Fremd in der Welt und frei im Leben Die Lange Nacht über Jean-Paul Sartre und Albert Camus Autor: Christoph David Piorkowski Regie: Vera Teichmann Redaktion: Dr. Monika Künzel SprecherIn: Erzähler: Johann von Bülow Camus: Wanja Mues Sartre: Michael Rotschopf Kommentatoren: 1. Vincent von Wroblewsky 2. Iris Radisch Sendetermine: 14. April 2018 Deutschlandfunk Kultur 14./15. April 2018 Deutschlandfunk __________________________________________________________________________ Urheberrechtlicher Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in den §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. © Deutschlandradio - unkorrigiertes Exemplar - insofern zutreffend. 1. Stunde Musikakzent Erzähler: Der Kanonendonner ist verhallt, Frankreich befreit, die braune Pest hat sich zurückgezogen. Die Pariser Kulturszene ist wie elektrisiert. Der Existenzialismus, eine neue Philosophie der Freiheit, hat ausgerechnet unterm Joch des Hakenkreuzes, wie als dessen Antithese, Gestalt angenommen. Ein Denken, das weniger die Akademien und Hörsäle, als mehr die Straßen, Cafés und Jazzkeller des Viertels Saint-Germain-des-Prés beherrscht. Und das nach Jahren der Unterdrückung des freien Geistes endlich einen offenen Horizont verheißt. Seine zentralen Protagonisten: Das Philosophenpaar Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir, die mit ihrer ungebundenen Beziehung jene Freiheit leben, die ihr Denken als Parole ausgibt. Außerdem der Schriftsteller Albert Camus, der der französischen Literatur mit seinem gefeierten Debut-Roman „Der Fremde“ einen nüchternen und rätselhaften Ton beschert hat. Auch wenn Sartre und Camus biographisch, philosophisch, vor allem aber politisch, mehr trennte als verband, wurden beide schon zu Lebzeiten demselben Lager zugerechnet. Bis heute werden sie unter dem Label „Existenzialismus“ in einem Atemzug genannt. Camus aber erklärte schon im Winter 1945: Camus: Sartre und ich, wir wundern uns immer, dass man unsere Namen so eng verbindet. Seit wir uns kennen, fallen uns nur die Unterschiede zwischen uns auf. Erzähler: Auch Sartre, der mitunter sein Äußeres, die krötenhafte Form seines Körpers, zum Gegenstand phänomenologischer Betrachtungen machte, konnte mit Blick auf den attraktiven Casanova Camus nicht viel Gemeinsames entdecken – zumal er ihn Zeit seines Lebens, und auch darüber hinaus, philosophisch nicht ernst nehmen wollte: Sartre: Camus, das ist ein Schriftsteller aus Algerien, ein „pied-noir“, das genaue Gegenteil von mir. Er ist schön, er ist elegant und er ist Rationalist. Erzähler: Die Lange Nacht widmet sich Leben und Werk von Sartre und Camus, deren lange strapazierte Freundschaft Anfang der 50er Jahre mit einem Paukenschlag zerbarst. Die erste Stunde skizziert die biographischen Stationen und die Entwicklungen der beiden bis in die frühe Nachkriegszeit und widmet sich dabei dem historischen Kontext ihres Denkens. Während der Bürgersohn Sartre sich in dem intellektuellen Milieu, das er später wie kein Zweiter beherrschen sollte, schon als Kind zu Hause fühlte, hatte Camus von der nordafrikanischen Straße bis zur Pariser Avantgarde einen weiten Weg zu beschreiten. Und doch blickten beide in einen existenziellen Abgrund und bildeten Philosophien aus, die trotz zentraler Unterschiede auch verwandte Motive enthalten. So handelt die zweite Stunde der Langen Nacht von Angst, Freiheit und Authentizität, vom Absurden und dem Aufstand dagegen; von den Themen und Gedankengebäuden also, die man allgemein als existenzialistisch betrachtet. Camus favorisierte die trotzige und mitunter glückliche Revolte des Menschen gegen sein absurdes Schicksal: als sinnsuchendes Wesen wird der Mensch von einem gleichgültigen Kosmos umspannt, der ihm auf seine zahllosen Fragen keine Antworten liefert. Sartre hatte schon früh die mit Ekelgefühlen verbundene Erfahrung der Zufälligkeit allen Seins gemacht. Weil er nicht darum gebeten hat, ins Leben zu treten und eine gottlose Welt keinen ursprünglichen Sinn verspricht, ist der Mensch zu Freiheit und Verantwortung verdammt. Die dritte Stunde der Langen Nacht befasst sich vor allem mit dem politischen Engagement, dem großen ideologischen Streit und den späteren Lebensphasen der beiden Denker. Nach wenig erfolgreichen Widerstandsversuchen gegen die Nazis näherte sich Sartre in der Nachkriegszeit allmählich den Kommunisten an. Camus, der eine Zeit lang die Redaktion der Résistance-Zeitung Combat geleitet hatte, wandte sich mit seinem Essay „Der Mensch in der Revolte“ gegen die Revolution. Auf keinem Altar sollte die Moral in der Gegenwart für eine Politik der Zukunft geopfert werden. Nach einer heftig geführten Auseinandersetzung wurde der algerische Aufsteiger aus den von Sartre dominierten Kreisen der Pariser Intelligenz verbannt. Wie aktuell sind existenzialistische Denkfiguren? Vom Poststrukturalismus und der Dekonstruktion verdrängt, war der Existenzialismus lange aus der Mode geraten. Heute aber, da der Kommunismus passé und der Kapitalismus in der Krise ist, wirkt Camusʼ mediterrane Fortschrittskritik wieder merkwürdig aktuell. Auch scheint es lohnend, Sartres Konzept der unbedingten Verantwortung des Einzelnen im Angesicht des autokratischen und identitären Turns dieser Tage wieder stark zu machen. Denn im Mittelpunkt des Existenzialismus steht die Frage, wie wir unsere Freiheit auch in schwierigen Zeiten konstruktiv ausüben können. Musik Erzähler: Jean-Paul Sartre wird im Jahr 1905 als Einzelkind in eine bildungsbürgerliche Familie geboren. Vor allem von seinem Großvater wird das begabte Kind, das seine Mutter als ältere Schwester empfindet, wie ein kleiner Engel auf Händen getragen. Die Abwesenheit einer väterlichen Autorität wird Sartre später mit dem Satz umschreiben, er habe zu keiner Zeit ein Über-Ich gehabt. Mehr noch als der fehlende Vater und die ihm zuteil werdende Bewunderung hat aber die Welt der Wörter Sartres Lebensweg bestimmt. Der Gründer der deutschen Sartre-Gesellschaft Vincent von Wroblewsky, der eine Reihe seiner Werke ins Deutsche übersetzt hat, gibt Auskunft über die Prägungen des kleinen Jean-Paul. Vincent von Wroblewsky (T 1, 00:35 – 01:25): Sartre wächst vor allem bei seinen Großeltern auf, weil sehr früh sein Vater starb und die Mutter wieder heiratete. Und in der Zwischenzeit lebte er mit der Mutter beim Großvater, der Großvater der ein Deutschlehrer war, im Elsass, und Sartre beschreibt in seiner Autobiographie „Die Wörter“, dass er zwischen Büchern aufwuchs, dass: sein wichtigstes Milieu war die Bibliothek des Großvaters, während andere Kinder Vogelnester ausnahmen und draußen spielten, einen Bezug zur Natur hatten, war seine Welt das Papierene der Bücher, und da tauchte er ein. Sartre: Ich habe mein Leben begonnen, wie ich es zweifellos beenden werde: inmitten von Büchern. Im Arbeitszimmer meines Großvaters lagen sie überall. […] Man ließ mich in der Bibliothek vagabundieren und ich stürmte los auf die menschliche Weisheit. So bin ich geworden. die Bücherei war die Welt im Spiegel; sie hatte deren unendliche Dichte, Vielfalt, Unvorhersehbarkeit. Ich stürzte mich in unglaubliche Abenteuer […] Erzähler: Viel später wird die Phänomenologie, die sich nicht mit abstrakten Ideen, sondern mit konkreten Erscheinungen befasst, zum Angelpunkt des sartreschen Denkens werden. Mit Edmund Husserls Schlagwort „Zu den Sachen selbst“ wird sich Sartre zum Alchemisten formen, der die alltäglichsten Begebenheiten in glänzende Philosophie verwandelt. Der kleine Jean-Paul aber hält herzlich wenig von der Welt, die ihn umgibt. Lieber träumt er sich in einen platonischen Ideenhimmel, dessen Weiten ihm die Wörter und ihre ewigen Wahrheiten eröffnen. Sartre: Menschen und Tiere waren dort, in Person: die Abbildungen waren der Körper, der Text war ihre Seele, ihre einzigartige Essenz; außerhalb der Zimmerwände traf man auf matte Entwürfe, die sich mehr oder weniger den Archetypen annäherten, ohne deren Vollkommenheit zu erreichen. Die Affen im Zoologischen Garten waren weniger Affe, die Menschen im Louxembourgarten waren weniger Mensch. Platoniker meines Zeichens, ging ich den Weg vom Wissen bis zur Sache; ich fand an der Idee mehr Wirklichkeitsgehalt als an der Sache selbst, denn die Idee ergab sich mir zuerst und sie ergab sich mir wie eine Sache. Ich habe die Welt in den Büchern kennengelernt […] und ich habe die Unordnung meiner Erfahrungen mit Büchern verwechselt, mit dem zufälligen Ablauf wirklicher Ereignisse. Hier entsprang jener Idealismus, den ich erst nach dreißig Jahren von mir abtun konnte. Erzähler: Der Moment, in dem Sartre den ehrwürdigen Idealismus wie ein abgetragenes Kleidungsstück aussortiert, ereignet sich in einem trubeligen Straßencafé, in Gegenwart von Simone de Beauvoir und Raymond Aron, und hat mit alkoholischen Getränken zu tun. Schon eine Weile sind die drei Studenten der Eliteuniversität École normale Supérieure von der etablierten Philosophie gelangweilt, die sie vorwiegend als blutleer und erfahrungsarm empfinden. Jetzt aber soll das Leben selbst, so wie es erlebt und wahrgenommen wird, zum Gegenstand des seriösen Denkens werden. Vincent von Wroblewsky (T 1, 06:28 – 07:37): Die Entdeckung der Phänomenologie war für Sartre etwas außerordentlich Wichtiges, was er zunächst einem Zufall, wie so vielem im Leben natürlich, verdankte, nämlich einem Gespräch mit Raymond Aron, mit dem er befreundet war. Die Anekdote beschreibt, dass beide in Paris, wahrscheinlich im Café de Flore sitzen vor einem Getränk. Man weiß nicht mehr genau, die Exegeten streiten darüber, war es ein Glas Bier oder war es ein Cocktail. Jedenfalls Aron war 33 ein Jahr lang in Berlin und hatte dort Bekanntschaft gemacht mit der Phänomenologie Husserls und auch mit deutschen Soziologen und mit der Philosophie Heideggers in einem bestimmten Maße. Und er erzählt begeistert Sartre davon und sagte zu ihm: siehst du, wenn du die Phänomenologie studierst und verstehst, dann kannst du über dieses Glas, was hier vor uns steht, dann kannst du darüber philosophieren. Das ist ein Weg zum Konkreten und das war genau das, was Sartre suchte. Erzähler: Jahrzehnte später resümiert der Philosoph diesen Augenblick: Sartre: Nun gut, das hat mich umgehauen, und ich habe mir gesagt: „Das ist endlich Philosophie.