Deutschlandfunk Hörspiel/Hintergrund Kultur Redaktion Ulrike Bajohr/0221 345 1503 -------- Für solche Patrioten sind wir die Pest Junge Kiewer und ihr Kampf um die Ukraine Von Julia Solovieva DLF/NDR/SWR Erzählerin Idil Üner Miriam - Sprecherin 1 Anjorka Strechel Anna - Sprecherin 2 Susanne Bormann Marina - Sprecherin 3 Meriam Abbas Iwan - Sprecher 1 Adam Nümm Ievgen - Sprecher 2 Oliver Urbanski Sergej im Spital - Sprecher 3 Karim Cherif Arzt Andrei Tschajkowskij - Sprecher 1 oder 2 Produktion 26.-30.1./ Sprachaufnahme: Montag, 26. Januar, ab 9.30 Uhr Studio T10, rbb, Masurenallee Urheberrechtlicher Hinweis Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Die Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 44a bis 63a Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. (c) - unkorrigiertes Exemplar - Sendung DLF: 20. Februar 2015, 20:10 bis 21:00 Uhr NDR: 24. Februar, SWR Dakh Daugthers Musik und O-Ton 1 Miriam (liest ihr Gedicht, auf Cafe-Haus-Atmo Geschirr, Stimmen im HG) - darauf: Sprecherin 1 Weißt Du, wir sind schon erwachsen: Wir machen Schlagzeilen. Die, die da unten vor Schmerz schreien, sind auch wir. Klopfe leise auf Holz... Du weißt, diese Verliebten sind wir. Wir sind vom Winter übrig geblieben. Wir gingen durch Eis und Qualm Der abgebrannten Trümmer Zwischen Licht und Schatten Sterben wir, aber geben nicht auf Wir flüstern: Amen Und schauen uns an. (Musik hoch) Sprecherin 2 Europa heißt Recht auf Rebellion! Sprecherin 3 Barbaren in die Zellen! Sprecher 1 Im Louvre gibt es keine Zellen! Sprecher 3 Wir brauchen Frische! Sprecher 2 Leute, wir brauchen keine patriotischen Parolen! Sprecherin 2 Europa heißt Recht auf Rebellion Sprecherin 1 Wenn jemand etwas ändern kann, dann nur wir selbst. O-Ton Miriam (aus Gedicht hoch ) Sprecherin 1 .....Zwischen Licht und Schatten Sprecherin 1 Wenn jemand etwas ändern kann, dann nur wir selbst. O-Ton Miriam (aus Gedicht hoch ) Sprecherin 1 Sterben wir, aber geben nicht auf Ansage: Für solche Patrioten sind wir die Pest Junge Kiewer und ihr Kampf um die Ukraine Ein Feature von Julia Solovieva Musik Dakh Daugthers hoch: Sprecherin 1 Wann, wenn nicht jetzt! Wer, wenn nicht wir! Musik Dakh Daugthers weg. Atmo Anna/TV/ (dazu O-Ton Anna) Erzählerin Anna ist traurig. Gerade hatte sie wieder Streit mit ihrer Großmutter. Die Großmutter hat heimlich russisches Fernsehen geschaut, obwohl Anna ihr das verbietet, obwohl Annas dreijährige Tochter dabei war. Anna hat die Tür hinter sich zugeknallt und die Tochter zu ihrem geschiedenen Ehemann gebracht. Die "pro-russische" Großmutter, die alle Maidan-Aktivisten Faschisten nennt, ist zu Hause geblieben. "Der Saturn steht im siebten Haus, und wird noch vier Monate dort bleiben", - tröstet Annas Mutter ihre Tochter am Telefon, - "deswegen sind alle durch den Wind, wir müssen uns entspannen". Anna kann sich nicht entspannen: der Krieg ist überall. O-Ton 3 Anna/ Sprecherin 2 Meine Tochter hat im Fernsehen Militärfahrzeuge gesehen, und gleich gefragt: Mama, kommen die, um uns zu töten? (Atmo wie oben, darauf) Erzählerin Anna ist auch wütend. Sie möchte endlich wieder Aufträge als Designerin annehmen und bekommt keinen Kindergartenplatz für ihre Tochter! Vielleicht ist es gut so, sagt sie. Beim Blick in die gelangweilten Gesichter der Erzieherinnen wollte sie sowieso gleich wieder umdrehen. Der Kindergarten als Symbol für das alte, korrupte, verfaulte System, das trotz Maidan weiter besteht: O-Ton 4 Anna / Sprecherin 2 Wir sind in diesem System aufgewachsen und wussten, dafür, dass man dich in Ruhe lässt, musst du immer zahlen. Aber man hat dich nicht in Ruhe gelassen. Wir feiern die 23 Jahre unserer Unabhängigkeit und all die Jahre haben wir keinen Widerstand geleistet. Da kommt wieder ein neues Gesetz, das unsere Rechte beschneidet und immer denken wir, na ja, nicht schlimm, na ja, Hauptsache, wir haben unsere Ruhe, egal, wenn unsere Renten sinken, nicht schlimm... Und so sind wir jetzt bettelarm. Wir haben keine richtige Armee, aber unsere Generäle platzen aus allen Nähten. Dieses System wird von selbst platzen, aber wir wollen es schneller beseitigen: ich will nicht um ein verpfuschtes Leben trauern müssen. Erzählerin Ich habe Anna schon als Kind gekannt. Heute ist sie 26. Sie ist Ukrainerin. Ich bin Russin mit einem ukrainischen Vater. Anna lebt in Kiew, ich wohne in Hamburg. (Facebook-Atmo) Seit dem Beginn der Maidan-Proteste verfolge ich in Facebook alles, was Anna und ihre Freunde schreiben. Von der Euphorie bis zur Verzweiflung: Miriam - Sprecherin 1 21. November 2013. Ich zieh` mir jetzt einen Pullover an und gehe auf den Platz der Unabhängigkeit. Das ist ehrlicher als in der Küche zu sitzen und sich aufzuregen. Wir sehen uns, hoffe ich. Ievgen - Sprecher 2 22. November 2013. Genau. Lasst es uns nochmal versuchen. Miriam - Sprecherin 1 24. November. Abends bleiben doch nur Wenige auf dem Platz. Alle sind müde vom zwecklosen Schreien, vor Kälte, vom Rumstehen. Die Politiker tun gelangweilt. Es geht nicht nur um das Assoziationsabkommen mit der EU. Es geht um unsere Rechte. (Facebook-Atmo weg) (Atmo Räumung des Maidan, Schreie und darauf ) Sprecherin 2 Europa heißt Recht auf Rebellion! Sprecher 2 Wir brauchen und Kopfschutz, und Holzstöcke. Sprecherin 3 Und Desinfektionsmittel und Verbandsmaterial. Iwan - Sprecher 1 30. November. Also, Leute, ich glaube, sie werden uns abmurksen, und zwar nachts. Deshalb bleibt bitte Tag und Nacht da! Nehmt Thermoskannen und was zu essen mit. Und schützt Euch! Atmo Räumung des Maidan, Schreie und darauf: Sprecher 2 Es wird heiß! DLF/Nachrichten: 01.12.2013 18:00 X149675 Bei den Massenprotesten in der ukrainischen Hauptstadt Kiew ist es zu Ausschreitungen gekommen. ... An der Großdemonstration gegen die Politik von Präsident Janukowitsch beteiligten sich mehr als 100.000 Menschen. Sie fordern seinen Rücktritt und eine weitere Annäherung ihres Landes an die Europäische Union. Atmo Räumung des Maidan weg/ Facebook-Atmo