Die Reportage vom 08.12.2013 Titel: Große Fußstapfen Unterzeile: Spurensuche in Nelson Mandelas Heimat Von Leonie March Atmo 1: Qunu, Ziegen, Schritte, Stimmen im Hintergrund Autorin: Mamkeli Ngxekana nennt ihn nur „tata“, also Vater. Respekt- und liebevoll. Der gepflegte, schlanke Herr mit dem karierten Sakko lebt nur ein paar Meter vom Anwesen der Mandelas entfernt. Ist ein Freund der Familie, ein glühender Verehrer seines berühmten Nachbarn. Der 63-jährige hat viele schöne Erinnerungen an Nelson Mandela. O-Ton 1: Really, we miss him…. Übersetzer: Wir vermissen ihn alle sehr. Früher ist er hier oft spazieren gegangen, hat jeden unterwegs gegrüßt und das ein oder andere Schwätzchen gehalten. Für uns war das natürlich wunderbar, aber für seine Bodyguards ein Alptraum. Vor allem in der Zeit, als er Präsident Südafrikas war. Aber Tata Mandela hat das nicht abgehalten: Er ist morgens sehr früh aufgestanden und einfach losgegangen, oft ohne seinen Bodyguards Bescheid zu sagen wohin. Er liebte die Gegend hier und hatte nicht das Gefühl, dass er beschützt werden muss. Er war einfach gern unter Menschen. … a people’s person. Atmo kurz hoch Autorin: Hier in Qunu hat Nelson Mandela nach eigenen Aussagen eine glückliche Kindheit verbracht. Eine malerische Landschaft in Südafrikas Ostkap-Provinz. Sanfte Hügel so weit das Auge reicht. In den Tälern mäandern kleine Bäche. Auf den Wiesen grasen Kühe und Ziegen, kleine Jungen treiben sie vor sich her. Wie zu Mandelas Zeiten. Auch er hat hier das Vieh seiner Familie gehütet, obwohl er als Sohn eines Häuptlings und königlichen Beraters zu den Privilegierten gehört. Die Familien leben weit verstreut in traditionellen Gras-gedeckten Rundhütten. Heutzutage haben die meisten nebenan auch modernere Häuschen gebaut, rechteckig mit Wellblechdach. Atmo 2: Ziegen, Stimmen, Straße im Hintergrund Autorin: Das Anwesen der Mandelas ist das größte Haus weit und breit, wirkt aber trotzdem nicht protzig. Hier hatte sich der ehemalige Freiheitskämpfer und Präsident die letzten Jahre seines Lebens zurückgezogen. Abgeschirmt von der Öffentlichkeit und dem Medienrummel um seine Person. Doch ganz entkommen konnte er ihm nicht: Schon vor Jahren hatten Nachrichtenagenturen heimlich Kameras installiert. Um jederzeit live berichten zu können. Mandelas Tod ist für die internationale Presse ein Medienereignis ersten Ranges. Wie die Geier kreisen sie über Qunu, meint Mamkeli Ngxekana angewidert. Er kann den Eingang des Anwesens von seinem Garten aus sehen. Viele Prominente sind hier in den letzten Jahren ein- und ausgegangen, erzählt der 63-Jährige. Doch schon lange bevor Nelson Mandela in aller Welt berühmt wurde, wussten wir bereits, dass er etwas ganz Besonderes ist. O-Ton 2: Well, I heard about it… Übersetzer: Ich habe zum ersten Mal von ihm gehört, als ich etwa elf Jahre alt war. Mein Großvater und die anderen Dorfältesten haben viel über Nelson Mandela geredet. Es war ungewöhnlich, dass sich jemand von hier politisch engagiert. Es gab nur sehr wenige echte Freiheitskämpfer. Ich war sehr glücklich, als ich ihm endlich persönlich begegnet bin. Das war 1990, als er gerade aus dem Gefängnis entlassen worden war. Er besuchte seine alte Heimat und sein Familienclan schlachtete eine Kuh zu seinen Ehren, eine traditionelle Reinigungszeremonie. Damals schüttelte ich ihm und seiner damaligen Frau Winnie die Hände. Das werde ich nie vergessen. Ich liebe die beiden wie meine Eltern. … just like my parents. Atmo 3: Schritte, Ziegen Autorin: Nachdenklich geht der 63-Jährige ein paar Schritte durch seinen Vorgarten. Ich weiß nicht, wie es jetzt weitergehen soll, meint er nach einer Weile. O-Ton 3: You know about Tata Mandela… Übersetzer: Tata Mandela war eine herausragende Führungspersönlichkeit. Ein sehr warmherziger Mensch, den alle geliebt haben. Er hinterlässt also sehr große Fußstapfen. Es wird nicht leicht seinen Weg fortzusetzen. Aber ich würde mir wünschen, dass diejenigen, die heute an Macht sind, es wenigstens versuchen. …left is being followed. Autorin: Mehr möchte Mamkeli Ngxekana zur aktuellen Politik nicht sagen. Wie vielen anderen seiner Generation fällt es ihm schwer, die Regierungspartei ANC zu kritisieren. Sie wollen nicht in den Verruf kommen, undankbar zu sein. Schließlich war der ANC maßgeblich am Ende der Apartheid in Südafrika beteiligt und die politische Heimat Nelson Mandelas. Atmo 4: Museum, Stimmen, Schritte Autorin: Die Unterdrückung durch das rassistische Regime, der Freiheitskampf und der Sieg der Demokratie werden auf dem Hügel direkt gegenüber wieder lebendig. Im Nelson Mandela Museum. In einem lichtdurchfluteten Ausstellungsraum hängen großformatige Fotos: Der junge Nelson Mandela in den 50er Jahren, im schmucken Anzug als Anwalt in Johannesburg. Als Freiheitskämpfer im Untergrund. In den 60er Jahren beim Rivonia-Prozess: Hier droht Mandela die Todesstrafe. Vor Gericht erscheint er nicht mit Schlips und Kragen, sondern in der traditionelle Kleidung seines Volksstammes der Thembu. Mit Leopardenfell, einer breiten perlenverzierten Kette um den Hals, einem weißen Tuch über dem nackten Oberkörper. Symbol seines Widerstands gegen die weiße Vorherrschaft. Neben dem Foto hängt ein Kopfhörer an einem Haken. Die Originalaufnahme des berühmten Plädoyers Mandelas vor Gericht. O-Ton 4: I have dedicated my life.... Übersetzer: Ich habe mein Leben dem Kampf der Afrikaner gewidmet und der Idee einer demokratischen, freien Gesellschaft, in der alle Menschen in Harmonie zusammenleben und die gleichen Chancen haben. Ich hoffe, für diese Idee leben zu können, aber ich bin, wenn es sein muss, auch bereit dafür zu sterben. ... an idea for which I am prepared to die. Autorin: Nelson Mandela wird zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. 27 Jahre verbringt er insgesamt im Gefängnis. Gleich mehrere Fotos zeigen ihn auf Robben Island, wo er den größten Teil seiner Haftstrafe absitzen musste. Er schuftet im Steinbruch, 16 Stunden am Tag ist er in einer zwei mal zwei Meter kleinen Zelle eingesperrt. Es ist wichtig, sich in Erinnerung zu rufen, welches Opfer Nelson Mandela für sein Land gebracht hat, betont Nokuzola Tetani. Eine stämmige Frau mit rundem Gesicht, umrahmt von einem krausen Afro. Sie arbeitet im Management des Museums. O-Ton 5: Yes, we have collected… Übersetzerin: Wir haben viel Material zusammengetragen, das Nelson Mandelas Lebenswerk und den südafrikanischen Freiheitskampf dokumentiert. Wir konzentrieren uns vor allem auf die demokratischen Grundwerte. Wir wollen junge Leute dazu anregen, darüber nachzudenken und zu diskutieren. …by the young people. Atmo 5: Schritte durch den Ausstellungsraum Autorin: Vor jedem Exponat bleibt die 51-Jährige kurz stehen. Es sind weltberühmte Fotos, die Erinnerungen wecken. 