“ Musik Erzähler: Der 1913 geborene Albert Camus lebte anders als Sartre von jeher im Konkreten, inmitten der Schönheit und der Drangsal des Lebens, war dafür aber denkbar weit von „den Wörtern“ und der Philosophie entfernt. Was dem kleinen Jean-Paul die Bücher und Ideen waren, waren dem jungen Albert die Gassen und Bolzplätze, der städtische Strand, die Sonne, das Mittelmeer. Wurde Sartre für seine kindlichen Eskapaden vom Opa mit Applaus bedacht, bekam Camus von seiner Oma die Reitpeitsche zu spüren. Die Journalistin und Autorin Iris Radisch, die zum 100. Geburtstag des Algerienfranzosen die Biographie „Camus. Das Ideal der Einfachheit“ publiziert hat und in ihrem aktuellen Buch erklärt „Warum die Franzosen so gute Bücher schreiben“, schildert das vorzeitliche Klima, in dem der spätere Starschriftsteller heranreifte. Iris Radisch (T.005, 00:15 – 02:13): Camus ist im Arbeiterviertel von Algier großgeworden, in Belcourt. Da hat er in einer kleinen Wohnung gemeinsam mit seiner Mutter, seinem Bruder, seiner Großmutter gelebt. Manchmal war auch noch ein Onkel da, der sich dann nachts eine Matratze ins Wohnzimmer gelegt hat. Die Wohnung hatte zwei Zimmer. Die beiden Söhne haben mit ihrer Mutter in einem Zimmer geschlafen. Die Großmutter im anderen. An der Wand hing der Ochsenziemer. Das war das Erziehungsmittel der Wahl der beiden Damen. Die Mutter hat die Erziehung mehr oder weniger der Großmutter überlassen, die sich ihrerseits wieder auf den Ochsenziemer stützte. Die Mutter war – man weiß nicht genau, was sie hatte – man sagt, sie sprach nur 400 Worte. Sie hörte schlecht. Sie war, würde man heute wahrscheinlich sagen, autistisch, ganz in sich verschlossen. Sie hat ihre Söhne nie berührt, hat sich nie für sie interessiert. Camus ist ja sehr früh tuberkulosekrank geworden, bis auf den Tod fast, er musste ins Krankenhaus. Die Mutter hat sich für diese Erkrankung wenig interessiert. Also das waren schon fast subproletarische Verhältnisse. Es gab kein fließend Wasser, keinen Strom, es gab selbstverständlich keine Zeitungen, keine elektronischen Medien, keine Bücher, ganz klar. Also man kann sich das – wenn man einen Vergleich anstellt, zwischen dem Heranwachsen von Sartre und dem Heranwachsen von Camus, dann würde ich sagen, liegen zivilisatorisch etwa 500 Jahre Kulturgeschichte zwischen diesen beiden wichtigsten französischen Existenzialisten. Erzähler: Als Camus 1960 bei einem Autounfall ums Leben kommt, entdeckt man im Umkreis des zerschellten Facel Vega direkt neben seiner Leiche das unfertige Manuskript des posthum veröffentlichen Romans „Der erste Mensch“. In diesem Zeugnis hat der Autor anhand des Alter Egos Jaques das aufs Elementare reduzierte Glück seiner Kindheit und frühen Jugend beschrieben. Dessen Kehrseite aber war die Unbill einer von Armut und Gewalt geprägten Lebenswelt: Camus: Sie liefen noch immer in den Abend hinein, der blitzschnell hereinbrach, aufgeschreckt von den ersten Gaslaternen, den beleuchteten Straßenbahnen, die an ihnen vorbeisausten, am Boden zerstört, dass es schon Nacht war, und trennten sich an der Haustür, ohne sich auch nur zu verabschieden. An solchen Abenden blieb Jaques auf der dunklen, stinkenden Treppe stehen, lehnte sich im Dunkeln an die Wand und wartete, dass sein wild schlagendes Herz sich beruhigte. Aber er durfte nicht warten, und das zu wissen brachte ihn noch mehr zum Keuchen. Mit drei Sprüngen war er auf dem Treppenabsatz, ging an dem Außenklosett vorbei und machte die Wohnungstür auf. Im Esszimmer am Ende des Flurs war Licht, und erstarrt hörte er das Klappern der Löffel in den Tellern. […] Die Großmutter trat hinter ihn, nahm hinter der Esszimmertür die dort hängende, Ochsenziemer genannte große Reitpeitsche herunter und zog ihm drei oder vier Hiebe über Beine und Hintern, die zum Heulen brannten. Etwas später, den Mund und die Kehle voller Tränen vor seinem Teller Suppe, den der mitleidige Onkel ihm hingestellt hatte, spannte er sich ganz an, damit die Tränen nicht überflossen. Und nach einem raschen Blick zur Großmutter wandte ihm seine Mutter das Gesicht zu, das er so sehr liebte: „Iss deine Suppe“, sagte sie. „Es ist vorbei. Es ist vorbei.“ Dann erst fing er an zu weinen. Erzähler: Durch einen engagierten Lehrer wird Camus im zumindest für französische Staatsbürger egalitären Schulsystem eine optimale Förderung zuteil. Der Lehrer Louis Germain schafft es, die skeptische Mutter und Großmutter zu überzeugen, Albert auf eine höhere Schule zu schicken. Fortan pendelt der talentierte Junge zwischen angestammter Armutswelt und Schulmilieu. Von Jugend an mit Tuberkulose geschlagen, beginnt Camus schließlich ein Philosophiestudium in Algier und lernt seinen Lehrer und väterlichen Lebensfreund Jean Grenier kennen. Unter dessen Einfluss wächst Camusʼ Interesse für zeitgenössische Literatur, und er beginnt in den frühen 30er Jahren erste Artikel und Prosaskizzen zu verfassen. Auch sein politisches Engagement und sein Interesse fürs Theater nehmen Form an: bis 1936 ist Camus Mitglied der kommunistischen Partei und zudem als Regisseur und Schauspieler beim „Theatre du Travail“ beschäftigt. Zugleich verkehrt er schon bald als Literaten-Dandy in den besseren Kreisen von Algier und greift seiner Migration in die Pariser Kulturszene gewissermaßen voraus. Doch trotz der Ausflüge in andere Sphären bleibt das einfache, das elementare Leben sein existenzielles Ideal. Schon in den frühen Texten verhandelt Camus die Verbindung von Armut und Reichtum, von Verzweiflung und sonnengetränkten Glücksmomenten. Der schmale Essayband „Licht und Schatten“, der 1936 als Camusʼ erstes Werk in kleiner Auflage erscheint, offenbart die zwiespältigen Eindrücke einer lebensgierigen und vom Tod bedrängten Existenz. Auch Friedrich Nietzsches Formel des amor fati, der dionysischen Lebensbejahung bis in die tiefsten Leiden hinein, das für Camusʼ absurde Philosophie die wohl zentrale Referenz ist, klingt hier bereits an. Camus: Und ich habe noch nicht von der Sonne gesprochen. So wie ich lange Zeit gebraucht habe, um meine liebende Verbundenheit mit der Welt der Armut zu begreifen, in der meine Kindheit sich abspielte, so beginne ich auch jetzt erst die Lehre der Sonne und der Himmelsstriche zu erahnen unter denen ich geboren wurde. […] Es fällt mir schwer, meine Liebe zum Licht und zum Leben von meiner geheimen Liebe zur Erfahrung der Verzweiflung zu trennen. […] Der wahre Mut besteht immer noch darin, die Augen weder vor dem Licht, noch vor dem Tod zu verschließen. Wie kann man überhaupt das Band beschreiben, das diese verzehrende Liebe zum Leben, mit jener geheimen Verzweiflung verknüpft? Wenn ich auf diese Ironie lausche, die sich auf dem Grund der Dinge verbirgt, enthüllt sie sich allmählich. Sie zwinkert mit ihren klaren kleinen Augen und sagt: „Lebt als ob…“ Iris Radisch (T.006, 06:23 – 08:28): Also das ist natürlich das absolut Faszinierende an Camus, dass Leben und Werk so eng zusammengehören. Man kann wirklich sagen, dass er erlebt hat, was er geschrieben hat, und geschrieben hat, was er gelebt hat. Und diese großen Begriffe, das Absurde, die Revolte, die sind ja chronologisch in seinem Werk. Er hat das richtig wie ein Baumeister gebaut, hat gesagt, erstmal mache ich meine Absurden, dann kommt die Epoche der Revolte, das hat er sich ja alles von Anfang an so vorgenommen. Und das entspricht in der Tat auch auf magische Weise seinen Lebensphasen. Die erste Phase des Absurden war wirklich die Phase, wo er sehr krank war, wo er tuberkulosekrank war, wo er nicht wusste, ob er diese Krankheit überlebt. Und wo er sich aus dieser Todeserfahrung heraus mit der Sinnlosigkeit konfrontiert sah. Gleichzeitig war er ja ein Kriegswaise, sein Vater ist ja im Ersten Weltkrieg gefallen und damit eigentlich auch ein ganzes Wertesystem, was ja bis zum Ersten Weltkrieg noch selbstverständlich war. Das ist für die ganze Generation der Künstler und Intellektuellen ja der große Einschnitt, nachdem kein Stein mehr auf dem anderen war. Er war Journalist. Er spürte, dass er in Algier, obwohl es damals schon hundert Jahre in französischer Hand war, dass er da ein Fremder war. Er ist ja auch zu den Arabern als Journalist gepilgert, hat sich deren Lebensverhältnisse angesehen. Er sah einfach diese Welt ist nicht richtig in den Fugen. Er sah den Zweiten Weltkrieg am Horizont aufziehen, war ein Pazifist und war vollkommen dagegen. Er spürte einfach, dass er nicht mehr richtig gut mit seinen zwei Beinen auf sicherem Boden steht. Musik Erzähler: Auch Jean Paul-Sartre verliert den sicheren Grund unter den Füßen, als er seine Individualität mit dem aufkommenden Krieg von einer Uniform ummantelt sieht. 1938 hat er seinen Debut-Roman „Der Ekel“ bei Gallimard veröffentlicht und ist über Nacht zu dem gefeierten Autor geworden, der er seit Kindertagen hatte sein wollen. Nun lernt Sartre am eigenen Leib die Geschichte kennen. Bei seinem Berlin-Aufenthalt in den ereignisreichen Jahren 1933 / 34 hatte er beobachtet, wie der braune Mob durch die Straßen zog, sich aber kaum für den politischen Zusammenhang interessiert. Stattdessen hatte er wie im Rausch Edmund Husserl gelesen. Dieses Desinteresse am Realen – ein Rudiment seiner Kindheit im Schoß der Wörter – ist mit Beginn des Zweiten Weltkrieges endgültig vorbei. Vincent von Wroblewsky (16:23 – 18:11): Der Krieg und die Kriegsgefangenschaft, werden zum wesentlichen Einschnitt seines Lebens, weil das für ihn eine unerhörte Situation ist, die ihn in eine ganz andere Welt bringt. Vorher ist er der mehr oder weniger isolierte Bürgersohn, der Intellektuelle, der in seinem Kreis – also nicht isoliert im Sinne von einsam, er ist da durchaus ein sehr lebendiger und lebensfreudiger Mensch, der zu allen möglichen Streichen auch aufgelegt ist während seiner Studienzeit, aber es ist ein kleiner enger Kreis von Gleichgesinnten und Menschen, die unter gleichen Bedingungen aufgewachsen sind und einen gleichen Welthorizont haben, und das ändert sich nun radikal. Und vor allem ändert sich, dass er bemerkt, meine Theorie der Freiheit und mein Pathos, frei zu sein, was für ihn zentral ist, ist ganz schön, aber es gibt die Situation. Und die hat ein Gewicht. Er wird ja eingezogen am zweiten oder dritten September und das heißt, er wählt das nicht, in eine Uniform plötzlich zu schlüpfen, die ihm überhaupt nicht steht übrigens und die überall rumhängt, und eine komische Figur abzugeben als Soldat. Das ist ihm aufgezwungen worden, das fällt auf ihn herab. Er ist in diese Situation, um mit Heidegger zu sprechen, der für ihn dann wichtig wird, er ist in diese Situation hineingeworfen…also diese Geworfenheit, das erfährt er an seinem eigenen Leib, als historisches Ereignis und das wird für ihn entscheidend. Und er schreibt später: Für mich gibt es zwei Phasen in meinem Leben, ein Vorher und ein Nachher, und dieser Schnitt, das ist diese Zeit 39/40 der Kriegserfahrung und der Kriegsgefangenschaft. Sartre: Vor dem Krieg verstand ich mich einfach als Individuum, ich sah keinerlei Verbindung zwischen meiner individuellen Existenz und der Gesellschaft, in der ich lebte. Am Ende meiner Studienzeit hatte ich daraus eine ganze Theorie gemacht: Ich war „nichts als ein Mensch“, das heißt der Mensch, der sich kraft der Unabhängigkeit seines Denkens der Gesellschaft entgegenstellt, Das alles zerbrach dann mit einem Schlag, als ich im September 1939 den Einberufungsbefehl bekam und gezwungen war, nach Nancy in die Kaserne zu fahren, zusammen mit anderen jungen Männern, die ich nicht kannte, und die wie ich einberufen worden waren. Das war es, was mir die gesellschaftliche Bedingtheit ins Bewusstsein brachte: Plötzlich begriff ich, dass ich ein gesellschaftliches Wesen war, als ich von meinem Aufenthaltsort und von den Menschen, die mir nahestanden, fortgerissen wurde. Bis dahin hatte ich mich für souverän gehalten, und ich hatte die Verneinung meiner eigenen Freiheit durch die Mobilmachung erleben müssen, um mir des Gewichts der Welt und der Bande zwischen mir und den anderen bewusst zu werden. Erzähler: Freiheit, so erkennt Sartre, ist kein losgelöstes Schweben im luftleeren Raum, sondern vollzieht sich stets in einer Situation, die man nicht gewählt hat. Und die sich auch nicht mit ein paar Gedanken-Pirouetten aus der Welt schaffen lässt. Wohl aber ist der Mensch gezwungenermaßen frei, sich zu den Umständen zu verhalten. Ja eigentlich wird die Freiheit erst vor dem Hintergrund jener Situation relevant, in der und gegen die sich eben diese Freiheit zu bewähren hat. Der Mensch ist in jedem Augenblick dazu verdammt, eine Entscheidung zu treffen. In seinem Artikel „Die Republik des Schweigens“ von 1944 treibt Sartre den Gedanken ins Extrem: Sartre: Niemals waren wir freier als unter der deutschen Besatzung. Wir hatten alle unsere Rechte verloren und in erster Linie das Recht zu sprechen; jeden Tag warf man uns Schmähungen