret: Moser, Hans Komponist: Hans Frankowski / Ernst Marischka Label: MUSICTALES Best.-Nr: 2087383 Plattentitel: Die Schlager des Jahres 1941 Titel: Moments Musicaux für Klavier, D 780, op. 94, Länge: 04:55 Solist: Alfred Brendel (Klavier) Komponist: Franz Schubert Label: Philips Best.-Nr: 446940-2 2. Stunde Titel: Ich trag' im Herzen drin Länge: 03:22 Interpret: Hans Moser Komponist: Karl Föderl Label: ELITE SPECIAL Best.-Nr: 73371 Plattentitel: Hans Moser Titel: Wenn der Herrgott net will, nützt es gar nichts Länge: 02:38 Interpret: Hans Moser Komponist: Ernst Arnold Label: ELITE SPECIAL Best.-Nr: 73371 Plattentitel: Hans Moser Titel: Der doktor lüger hat mir einmal die hand gereicht Länge: 03:06 Interpret: Moser, Hans Komponist: Robert Katscher / Siegfried Geyer Label: MUSICTALES Best.-Nr: 2087451 Plattentitel: Die Reblaus - 46 Große Erfolge Titel: Wann i amol in' Himmel kumm Länge: 02:42 Interpret: Hans Moser Komponist: Franz Ferry Wunsch Label: Zyx-Records Best.-Nr: PD5016-2 Plattentitel: Ja, das sind halt Wiener G'schichten Titel: Die Reblaus Länge: 03:07 Interpret: Moser, Hans Komponist: Karl Föderl / Ernst Marischka Label: MUSICTALES Best.-Nr: 2087451 Plattentitel: Die Reblaus - 46 Große Erfolge Titel: Fantasie in C major, Op. 159, D. 934, Allegretto Länge: 05:27 Ensemble: Komponist: Franz Schubert Label: TwoPianos (Naxos Deutschland) Best.-Nr: 1039084 3. Stunde Titel: Das Hobellied Länge: 02:19 Interpret: Moser, Hans Komponist: Konradin Kreutzer / Ferdinand Raimund Label: MUSICTALES Best.-Nr: 2087451 Plattentitel: Die Reblaus - 46 Große Erfolge Titel: Mein Herz, das ist ein Bilderbuch vom alten Wien Länge: 00:52 Interpret: Hans Moser Komponist: Josef Fiedler Label: ELITE SPECIAL Best.-Nr: 68806.9 Plattentitel: Unvergeßlich - Hans Moser Titel: Brüderlein fein Länge: 05:56 Interpret: Moser, Hans / Holm, Renate Komponist: Drechsler, Josef / Ferdinand Raimund Label: MUSICTALES Best.-Nr: 2087451 Plattentitel: Die Reblaus - 46 Große Erfolge Titel: Der alte Herr Kanzleirat Länge: 02:50 Interpret: Hans Moser Komponist: Hans Lang Label: ELITE SPECIAL Best.-Nr: 73371 Plattentitel: Hans Moser Titel: Sperrstund' is' Länge: 02:51 Interpret: Moser, Hans Komponist: Jimmy Berg Label: MUSICTALES Best.-Nr: 2087451 Plattentitel: Die Reblaus - 46 Große Erfolge Titel: aus: Sonate für Klavier A-Dur, D 959, 3. Satz: Scherzo. Allegro vivace - Trio. Un poco più lento (ME 4'28) Länge: 04:39 Solist: Alfred Brendel (Klavier) Komponist: Franz Schubert Label: Philips Best.-Nr: 446939-2 Literatur Franzobel Moser oder Die Passion des Wochenend-Wohnzimmergottes Passagen Verlag 2010 10´00 min