1990: Nelson Mandela wird aus dem Gefängnis entlassen. Auch neben diesem Schwarz-Weiß-Bild hängt ein Kopfhörer. Atmo 6: Original-Kommentar Freilassung (spätestens bei 0’22’’ frei stehen lassen) Autorin: Hand in Hand mit seiner Frau Winnie tritt der damals bereits 72-Jährige ins Freie, die Faust triumphierend in die Luft gereckt, umjubelt von der wartenden Menschenmenge. Vier Jahre später eine weitere historische Aufnahme: Die Vereidigung des ehemaligen Staatsfeindes zum Staatspräsidenten, dem ersten demokratisch gewählten in der Geschichte Südafrikas. Atmo 7: Original Vereidigung (mit Atmo Museum verblenden) Autorin: Während seiner Präsidentschaft stellt Mandela die Weichen für eine Politik der Versöhnung statt der Vergeltung. Für viele ist ein Wunder, dass Südafrika nicht in einem Bürgerkrieg versinkt, sondern die demokratische Wende tatsächlich gelingt. Symbolträchtig daher auch, dass Mandela bereits nach einer Legislaturperiode Platz für einen Jüngeren macht. Viele hätten sich gewünscht, er wäre länger Präsident geblieben, meint Nokuzola Tetani seufzend. Atmo 8: Tür nach draußen, Stimmen, Schritte Autorin: Die 51-Jährige öffnet eine Glastür, geht vom Ausstellungsraum in den Innenhof des Museums. Ein moderner Gebäudekomplex aus mehreren Bungalows. Natursteinmauern, viel Glas, 360 Grad Panorama auf die verstreuten Rundhütten von Qunu. Nokuzola Tetani ist selbst hier aufgewachsen. Der Standort ist für sie aber auch aus einem anderen Grund etwas ganz Besonderes. O-Ton 7: It is aiming at attracting… Übersetzerin: Unser Ziel ist es, dass junge Leute aus der ganzen Welt nach Qunu kommen. Sie können die Orte seiner Kindheit besuchen und dort etwas über ihn, aber auch die Geschichte Südafrikas lernen. Ein Beispiel sind die Ruinen seiner Grundschule: Es war damals eine gängige Praxis, dass Schwarze englische, so genannte christliche Namen bekamen. Nelson Mandela hieß eigentlich Rolihlahla (Hinweis Aussprache: Rolichlachla), das heißt frei übersetzt so viel wie „jemand, der die Wahrheit ans Licht bringt“. Angesichts seines Lebensweges und Charakters also ein sehr zutreffender Name. Am ersten Schultag aber gab man ihm den Namen Nelson. Nach heutigem Verständnis der Menschenrechte würde man sagen, dass ihm dadurch das Recht an seinem Geburtsnamen verwehrt wurde. …a right to a name. Atmo 9: Schritte durch’s Gras, Kinderstimmen Autorin: Bis zur ehemaligen Schule sind es nur ein paar Schritte. Ein schlichter Steinkreis erinnert an die Rundhütte, in der der Friedensnobelpreisträger damals unterrichtet wurde. Eine unscheinbare, ländliche Zwergschule. Für Kinder und Jugendliche ist es wichtig zu wissen, dass auch große Persönlichkeiten einmal klein angefangen haben, meint Nokuzola Tetani, bleibt andächtig stehen. Zwei Mädchen in Schuluniformen, dunkelblaue Röcke und weiße Blusen, gesellen sich zu ihr. Sie gehen in die Schule direkt nebenan und haben gerade Pause. Eifrig erzählen die Elfjährigen, was sie gerade im Unterricht über Nelson Mandela gelernt haben. O-Ton 8 (Collage): Original auf Xhosa…. Übersetzerin: Er hat für die Freiheit gekämpft, damit wir heute mehr Rechte haben und in einer Demokratie aufwachsen können. Früher konnten die Leute nicht überall hinfahren, wo sie wollten. Sie durften nicht einmal jede x-beliebige Toiletten benutzen. Sie waren nach Hautfarben getrennt, in Weiße und Schwarze. Das kann ich mir gar nicht vorstellen. Wenn ich erwachsen bin, will ich Sozialarbeiterin werden und anderen helfen, so wie Nelson Mandela es getan hat. …like Nelson Mandela did. Atmo 10: Kinderstimmen Autorin: Nokuzola Tetani lächelt über das ganze Gesicht. Es hätte Tata Mandela gefallen, was ihr gerade gesagt