ins Gesicht, und wir mussten schweigen; massenweise verschleppte man uns als Arbeiter, als Juden, als politische Gefangene: Auf Grund all dessen sind wir frei. Da das Nazigift bis in unser Denken eindrang, war jeder richtige Gedanke eine Eroberung; da eine allmächtige Polizei versuchte, uns zum Schweigen zu bringen, wurde jedes Wort kostbar wie eine Grundsatzerklärung. Die Wahl, die jeder von sich traf, war echt, weil sie angesichts des Todes fiel, weil sie sich stets in der Form: „Lieber den Tod als…“ hätte ausdrücken lassen. Erzähler: Sartre selbst hatte dabei, wie er unumwunden zugibt, keinen bedeutenden Widerstand geleistet. Den sogenannten Sitzkrieg, jene erste Phase, in der die Kombattanten an der Grenze weitgehend passiv verharrten, verbrachte er im Wesentlichen schreibend. Auch als er 1940, kurz nach Beginn der eigentlichen Kampfhandlungen, für ein paar Monate in Kriegsgefangenschaft geriet, schrieb er wie besessen an Theaterstücken, philosophischen Skizzen, Romanentwürfen und Briefen an Simone de Beauvoir. Als er 1941 nach Paris zurückkehrt, ist Sartre voller Tatendrang. Doch ist es gar nicht so leicht, der Revolte eine angemessene Form zu geben. Vincent von Wroblewsky (31:01 – 31:51): Die Zeit der Besatzung ist eine widersprüchliche für Sartre und vor allem auch im Rückblick für ihn etwas Problematisches. Er war ganz…eindeutig gegen die Nazis und gegen die Besatzung. Daran gibt es keinen Zweifel. Aber er wusste nicht so recht, wie er Widerstand leisten kann. Er war, wie wir wissen, ja halb blind, auf einem Auge blind von Anfang an und das wurde schlimmer. Also ein bewaffneter Widerstand kam für ihn nicht in Frage, das war ihm klar. Er konnte nicht mit einem Gewehr umgehen und nicht schießen und sich einer bewaffneten Gruppe anschließen. Das hätte er vielleicht gern, auch vielleicht mit seinem Abenteuersinn, der bei ihm ja auch da war. Seine einzige Waffe war das Wort. Erzähler: Im Nachruf auf seinen ehemaligen Freund und Kollegen, den Philosophen Maurice Merleau-Ponty, reflektiert Sartre gut 20 Jahre später diese Zeit. Sartre: 1941 bildeten sich überall in unserem Land Gruppen von Intellektuellen, die bestrebt waren, dem siegreichen Feind Widerstand zu leisten. Ich gehörte zu einer dieser Gruppen „Socialisme et Liberté“. Merleau-Ponty schloss sich uns an. Diese Begegnung war keine Wirkung des Zufalls: wir stammten beide aus dem republikanischen Kleinbürgertum, und unsere Neigungen, unsere Tradition und unser Berufsethos trieben uns dazu, die Freiheit der Feder zu verteidigen: auf dem Umweg über sie, entdeckten wir alle anderen. Abgesehen davon: lauter Naive. Unsere kleine Einheit, aus dem Enthusiasmus geboren, bekam das Fiber und starb ein Jahr später, weil sie nicht wusste, was tun. Musik Erzähler: Am 14. März 1940 nimmt Albert Camus Abschied von Kindheit und Jugend. Per Schiff verlässt er seine mittelmeerische Heimat, die er gerade deshalb so sehr liebt, weil sich der Weltgeist woanders entfaltet. Die Begegnung mit der Geschichte aber wird sich nicht vermeiden lassen. Mit dem Manuskript des „Fremden“ im Gepäck strandet Camus als eben dieser Fremde in Paris. Schon auf seinen Reisen nach Deutschland und Tschechien, unter anderem mit seiner morphiumsüchtigen ersten Frau, der exzentrischen Simone Hie, sind ihm der Regen und das europäische Klima nicht bekommen. Obwohl Camus in Paris jede Menge Freunde gewinnt und Frauen erobert, wilde Partys und glänzende Erfolge feiert, wird ihn hier bis zuletzt ein Gefühl babylonischer Gefangenschaft begleiten. Camus: Was soll dieses plötzliche Erwachen – in diesem dunklen Zimmer – begleitet von den Geräuschen einer unvermittelt fremd gewordenen Stadt? Und alles ist mir fremd, alles, und kein Mensch, der zu mir gehört, keine Städte, wo diese Wunde sich schließen könnte. Was tue ich hier, welchen Zusammenhang haben diese Gebärden, dieses Lächeln? Ich bin nicht von hier – auch nicht von anderswo. Und die Welt ist nur noch eine unbekannte Landschaft, in der mein Herz keinen Halt mehr findet. Fremd, wer könnte wissen, was dieses Wort bedeutet? Erzähler: Über seinen Freund Pascal Pia, der Camus in Algier zum engagierten und kritischen Journalismus geführt hat, erhält er eine Stelle als Redaktionssekretär bei der Tageszeitung Paris Soir. Unter Pias Ägide hatte Camus bis 1940 für den linken Alger républicain zahlreiche Reportagen, nicht zuletzt über das Elend der Berber verfasst. Sein Gesuch, unmittelbar nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges als französischer Soldat gegen Nazideutschland ins Feld zu ziehen, hat man aus Gesundheitsgründen abgelehnt. Nun führt Camus ein unstetes Leben zwischen Redaktion, Sanatorium und Schreibstube und pendelt außerdem zwischen Frankreich und Algerien. Seine zweite Frau Francine Faure, die er 1940 heiratet, lebt noch im algerischen Oran, was die Einsamkeit in Paris unterstreicht… In Sachen Liebe und Erotik wird ihm das Fehlen seiner Frau in Frankreich allerdings keine Bauchschmerzen bereiten. Der passionierte Homme à Femmes unterhält stets mehrere Liebschaften gleichzeitig und wird Francine mit seinem ausufernden Casanovatum wortwörtlich in den Wahnsinn treiben. Bürgerliche Normalität aber kommt für Camus einem Alptraum gleich. Camus: Wert haben oder keinen Wert haben. Schöpferisch sein oder nicht. Im ersten Fall ist alles gerechtfertigt. Alles, ohne Ausnahme. Im zweiten Fall herrscht vollkommene Absurdität. Bleibt die Wahl des ästhetischen Selbstmords: Heirat plus 40 Stunden oder Revolver.“ Erzähler: Nur mit den Mitteln der Kunst kann Camus seinem Leben eine Rechtfertigung geben. Seit geraumer Zeit arbeitet er fieberhaft an den „Drei Absurden“, dem Roman „Der Fremde“, dem Essay „Der Mythos des Sisyphos“ und dem Theaterstück „Caligula“, die er als Werkeinheit und Varianten desselben Themas begreift. Weder der Mensch noch die Welt, so Camus, haben etwas Absurdes an sich. Absurd ist vielmehr ihr Verhältnis: Der Mensch, der seiner Verfassung gemäß nicht anders kann, als die ewige Sinnfrage zu stellen, läuft sich am vernunftlosen Schweigen der Welt ständig eine blutige Nase. Weder der Selbstmord noch die Religion können der Entfremdung Einhalt gebieten. Nur wer sich trotzig im Klima des Absurden behauptet, wer auf jede Hoffnung resigniert, ist fähig, das Leben voll auszuschöpfen. Wer nichts anderes erhofft, als das, was er erlebt, hat die Chance, momentanes Glück zu erfahren. Mit stoischer Genügsamkeit und nietzscheanischer Schicksalsliebe gilt es, das absurde Sein in etwas Schönes zu verwandeln. 1942 erscheint bei Gallimard Camusʼ Debut-Roman „Der Fremde“, der das Pathos seiner frühen Prosa durch radikale Nüchternheit ersetzt. Die Geschichte über einen algerischen Angestellten, der zum Mörder wird, weil ihn die Sonne blendet, und schließlich selbst den Tod findet, weil er sich nicht in die leeren Rituale und das künstliche Sinnsystem der bürgerlichen Gesellschaft einpasst, trifft aus dem Stand den Nerv einer Generation. Kurz darauf erscheint der „Mythos des Sisyphos“, der das Motiv des Absurden philosophisch entfaltet. Mit einem Mal ist Camus ein gefeierter Autor. Abgesehen von einem Kapitel über Kafka im „Sisyphos“ passieren seine Werke über die glückliche Ergebenheit ins Schicksal mühelos die deutsche Zensur. Auch arbeitet Camus als Lektor beim Verlag Gallimard, der mit den Nazis kollaboriert. Iris Radisch (T.009, 04:36 – 07:06): Das ist, wenn man das sich im Nachhinein jetzt vorstellt, dass Gallimard ein mit der deutschen Propagandastaffel kollaborierender Verlag war, aus dem, auch das muss man wissen, berühmte jüdische Lektoren entfernt wurden, die auch interniert wurden, die zum Teil auch in der Internierung umgekommen sind, also all das hat Camus selbstverständlich gewusst, als er als Lektor bei Gallimard anheuerte – das ist schon problematisch. Aber auch Sartre und Beauvoir haben bei Gallimard ihre Bücher verlegt. Sartre hat noch viel schlimmere Dinge gemacht. Er hat bei einer wirklichen furchtbaren Kollaborationszeitung namens Phönix, und sogar noch 1944 dort geschrieben, Beauvoir hat bei Radio Vichy gearbeitet, also dagegen war Camus noch ein Waisenknabe. Nichtsdestotrotz, Gallimard war problematisch, aber: man muss sich Paris zur damaligen Zeit ein bisschen vor Augen halten, um das zu erklären. Das war ein Dorf. Jeder kannte jeden. Die kollaborierenden Autoren und die Widerstandsautoren, das waren oft Freunde, die wohnten, wie zum Beispiel Marguerite Duras, die wohnte mit einem kollaborierenden Autor, mit Fernandez, auch ein Gallimard-Lektor, in einem Haus. Die luden sich gegenseitig ein. Fernandez wusste, dass in der Wohnung von Duras Widerstandszirkel tagten und sie wusste, dass da oben der Herr Heller und der Herr Apitz, und ich weiß nicht wer, von der deutschen Besatzung ein und ausgingen. Und die haben sich gegenseitig nicht verraten, das waren Freunde. Also diese, ja diese Fäden, die da zwischen den Autoren liefen, weil die sich überall trafen, weil die sich so vertraut waren, weil die sich zum Essen einluden, sich prügelten, sich die Geliebten ausspannten und so weiter. Also diese Familiarität unter den Autoren, die muss man sich vor Augen führen, um das beurteilen zu können, was das hieß, in so einem Verlag zu arbeiten. Die haben sich auch untereinander geschützt. Die haben zum Beispiel auch bei Gallimard ihre Widerstandstreffen abgehalten und wussten das auch voneinander und haben sich gegenseitig nicht verraten. Erzähler: Mit dem literarischen Erfolg hält Camus Einzug in die Kulturschickeria von Paris. Auch die Sartresche „Familie“ lernt er nun kennen. 1943 trifft er zum ersten Mal auf Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre bei den Proben zu dessen Theaterstück „Die Fliegen“. Im gleichen Jahr veröffentlicht Sartre sein philosophisches Hauptwerk „Das Sein und das Nichts“, das zum Schlüsseltext des Existenzialismus wird und das Problem der menschlichen Freiheit auf hunderten von Seiten durchdekliniert. Camus merkt allmählich, dass seine Philosophie des Absurden der braunen Pest nichts entgegensetzen kann und beginnt mit seiner zweiten Werkphase, die vom genügsamen Fatalismus Abschied nimmt und den Begriff der Revolte ins Zentrum stellt. Bald wird er sich auch persönlich dem Widerstand widmen und zuletzt als Chefredakteur der Résistance-Zeitung Combat antifaschistische Leitartikel schreiben. Vorerst aber feiert er mit Sartre und anderen sein rauschhaftes Intellektuellenleben. Iris Radisch (T.009, 02:44 – 04:36): Camus war jetzt kein richtig flammender Widerstandskämpfer, das hat er aber auch, das muss man ihm zu Ehren sagen, nie von sich behauptet. Er hat keine große Geschichte aus seinem sogenannten Widerstandskampf gemacht. Fakt ist, dass er zunächst mal im Zweiten Weltkrieg noch ein ganz fideler Autor war, der das Pariser Nachtleben genossen hat, diese legendären Fiestas mit Sartre, mit Beauvoir, mit Michel Leiris bei Picasso, mit Dora Maar haben sie Theater gespielt, haben getrunken, haben gefeiert, haben diskutiert. Also er hatte eigentlich ein ganz schönes Leben. Er war mit Maria Casarès, der berühmten Filmschauspielerin liiert, das war seine große Liebe, seine Frau war in Oran, konnte aufgrund der Besatzung nicht kommen. Also es ging ihm eigentlich ganz gut. Ein wirklich flammender Widerstandskämpfer war sein Freund Pascal Pia, mit dem er ja bereits in Algier bei der Zeitung gearbeitet hat. Und der war Chefredakteur der Untergrundzeitung Combat. Und erst als Pascal Pia in den bewaffneten Widerstand ging und sein Posten bei der Zeitung frei wurde, hat Camus in der Tat in den allerletzten Monaten