Miriam - Sprecherin 1 1.Dezember. Die blutige Räumung des Maidan ist nur der Anfang. Anna - Sprecherin 2 18. Januar 2014. Ein junger Mann geht vor mir und spricht ins Telefon: ja, ich weiß, dass wir Montag einen Termin haben. Wenn man mich heute nicht tötet, komme ich. 22. Januar. Vier wurden heute von Scharfschützen getroffen. Die Miliz entführt die Verletzten, die ins Krankenhaus gebracht werden sollen. Liebe Großmutter, liebe Mutter, die ihr uns immer noch Faschisten und Provokateure nennt! Liebe Schwester in Russland! Betet für uns! Ich sehe die Tastatur vor lauter Tränen nicht. (Atmo weg) Erzählerin Im Februar, es ist wieder einer dieser schlimmen Tage in Kiew, fragt Anna mich, ob Europa den Maidan mit Friedenstruppen unterstützen wird? - Nein, ich glaube nicht. (Facebook-Atmo) Anna Sprecherin 2 Aber wir brauchen Hilfe! Wir sind ganz normale Leute zwischen 25 und 35 Jahren: keine Studenten mehr, noch keine Onkel und Tanten in soliden Anzügen. Vielleicht werden wir nie welche. Erzählerin: Ich versuche sie zu trösten... Anna Sprecherin 2 ... wir hatten mit Waffen nichts zu tun. Wir waren nie bei der Armee... Erzählerin:... wir chatten jede Nacht... Anna Sprecherin 2 ... wir sind Architekten, Webdesigner, Künstler, Produzenten, Schauspieler, Filmemacher. Wir sind die Ukrainer, die in die Europäische Union wollten, aber nicht um Ecstasy zu probieren oder Musikfestivals zu besuchen, sondern um mit europäischen Partnern zu arbeiten, unser ukrainisches Design in Europa zu verkaufen und in der Ukraine "französisches Kino" zu drehen. Und wir sind alle auf dem Maidan... (Musik, darauf ) DLF Nachrichten: 21.02.2014 16:00 X165070 In der Ukraine ist ein Abkommen zur politischen Zukunft des Landes unterzeichnet worden. ... Das Abkommen sieht vorgezogene Präsidentenwahlen und die Bildung einer Übergangsregierung innerhalb von zehn Tagen vor. Außerdem will Janukowitsch eine Rückkehr zur Verfassung von 2004 akzeptieren. Damit würde der Staatschef einen Teil seiner Macht an das Kabinett und das Parlament abgeben... Anna - Sprecherin 2 ( parallel mit Nachrichten/Musik) 21. Februar: Und... haben wir es geschafft? Wird mich nun niemand mehr in Europa fragen: Ukraine? Wo liegt das? Wir sind Ukrainer! Dabei ist keiner von uns der klassische Patriot: mit Schmerbauch und Horilka vor dem Borschtsch, mit der Nationalhymne auf dem Mobiltelefon. Für solche Patrioten sind wir die Pest. Aber wir sind die Gegenwart und die Zukunft dieses Landes. (Atmo/Musik weg) Erzählerin 1. September 2014. Endlich lande ich in Kiew, treffe mich gleich mit Anna, verabrede mich mit Miriam, Marina und Iwan. Ievgen kann ich nicht erreichen. O-Ton 5 Anna (als Unterlage wie 02, nicht übersetzen) Erzählerin Jetzt sei es Zeit für unkonventionelle provokative Kulturprojekte, sagt Anne und streicht sich das Haar zurück. Trotz des Krieges. Sie schlägt einen leichten Ton an und erzählt davon, wie sehr sie Kiew mag, wie wenig sie dem Bürgermeister Klitschko vertraut und sich doch freut, dass er die Initiativen der jungen Leute im Zuge der Europa-Annährung unterstützt. Stimmungswechsel: Computergeräusche, Musik Erzählerin Am Abend schicke ich ein Nachtbild von Kiew an meinen Vater, der in Moskau lebt, und nochmal eine Nachricht an Ievgen. Dieser Ievgen ist Kiewer, Unternehmer. Ein dreißigjähriger Maidan-Aktivist, der seit Juli in der Ostukraine kämpft. Vor einigen Tagen hat er mir geschrieben, er sei auf Heimaturlaub in Kiew, seitdem meldet er sich nicht. Ich bin besorgt. Atmo aus Video/Ievgen Erzählerin Ich durchforste Ievgens Facebook-Chronik. Atmo Schießen / Ievgns Video... Erzählerin .... Ievgen lernt schießen. ...Die Krim ist annektiert.... die sogenannten Volksrepubliken sind gegründet .....Maidan-Aktivisten melden sich zur Armee.... Ievgen wird Soldat im Freiwilligen-Bataillon "Donbass" ..... Im August ... gerät das Bataillon Donbass in der Nähe der Stadt Ilowaisk in einen Kessel der Separatisten: Ievgen -Sprecher 2 Meine Einheit hinter der Front, während das ganze Bataillon, 400 Leute, im Kampf um Ilowaisk zermalmt wurde. Als unsere Einheit sie unterstützen wollte, war es schon zu spät. (Facebook/Video-Ton weg/Musik) Erzählerin Die Überlebenden wenden sich an die Öffentlichkeit: sie beschuldigen ihre Führung, sie klagen an, sie fordern eine sofortige Untersuchung. Und nun meldet sich Ievgen nicht, das kann nur eins bedeuten: er ist wieder an der Front. Atmo Kiew-Zentrum, Autos, Gesänge usw Erzählerin Am nächsten Morgen gehe ich den Chretschjatik entlang, der Maidan-Platz ist nur ein paar Schritte entfernt. Sonne, Eisbuden und Cafés überall, viele Touristen, die nun auch die ehemalige Janukowitschsch- Residenz besuchen können. Ich bemerke aber auch Frauen mit Sammelbüchsen für die Armee, Männer in Tarnuniform. Von ihnen höre ich die Parole "Es lebe die Ukraine!" und die entsprechende Antwort: "Es leben die Helden!" In einem Straßencafé wartet Miriam auf mich. O-Ton 6 Miriam Sprecherin 1 Fast täglich entscheidet sich einer meiner Bekannten in den Krieg zu ziehen. Sie kaufen sich eine Uniform, was heute nicht leicht ist, besuchen Trainings, lernen schießen und gehen als Freiwillige hin. Viele Bataillone nehmen auch Reservisten. Erzählerin Miriam ist 30 Jahre alt, Journalistin, Drehbuchautorin, Dichterin. Sie hat ein hübsches Mädchengesicht, das sie hinter einer riesigen Sonnenbrille versteckt. O-Ton 7 Miriam/ Sprecherin 1 Heute kämpfen wir nicht für einen "Kandidaten", nicht für Europa oder den Westen, wir kämpfen für uns selbst! Das bedeutet: deine Stadt zu lieben, deine Heimat zu lieben, deinem Nächsten zu helfen. Und sehr genau hinzuschauen. Für mich ist zum Beispiel wichtig, welche Bücher meine Tochter jetzt in der Schule liest. Erzählerin Ihre zehnjährige Tochter besucht ein anspruchsvolles Gymnasium mit dem Schwerpunkt Englisch. Gestern war der erste Schultag und alle Kinder haben statt Blumen Geldspenden mitgebracht. Die hat Miriam ihrer Freundin Marina im Militärhospital zukommen