habt, meint sie zu den beiden. Kinder liegen ihm Zeit seines Lebens besonders am Herzen. Seine eigenen Töchter und Söhne kann er wegen seiner langen Gefängnisstrafe nicht aufwachsen sehen. Das hat er immer bedauert. Umso mehr Zeit verbringt er im Ruhestand mit seinen Enkeln und Urenkeln. Die von ihm gegründete Stiftung „Nelson Mandelas Children’s Fund“ setzt sich bis heute für verwaiste, arme und kranke Kinder ein. Für ihn eine echte Herzensangelegenheit, betont Nokuzola Tetani. O-Ton 9: There was a Christmas Party… Übersetzerin: Ich erinnere mich an eine Weihnachtsfeier, die jemand hier in der Gegend veranstaltet hat. Etliche Sponsoren hatten Essen gespendet. Für die Gäste in der Festhalle gab es nur vom Feinsten. Die Kinder aber blieben draußen und bekamen nur ein ganz einfaches Gericht. Nelson Mandela war darüber sehr verärgert. Ungerechtigkeit kann er nicht ausstehen. Ich weiß noch, wie ich mich damals geschämt habe. Das war eine von vielen Lektionen, die ich von Nelson Mandela gelernt habe. …learned a lot from Nelson Mandela. Autorin: Die Museums-Managerin verabschiedet sich. Die Mädchen laufen kichernd wieder zurück in den Unterricht. Ihre Schule besteht aus mehreren, rechteckigen Bungalows, im Karree gebaut. Die Holztüren stehen offen. Atmo 11: Unterricht, Lehrer & Schüler Autorin: In einer der Klassen findet gerade Matheunterricht für den Abiturjahrgang statt. Über 20 Teenager sitzen konzentriert an ihren Pulten, Bücher und Hefte aufgeschlagen, einige machen sich Notizen. Der Lehrer schreibt endlose Formeln an die Tafel. Im Türrahmen lehnt Schuldirektor Wonga Mda. Anfang 40, Bundfaltenhose, karierter Pullover, schwarzer Hut. O-Ton 10: We are proud… Übersetzer: Wir sind sehr stolz darauf, dass viele unserer Schüler einen so guten Abschluss machen, dass sie an Universitäten studieren können. Dabei kommen die meisten aus sehr armen Verhältnissen. Das Bildungsniveau ihrer Familien ist niedrig. Mädchen werden zu früh schwanger. HIV und Aids sind verbreitet. Einige haben deshalb ihre Eltern verloren, andere sind selbst infiziert. Aber viele dieser Schüler wollen diesen Teufelskreis der Armut durchbrechen. Sie arbeiten sehr hart und sind entschlossen, das Leben ihrer Familien zu verbessern. ….lives of their families. Atmo kurz hoch Autorin: Vielleicht liegt das auch daran, dass die Schule an einem historischen Ort steht, fügt der Schuldirektor hinzu, inmitten von Nelson Mandelas Heimatgemeinde, in unmittelbarer Nachbarschaft des Museums. O-Ton 11: Every day we tell them… Übersetzer: Wir sagen ihnen jeden Tag, dass wir die Mandelas von morgen brauchen. Ich glaube, das motiviert sie. Als junge Generation in Qunu tragen sie eine besondere Verantwortung für die Gemeinde und das Vermächtnis Nelson Mandelas. Das ist auch für mich eine Motivation. Ich habe die Stelle hier angenommen, um in seinem Sinne weiterzuarbeiten und ihm so wenigstens etwas zurückzugeben. ….to pay him back. Atmo kurz hoch Autorin: Nachdenklich beobachtet Wonga Mda den Unterricht. Trotz des berühmten Nachbarn kämpft er mit den gleichen Problemen, wie Schulen in anderen ländlichen Regionen Südafrikas. Die Einrichtung ist spärlich: Die Schule verfügt über keinen einzigen Computer, Lehrbücher werden oft Monate zu spät geliefert, es mangelt an gut ausgebildeten, engagierten Lehrern. O-Ton 12: I think the government… Übersetzer: Die Regierung tut kaum etwas, um die Situation zu verbessern. Nicht einmal hier, als Zeichen des Danks und der Wertschätzung für all