des Jahres 1944, das dann aber wirklich mutig, hat er geschrieben für den Combat und dann auch als Chefredakteur gewirkt. Das waren aber wirklich nur ein paar Monate. Aber auch das hätte ihn das Leben kosten können. Also insofern war er ein Widerstandskämpfer, aber man darf es nun trotz allem mit seinem Widerstand auch nicht übertreiben. Musik Erzähler: Spätestens Mitte der 40er Jahre werden Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir zum öffentlichen Ereignis. Die einschlägigen Cafés am linken Seine-Ufer, das Les Deux Magots, die Bar Napoléon und das Café de Flore beherbergen den schillernden Hofstaat der beiden. Das Schreiben der wandelnden Ikonen Sartre und Beauvoir manifestiert sich inmitten lauten Stimmengewirrs und umgeben vom Qualm der Gitanes-Zigaretten. Zu später Stunde folgt die nicht selten mit schwarzen Rollkragenpullovern bekleidete Entourage dann dem Ruf der Kellerkaschemmen und feiert die aufkommende Freiheit zu wilden Jazz- und Bebop-Melodien. Der Existenzialismus wird nach dem Krieg über Paris und Frankreich hinaus zum gegenkulturellen Exportschlager; Sartre und Simone de Beauvoir haben nun absoluten Kultstatus. Trotz ausgezeichneter Examina hatten beide auf akademische Karrieren verzichtet und ihre jeweilige Lehrtätigkeit in der Provinz nur solange ausgeübt, wie es für den Broterwerb notwendig war. Auf Besitz geben beide ohnehin äußerst wenig; sie wohnen zur günstigen Miete in schäbigen Hotels, arbeiten lieber gemeinsam unter Menschen als jeder für sich im Arbeitszimmer. Vincent von Wroblewsky (T1, 41:15 – 42:55): Ja, der Alltag in Saint-Germain-des-Prés ist… eine Art Legende und vielleicht auch Folklore und auch eine Lebensweise. Sicher, dieses Nachkriegsgefühl der Befreiung, das ist verbunden mit den Jazzkellern, mit den Cafés, das Café, der öffentliche Ort, man zieht sich nicht zurück und das ist auch Sartres Konzeption, seine Lebensweise. Er lebt nicht in einem Büro, wo er arbeitet, nicht in seinem Arbeitszimmer, er schreibt viel in der Öffentlichkeit, und dort kann man ihn sehen wie er dort schreibt. Manche wagen es ja dann auch, an seinen Tisch zu gehen und wechseln mit ihm ein paar Worte. Und, dort hat er seine Rendezvous, dort hat er auch sein Restaurant, wo er isst, also er ist ein Mann, der in der Öffentlichkeit ist, aber natürlich doch Wert darauf legt, seine Zeit zu haben für seine Arbeit. Was für ihn völlig ausgeschlossen ist, ist eine Einfalt, eine Homogenität, nur eine Frau, nur eine Lebensweise, nur ein Alltag. Übrigens Heideggers Beschreibung des „man“ trifft das sehr gut. Früh Aufstehen, Straßenbahn nehmen, zur Arbeit gehen, zurückkommen und so weiter. Das ist das Gegenleben zu dem, was Sartre und andere führen. Erzähler: Die bürgerlichen Konventionen, die Imperative des „man macht das so“ gelten Sartre und Beauvoir als freiheitsvergessener Ausdruck menschlicher Unaufrichtigkeit. Weder die Biologie noch die Kultur sollen ihnen ihr Leben diktieren. Die Existenz geht der Essenz voraus. Der Mensch hat keinem abgesteckten Plan zu entsprechen, er ist nicht, was er ist, wie eine Topfpflanze; kann sich nicht rausreden, mit Gott, seiner Natur oder dem Unterbewusstsein. Der Mensch ist das, wozu er sich macht, ein sich immer wieder wandelndes Ergebnis eigener Entscheidungen. Sartre ist überzeugt: Wenn der Existenzialismus kein leeres Geschwätz sein will, müssen Leben und Denken eine Einheit bilden. Die theoretische Freiheit lässt sich nur an einem freien Leben bemessen. Sartre: Ich versuche weder, mein Leben nachträglich durch meine Philosophie zu schützen, was eine Schweinerei ist, noch mein Leben meiner Philosophie anzupassen, was pedantisch ist, sondern Leben und Philosophie sind wirklich eins. Erzähler: Schon früh haben Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir gegen das Reglement der bürgerlichen Ehe einen Pakt geschlossen, der die Möglichkeit zu freier Liebe und die Selbstverpflichtung zur Offenheit enthält. Obwohl beide zahlreiche Affären haben, räumen sie sich gegenseitig einen privilegierten Platz ein. Sartre unterscheidet Simone, der er den Spitznamen Castor gibt, als notwendige Liebe von seinen Nebenfrauen – den zufälligen Lieben. Die notwendige Liebe aber ist weitgehend platonisch; sie ist weniger durch körperliches Verlangen geprägt als durch geistige und seelische Verbundenheit. Sartre: Ich kann die Leute nicht gut lieben. Nur Sie. Mit Ihnen ist es ganz anders. In dieser Hinsicht wird es zumindest das in meinem Leben geben, dass ich eine Person mit aller Kraft, ohne Leidenschaftliches und Wunderbares, aber von innen heraus geliebt haben werde. Aber das mussten Sie sein, mon amour, jemand, der so mit mir verschmolzen ist, dass man das Seine nicht mehr vom Meinen unterscheiden kann. Erzähler: Freiheit aber meint gegen Ende des Krieges längst mehr als freier Geist und freie Liebe. Vor allem meint sie die Freiheit, für ein freies Leben den Kampf aufzunehmen. Der Fatalismus des Sisyphos und die privaten Kämpfe Sartrescher Antihelden sind Vergangenheit. Die individuelle Freiheit der menschlichen Existenz wird zur politischen Frage erhoben. Camus schreibt gegen Ende der Besatzung und in der frühen Nachkriegszeit etliche Artikel gegen den Faschismus, den Abwurf der Atombombe und andere Formen des Unrechts. Der nüchterne Ton des Fremden ist dem Pathos des Widerstands gewichen: Camus: Paris feuert aus all seinen Waffen in die Augustnacht. In der gewaltigen Landschaft aus Stein und Wasser, rings um den geschichtsbeladenen Strom, erheben sich wiederum die Barrikaden der Freiheit. Wiederum muss die Gerechtigkeit mit dem Blut der Menschen erkauft werden. Erzähler: Schon länger arbeitet Camus an einem Essay zur Revolte und an dem Roman „Die Pest“, den die Öffentlichkeit bei Erscheinen 1947 als Parabel auf den Widerstand liest. Sartre misst den Umständen zunehmend stärkeres Gewicht bei und entdeckt den Horror der Verhältnisse. Im Lauf seines Lebens wird er die Spielräume der Freiheit zunehmend begrenzter denken. Freiheit ist nun mehr, als das ontologische Schicksal des Menschen, mehr als der Umstand, dass der Mensch, in eine grundlose Welt geworfen, sein Leben selbst zu entwickeln hat. Freiheit ist nicht bloß der steinige Weg eines Einzelnen; sie ist sozialer und politischer Endzweck der Geschichte. Sartre: Entweder ist der Mensch erledigt – und in diesem Fall ist er nicht nur erledigt, sondern er hat nie existiert: die Menschen wären dann nur eine Spezies gewesen wie die Ameisen […]dann wird man nur sagen können: in den zwanzigtausend Jahren seit es Menschen gibt, haben einige versucht, den Menschen zu erschaffen –, oder die Revolution gelingt und erschafft den Menschen, indem sie die Freiheit verwirklicht. Nichts ist weniger gewiss. Deshalb ist auch der Sozialismus keine Gewissheit, sondern ein Wert. Er ist die Freiheit, die sich selbst zum Zweck erhebt. Erzähler: Gemeinsam mit Simone de Beauvoir und Maurice Merleau-Ponty gründet Sartre im Herbst 1944 die engagierte Zeitschrift „Les Temps Modernes“. Der Nazifaschismus ist niedergerungen, die Zukunft wieder vollständig offen. Bald werden sich Sartre und Camus über die Frage „Revolte oder Revolution“ öffentlich und dauerhaft entzweien. Im Taumel der Befreiung aber plant man noch, den Horizont gemeinsam zu gestalten. Musik 2. Stunde Musikakzent Erzähler: In der autobiographischen Schrift „Die Wörter“ von 1964 beschreibt Jean-Paul Sartre den Bücherwald des Großvaters als Abenteuerspielplatz seiner Kindheit. Lesend erschließt sich der Junge die Welt, die ihm zwischen den Buchdeckeln wirklicher vorkommt als draußen auf der Straße. Zusätzlich zum Lesen gebraucht er die geliebten Wörter aber bald noch in anderer Weise. Sartre schreibt. Und schreibend versucht er, sich selbst, seiner grundlosen Existenz, ein tragfähiges Fundament zu bauen. Dass er als Kind verhätschelt und bewundert wird, sich der Aufmerksamkeit seines Großvaters sicher wähnt, ändert nichts am Gefühl der eigenen Überflüssigkeit. Ohne einen Vater zu haben, der ihm eine Position und einen festen Status vererbt, fühlt sich Sartre lange wie ein Nichts in der Welt. Der in seiner Kindheit allgegenwärtige Typus des Bürgers hingegen, verwechselt sich mit seiner Funktion in der Gesellschaft. Durch die ihm angestammte Rolle bekommt der Bürger ein notwendiges Dasein gespiegelt. Sartre: Hätte mir der Vater ein Vermögen hinterlassen, meine Kindheit wäre anders gewesen: ich wäre nicht Schriftsteller geworden, weil ich ein anderer gewesen wäre. Felder und ein Haus verleihen dem jungen Erben ein stabiles Bild seiner selbst; wenn er seinen Kies berührt oder die Fensterrauten seiner Veranda, berührt er sich und bildet mit Hilfe ihrer Dinglichkeit die unsterbliche Substanz seiner Seele. Ich blieb abstrakt. Einem Eigentümer spiegeln die Güter dieser Welt das eigene Dasein wieder; mich lehrten sie erkennen was ich nicht war: ich war nicht substantiell und dauerhaft; ich war nicht die künftige Fortsetzung des väterlichen Werks; ich war nicht nötig für die Stahlproduktion. Mit einem Wort: ich hatte keine Seele. Erzähler: Der Sartre-Spezialist Vincent von Wroblewsky erklärt: Vincent von Wroblewsky (T 1, 05:21 – 06:17): Sartre hat immer ein Problem damit, sein Leben zu rechtfertigen. Das ist nicht etwas, was gegeben ist. Er benutzt das Bild des Reisenden ohne Fahrschein. Das war sein Gefühl für sein Leben. Er ist unterwegs, aber es gibt keine Rechtfertigung. Schon gar keine von außen. Die Rechtfertigung muss jedes Individuum für sich finden. Die berühmte Frage, die sich viele stellen, nach dem Sinn des Lebens, die ist für Sartre nicht gegeben, die muss man selbst finden. Man schafft einen Sinn, indem man sich zu dem macht, der man wird und der von vornherein aber erst mal nicht vorgegeben ist. Insofern ist eine gewisse Sinnlosigkeit, ein Nichtgerechtfertigt-Sein, das, was er die Kontingenz dann sehr früh schon nennt, was bei Camus dann das Absurde ist in ganz anderer Weise. Erzähler: Anders als die Chefs und Bürger, die sich mittels Tradition ihren Platz sichern und sich selbst vorgaukeln, fest wie ein Felsen in der Landschaft zu stehen, ist sich Sartre seines Umherirrens bewusst, und muss für sein Leben zuallererst eine Rechtfertigung finden. So nimmt er schon in Kindertagen die Rolle des Schriftstellers an. Die zufällige Existenz gründet er auf die Bestimmung, über eben diese Zufälligkeit Auskunft zu geben. Sartre: Ich war beinahe nichts, bestenfalls eine Tätigkeit ohne Inhalt, aber mehr brauchte ich nicht. Ich entrann dem Theaterspielen; ich arbeitete noch nicht, allein ich spielte nicht mehr. Der Lügner fand seine Wahrheit. Durch Schreiben wurde ich geboren, vorher gab es nur ein Spiel der Spiegelungen; […] Indem ich schrieb, existierte ich und entschlüpfte den Erwachsenen, aber ich existierte bloß, um zu schreiben und wenn ich das Wort Ich aussprach, so hieß das: Ich, der Schreibende. Erzähler: Der junge Sartre, erinnert sich der ältere, hat das Bedürfnis, zum Buch, zum Gegenstand zu werden. Die Unbestimmtheit der menschlichen Existenz, die später sein großes Thema wird, das offene Leben, will er durch etwas Fertiges ersetzen. Sartre: Ich: fünfundzwanzig Bände, achtzehntausend Textseiten, dreihundert Abbildungen, darunter das Bildnis des Verfassers. Erzähler: Doch trotz der ihm wie auf den Leib geschriebenen Rolle des Schriftstellers, die dem heranwachsenden Sartre Identität und ein Gefühl des Zu-Hause-Seins vermittelt: der Verdacht einer ursprünglichen Grundlosigkeit – nicht bloß seiner selbst, sondern der Existenz als solcher – lässt sich nicht ausräumen. Der Verdacht erhärtet sich und wird nach und nach zum Nährboden seines Denkens. 