lassen. Sie vertraut Marina, Marina weiß, wohin mit dem Geld. Die Armee ist unterversorgt, viele sind in den Krieg gezogen ohne passende Kleidung und Schuhe, ohne Munition, ohne Medikamente. O-Ton 8 Miriam -Sprecherin 1 Es ist wichtig zu beobachten, welche Gesetze jetzt verabschiedet werden, wer diese Gesetze entwirft. Es ist wichtig, nicht einer Quelle zu glauben, sondern die Fakten zu analysieren. Es ist falsch, einfach zu sagen: die Russen sind unser Feind. Nein, unser Feind ist der Staat Russland. Und wir kämpfen nicht gegen Russen, sondern gegen Angreifer und Okkupanten. Erzählerin Miriams Sprache ist viel direkter, als die der ukrainischen Regierung: die redet im September 2014 nicht von Krieg, sondern von der ATO, der Anti-Terrorr- Operation in der Ostukraine. Als die Geschichte mit der Krim begann, fuhr Miriam dorthin und berichtete live für das ukrainische Fernsehen. O-Ton 9 Miriam- Sprecherin 1 Die Menschen dort sagten mir, wir wollten nicht, dass der Maidan zu uns kommt - ohne zu wissen, was auf dem Maidan tatsächlich los war. Ich habe erlebt, wie das Referendum in Luhansk abgelaufen ist. Ich selbst habe drei Stimmzettel genommen und ausgefüllt. Und dort standen Russen rum, sie waren betrunken und sie haben mir sogar ihre Pässe gezeigt, ich habe das alles aufgenommen. Ich glaube, die Leute in Luhansk wussten nicht recht, was sie wollten - dabei hielten sie doch russische Flaggen in der Hand. Sie haben sich selbst den Krieg nach Hause geholt. (auf Sound) Erzählerin Darüber würde ich gern mit meinem Vater sprechen. Mein Vater ist in Donezk aufgewachsen, lebt aber seit seinem Studium in Russland. Er sollte wissen, wie Miriam die Dinge sieht: Nicht der Maidan ist an allem Schuld. Nicht der Maidan führte zum Krieg, wie die russische Propaganda sagt. Und wie mein Vater meint. (Sound weg) O-Ton 10 Miriam - Sprecherin 1 Es ist unmöglich Leuten aus dem Osten etwas zu erklären, sie müssen das selbst erleben, erst dann verstehen sie. Viele von ihnen waren nie in Russland oder in Kiew, sie leben ihr ganzes Leben in ihrer Stadt oder in ihrem Dorf. Ihre Sichtweise ist sehr eng, sie haben keine Bildung und keine Kultur. Das Hauptmerkmal dieser Menschen ist ihre Passivität, sind allgemeine Lethargie und Angst vor der Zukunft. (auf Sound) Erzählerin Ich weiß schon, was mein Vater erwidern würde: vielleicht geht es den Menschen im Osten nicht ums Leben sondern ums Überleben, - würde er sagen, - weil die ukrainische Politik sie in Stich gelassen hat. - Dann würde er fragen: Lässt sich ein guter Frieden mit Gewalt herstellen? Und überhaupt: Sind die Ostukrainer wirklich so "anders"? (Sound weg) Musik Dakh Daughters/Atmo Schlob-Art Erzählerin In der Ostukraine, sagt Miriam, gebe es einfach mehr Schlobs als in Kiew. Schlob? Ein russisches Wort. Aber wie soll ich es übersetzen? Banause? Prolet? Schlob ist der, dem alles egal ist! Das Gegenteil eines Bürgers, der für sich selbst und für das Gemeinwohl Verantwortung übernimmt. Ein Schlob kann ein Patriot mit der ukrainischen Flagge sein, aber einer, der andere Meinungen nicht verkraftet, einer, der gleich zuschlägt, pöbelt, aufschreit. Ab wann bin ich ein Schlob? (auf Atmo Schlobstwo, Ausstellungseröffnung ) Erzählerin 2008 begannen Iwan Semesuk und seine Kollegen mit ihrer Schlob-Art die ukrainische Gesellschaft zu untersuchen und sich in das gesellschaftliche Leben einzumischen. Ihren Gemälde zeigen Stereotype: kräftige Männer in Adidas-Kluft und ewig durchgekauter Zigarette im Mundwinkel. Männer, die "Wschiwanki", volkstümlich bestickte Blusen, tragen und den dicken Max raushängen lassen. Gelangweilte Jugendliche, am Straßenrand hockend. Die Künstler haben Schlobstwo als "Volkskrankheit" diagnostiziert. Sie wollten aus den Schlobs Bürger machen. O-Ton 12 Iwan Semesjuk Sprecher 1 Jetzt denken wir, dass Schlob-Art ihre prophetische Funktion erfüllt hat. Am Anfang hat keiner etwas verstanden, aber letztendlich fand auf dem Maidan ein Aufstand gegen Schlobs statt: gegen diese fleischigen Fresser, gegen die Berkutmiliz. (von Ferne die Parolen vom Anfang.) Sprecher 2 Leute, wir brauchen keine Parolen wie Tod den Feinden, lasst sie die alten Kosaken schreien! Sprecherin 1 Hut gegen Pelzmütze! Erzählerin Der Künstler Iwan Semesjuk steht früh auf, gegen fünf oder sechs Uhr morgens, macht sich eine Tasse Kaffee, legt schöne Barock-Musik auf und beginnt zu arbeiten. (von Ferne die Parolen ....) Sprecherin 2 Wir brauchen Frische! Erzählerin Die phantasievolleren Maidan-Parolen hat Iwan mit seinen Freunden kreiiert. (von Ferne die Parolen hoch und weg ....) Sprecher 2 Barbaren in die Zellen! Sprecherin1 Im Louvre gibt es keine Zellen! (Atmo Straße) O-Ton 13 Iwan - Sprecher 1 Ich bin ein Atelier-Mensch, ein Brillenträger, der dort eher als Zeuge auftrat. Ich habe Reifen in die Feuer geworfen und so, aber mich gegen die Miliz zu stellen konnte ich nicht, ich hatte Angst. Aber ich kenne Leute, die die ersten Molotow-Cocktails geworfen haben - alle haben sich davor gefürchtet und jemand hat die Bedienungsanleitung im Internet gefunden, die Cocktails gefertigt und geworfen. Nicht auf die Berkuts, sondern in ihre Nähe, um denen Angst einzujagen. Erzählerin Iwan ist auf dem Sprung: aus seinem Atelier in die Bar Bakteria, die er mit seinen Freunden betreibt. Er trägt eine Baseballkappe, einen Schal und eben die Brille, durch die sich seine runden dunklen Augen in die Welt bohren. O-Ton 14 Iwan Sprecher 1 Ich will jetzt Porträts von Ukrainern malen, in der Art der Renaissance-Kunst oder des Barock. Wir hatten keine Helden, nur die Anti-Helden der Schlob-Art. Jetzt kommt der neue Held, der neue Bürger. Ich werde mich mit ihm beschäftigen. Erzählerin Aber der Krieg, sagt er und schiebt seine Baseballkappe nach vorne. O-Ton 15 Iwan Sprecher 1 Mir ist schon klar, dass ich jetzt an der Reihe bin. Ich baue schon seit zehn Jahren ein Haus, ich muss es im Winter fertig bekommen, damit etwas von mir bleibt, und ziehe vielleicht dann