das, was Nelson Mandela für uns getan hat. Im Gegensatz zu denen, die heute an der Macht sind, war er selbst nie egozentrisch. Er hat seine Heimatgemeinde nicht übervorteilt, sondern sich um das gesamte Land gekümmert. Das ist verständlich. Aber ich hätte schon erwartet, dass einer seiner Nachfolger die Initiative ergreift und versucht, das Leben der Menschen hier in Qunu wenigstens etwas zu verbessern. …people of that community. Autorin: Die konkreten Wünsche des Schuldirektors sind bescheiden: Eine Bücherei, ein richtiger Sportplatz und ein warmes Mittagessen für die Schüler. Viel mehr erwarte ich gar nicht, meint er, geht quer über den betonierten Schulhof zu seinem Büro. Er ist nicht der einzige in der Gegend, der von der Regierung enttäuscht ist. Gerade die ältere Generation hatte gehofft, dass ihr Alltag nach der demokratischen Wende spürbar leichter wird. Atmo 12: Feld, hacken, Straße Autorin: Einer der Dorf-Ältesten in Qunu ist Jonathan Siqhevu Krexe. Seit Sonnenaufgang ist der 85-Jährige auf den Beinen. Mit einer Hacke bearbeitet er sein kleines Maisfeld in der sanften Hügellandschaft. Sein Gesicht zerfurcht von Wind und Wetter, die Kleidung zerschlissen, die Hände schwielig. Ihm ist anzusehen, dass er sein ganzes Leben hart gearbeitet hat. Wie viele junge Männer aus der Gegend schuftet er während der Apartheid jahrelang in den Goldminen Johannesburgs. Seine Frau sieht er nur einmal im Jahr, zu Weihnachten. Meine drei Kinder sind deshalb alle im September geboren, fügt er mit einem zahnlosen Lächeln hinzu. Qunu liegt damals mitten im so genannten Homeland Transkei. Einer bitterarmen Region Südafrikas, in der nach dem Willen des rassistischen Regimes der Volksstamm der Xhosa lebt. O-Ton 13: Original auf Xhosa… Übersetzer: Seit meiner Jugend hat sich hier einiges verändert. Früher hatten wir weder Strom noch fließend Wasser zuhause. Leute wurden ohne Grund verhaftet und ins Gefängnis geworfen. Wir brauchten eine Genehmigung, um die Transkei zu verlassen und mussten selbst im eigenen Land immer unseren Ausweis dabei haben. Heute können wir problemlos bis nach Kapstadt und sogar in andere Länder reisen. Es hat sich also vieles verbessert. …Original auf Xhosa. Atmo 13: Schritte durch’s Gras, Hühner Autorin: Der 85-Jährige schultert seine Hacke, geht durch sein kleines Maisfeld nach Hause. Ein mit Maschendraht eingezäuntes Grundstück. Hühner scharren im sandigen Boden. Ein dürrer Hund döst in der Sonne. Die Familie des Alten lebt wie die meisten Einwohner von Qunu in ärmlichen Verhältnissen. Eine traditionelle Rundhütte . Ein paar Meter weiter ein kleines rechteckiges Gebäude mit Wellblechdach. Hier wohnt Jonathan Siquevu Krexe mit seiner Frau, Enkeln und Urenkeln. Wie viele es sind? Der alte Mann beginnt sie an seinen Fingern abzuzählen, gibt dann kopfschüttelnd auf. Atmo 14: Jonathan betritt sein Haus Autorin: Gebückt geht er durch die offene Tür. Die Augen müssen sich nach der hellen Sonne erst an das dämmrige Licht gewöhnen. Die Einrichtung ist schlicht. Eine schmale Holzbank für Besucher direkt neben dem Eingang, ein Tisch mit vier Stühlen, ein Regal mit Töpfen und Tellern, ein kleiner Fernseher mit selbst gebastelter Drahtantenne. Zwei Türen zu den Schlafzimmern. Der 85-Jährige setzt sich auf einen der Stühle, erschöpft von der Arbeit. O-Ton 14: Original auf Xhosa… Übersetzer: Ich bin mit Nelson Mandela aufgewachsen. Damals verlief das Leben hier noch nach klaren Regeln unser Kultur und Tradition. Wir