1938 erscheint Sartres Roman „Der Ekel“, ein autobiographisch getöntes Werk, in dem er auf seine Zeit als Lehrer im Provinzstädtchen „Le Havre“ verweist. Der Held Antone Roquentin, versucht sich in dem hässlichen Ort Bouville an einer historischen Studie über den Marquis de Rollebon. Dann aber, macht er die verstörende Erfahrung der Kontingenz. Vincent von Wroblewsky (T1, 47:47– 49:38): Man kann, wenn man den Ekel analysiert, sehen, wie stufenweise Roquentin diese Erfahrung macht. Er läuft durch diese Stadt und sieht einen Kiesel, der feucht auf der Straße liegt, und zögert ihn aufzuheben. Und dann zwingt er sich, und dann bemerkt er, dass die Materie gewisse Zustände hat: Das Glitschige, das Schleimige und so, dann wird ihm das fremd, und plötzlich fängt er an, die Dinge anders zu sehen, er fängt an, sie als Phänomenologe zu sehen, das heißt, er klammert ihre Bedeutungen, ihre tradierten, ein, die haben sie nicht mehr. Und plötzlich erscheinen sie als etwas sehr seltsames, zum Teil Bedrohliches. Und das können ganz triviale Dinge sein. Ein Stück Papier, das da nass auf der Straße liegt, das Gefühl des Anfassens, was dann einen Ekel erzeugt. Oder er fährt mit der Straßenbahn, und da ist ein Sitz aufgeschlitzt. Und da sieht er plötzlich etwas anderes darin. Oder er beobachtet am Sonntag, wie die braven Bürger ihren Sonntagsspaziergang auf der Hauptstraße machen. Und das ist großartig beschrieben, das wird nicht mit bestimmten Sinnbedeutungen verbunden, sondern er beschreibt genau das, was er sieht, losgelöst von Bedeutung. Also er beschreibt, eine Hand hebt sich, greift an den Rand eines Hutes, der Hut hebt sich über den Kopf, der Kopf nickt, einem anderen zu, der Hut wird wieder auf den Kopf gesetzt. Also diese Riten der Bürger, die werden so beschrieben, dass sie in ihrer Absurdität erscheinen. Das ist also das Verhältnis zu den Menschen und zu den Dingen, wo plötzlich ein Fremdsein auftritt. Erzähler: Roquentins Tage fließen konturlos dahin, die verschiedenen Augenblicke sind wahllos miteinander verbunden. Sein Leben, muss er feststellen, „wächst aufs Geratewohl, und in alle Richtungen“. Es gibt keinen Grund, warum er jetzt gerade dieses und nicht lieber jenes tun sollte. Das Sinngefüge, in das die Dinge und Tätigkeiten eingepasst sind, wird von außen an sie heran getragen. Die Begriffe, mit denen der Mensch die Erscheinungen behelfsmäßig verklammert, können das Gegebene in seiner konkreteren Anwesenheit nicht erklären; die Bedeutungen liegen lose auf, wie die Hüte auf den Köpfen der Bürger bei ihrem Sonntagsspaziergang. Auch seine historische Studie über den Marquis de Rollebon empfindet Roquentin als starre Faktenmontage, die nur dazu dient, ihren Gegenstand zu beherrschen, das wirkliche Leben des portraitierten Individuums jedoch unmöglich erfassen kann. Wer hinter das künstliche Ordnungsgerüst schaut, so erfährt der entfremdete Held, blickt voller Ekel in den Abgrund der Existenz. Dort, wo die Dinge nicht als Abbilder von wesenhaften Ideen, sondern als nackte, und unerklärliche Massen begegnen. Die Welt der Existenz ist eine überflüssige und formlose Fülle. Nirgendwo ein Ort, wo noch nichts existierte. Auf einer Parkbank wird Roquentin von einer merkwürdigen Vision befallen. Sartre: Also ich war gerade im Park. Die Wurzel des Kastanienbaums bohrte sich in die Erde, genau unter meiner Bank. Ich erinnerte mich nicht mehr, dass das eine Wurzel war. Die Wörter waren verschwunden und mit ihnen die Bedeutung der Dinge, die schwachen Markierungen, die die Menschen auf ihrer Oberfläche eingezeichnet haben. Die Existenz hatte sich plötzlich enthüllt. Sie hatte die Harmlosigkeit einer abstrakten Kategorie verloren. Die Vielfalt der Dinge, ihre Individualität waren nur Schein. Dieser Firnis war geschmolzen, zurück blieben monströse und wabbelige Massen, ungeordnet – nackt. Das Wesentliche ist die Kontignenz. Ich will sagen, dass die Existenz ihrer Definition nach nicht die Notwendigkeit ist. Die Kontingenz ist kein Trug, kein Schein, den man vertreiben kann; sie ist das Absolute, folglich die vollkommene Grundlosigkeit. Alles ist grundlos, dieser Park, diese Stadt und ich selbst. Wenn es geschieht, dass man sich dessen bewusst wird, dreht es einem den Magen um, und alles beginnt zu schwimmen […] das ist der Ekel. Erzähler: Der Ekel aber muss nicht das letzte Wort haben. Für Sartres Held gibt es einen Weg hinaus. Ähnlich wie bei Schopenhauer ist es die Kunst, die dem Strom des Existierens widersteht. Die Produktion, genauso wie das Andächtig-Werden eines Kunstwerkes, erzeugen eine Reihe erhabener Momente. Die Erscheinungen werden auf eine notwendige Weise verkettet. Roquentin macht die Erfahrung, dass das gelebte Leben, in dem die Tage einander konturlos ablösen, auf einmal sinnvoll wird, wenn es in Form einer Geschichte begegnet. Ein erzähltes Leben hat den Charakter eines großen Abenteuers, jeder Augenblick ist notwendig, um den nächsten zu bedingen. Von der Zukunft her scheint die Vergangenheit gerechtfertigt. Die Kunst schreibt dem abgründigen Chaos der Welt eine menschengemachte Ordnung ein. Sartres Roman „Der Ekel“ endet damit, dass Roquentin seine historische Studie, die bloße Sammlung zufälliger Ereignisse im Leben des Marquis, verwirft, und beschließt, einen Roman zu schreiben. Seinem neuen Entwurf geht ein Erlebnis voraus, das im Kontrast zur Erfahrung des Ekels steht. Roquentin hört in einem Café den Song „Some of these days, you’ll miss me honey“. Jede bereits erklungene Note, ist für den ihr nachfolgenden Ton notwendig, um die Melodie in ihrer strengen Form zu bewirken. Die Kontingenz vermag nicht, das perfekte Musikstück zu beschmutzen. Mit den Mitteln der Ästhetik erhält das Leben die Chance auf Rechtfertigung. Sartre: Jetzt sind da diese Saxophonklänge. Und ich schäme mich. Ein glorreiches kleines Leiden ist entstanden, ein musterhaftes Leiden. Vier Saxophonnoten. Nein, man kann bestimmt nicht sagen, dass er mitfühlend ist, dieser kleine Schmerz aus Diamant, der sich über der Platte im Kreis dreht. Er existiert nicht: wenn ich aufstünde, wenn ich diese Platte von dem Teller, auf dem sie liegt, herunterrisse und sie entzweibräche, würde ich ihn nicht erreichen, ihn. Er ist jenseits – immer jenseits von etwas, jenseits einer Stimme, eines Geigentons. Durch Schichten um Schichten von Existenz offenbart er sich, schlank und fest, und wenn man ihn ergreifen will, trifft man nur auf Existierendes, sinnlos Existierendes. Er ist hinter ihnen: ich höre ihn nicht einmal, ich höre Töne, Luftschwingungen, die ihn enthüllen. Er existiert nicht, denn an ihm ist nichts zuviel: alles übrige ist zuviel im Verhältnis zu ihm. Er ist. Und auch ich habe sein wollen. Ich habe sogar nur das gewollt; das ist das Schlüsselwort der Geschichte. Ich durchschaue die scheinbare Unordnung meines Lebens. Hinter all diesen Versuchen, die beziehungslos schienen, finde ich den gleichen Wunsch: die Existenz aus mir zu vertreiben, die Augenblicke von ihrem Fett zu entleeren, sie auszuwringen, auszutrocknen, mich zu reinigen, hart zu werden, um endlich den klaren und genauen Ton einer Saxophonnote wiederzugeben. […] Hinter dem Existierenden, das von einer Gegenwart in die nächste fällt, ohne Vergangenheit, ohne Zukunft, hinter diesen Klängen, die von Tag zu Tag zerfallen, zerkratzt werden und in den Tod gleiten, bleibt die Melodie dieselbe, jung und fest wie ein erbarmungsloser Zeuge. Musik: Ethel Waters – “Some of Theses days you’ll miss me honey” Erzähler: Eine ähnliche und doch ganz andere Art der Entfremdung als Sartre und sein Alter Ego Roquentin beschreibt Albert Camus mit dem Gefühl des Absurden. Camus‘ Denken kreist um jene Kluft zwischen Mensch und Welt, die alle großen Sinnfabriken, ob religiöser oder ideologischer Bauart, mit falschen Versprechungen zu schließen versuchen. Das Gefühl einer fundamentalen Verlassenheit entsteht Camus zufolge dadurch, dass der menschliche Ruf nach Sinn in den leeren Räumen einer Welt ohne Gott unbeantwortet verhallt. Der Mensch ist durch den Willen zur Vernunft geprägt und stellt fest, dass die Vernunft nichts erklären kann. Irgendwann macht jeder die absurde Erfahrung, dass der wohlgeordnete Kosmos, an den zu glauben man lange bemüht war, in Wahrheit einem kontingenten Chaos gleicht. Weder der fragende Mensch, noch die schweigende Welt sind dabei ihrerseits absurd. Das Absurde bezeichnet lediglich das Produkt ihrer immer wieder scheiternden Beziehung. Ist einem der Stachel des Absurden aber einmal unter die Haut gegangen, lässt er sich nicht mehr entfernen. Camus: Ich kann alles leugnen […] nur nicht das Verlangen nach Einheit, den Drang Lösungen zu finden, den Anspruch auf Klarheit und innere Stimmigkeit. Ich kann alles widerlegen in dieser Welt, die mich umgibt, die mich abstößt oder begeistert, nur nicht dieses Chaos, diesen König Zufall. […] Ich begreife, dass ich diese beiden Gewissheiten – mein Verlangen nach Absolutem und nach Einheit und die Unmöglichkeit, diese Welt auf ein rationales Prinzip zurückzuführen – nicht miteinander versöhnen kann. Wäre ich Baum unter Bäumen, Katze inmitten der Tiere, dann hätte dieses Leben einen Sinn oder dieses Problem hätte vielmehr keinen, denn ich wäre Teil dieser Welt. Ich wäre diese Welt, gegen die ich mich jetzt mit meinem ganzen Bewusstsein und mit meinem ganzen Anspruch auf Vertrautheit stemme. Ebendiese so lächerliche Vernunft setzt mich in Widerspruch zur ganzen Schöpfung. Erzähler: Das Absurde, so Camus, kommt einem meist dann zum Bewusstsein, wenn die Routinen, mit deren Hilfe sich der Mensch wie an wackligen Geländern durch die Tage hangelt, unvermittelt wegbrechen und man urplötzlich ins Leere greift. Der Kollaps der trügerischen Sicherheiten kann sich durch den Tod eines Menschen, durch eine schwere Krankheit oder das Ende einer Beziehung ereignen. Manchmal reicht aber auch ein kurzer Augenblick der Klarheit, der einen in Distanz treten lässt, zu allem, was das Leben bislang ausgemacht hat. Die Fragwürdigkeit des Gewohnten wird augenfällig. Der Einbruch des Absurden beginnt mit der Frage „Warum“. Die Autorin und Camus-Expertin Iris Radisch erklärt: Iris Radisch (T.009, 18:21 – 19:16): Das Absurde – da gibt es wunderschöne Beschreibungen im Mythos des Sisyphos, das ist, dass man plötzlich an einer Straßenecke steht und es ist wie ein Filmriss. Man weiß plötzlich nicht mehr, wo man ist, was das soll, wo das eingebettet ist und alles wird einem eben fremd. Man steht da, und man könnte auch auf dem Mars stehen. Also die ganzen Zusammenhänge, die einem das immer so wohlig und so erklärlich erscheinen lassen, wie man lebt und wo man ist, die sind plötzlich zerschnitten. Das ist das Gefühl des Absurden. Man kann es auch übersetzen vielleicht mit einem wirklich radikalen, aber wirklich so fundamental radikalen Staunen, dass man eigentlich buchstäblich nichts mehr versteht, und einem der Boden unter den Füßen weggezogen wird. Camus: Manchmal stürzen die Kulissen ein. Aufstehen, Straßenbahn, vier Stunden Büro oder Fabrik, Essen Straßenbahn, vier Stunden Arbeit, Essen, Schlafen, Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag, Samstag, immer derselbe Rhythmus – das ist meist ein bequemer Weg. Eines Tages aber erhebt sich das „Warum“, und mit diesem Überdruss, in den sich Erstaunen mischt, fängt alles an. „Fängt an“ – das ist wichtig. Der Überdruss steht am Ende der Handlungen eines mechanischen Lebens, gleichzeitig leitet er aber auch eine Bewusstseinsregung ein. Er weckt das Bewusstsein und fordert den