auch in den Krieg. Wenn man mich nimmt. (Facebook-Atmo/Sound) Erzählerin Am Abend prüfe ich meine Nachrichten: Ievgen meldet sich immer noch nicht. Stattdessen bekomme ich eine Email von meinem Vater aus Moskau. - Ich will keine Bilder von Kiew sehen, - schreibt er mir. - Schau lieber, wie meine Schule in Donezk brennt. - Mein Vater hat die Donezker Schule Nr. 33 als Jahrgangsbester abgeschlossen, sein Porträt hing vor dem Krieg dort noch im Flur, und nun steht die Schule im Flammen. Ich weiß nicht, was ich ihm antworten soll. Atmo Park/Gesang Erzählerin 3. September 2014. Eine lange Kastanienallee verdeckt die alten Spitalgebäude. Wenn ich jetzt nach links abbiege, wurde mir gesagt, finde ich die Apotheke, die Freiwilligenapotheke. Dort soll ich Marina treffen: eine Freundin von Miriam und Anna. Aber ich gehe nicht nach links, ich bleibe stehen und lausche. Ein leiser Gesang kommt von irgendwo. Ich gehe dem Klang nach und finde eine winzige Bühne, ein paar Zuschauer davor. Atmo Lied, Musik und Gespräch, Applaus Erzählerin Das Lied ist zu Ende, die drei Sängerinnen, ältere Damen sammeln ihre Noten ein und gehen. Ein kräftiger Mann in kurzen Hosen unterhält sich mit anderen Zuschauern. O-Ton 16 Sergej - Sprecher 3 Dieser Krieg ist nicht ehrlich, dieser Krieg ist gemein. Ich will doch kein Kanonenfutter sein. Die sagen uns: "Nicht die Schächte sprengen, nicht auf Russen schießen". Aber die schießen auf uns! Ich will die Ukraine beschützen, aber nicht unter diesem Kommando! Es soll wenigstens ein General mit mir im Schützengraben hocken, dann werde ich weiter kämpfen. Erzählerin Der Mann ist seit drei Wochen im Spital, mit einem starken Trauma. In seinem früheren Leben war er Architekt, aber dann wurde er eingezogen und musste in der 72er-Brigade kämpfen, die am 7. und 8. August 2014 aus dem Kessel in der Nähe von Luhansk ausgebrochen ist. "Das ist mein zweiter Krieg", sagt er, "der erste war 1987/88 in Bergkarabach". (auf Musik/Sound) O-Ton 17 Sergej Sprecher 3 Ich habe viele um die Ecke gebracht, ich sage es ehrlich. Wenn jeder so viele umgelegt hätte, wäre der Krieg schon zu Ende. Das ist mein Land, ich entscheide hier. Vielleicht ist unsere Regierung schlecht, ja, aber wir werden unsere Probleme selbst lösen, wir brauchen keinen Putin hier, die Russen dürfen sich nicht einmischen. Erzählerin Er schaut sich unruhig um, holt aus der Hosentasche sein Mobiltelefon und zeigt mir ein seltsames Bild: O-Ton 18 Sergej Sprecher 3 Das ist Tunguska, mein Kätzchen. Unser Militärstützpunkt, wo sie lebt, wurde zerbombt, und da ist sie vollkommen grau geworden und kann nicht mehr laufen. Und sie tut mir leid, mehr als die Menschen. Das ist doch nicht richtig, wenn dich ein Kätzchen mehr berührt als Berge von Menschenleichen. Gehen Sie mal in die Psychiatrische Abteilung, wie viele Verrückte dort liegen. Ich habe so etwas niemals im Traum... Dass man die Leichen mit Lastwagen... Das ist doch Europa... Erzählerin Er steckt sein Mobiltelefon zurück in die Tasche, mit unsicheren Schritten entfernt er sich, und ich finde endlich die Freiwilligenapotheke. Atmo Stimmen Eltern und Marina (ukrainisch und russisch) Erzählerin Marina blättert in den Papieren, die ihr die Mutter eines verletzten Soldaten reicht. Er liegt seit Wochen hier im Militärspital im Koma. Die Eltern kommen aus Lwiw, sie sind sehr besorgt und springen zwischen Ukrainisch und Russisch hin und her. Es geht um die Möglichkeiten einer Behandlung in Israel und um sehr hohe Geldbeträge. Marina leitet die "Volonterska Sotnja", die Freiwilligenhundertschaft. O-Ton 19 Marina Sprecherin 3 Begonnen hat es damit, dass wir zehn verwundete Maidan-Aktivisten nach Israel gebracht haben. Erzählerin Das war zwischen März und April 2014, erzählt Marina, man habe viel zu lange auf eine Entscheidung von oben gewartet, zwei Verletzte seien währenddessen gestorben. Danach hätten die Freiwilligen beschlossen, alles allein zu machen. O-Ton 20 Marina Sprecherin 3 Am Anfang waren wir zehn Leute, heute gibt es Gruppen in Lwiw, in Luzk, im Ausland: in Deutschland, Israel, in den USA, in Kanada. Wenn mir jemand vor einem Jahr gesagt hätte, was ich heute tue, hätte ich es nicht geglaubt. Jetzt weiß ich alles - wie viele Schichten eine Schutzweste haben sollte. Ich weiß, was CT, was MRT bedeutet, jetzt lebe ich in dieser Realität. Erzählerin Früher habe sie ein sehr egoistisches Leben geführt, sagt sie. Marina ist Event-Managerin. Sie spricht mehrere Sprachen, unter anderem Hebräisch, sie ist viel gereist. O-Ton 21 Marina/Sprecherin 3 Mein Leben war schön, bis ich auf dem Maidan - mitten in meiner friedlichen Stadt - die Leichen der Jungs gesehen habe, die für die Freiheit gekämpft haben. Danach hat sich etwas in mir geändert: Jetzt sind die schlaflosen Nächte, die endlosen Telefonate dran: wo kriegt man ein Flugzeug her, um einen verwundeten Soldaten irgendwohin zu bringen? Es ist ein verrücktes Tempo. Vielleicht ist mein früheres Leben die Quelle meiner inneren Ressourcen. Erzählerin Wir verabreden uns für morgen früh im Zentrum für Vertriebene. Ich bleibe vor dem nächsten Gebäude stehen, zögere kurz, trete ein. Atmo Psychiatrie/ Wasserfall Erzählerin Im Ärztezimmer der Psychiatrischen Abteilung empfängt mich ein Buddha, aus seinem Mund strömt ein Wasserfall. In dem großen Aquarium gegenüber schwimmen rote Fische. Der Psychiater Andrej schreibt in ein Heft, sein Gesicht liegt im Schatten. O-Ton 22 Andrej Tschajkowskij/ Sprecher 4 In allen früheren Konflikten hat man gegen Fremde gekämpft. Hier kämpfen die Soldaten gegen die eigenen Leute im eigenen Land. Das ist besonders schlimm, das ist schwer zu ertragen. Viele sagen, ich habe einen Befehl ausgeführt. Ja, das ist natürlich eine Flucht aus der Realität, die aber einen sicheren Schutz bietet. Nicht ich habe diese Entscheidung getroffen, ich habe nur auf den Knopf gedrückt. Erzählerin Er reibt sich müde die Augen, schaut mich an und ich merke, wie jung und traurig sein Gesicht