hatten Respekt für die Alten und haben ihnen Arbeit abgenommen. Doch die Jugend von heute ist faul. Sie hat keine Disziplin und hört nicht auf uns. Deshalb muss ich mich in meinem Alter noch ums Feld und das Vieh kümmern. Früher haben wir gern zugehört, wenn die Alten etwas erzählt haben. Doch auch für unsere Geschichten interessiert sich die junge Generation leider nicht. Sie denken, sie wissen alles besser. ….Original auf Xhosa. Autorin: Mühsam steht Jonathan Siquevu Krexe auf, verabschiedet sich förmlich. Seine Frau wartet mit dem Mittagessen. Atmo 15: Lederwerkstatt Autorin: Ein paar Häuser weiter, in einer kleinen Schneiderwerkstatt: An den Wänden stapeln sich gegerbte Lederstücke. Es riecht nach Leim. Jabu Madolo sitzt vor seiner Nähmaschine. Der schlanke 40-Jährige fertigt Schuhe, Taschen und Jacken an. Er ist einer der wenigen Unternehmer in Qunu. Begonnen hat alles vor ein paar Jahren mit einem Projekt für arbeitslose Jugendliche, erzählt er. Wir sollten ein Handwerk lernen, um aus eigener Kraft einen Weg aus der Armut zu finden. O-Ton 15: We were 13 when we started…. Übersetzer: Zu Beginn waren wir 13 Leute. Voller Zuversicht. Doch es war schwerer als gedacht mit der Lederwerkstatt tatsächlich unseren Lebensunterhalt zu verdienen. Deshalb sind die meisten wieder abgesprungen. Heute sind nur ich und eine junge Frau übrig. Unser Traum ist es, das Ganze hier zu einer richtigen Fabrik zu vergrößern und die anderen als Angestellte mit einem monatlichen Einkommen zurückzuholen. Denn die Leute hier sind arm. Sie müssen Familien ernähren. Was sie brauchen sind Jobs und Geld. Man kann nicht erwarten, dass sie jeden Tag zur Arbeit kommen, aber am Ende des Monats nichts dabei herauskommt. …or he is getting. Atmo 16: Nähen Autorin: Schweigend näht Jabu Madolo weiter den Saum einer Lederweste. Er gehört zur entfernten Verwandtschaft Nelson Mandelas, zum Madiba-Clan. Die Familie könnte mehr für die Dorfbevölkerung tun, kritisiert er. Seit ein paar Jahren wächst der Einfluss von Enkel Mandla Mandela. Er übernimmt zunehmend die Rolle des Familienoberhaupts. Ein ehrgeiziger Mann, ANC-Abgeordneter im Parlament, traditioneller Stammesführer im Geburtsort seines berühmten Großvaters - doch weit entfernt von dessen Wertvorstellungen. O-Ton 16: There were food parcels… Übersetzer: Jemand hatte zum Beispiel Lebensmittelpakete für die Armen in unserem Dorf gespendet. Doch Mandla warf den Leuten vor, gierig zu sein und schickte sie einfach wieder weg. Das hat viele vor den Kopf gestoßen. Er nutzt seine Macht zunehmend aus und kümmert sich nicht so um andere, wie sein Großvater es immer getan hat. Der Rest der Familie, scheint das leider einfach hinzunehmen. Deshalb mache ich mir große Sorgen um das Vermächtnis Nelson Mandelas. Ich befürchte, dass unsere Gegend bald gar keinen Wert mehr hat. …will definitely go, perish, I don’t know. Atmo 17: Tür nach draußen, Vögel, Straße im Hintergrund Autorin: Jabu Madolo tritt aus seiner Werkstatt nach draußen, lässt seinen Blick nachdenklich über die sanfte Hügellandschaft mit den verstreuten Rundhütten streifen. Sein Blick bleibt am Anwesen der Mandelas hängen. Dem Haus des weltberühmten Freiheitskämpfers, Friedensnobelpreisträgers und Staatsmannes, der Versöhnung und Humanität nicht nur gepredigt, sondern eindrucksvoll vorgelebt hat. Seinen Landsleuten wird es schwer fallen in seine großen Fußstapfen zu treten, die klaffende Lücke zu füllen, die Nelson Mandela hinterlassen hat. Atmo blenden.