nächsten Schritt heraus. Der nächste Schritt ist die unbewusste Rückkehr in die Kette oder das endgültige Erwachen. Schließlich führt dieses Erwachen mit der Zeit zur Entscheidung: Selbstmord oder Wiederherstellung? Eine Stufe tiefer – die Fremdheit. Eine Sekunde lang verstehen wir die Welt nicht mehr, denn jahrhundertelang haben wir in ihr nur die Bilder und Gestalten gesehen, die wir zuvor ins sie hineingelegt hatten, und nun fehlen uns die Kräfte, von diesem Kunstgriff Gebrauch zu machen. Die Welt entgleitet uns, da sie wieder sie selbst wird. Die von der Gewohnheit verstellten Kulissen werden wieder, was sie wirklich sind. Sie entfernen sich von uns. Diese Dichte und diese Fremdheit der Welt sind das Absurde. Auch die Menschen sondern Unmenschliches ab. In gewissen hellsichtigen Stunden lässt das mechanische Aussehen ihrer Gesten, ihre sinnlose Pantomime alles um sie herum stumpfsinnig erscheinen. […] Auch dieses Unbehagen vor der Unmenschlichkeit selbst, dieser unberechenbare Sturz vor dem Bilde dessen, was wir sind, dieser „Ekel“, wie ein Autor unserer Tage es nennt, ist das Absurde. Erzähler: Albert Camus verweist hier zur Illustration des Absurden auf seinen Kollegen Jean-Paul Sartre, an dem man Anfang der 40er-Jahre schon kaum mehr vorbei kommt. Der wird Camus für seinen Fremden und den Mythos des Sisyphos in der Zeitschrift Cahiers du Sud ein vergiftetes Kompliment aussprechen. Camus wiederum hat Sartres Ekel wohlwollend besprochen, auch wenn er ihm anlastet, „nicht weit genug gegangen zu sein“. Doch obwohl die beiden Männer von weitem philosophische Tuchfühlung aufnehmen, hat Camusʼ Erfahrung des Absurden mit Sartres Weltekel nur wenig zu tun. In gewisser Weise stehen die beiden Phänomene sogar im Gegensatz zueinander. Iris Radisch (T.010, 00:42 – 03:15): Das Absurde kennt bei Camus ja keinen Ekel. Im Fremden gibt es nichts, was in der Absicht beschrieben würde, es, dass es ungute Gefühle hervorrufen soll, ganz im Gegenteil. […] Man sieht da ganz genau, wie Schweiß in den Furchen der Haut runter rinnt, also fast schon eine Genüsslichkeit am So-Sein der Welt, dem sich der Beobachter ganz und gar überlässt und auch eben, weil er es völlig wertfrei tun kann. In Sartres Ekel ist das ja ganz anders. Da gibt es diese Gleichgültigkeit nur auf der philosophischen Ebene. Auf der Wahrnehmungsebene ist das eigentlich ganz subjektivistisch, ja, mit dieser Abscheu vor dem Weichen, vor dem Mollusken, eigentlich ja auch vor dem Weiblichen muss man sagen, also vor dem Glibbrigen und so, das ist ja fast schon so `ne, da zieht ja am Horizont fast schon so `ne männliche stahlharte Ästhetik auf, die sich vor allem Glubschigen in Sicherheit bringen will und da Ekel empfindet. Also davon ist Camus ganz weit weg. […] Erzähler: Was Camus empfiehlt, ist vor dem Absurden nicht zu fliehen, sondern sich ihm radikal auszusetzen. Wer erkannt hat, dass das Verhältnis des Menschen zur Welt absurd ist, kann die falschen Hoffnungen begraben. Die religiösen und ideologischen Wahrheiten, die Regeln, Riten und Moralvorschriften der Gesellschaft spannen ein bequemes Polster über den Abgrund der Existenz. Ihre Versprechungen auf ein besseres Morgen sind Camus zufolge nichts als Schaum und trüben den Blick für die Gegenwart. Das Leben beginnt nicht im Himmel, nicht in der perfekten Gesellschaft, nicht wenn man genügend malocht hat, um das Haus am See finanzieren zu können. Der absurde Mensch lebt ohne Hoffnung. Seine Zukunftslosigkeit aber, ist nicht die zähe und konturlose Unzeit der Depression, auf keinen Fall ist er ein Selbstmörder. Im Gegenteil: Wer etwas anderes erhofft, als das, was er erlebt, so Camus, kommt in der Welt nicht an und hat vom Existieren nichts verstanden. Der absurde Mensch ist frei für den Augenblick und erfüllt von dionysischer Lebensfreude. Das Leben ist jetzt und der Tod, der es bedrängt, seine absolute Grenze. Das Universum mag sinn- und vernunftlos sein; es ist trotzdem von betörender Schönheit. Wer, fragt Camus, braucht Gott und ein ewiges Leben, wenn er Frauen, das Meer und die Sonne haben kann? Nicht trotz, sondern weil das Leben sinnlos ist, ist es wert, unwiderruflich gelebt zu werden. Das Glück des Sisyphos, der im Bewusstsein des Absurden und ohne jede Hoffnung seinen Stein schiebt, besteht darin, dass er das Schicksal rebellisch annimmt, und jeden Zentimeter des beschwerlichen Weges bis zum letzen auskostet. Iris Radisch (T.009, 22:55 – 24:44): Das Absurde ist überhaupt nicht negativ konnotiert. Es ist nichts, was einen zu Melancholie, zu Depressionen, zu unmenschlichen Schmerzen führen muss, sondern ganz im Gegenteil. Da kommt auch wieder das Nietzscheanische hinein. Zu Vitalität, zu Lebensfreude, weil, wenn es nichts gibt, wonach man sich richten muss, was hindert uns dann daran, den Augenblick zu leben. Also gerade dieses „lebe den Augenblick“, was ja vielleicht eine seiner wichtigsten Botschaften war, das ist ja nur deswegen möglich, weil er sich vollkommen verweigert hat, dem Abendländischen Fortschritt, dieser abendländischen Fortschrittsgläubigkeit, wo man ja sein Leben wieder ausrichten muss an irgendetwas, das später noch kommt. Also, jetzt kann ich nicht richtig leben. Jetzt muss ich arbeiten, jetzt muss ich mich quälen, damit ich später mal Geld, Glück, Freizeit, Rente oder sogar mal das ewige Leben kriege. Das ist ja auch dieses christliche Hamsterrad. Jetzt kriegst du keine Erfüllung, jetzt musst du leiden, damit du mal im Himmel die großen Freuden hasst. Also, dieser Aufschub, dieses Prinzip Aufschub hat er vollkommen abgelehnt, gerade weil er ans Absurde geglaubt hat. Und das war die Voraussetzung um die Lebensfülle, den Lebensaugenblick und das Vitale in den Vordergrund zu stellen. Und das hat er ja auch in seinem eigenen Leben getan. Camus: Der absurde Mensch hat nur die eine Möglichkeit, alles auszuschöpfen und sich selbst zu erschöpfen. […] Das Absurde macht zwar alle meine Chancen einer ewigen Freiheit zunichte, doch gibt es mir eine Handlungsfreiheit wieder und feiert sie. Dieser Verlust von Hoffnung und Zukunft bedeutet für den Menschen einen Zuwachs an Beweglichkeit. Je mehr ich hoffe, je mehr ich besorgt bin um eine mir eigene Wahrheit, um eine Art zu sein oder zu schaffen, je mehr ich schließlich mein Leben ordne und dadurch beweise, dass ich ihm einen Sinn unterstelle, umso mehr Schranken schaffe ich mir, zwischen denen ich mein Leben einzwänge. […] Das Absurde klärt mich über diesen Punkt auf: es gibt kein Morgen. Das ist von nun an der Grund meiner tiefen Freiheit. Musik Erzähler: Auch für Jean-Paul Sartre nimmt die Freiheit hier ihren Ausgang. Bei dem, was der Philosoph nicht das Absurde, sondern die Kontingenz genannt hat. Wer einmal begreift, dass es keinen Gott und keinen ursprünglichen Lebenssinn gibt, dem schwindelt vor der Tatsache, dass er frei und damit radikal verantwortlich ist – für alles was er tut und unterlässt. Das zur Freiheit verdammte Individuum bekommt es mit der Angst zu tun. Nicht wenige Menschen, so Sartre, kapitulieren vor ihrer eigenen Menschlichkeit, leugnen das Erfordernis, immer wieder wählen und entwerfen zu müssen. Eine häufige Art der Unaufrichtigkeit, ist der Versuch, sich den Dingen und ihrem So-Sein anzuverwandeln. Wie die Geschichte lehrt, läuft diese Versteinerung nicht immer so harmlos ab, wie beim kindlichen Sartre selbst, der sich wünschte, sein eigenes Werk zu werden. Vincent von Wroblewsky (T1, 54:58 – 59:36): In den Weisen der Uneigentlichkeit spielt der Antisemitismus, der ja sehr fern angedeutet ist, im Ekel, eine Rolle. Und zwar in der „Kindheit eines Chefs“ ganz besonders. „Kindheit eines Chefs“ ist eine der fünf Erzählungen, die in dem Band „Le Mur“ auftaucht. Und in diesen fünf Erzählungen beschreibt Sartre verschiedene Weisen, uneigentlich zu sein, die Authentizität nicht zuzulassen, das heißt, anders gesagt, der Freiheit zu fliehen. Und eine Weise, der Freiheit zu fliehen, ist sich zu einem bestimmten Menschen zu machen, dem etwas vorbestimmt ist. Also zum Beispiel der Lucien Fleurié, der Held von „Kindheit eines Chefs“, der Sohn eines Fabrikanten ist, macht alle möglichen Erfahrungen um selbst rauszufinden, wer er ist und wer er sein will. Er macht die Erfahrung der Psychoanalyse, der Homosexualität, des Surrealismus, und all das ist es nicht, das ist alles etwas, was zu unscharf ist, was nicht dieses Monolithe, Zuverlässige hat. Und schließlich macht er sich zum Antisemiten und wird dabei anerkannt in seinem Umfeld. Denn da ist er plötzlich nicht mehr der Mensch, der, wie das da beschrieben ist, von Zweifeln getrieben ist, und sich selbst fragt, und wählen muss, und Verantwortung tragen. Nein, er ist, der er ist. So wie ein Stein ein Stein ist. Und er macht sich, Sartre sagt, er macht sich zum Felsen, zum reißenden Strom, zu allem, nur nicht zu einem Menschen. Erzähler: Lucien Fleurié, der werdende Chef in Sartres Geschichte, löst die quälende Frage, wer er ist, indem er sich auf Blut und Boden besinnt. Die Welt, redet Lucien sich ein, hatte schon immer einen Platz für ihn; durch die ihm angestammte Position, meint er, natürliche Rechte zu haben. In Abgrenzung zum Feindbild des Juden erklärt Lucien sich zum ewigen Franzosen, zum Mitglied eines dauerhaften Volkskörpers. So wählt er den Antisemitismus und die faschistische Ideologie als eine Weise der Unaufrichtigkeit: Weil er das Faktum seiner Freiheit, das Unbestimmte des menschlichen Wesens nicht ertragen kann, fügt er sich einer klar bestimmten Lebensweise. Er konstruiert eine endgültige Form seines Selbst, eine Statue, als stützendes Geländer, um den Taumel, den die Verantwortung erzeugt, nicht länger aushalten zu müssen. Authentisch aber wäre es, so Sartre, die schwierige Freiheit, die mit dem Menschsein gegeben ist, immer wieder auf sich zu nehmen. Wenige Wochen nach der Befreiung von Paris schreibt er den Essay „Überlegungen zur Judenfrage“. Die phänomenologische Betrachtung des Antisemitismus liefert den Kommentar seiner fünf Jahre jüngeren Erzählung. Sartre: Manche Menschen werden von der ewigen Starre der Steine angezogen. Sie wollen wie Steine unerschütterlich und undurchdringlich sein und scheuen jeden Wechsel: denn wohin könnte der Weg sie führen? Es handelt sich um eine Urangst vor dem Ich. Nun können wir den Antisemiten verstehen. Er ist ein Mensch, der Angst hat. Nicht vor den Juden; vor sich selbst, vor seiner Willensfreiheit, seinen Instinkten, seiner Verantwortung, vor der Einsamkeit und vor jedweder Veränderung, vor der Welt und den Menschen, vor allem – außer vor den Juden. […] Der Jude dient hier nur als Vorwand […] Seine Existenz ermöglicht es dem Antisemiten, seine Ängste im Keim zu ersticken, indem er sich davon überzeugt, dass sein Platz an der Sonne von jeher reserviert war, dass er auf ihn wartete, und dass er das angestammte Recht hat, ihn einzunehmen. Der Antisemitismus ist, kurz gesagt, die Angst, Mensch zu sein. Der Antisemit will ein unerbittlicher Felsen, ein reißender Sturzbach, ein verheerender Blitz – alles, nur kein Mensch sein. Erzähler: Liefert Sartres Antisemitismus-Deutung nicht eine Blaupause für die Gegenwart? Es scheint als sehnen sich im Zeitalter der Trumps und Putins, der Erdoğans und al-Baghdadis nicht eben Wenige nach dem Opium des Autoritären. Die Chimäre des Volkes, das Erbe der Nation, der Glaube an den exklusiven Gott sind im 21. Jahrhundert allgegenwärtige Trugbilder. Sartres phänomenologische Methode hilft die Sehnsucht nach dem Urtümlichen, die Lust an der ewigen Essenz zu entblößen: Die Kulturessenzialisten von IS bis AfD wären