ist. Atmo Draußen Hospital Grill, Stimmen und Kino Erzählerin Draußen ist es schon dunkel. Im Park des Krankenhauses ist zwischen zwei Bäumen eine Leinwand aufgespannt. Sandra Bullock zielt auf ihre Feinde und schreit etwas auf Ukrainisch. Es riecht nach Fleisch. Ein Grillstand wird von zwei jungen Männern betreut, mehrere nagelneue Harley Davidsons stehen davor. Die Byker spendieren verletzen Soldaten Bier und Würstchen. Es wird laut, man erzählt von den Kämpfen, vom Glück im Unglück. Atmo Frolowska, Stimmen und Geräusche Erzählerin Marina führt mich durch das Zentrum für Vertriebene aus der Ostukraine, in der Frolowska Straße. Die Freiwilligen besorgen Unterkünfte, Lebensmittel, Kleidung, Informationen. Die Freiwilligen leisten die Hauptarbeit: Der Staat hält sich zurück. Der Staat ist mit ganz anderen Problemen überfordert: O-Ton 25 Marina/Sprecherin 3 Ich habe das Gefühl, dass wir uns in einer Patt-Situation befinden. Sollen wir die Region Donbass behalten oder abgeben? Ich weiß es nicht, im Moment ist es wichtig, so vielen Menschen wie möglich das Leben zu retten. Ich denke an die Kriege in Israel: ich hoffe, dass wir nicht das Gleiche hier bekommen. Ich bin oft dort und sehe, wie Menschen sich daran gewöhnen. Ich will nicht, dass die Ukraine im permanenten Kriegszustand lebt. Erzählerin Marina trägt ein fröhliches T-Shirt mit dem goldenen "Dreizack", dem ukrainischen Wappen, da, wo das Herz ist. Aber sie wirkt heute viel müder als gestern: Sie spricht vom posttraumatischen Syndrom, unter dem alle Kiewer, auch sie, seit dem Maidan, leiden. Sie spricht davon, wie sehr sie den Begriff "gerechter Krieg" hasst: O- Ton 26 Marina/Sprecherin 3 Der Hurra-Patriotismus ist schlimm, er bedeutet Zerstörung. Zerstörung als Grundidee. Ich bin besser, ich bin mehr wert usw. Aber anderseits... die "andere Wange hinhalten" - das geht ja auch nicht, wenn du leben möchtest, wenn du willst, dass deine Kinder weiter leben. (Musik) Erzählerin Marina schüttelt den Kopf, sie hat keine Lösung parat. Sie weiß nur, dass sie morgen ein zweites Zentrum für Vertriebene eröffnet, dass sie heute noch ein Fernsehinterview gibt und eine Arbeitsbesprechung hat. Dass sie danach zur Bank muss, und abends noch ins Spital. Und sie weiß, dass sie das nicht ewig machen kann: O-Ton 27 Marina Sprecherin 3 Je länger du in den Abgrund schaust, desto aufmerksamer schaut der Abgrund zurück. Erzählerin 5. September 2014. Waffenstillstand: Eine Erleichterung. Am nächsten Tag fliege ich nach Hause, in der Hoffnung Marina, Anna, Miriam und Iwan bald wiederzusehen. Nach meiner Rückkehr finde ich endlich auch eine Nachricht von Ievgen vor. (auf Facebook-Atmo) Ievgen Sprecher 2 8. September. Wie es mir geht? Heute haben wir wieder einen Kameraden begraben. An den Waffenstillstand glaubt nur Europa. Erzählerin Am 9. September schreibt er, dass sein ganzes Bataillon Donbass für einen Monat nach Kiew geschickt werden soll. Sprecher 2 10. September. Was sollen wir tun? Weiter kämpfen? Und wer wird euch und uns hier beschützen? Ich will nicht fünf oder sechs Jahre warten, bis sich irgendetwas ändert. Wie lange sollen wir dulden, dass Politiker und Beamte sich aus unserem Staatshaushalt, aus dem Haushalt eines Ministeriums, einer Schule, eines Kindergartens bereichern? Ich will leben, in einem normalen Land leben. Ich kandidiere! Wünscht mir Glück! Erzählerin Auch andere Soldaten und Offiziere wollen für die Parlamentswahlen am 26. Oktober kandidieren. Selbst der Donbass- Kommandeur Sementschenko bewirbt sich um einen Sitz im Parlament - für die pro-westliche Partei Somopomitsch. Ievgen schreibt mir, dass er als unabhängiger Kandidat antreten will. (Facebook-Atmo) Sprecher 2 11. September. Patriotismus ist nicht das, was ein Mensch isst, welche Musik er hört und welche Sprache er spricht. Die Liebe zur Heimat sieht man an den Taten. Meine Kriegskameraden sind Ukrainer, die russisch sprechen, weil die meisten aus der Zentral- und Ostukraine kommen. Mit den Radikalnationalisten haben wir nicht zu tun. Für die ist "Ukraine" eine Art Religion. Nationalisten haben immer Feinde: Juden, Russen, Homosexuelle, Kommunisten. Nationalisten sind Zerstörer und wir, die Patrioten von heute, sind Schaffende. Nachrichten-Datum: 12.09.2014 12:00 X198276 Das ukrainische Parlament soll nach Angaben von Präsident Poroschenko am 16. September das Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union ratifizieren. Nach Poroschenkos Angaben wurde heute der Gefangenenaustausch mit den pro- russischen Separatisten im Osten des Landes fortgesetzt. Der Waffenstillstand in der Ostukraine bleibt nach wie vor brüchig. Erzählerin Jeden Tag sterben Soldaten, jeden Tag sterben Zivilisten. (Facebook-Atmo) Ievgen Sprecher 2 16. September. Heute, während meiner ersten Wahlveranstaltung wurden die Radmuttern an meinen Wagen gelöst. Man versucht mich zu diffamieren, sagt, dass ich während der Wahlveranstaltung Geld für das Bataillon sammle. Marina- Sprecherin 3 17. September. Ich fliege morgen nach Spanien: meine Freundin heiratet. Aber.... Erzählerin Marina braucht eine Auszeit. Marina Sprecherin 3 Aber....ich bin nervös...Soll ich doch in Kiew bleiben? Ich habe ein mulmiges Gefühl... Aber gerade kam eine SMS aus Israel, von einem sehr schwer verletzten Soldaten, der dort behandelt wird: Marinotschka, danke für alles, ich lebe! (Facebook-Atmo weg) Erzählerin Jeden Tag lese ich zu Hause in Hamburg die Einträge von Miriam, Ievgen, Marina, Iwan und Anna. Miriam organisiert einen großen Kunst- und Trödelmarkt, um Geld für die Soldaten zu sammeln. Anna trennt sich von ihrem Freund, sie fühlt sich schlecht, wird ständig krank. Iwan postet Fotos seiner kleinen Banderikis. Das sind bunte Stickbilder: Maidan-Kreaturen mit Sprechblasen. Ievgen zitiert lieber Voltaire und Ludwig Erhardt. Er will in die Politik. (Facebook-Atmo) Ievgen-Sprecher 2 27. September. Liebe Freunde: ich bin als Kandidat im Bezirk Nr.66 im Schitomirskaja Oblast` registriert worden. (auf TV-Atmo/Sound) Miriam- Sprecherin 1 9. Oktober. In den Wechselstuben herrscht Panik. Es gibt wohl keine Dollars mehr. Erzählerin Die Grivna fällt, die Preise steigen. "Die Menschen sind verzweifelt", - schreibt mir Anna, - "der Winter steht vor der Tür, die Heizkörper in den Wohnungen bleiben kalt". 4 Tage vor den Wahlen wird die aktuelle Umfrage eines Kiewer Meinungsforschungsinstitutes veröffentlicht: Etwa 40 Prozent der Ukrainer wollen wieder protestieren, wenn die neue Regierung ihre Versprechen nicht erfüllt: Wenn der Krieg nicht bald zu Ende ist, wenn Poroschenko die Korruption nicht in den Griff kriegt, wenn er seine Schokoladenfabriken nicht verkauft. Zwei Tage vor den Wahlen wird die Fernheizung in Kiew eingeschaltet. Miriam Sprecherin 1 25. Oktober. Jeden Tag nehme ich die Veränderungen wahr. Die Menschen richten sich auf, hören auf zu warten, beginnen selbst Entscheidungen zu treffen. Wir müssen wählen gehen, damit all diese Leben und Tode des letzten Jahres nicht umsonst waren. (Facebook-Atmo) Ievgen Sprecher 2 26. Oktober 2014, Parlamentswahlen. Bald werde ich entweder im Parlament sein, oder wieder an der Front als einfacher Soldat. Und ehrlich gesagt, weiß ich nicht, was besser ist. Dort, im Krieg ist es einfacher: Du siehst deine Feinde und schießt. Hier gelten andere Regeln und du verstehst nicht sofort, wer dein Feind ist. Und du darfst ihn nicht erschießen. (russ. TV) Erzählerin Ich bin am Tag der Parlamentswahlen in Moskau. Zusammen mit meinen Eltern schaue ich die russischen Nachmittags-Nachrichten an: nur mit Mühe ertrage ich den spöttisch- beleidigenden Ton, mit dem sie von den Wahlen in der Ukraine berichten. Es kommt zu keinem Gespräch mit meinem Vater. Nachrichten-Datum: 27.10.2014 09:00 X206342 In der Ukraine liegen die pro-westlichen Kräfte um Präsident Poroschenko und Regierungschef Jazenjuk bei der Parlamentswahl in Führung. ... Die ebenfalls pro-europäische Bewegung "Selbsthilfe" kann etwa 14 Prozent auf sich vereinen. Poroschenko wertete das sich abzeichnende Ergebnis als Unterstützung für seine Europa-Politik. Erzählerin (auf Nachrichten) Die Partei Somopomitsch, "Selbsthilfe", auf deren Liste der Donbass- Kommandeur Semen Sementschenko steht, bekommt 33 Sitze im neuen Parlament. Und Ievgen? Für ihn stimmen über 8.000 Menschen in seinem Wahlbezirk, zu wenig für einen Sitz. (Facebook-Atmo) Ievgen Sprecher 2 Beim nächsten Mal trete ich wieder an. 27. Oktober. Unser Bataillon soll an die Front zurück, aber einige Leute werden in Kiew bleiben, im Stab von Semen Sementschenko. Vielleicht werde auch ich bleiben: Nicht um rumzuhocken, sondern um Reformen durchzuführen (TV-Ansprache Poroschenko) Erzählerin Am 28.Oktober bezeichnet Präsident Poroschenko im Fernsehen die Anti- Terror-Operation nun als den "Vaterländischen Krieg 2014". Er preist die Heldentaten der Soldaten im Kampf gegen "Angreifer und Eindringlinge", die er aber immer noch nicht beim Namen nennt. (Atmo Schießen/Video Ievgen, dazu russ. TV) Ievgen Sprecher 2 30. Oktober. Niemand weiß wohin die Russen morgen gehen. Im Kreml sind sie alle verrückt geworden. Erzählerin Putin sagt, natürlich werde es keinem gelingen, ihn einzuschüchtern. 1.November. Die UN melden 300 Tote in den vergangenen zehn Tagen in der Ostukraine. Mindestens 4035 Menschen sind seit Beginn des Krieges gestorben. Die ukrainischen Nachrichten berichten von "intensiven Truppenbewegungen aus Russland in die von Separatisten kontrollierten Regionen". In den russischen Nachrichten verbreitet man, dass jedem ukrainischen Soldaten ein Grundstück im Osten mit zwei Sklaven versprochen werde. Patriot. Lied: Hey Sokol Ievgen Sprecher 2 2. November. Die Invasion scheint unausweichlich. Selbst die Luft in Kiew ist voller Spannung. Ich muss wieder an die Front, ich halte es hier nicht mehr aus. Iwan Semesjuk Sprecher 1 Stellt Euch vor: schon drei Tage lang lebe ich in meinem kleinen Holzhäuschen und schaue aus dem Fenster auf einen schönen Teich. Klasse. Endlich ist mein Haus fertig! Miriam Sprecherin 1 Heute Abend um sechs Uhr lese ich meine neuen Gedichte im Bulgakow-Haus. Kommt alle! Ievgen Sprecher 2 6. November Heute hat mich ein guter Mensch gefragt: Hast Du keine Angst im Krieg zu sterben? (Lied weg) Erzählerin Das Maidan-Jahr ist bald zu Ende. Und wieder reden meine Freunde von russischen Panzern und davon, dass in Kiew nun eine andere Gruppe von Kriminellen an der Macht sei. Ievgen schreibt immer häufiger vom Tod und von den Kängurus und Koalas, die er gerne noch sehen würde. Miriam berichtet von ihrer eigenen Radiosendung. Marina von ihrer neugegründeten Stiftung. Anna postet Bilder ihrer Tochter und schweigt. Atmo Kirchenglocken Am 2. Dezember 2014 wird in Kiew die Regierungsbildung abgeschlossen: mindestens drei Ausländer werden im Eilverfahren eingebürgert und zu Ministern ernannt. Am 4. Dezember bin ich wieder in der ukrainischen Hauptstadt: der Schnee quietscht unter den Stiefeln, die Bäume leuchten weiß. Atmo MacDonalds O-Ton 28 Anna Sprecherin 2 Es ist Zeit, Bilanz zu ziehen. Der Sommer war sehr heiß und produktiv, der Herbst war sehr intensiv, und nun bin ich schrecklich müde. Ich habe mich auf eine Informations-Diät gesetzt, ich sehe nicht fern, ich versuche, nicht im Internet zu surfen. Ich versuche, weniger emotional zu reagieren, sondern zu analysieren, was ich geben kann, was in meinem Leben geschieht. Die Bilanz ist nicht erfreulich. Erzählerin Anna steckt den Strohhalm tief in einen Becher McDonalds-Eiskaffee, was ich bei 14 Grad unter null als Heldentat betrachte, und packt aus: Sie kann ihre Mietwohnung nicht zahlen, weil sie kaum Aufträge hat, weil die Honorare von gestern nichts mehr wert sind, weil ihre Großmutter, die Kunstpädagogin, jetzt weniger Schüler hat. Vielleicht müssen sie zu Annas Mutter ziehen... Annas geschiedener Ehemann und Annas Ex-Freund unterstützen sie und ihre Tochter kaum. Sie fühlt sich einsam: das ist hart, nach dem