dann, mit einem Buchtitel von Erich Fromm gesprochen durch nichts als die Furcht vor der Freiheit getrieben. Konstruieren die Nation, das Volk, das Kalifat nicht jenen sicheren Ort, jene Geborgenheit in einem festen Normen- und Wertesystem, das von der Angst, immer wieder urteilen und wählen zu müssen, entbindet? Nationaler und religiöser Fundamentalismus liefern genau wie Verschwörungstheorien den absoluten Lebenssinn frei Haus. Wer sich einfügt ins fertige System, ist vom Absurden und dem Wagnis der Freiheit entlastet; kann sich verschanzen hinter Normen und Formeln; ist schon wer, bevor er jemand wird; macht sich unsterblich durch die Teilhabe an Wahrheit, Volk, Tradition und Gottes Willen; löscht alle inneren Widersprüche in der einen, großen Identität, die jeden Augenblick vorgibt, auf welche Weise man zu handeln hat. Dabei ist es – existenzialistisch gewendet – kaum verwunderlich, dass das Bedürfnis nach der eigenen Versteinerung heute stark Konjunktur feiert. In der Postmoderne, die dem Einzelnen – wenigstens auf dem Papier – die verschiedensten Möglichkeiten bietet, scheint es einen wachsenden Druck zu geben, sich für den richtigen Entwurf zu entscheiden. Wo die Klammern der Tradition sich gelockert haben, die gesellschaftliche Position nicht von Geburt an bestimmt ist, erhält der Zwang zur Freiheit ein ganz neues Gewicht. Sartres Existenzialismus, der die Hölle des zum Urteilen verurteilten Subjekts analysiert, entfaltet sich in den multioptionalen Gesellschaften der Gegenwart erst wirklich zu voller Form. Denn auch wenn die neoliberale Welt die praktischen Chancen zusehends limitiert – was bleibt, ist das große Versprechen theoretischer Wahlmöglichkeiten. Das Unbehagen an der eigenen Verantwortung wächst ins Unermessliche. Früher war es möglich, auf den Platz zu verweisen, den die Gesellschaft einem zugedacht hatte, heute wird man selbst für das Scheitern und Gelingen des eigenen Lebens verantwortlich gemacht. Nicht von ungefähr konstatieren Soziologen wie Alain Ehrenberg als dunkle Seite der Freiheit eine Pathologie der Verantwortlichkeit, die letztlich in totale Erschöpfung mündet. Es scheint, als sei Sartres Philosophie, die die Offenheit des Menschlichen beschreibt, zum impliziten Glaubenssatz des demokratischen Liberalismus geworden. Wer denn wüsste besser als wir Spätmodernen, welche Ängste diese Freiheit hervorrufen kann? Und doch: die Flucht in die mauvaise foi, in die freiheitsvergessene Unaufrichtigkeit, ist für Jean-Paul Sartre keine Lösung. Was der Existenzialismus eben nicht erlaubt, ist, die Umstände verantwortlich zu machen. Wie zudringlich die Zwänge auch sein mögen, in jeder Situation bleibt ein Rest von Freiheit und Verantwortung erhalten. Jeder ist selbst verantwortlich, den Anfängen zu wehren und den Mächtigen etwas entgegenzusetzen. Gerade weil es kein höheres Prinzip, keinen Gott, keine Natur, kein Volk, keine Nation gibt, die uns vorschreiben können, wie zu handeln wäre, sind wir unbedingt verantwortlich. Und eben hier, in dieser immerwährenden Verantwortung, liegt für Sartre die Würde des Menschen begründet. Musik Erzähler: In seinem ersten Hauptwerk „Das Sein und das Nichts“ von 1943 hat Sartre die Motive und Gedanken, die in den Romanen, Erzählungen und Theaterstücken lose verstreut sind, in eine Großtheorie der Existenz eingefügt. Die Veröffentlichung des tausendseitigen Buches markiert die eigentliche Geburtsstunde des Existenzialismus. In „Das Sein und das Nichts“ trennt Sartre das kompakte An-Sich-Sein der Dinge vom flüssigen Für-Sich-Sein, das die menschliche Realität ausmacht. Anders als etwa ein Blumenkohl, der nur ist, was er ist, ist der Mensch auch immer das, was er noch nicht ist; geht niemals auf in seiner bloßen Gegenwärtigkeit. Der phänomenologischen Schule gemäß hat das menschliche Bewusstsein keine Substanz, ist immer Bewusstsein von etwas. Für Sartre, der hieran anschließt, ist das Bewusstsein ein ausgreifendes Nichts, das sich beständig in die Welt hinausschleudert. Der lebendige, auf die Zukunft gerichtete Mensch ist ein Nichts an Sein, ein Werden, dass das, was es eben noch war, schon wieder ausradiert hat, wenn es sich vorwegnimmt und voranschreitet. Der Mensch ist nie identisch mit sich selbst; das Bewusstsein kann auf die quälende Frage „Wer bin ich?“ keine endgültige Antwort geben. Diese Unbestimmtheit aber ist das, was Sartre Freiheit nennt. Der Mensch ist seine Freiheit; eine Freiheit, die stets danach strebt, sich zu verdinglichen, und an eben dieser Selbstwerdung immer wieder scheitern muss. Erst im Augenblick des Todes, wenn alle Möglichkeiten versiegt sind, ist der Mensch als etwas Abgeschlossenes vorhanden. Das Nichts, die fluide Existenz des Individuums aber, erzeugt eine Stimmung der Angst, da der Mensch seiner Konstitution nach die Möglichkeit hat, sein Leben in falsche Bahnen zu lenken. Sartre: In der Freiheit ängstigt sich die Freiheit vor sich selbst. […] Ich bin nicht der, der ich sein werde. […] Das Bewusstsein, seine eigene Zukunft nach dem Modus des Nicht-Seins zu sein, ist genau das, was wir Angst nennen. […] Wenn nichts mich zwingt, mein Leben zu retten, hindert mich nichts, mich in den Abgrund zu stürzen. Das entscheidende Verhalten wird aus einem Ich hervorgehen, das ich noch nicht bin. Erzähler: Mit der Beschreibung des menschlichen Bewusstseins als „Nichts“, will Sartre nicht sagen, dass Personen charakterlos wären oder keine Identitäten hätten; sie gehen in diesen nur nicht auf, können sich nie von allen Seiten sehen und entwischen sich fortlaufend selbst. Auch hat Sartre am eigenen Leib erfahren, dass die Freiheit nicht grenzenlos ist. Er räumt Zwänge und Verbindlichkeiten ein, die ein größeres Gewicht erhalten, je älter er wird und je weiter sein Werk voranschreitet. Ein Mensch, so der Philosoph, wird an einem bestimmten Ort geboren, zu einer bestimmten Zeit, in eine bestimmte Klasse, in einen bestimmten Körper mit bestimmten Anlagen. Die biologischen, historischen, sozialen, psychologischen und kulturellen Variablen definieren die Situation eines Menschen und lassen sich nicht aussuchen. Gleichwohl ist jeder frei, sich zu seinen bisherigen Entscheidungen und dem, was ihm zustößt, zu verhalten. Die Freiheit des Menschen schwebt nicht im luftleeren Raum, sie hat immer einen Rahmen, der sie gleichzeitig eingrenzt und ermöglicht. Frei, so Sartre, ist man gegenüber einem Sachverhalt: was kann die Freiheit bedeuten, nachts umherzulaufen, fragt der Philosoph, wenn es das Verbot nicht mehr gibt, nach der Sperrstunde das Haus zu verlassen? Trotz und wegen der Situation bieten sich dem Menschen in jedem Augenblick mehrere Möglichkeiten, zwischen denen zu wählen er gezwungen ist. Was er eben nicht wählen kann, ist die Freiheit als solche. In den Worten Martin Heideggers, auf den Sartre sich häufig bezieht, ist der Mensch „geworfener Entwurf“. Sartre: Der Mensch ist dazu verurteilt, frei zu sein. Verurteilt, weil er sich nicht selbst erschaffen hat, und dennoch frei, weil er, einmal in die Welt geworfen, für all das verantwortlich ist, was er tut. Erzähler: Es war Simone de Beauvoir, die Sartres Denken konkret machte. In ihrem epochalen Werk „Das andere Geschlecht“ beschreibt die Philosophin die beengenden Zustände, in die man als Frau hineingeboren wird. Und doch, wie engmaschig die Struktur auch gewoben sein mag: dem Existenzialismus zufolge ist niemand gezwungen, sich mit den zwingenden Umständen abzufinden. Selbst wenn das Gefüge in den Körper und die eigenen Wahrnehmungen eingeschrieben ist, sich die Frau mit dem Blick des Unterdrückers betrachtet – trotz aller Prägung bleibt immer ein Rest an Freiheit zurück. Man hat die Möglichkeit, „nein“ zu sagen. Die Grenzen der Existenz lassen sich überschreiten. Das Subjekt ist fähig zum Widerstand, weil es sich andere Welten vorstellen kann, als die, in der es sich befindet. Auch wenn es Übung und Kraft kostet, am Beginn der Emanzipation steht die Entscheidung, das Gegebene zu verneinen. Der Mensch kann zumindest versuchen, die starren Netze, in die er sich verwickelt findet, aufzuknüpfen. Ob er damit scheitert, steht auf einem anderen Blatt. Da ein authentisches Leben aber, trotz der schöpferischen Möglichkeiten, die die Freiheit eröffnet, eine anstrengende Aufgabe ist, orientiert sich der Mensch nicht selten an der Starre der Steine. Nicht nur Faschisten und Antisemiten fliehen ihre Freiheit. Fast jeder, so Sartre, lebt zwischenzeitlich in der Unaufrichtigkeit, schafft sich Routinen und behauptet sie als notwendig, um den Horror der totalen Freiheit abzufedern. Musik Erzähler: Doch Menschen erstarren noch auf andere Weise. Was dem unaufrichtigen Subjekt nur unzureichend gelingt, widerfährt ihm aus heiterem Himmel in der Begegnung mit einem anderen. Der Blick des Gegenübers, so Sartre, lässt mich gefrieren. Jeder Einzelne ist die Medusa seines nächsten. Vincent von Wroblewsky (T1, 01:08:05 – 01:09:17): In „Das Sein und das Nichts“ gibt es ein…gibt es mehrere Kapitel, aber wichtiges Kapitel, „Das Sein für andere“, es gibt das Sein an sich, das Sein für sich, das Sein für andere. Und beim Sein für andere wird ganz phänomenologisch der Blick zum entscheidenden Moment der Beziehung zwischen den Menschen, der zwischenmenschlichen Beziehung. Denn das erste, was passiert, wenn Menschen aufeinandertreffen ist, dass sie sich ansehen. Oder wegsehen. Aber auf jeden Fall findet ein Blickaustausch statt. Das ist, was man elementar beobachten kann. Und Sartre analysiert dann gut, als Phänomenologe, was passiert da, wenn man gesehen wird und sieht. Und von daher entwickelt er, was er nennt Masochismus, Sadismus als mögliche Haltung. Ich kann, wenn ich den anderen sehe, versuchen, ihm meinen Blick aufzuzwingen, das heißt ihn zum Objekt zu machen. Das wäre die Haltung des Sadisten. Wenn der andere das akzeptiert, sich meinem Blick beugt und sich zu dem macht, als der ich ihn sehe, dann ist das eine masochistische Haltung. Dann macht er sich zu meinem Objekt. Erzähler: Der Andere, so Sartre, vermag es, mir die Welt zu stehlen. Durch seinen Blick erfahre ich, dass er keineswegs ein Ding unter vielen ist, das sich artig meinem hungrigen Bewusstsein überlässt. Über seine Augen begegnet mir der andere als Subjekt, das sich die Welt, und mich, als einen Teil dieser Welt, auf seine Weise vorstellt. Dabei mache ich die unangenehme Erfahrung, vom Blick des anderen fixiert zu werden. Der andere macht mich zu dem, was ich aus eigener Kraft niemals sein kann; er verdinglicht mich, zwingt mir seinen Blick auf, nimmt mir meine Freiheit, meine Möglichkeiten. Ich kann nicht anders, als mich in eben jener Form zu erkennen, in der ich meine, vom anderen erkannt zu werden. So mache ich die schreckliche Erfahrung, nichts anderes zu sein als das, was ich für andere darstelle. Der Mitmensch sieht mich von außen, spiegelt mir ein Sein, das mir selbst laufend entgeht. Sartre: Nehmen wir an, ich sei aus Eifersucht, aus Neugier, aus Verdorbenheit so weit gekommen, mein Ohr an eine Tür zu legen, durch ein Schlüsselloch zu gucken. Jetzt habe ich Schritte im Flur gehört: man sieht mich. […] Es genügt, dass der andere mich ansieht, damit ich das bin, was ich bin. Für den anderen sitze ich, wie dieses Tintenfass auf dem Tisch steht; für den anderen bin ich über das Schlüsselloch gebeugt, wie dieser Baum vom Wind gebeugt ist. Wenn es einen anderen gibt, wer er auch sei, wo er auch sei, was immer seine Bezüge zu mir sein mögen, auch wenn er auf mich nicht anders als durch das bloße Auftauchen seines Seins einwirkt, ich habe ein Außen, ich bin eine