Maidan, als sie alle Hand in Hand dastanden. Jetzt sei sich wieder jeder selbst der Nächste. auf O-Ton 29 Anna/ Erzählerin Aber es gäbe etwas Gutes, fährt Anna fort, die allgemeinen Probleme hätten sie und ihre Großmutter wieder einander näher gebracht: der Kult um Putin sei nun für die ältere Generation vorbei. O-Ton 30 Anne Sprecherin 2 Der Kult um Putin ist nun für die ältere Generation vorbei. Im vorigen Winter haben sie Putin noch geglaubt, jetzt haben sie begriffen, was tatsächlich los ist. Erzählerin Mit ihrer Tante und ihren Schwestern in Russland spricht sie kaum über die Politik: das ist tabu! Ich denke an meinen Vater, irgendwann werden wir wieder miteinander reden, auch über Kiew und Donezk. Irgendwann, später! Anna hat es eilig: in zwanzig Minuten muss sie ihre Tochter von der Spielgruppe abholen. Sie bindet lässig ihren Schal. O-Ton 31 Anna/ Sprecherin 2 Grundsätzlich glaube ich, dass alles gut wird, diese Schwierigkeiten sind nicht so schlimm. Es bleiben Schatten und Dämonen, mit denen wir nach wie vor ringen, aber wir haben für unseren Wunsch, anders zu leben gekämpft. Anders zu leben bleibt unser Ziel. Atmo Stiftung, Stimmen, Geräusche Erzählerin 5. Dezember. Ein Dutzend Frauen sortiert Sachen aus großen Kisten, listet Medikamente auf, verpackt Weihnachtgeschenke für die Soldaten: Marinas Stiftung "Koschen Mosche Pomogati" , "Jeder kann helfen", arbeitet in einem Pavillon der Kiewer Messe am linken Ufer des Dnipro - zwei Räume und ein Keller. Jetzt wäre es Zeit für das Schabbat-Brot, aber am Freitagabend gibt es immer eine Besprechung; den Samstag versucht Marina zu Hause zu verbringen: O-Ton 32 Marina Sprecherin 3 Schabbat Schalom! Noch im Sommer war jeder Tag im Spital oder im Flüchtlingszentrum eine Prüfung für mich, jetzt ist das anders. Ich versuche, mehr Struktur in die Arbeit zu bringen. Wir haben Schichten, jeder kann sich eintragen, wann er hier sein wird, das hilft. Erzählerin Marina erzählt, dass sie in ihrem Hauptberuf als Event-Managerin nur noch wenig zu tun hat. Aber sie brauche für sich auch weniger Geld. O-Ton 33 Marina Sprecherin 3 Das Leben in der Ukraine hat sich radikal geändert. Wir wollen nicht nur als Freiwillige weiter tätig sein, wir werden auf die Gesetzgebung einwirken müssen, um offiziell anerkannt zu werden. Deshalb haben wir die Stiftung gegründet, wir sind aus der Freiwilligkeit rausgewachsen und professioneller geworden. (Musik) Erzählerin Abends. Puschkinska 5, eine bekannte Kiewer Adresse. Hier treffen sich seit Jahrzehnten Literaten, Intellektuelle, Künstler. Iwan Semesjuk liest hier heute aus seinem Buch mit dem provokanten Titel "Das Tagebuch eines Ukrainophoben". (Musik/Atmo Straße) O-Ton 34 Iwan Sprecher 1 Das ist ein Buch der Vorahnungen, 2013 geschrieben. Wie eine Tolkien- Fantasy. Ukrainer heißen bei mir die Aggro-Elfen, ich erzähle von ihrer Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Ich habe vieles vorhergesagt: den Großen Krieg zum Beispiel. Die Werchovna Rada steht in Flammen und Parlamentsabgeordnete werden wie Gemüse zerkleinert und in Gläser eingeweckt. Atmo Lachen und Stimmen Erzählerin "Ich bin wie ein französischer bourgeoiser Künstler mit seiner Eskorte", - zwinkert Iwan Semsuk mir zu. Mit einer Zigarettenpackung ist er nach draußen geflüchtet, gefolgt von seinen Freunden und seiner Mutter. Er erzählt, wie zufrieden er jetzt ist, wie schön es ist, endlich in einem neuen Haus zu leben und wie viel sich in diesem Jahr verändert hat: O-Ton 35 Iwan -Sprecher 1 Wir erleben einen Durchbruch! Wir haben sogar Ausländer als Minister! Das freut mich doch! Wir haben jetzt Konkurrenz und Kampf, unsere Politik ist wieder lebendig, nicht so wie früher, als einer mit seinem Hintern alles erdrückt hat. Alles ist gut. Es könnte besser sein, aber es könnte auch überhaupt gar nichts sein. Ich glaube, in der Kultur erwartet uns auch ein Durchbruch, in den nächsten zehn Jahre: in der Musik, im Film, im Theater. Ich mache gerade mein Atelier im Haus fertig, nach Silvester werde ich mein zweites Buch beenden und malen, was ich will. Erzählerin Aber der Einberufungsbefehl könne jederzeit kommen, sagt er, umarmt seine Freunde und schaut gespielt-grimmig auf seine Mutter: O-Ton 36 Iwan Sprecher 1 Lasst uns in die Bakteria-Bar fahren: es wird laut, aber man kann dort Bier trinken. Bei uns hier in der Ukraine ist es doch herrlich gemütlich! Atmo Hotel, Geräusche, Stimmen, Fernsehen läuft im Hintergrund Erzählerin 6. Dezember 2014. In der Gruschewski-Straße, schräg gegenüber der Werchovna Rada, steht das Hotel Kiew. In der Lobby erkenne ich Ievgen, den ich ja noch nie getroffen habe, auf Anhieb. Er sitzt auf einem schwarzen Ledersofa zusammen mit drei müden Männern in Tarnuniform: Soldaten vom Bataillon Donbass. Ievgen trägt Zivil: O-Ton 37 Ievgen Sprecher 2 Sechs Nächte lang habe ich im Schlaf Granaten geworfen. Heute habe ich zum ersten Mal ruhig geschlafen. Erzählerin Das Hotel gehört dem Staat, hier wohnen die Parlamentarier, die nicht aus Kiew kommen, auch Donbass-Chef Sementschenko. Ievgen ist jetzt dessen Assistent. Seine ersten Eindrücke von der parlamentarischen Arbeit stimmen ihn pessimistisch: O-Ton 38 Ievgen Sprecher 2 Ich habe gehofft, dass es zu einem konstruktiven Dialog kommt, dass die Menschen bereit wären, etwas zu opfern: ihre Zeit, ihre Ressourcen, ihre Macht für das Gemeinwohl, für den gemeinsamen Sieg. Leider habe ich das nicht erlebt. Erzählerin Ievgen ist frustriert: den Leitungsposten des Verteidigungskomitees bekam nicht sein Chef, sondern ein ziviler Abgeordneter. Das werde zu weiteren Missständen in der Armeeführung und zu weiteren Verlusten und Tragödien führen. Ach, und übrigens, die Untersuchung der militärischen Tragödie von Illowajsk liege auf Eis. Präsident Poroschenko sei daran schuld: O-Ton 39 Ievgen Sprecher 2 Er macht Fehler, die unverzeihlich sind. Ich habe ihn bis zuletzt nicht kritisiert. Aber er lässt mir keine Wahl. Heute bin ich gegen meinen Präsidenten. Er hat keinen politischen Willen, er kämpft nicht gegen die Korruption. Kein Beamter landete in den letzten Monaten im Gefängnis. Man kann sehr viele Fakten auf den Tisch legen. Die Situation ist traurig. Erzählerin Ich bin froh, dass ich Ievgen lebend sehe und ich hoffe, dass er nun nie wieder in den Krieg muss. O-Ton 40 Ievgen Sprecher 2 Früher dachte ich, wenn es zu einem Krieg kommt, werde ich dieses Land mit der ersten Maschine verlassen. Ich spreche Italienisch und Englisch, ich habe Freunde überall in der Welt. Ich habe schon unter Janukowitsch daran gedacht, ins Ausland zu gehen. Dann begann der Maidan. Und dann der Krieg. Das alles hat mein Wertesystem verändert. Der Sieg in diesem Krieg und die Rechtstaatlichkeit in meinem Land sind mir wichtig. Alles andere ist nebensächlich. Erzählerin Ievgen studiert extern Jura und erzählt, dass er sich für die verletzten Soldaten einsetzen möchte. Sie sollen nicht nur gute Prothesen, sondern eine Perspektive haben: dafür muss man ihren Status gesetzlich ändern. Sein Blick in die Zukunft erschreckt mich trotzdem: O-Ton 41 Ievgen Sprecher 2 Wir sind echte Patrioten, die auf dem Maidan waren, die an der Front kämpfen, wir werden nicht dulden, dass Abgeordnete weiter versuchen, das Budget für sich zu vereinnahmen. Ohne den Maidan wären sie nicht im Parlament, sie wären im Gefängnis oder in Europa, oder hätten sich wie Mäuse in ihren Löchern verkrochen. Durch unser Blut kamen sie in die Werchovna Rada und haben schon vergessen, was sie dem Volk schuldig sind. Das werden wir nicht mit ansehen! Im schlimmsten Falle werden wir die Macht durch einen Militärputsch ergreifen. Atmo Café Kosatka, Geschirr, Stimmen ruhig im Hintergrund O-Ton 42 Miriam Sprecherin 1 Wir brauchen keinen Militärputsch, wir brauchen keinen dritten Maidan, aber wir müssen diese Leute, die noch immer an der Macht sind, stürzen. Ich will, dass die Menschen, die nicht käuflich sind, zu Trendsettern, zu Vorbildern werden. Erzählerin Miriam kommt gerade von einem Kinderkonzert: ihre Tochter hat am Klavier gesessen: Tschaikowski. Sie bestellt sich einen Kaffee und sucht im Mobiltelefon nach ihrem ersten Maidan-Eintrag vom 21. November 2013: O-Ton 43 Miriam Sprecherin 1 "Ich ziehe den warmen Pullover an und gehe auf den Platz. Es reicht nicht, in der Küche zu sitzen...", - irgendsowas habe ich geschrieben. Als es die ersten Toten gab, begann ich darüber nachzudenken, dass auch meinetwegen Leute zum Maidan gingen. Viele lesen mich, viele sagten mir, wir gehen mit, weil du das geschrieben hast. Alle sind erwachsen, aber ich fühle mich doch irgendwie schuldig. Ich glaube, die ganze Situation, vom Maidan angefangen, hat dahin geführt, dass die Besten, die idealistischen Menschen ums Leben kamen. Das tut mir sehr weh. DLF-Nachrichten: 09.12.2014 04:00 X215587 Die ukrainische Regierung hat für heute zu einem sogenannten "Tag der Ruhe" aufgerufen... In der weißrussischen Hauptstadt Minsk soll es erstmals seit drei Monaten wieder Friedensgespräche geben. Eigentlich sollten die Kämpfe im September beendet werden. Seither kamen aber mehr als 1.000 Menschen ums Leben. (Atmo Cafè) Erzählerin Dieses Jahr hat auch viel Gutes gebracht, sagt Miriam, wir haben für uns das Wort "Patriotismus" entdeckt, was für jeden etwas Eigenes bedeutet und was die Gesellschaft noch klarer definieren muss. Auch Miriam beschäftigt sich damit: in ihrer neuen Radiosendung: einem wöchentlichen Gespräch mit bekannten Ukrainern; in ihrem Drehbuch für einen Film über die ukrainischen Identitäten, in Gesprächen mit ihrer Tochter. O-Ton 44 Miriam/Sprecherin 1 Maidan - das war richtig. Ich bin glücklich, dass damit das Bewusstsein der Menschen geweckt wurde. Wir alle haben geschlafen, uns war alles egal, wir glaubten nicht an die Zukunft. Jetzt glauben wir an die Zukunft. Das ist das Wichtigste im Leben eines Menschen. Der Glaube an deine Kraft. Wenn du den verspürst, wirst du auch in Zukunft weiter machen. (Musik) Erzählerin Sie richtet sich noch ein wenig auf und beginnt ihr neues Maidangedicht zu lesen: O-Ton Miriam Sprecherin 1 Weißt Du, wir sind schon erwachsen: Wir machen Schlagzeilen Die, die da unten vor Schmerz schreien, sind auch wir Klopfe leise auf Holz... Du weißt, diese Verliebten sind wir Wir sind vom Winter übrig geblieben Wir gingen durch Eis und Qualm Der abgebrannten Trümmer Zwischen Licht und Schatten Sterben wir, aber geben nicht auf Wir flüstern: Amen Und schauen uns an. Absage: Für solche Patrioten sind wir die Pest Junge Kiewer und ihr Kampf um die Ukraine Sie hörten ein Feature von Julia Solovieva Es sprachen: Idil Üner, Anjorka Strechel, Susanne Bormann, Meriam Abbas, Adam Nümm, Oliver Urbanski und Karim Cherif Ton: Hermann Leppich Regie: Giuseppe Maio Redaktion Ulrike Bajohr Postskriptum (vom 19.2.2015) Anfang 2015 ist Ievgen wieder im Krieg. Er verliert am 4. Februar seinen besten Freund. Miriam bringt den Soldaten Schutzwesten und warme Unterwäsche an die Front. Ievgens Einheit steht in der Nähe von Debal´zewe. Merkel, Hollande, Poroschenko und Putin treffen sich in Minsk. Ohne Russland als Aggressor zu erwähnen, vereinbaren sie Schritte zum Frieden. Ab dem 15. Februar sollen die Waffen schweigen. Sie schweigen nicht. Iwan hofft trotzdem, der Einberufung zu entgehen. Marina nimmt einen Monat Auszeit von ihrer Stiftung, sie ist völlig entkräftet Am 18. Februar ziehen die ukrainischen Truppen aus Debalzewe ab. Der Rückzug sei, schreibt Ievgen, von den Separatisten beschossen worden. Es habe etwa 200 Verletzte und Dutzende Tote gegeben. Das ist auch der 1. Jahrestag des Massakers vom Maidan. Miriam verbringt ihn mit Nierenversagen im Krankenhaus. Am 19. Februar versichern die Beteiligten des Gipfels von Minsk, man halte an dem Friedensabkommen fest. Anna unterrichtet jetzt an einer Kunstschule und wartet auf den Frühling. Alle warten auf den Frühling. Eine Produktion des Deutschlandfunks mit dem Norddeutschen Rundfunk und dem Südwestrundfunk 2015 2 1