Natur; mein Sündenfall ist die Existenz des anderen. Erzähler: Die Unmöglichkeit, dem Auge des anderen zu entfliehen, hatte Sartre in seinem Stück „Geschlossene Gesellschaft“, das 1944 im befreiten Paris uraufgeführt wurde, auf eine knappe Formel gebracht. Drei Personen sind zusammen in ein Zimmer gesperrt und den Blicken der Mitverdammten für alle Ewigkeit ausgeliefert. „Die Hölle“, heißt es dort, „ das sind die anderen“. Auf eben diese anderen aber, die fähig sind, unsere Hölle zu sein, sind wir gleichzeitig angewiesen, wenn wir uns ein Bild von uns selbst machen wollen. So spult sich das Leben als ein permanenter Kampf um Anerkennung ab. Was wir nämlich fürchten, sind die hässlichen Bilder, unsere eigenen Fratzen und Grimassen; so rücken wir uns stets ins beste Licht, zeigen uns nur so, wie wir gesehen werden wollen. Auch das Phänomen der Liebe liest Sartre vor diesem Hintergrund. Liebe ist für den Philosophen vor allem das Bedürfnis geliebt zu werden; die Suche nach einer fundamentalen Rechtfertigung des eigenen Lebens durch den anderen. Mit Blick auf seine eigenen Liebschaften schreibt Sartre in sein Tagebuch: Sartre: Was mich am häufigsten in eine Geschichte hineinzog, war das Bedürfnis, einem Bewusstsein nach Art eines Kunstwerks „notwendig“ zu erscheinen. Erzähler: Der Liebende, so Sartre, inszeniert sich als bezauberndes Objekt, versucht sein Gegenüber durch Betörung zu zwingen, sich freiwillig in Ketten zu legen. Paradoxerweise will er die Freiheit des anderen als Freiheit besitzen. Wenn er sein Ziel jedoch erreicht hat, und der andere ihm das Bildnis seiner Wahl spiegelt, hat dieser seine Freiheit eingebüßt. Die Anerkennung verliert nach Sartre ihren Reiz, weil der Verführer spürt, dass der liebestolle andere ihm erlegen ist. Die Kontingenz kommt wieder zum Vorschein. Der Versuch, sein flüssiges Dasein bei einem anderen Menschen in Sicherheit zu bringen, schlägt immer wieder fehl. So klingt Sartres Fazit der zwischenmenschlichen Beziehung zumindest im Jahr 1942 noch einigermaßen ernüchternd. Sartre: Der Konflikt ist der ursprüngliche Sinn des Für-Andere-Seins. Erzähler: Ein Denken, das den anderen zur Hölle erklärt, und außerdem von radikaler Freiheit ausgeht, hat es nicht leicht, eine Ethik zu begründen. Erst übers Politische wird Sartre philosophisch zum Wir finden. Auch Camusʼ Philosophie des Absurden stieß auf moralische Schwierigkeiten. Wenn es keine Wahrheit gab, schien mit den Worten von Dostojewskis Iwan Karamasow wirklich alles erlaubt zu sein. Das Problem bestand darin, dass eben nicht bloß die Flucht vor der Freiheit, sondern auch die Freiheit selbst, die Möglichkeit zu grausamen Handlungen eröffnet. Sartre sah die Gefahr und entwarf im Humanismustext eine existenzialistische Moral. Mit dem Ergebnis unzufrieden, verlagerte er sich aufs Feld politischer Dogmatik und wandte sich den Kommunisten zu. Auch Camus bemerkte, dass die stolze Ergebenheit ins Schicksal ihn keineswegs voranbrachte, ja im Kampf gegen die Nazis eher hinderlich war. Auch er verschob seine Revolte ins Politische und kämpfte gegen alle Formen totalitärer Herrschaft, die die Freiheit des Einzelnen zuschanden machen. In der Dritten Stunde der Langen Nacht wird Camus Sartres Parteinahme für Moskau aufs Schärfste kritisieren, ihre Beziehung wird daran in die Brüche gehen. Revoltiert wird nun nicht mehr gegen das Leben selbst, sondern gegen alle Varianten menschengemachten Unrechts, von dem eben dieses Leben sich bedroht sieht. Weil sich dem moralischen Dilemma des absurden Denkens philosophisch nicht beikommen lässt, stützt sich Camus mit dem menschlichen Anstand auf ein intuitives Konzept. In seinem Roman „Der Fremde“ aber hatte die Hauptfigur Meursault, die im Handeln, Denken und Fühlen außerhalb des Rahmens der Gesellschaft steht, noch einen Mord begangen und war dabei vollkommen unschuldig geblieben. Musik 3. Stunde Musikakzent Erzähler: An einem Strandtag unweit von Algier wird der Angestellte Meursault aus heiterem Himmel zum Mörder. Wegen weiter nichts als der Sonne, deren Strahlen, von einer Messerklinge reflektiert, ihn geblendet haben. Albert Camusʼ absurder Held ist der Antipode der Chefs und Bürger, die Sartre so verabscheut, weil sie ihre kleine Welt als notwendig ausgeben. „Der Fremde“ lehnt ab, im Zirkus der Gesellschaft seine Rolle zu spielen. Er heuchelt nicht vor, seine Funktionen zu sein. Bei der Beerdigung seiner Mutter kommen ihm keine Tränen, er verhält sich nicht, wie ein Sohn sich zu verhalten hätte. Die Ehe bedeutet ihm nichts, für seinen Mord wird er keinen Grund angeben. In Camus‘ Roman „Der Fremde“ hat der Ich-Erzähler deshalb die Aura eines Außerirdischen, weil er der Verhaltensgrammatik, dem Esprit Sérieux der Bürgerwelt nicht folgen mag. Zum Ende der Geschichte wird Meursault zum Tode verurteilt. Die Guillotine aber erwartet ihn nicht deshalb, weil er einen namenlosen Araber erschossen hat, der im französischen Kolonialsystem ohnehin nicht viel zählt, sondern weil die Tat keinen Sinn zu haben scheint. Da sich der Fremde abseits der bürgerlichen Ordnung befindet, sich deren Regeln vollständig verweigert, plädiert er nicht auf Notwehr, verlangt keine Absolution. Seinem eigenen Leben gemäß, ist er unschuldig im Sinne der Anklage. Der Subtext der Geschichte ist augenfällig: Wer sein Dasein im Zeichen des Absurden lebt, ist vom Moralischen nicht zu belangen. Camus: Ich fühlte nur noch die Beckenschläge der Sonne auf meiner Stirn und, undeutlich, das aus dem Meer hervorgeschossene glänzende Schwert, das immer noch vor mir war. Diese glühende Klinge zerfraß meine Wimpern und wühlte in meinen schmerzenden Augen. Und da hat alles gewankt. Das Meer hat einen zähen, glühenden Brodem verbreitet. Es ist mir vorgekommen, als öffnete sich der Himmel in seiner ganzen Breite, um Feuer herabregnen zu lassen. Mein ganzes Sein hat sich angespannt, und ich habe die Hand um den Revolver geklammert. Der Abzug hat nachgegeben, ich habe die glatte Einbuchtung des Griffes berührt, und da, in dem zugleich harten und betäubenden Knall hat alles angefangen. Ich habe den Schweiß und die Sonne abgeschüttelt. Mir wurde klar, dass ich das Gleichgewicht des Tages zerstört hatte, die außergewöhnliche Stille eines Strandes, an dem ich glücklich gewesen war. Da habe ich noch viermal auf einen leblosen Körper geschossen, in den die Kugeln eindrangen, ohne dass man es ihm ansah. Und es war wie vier kurze Schläge, mit denen ich an das Tor des Unglücks hämmerte. Erzähler: Während des Zweiten Weltkriegs wird Camus sein philosophischer Immoralismus zusehends suspekt. Was aus Deutschland kommt, ist Mitte der 40er Jahre ohnehin verdächtig, auch der Meister aus Deutschland hat seinen Nietzsche gelesen. Camus‘ Satz, es gebe kein Schicksal, das sich durch Trotz nicht ertragen lasse, scheint vor dem Hintergrund der nationalsozialistischen Gräueltaten, die falsche Maxime zu sein. Die Gleichgültigkeit der Welt hat nichts Zärtliches an sich, die Konzentrationslager haben Sisyphos unmöglich gemacht. Camus, der nach dem Abzug der Deutschen weiter als Chefredakteur der nunmehr legalen Résistance-Zeitung Combat einen Leitartikel nach dem anderen schreibt, verliert über Auschwitz kein Wort. Dennoch: sein Denken nimmt im Verlauf des Krieges eine neue Richtung. Der einsame Aufstand gegen das Absurde wird zur gemeinschaftlichen Revolte gegen jedes menschliche Unrecht. Die Autorin und Camus-Expertin Iris Radisch erklärt: Iris Radisch (T.008, 03:39 – 05:16): Der Zweite Weltkrieg war ein Schock, insofern er spürte, dass mit diesem Bestehen auf der Gleichgültigkeit auf dem Fatalismus – das ist ja die Lehre des Sisyphos: wir müssen unseren Stein immer wieder den Berg hochrollen, wir können davon nicht erlöst werden. Ja das einzige Heilmittel besteht eigentlich nur darin, in das einzuwilligen, was man nicht ändern kann. Das ist die Stärke, die man haben kann. Und da ist der Zweite Weltkrieg eigentlich ein Gradmesser, wo er spürt, damit kommt er nicht weiter. Man kann ja zum Beispiel in den Nationalsozialismus nicht einwilligen, nur weil man ihn nicht ändern kann. Das ist unmöglich. Und da entwickelt sich eben seine sogenannte zweite Werkphase, die Zeit der Revolte. Das ist die Inkubationszeit der Pest. Und das ist auch die Zeit, in der er seinen größten philosophischen Essay „Der Mensch in der Revolte“ schreibt. Das wäre sicherlich ohne den Zweiten Weltkrieg nicht so heftig und so schnell vonstattengegangen. Und natürlich ist die Pest ja auch immer, und auch zu Recht, gelesen worden, als eine Allegorie auf die Okkupationszeit und auf die Widerstandskämpfer, die auch in aussichtsloser Lage – also die Pest ist zunächst mal nicht zu bekämpfen, die Stadt ist geschlossen – in aussichtsloser Lage weiter gegen das Übel, gegen den Bazillus kämpfen. Das ist eine Zweite-Weltkriegs-Phantasie, die er da hat. Camus: So wehrten sich die Gefangenen der Pest Woche um Woche so gut sie konnten. Und einige unter ihnen, wie Rambert, schafften es offensichtlich sogar, sich einzureden, dass sie noch als freie Menschen handelten, dass sie noch wählen könnten. Tatsächlich aber konnte man zu jenem Zeitpunkt, Mitte August, sagen, dass sich die Pest über alles gelegt hatte. Es gab damals keine individuellen Schicksale mehr, sondern eine kollektive Geschichte, nämlich die Pest und von allen geteilte Gefühle. Am stärksten waren das des Getrenntseins und des Exils, mit allem was dies an Angst und Auflehnung mit sich brachte. Erzähler: Als seine Frau endlich nach Paris kommt, und im September 1945 seine Kinder Jean und Catherine zur Welt kommen, zählt Camus zu den bekanntesten Intellektuellen der französischsprachigen Gegenwart. Seine Essays und Romane haben Kultstatus, er ist Chefredakteur der integersten Widerstandszeitung des Landes, in deren Räumen man nach Redaktionsschluss bei Drinks und Zigaretten verweilt und noch immer von der neugewonnenen Freiheit zehrt. Zwar stellt der Combat 1947 die Arbeit ein, weil er keine politische Linie findet. Doch im selben Jahr erscheint endlich der Roman „Die Pest“, an dem Camus lange fieberhaft gearbeitet hat. Das Buch über einen Ausbruch der Seuche im algerischen Oran trifft den Nerv der Nachkriegsjahre, die nicht nur durch die Stimmung des Aufbruchs, sondern auch durch Schuld und Verdrängung geprägt sind. Mithilfe des Buchs kann man den Heldenmut der Résistance feiern und die Kollaboration vergessen machen. Camus weiß, dass die Verbindung aus stolzem Fatalismus und moralischer Revolte philosophisch eher brüchig ist. Das eine lässt sich aus dem anderen nicht ableiten. Und doch: sowohl den Trotz des Absurden als auch den Aufstand gegen Unrecht und Unterdrückung hält er, wie trübe die Aussichten auch sein mögen, für unbedingt geboten. Was den alten Camus mit dem neuen verbindet, ist sein Glaube, dass der Kampf gegen Windmühlen ein Menschenherz ausfüllt. Seine mediterrane Kritik zielt noch immer auf die Praxis des Aufschiebens. Gegen christliches Heilsversprechen und abendländisches Fortschrittsdenken hatte Sisyphos die Freuden des Augenblicks gefeiert. Die Camussche Moral zielt ebenfalls auf die Gegenwart. Auf keinen Fall soll die Menschlichkeit heute für irgendeine Utopie geopfert werden. So lernt Camus vor allem den Kommunismus hassen, der ein finales Ziel der Geschichte predigt, und die Gewalt als legitimes Mittel zur Erfüllung eines höheren Zwecks erachtet. Die mangelnde Kohärenz im Philosophischen bereitet Camus kein Kopfzerbrechen: Es braucht gar keine logischen Begründungsketten, um den Widerstand ins Recht zu setzen. Das Maß der Revolte leuchtet unmittelbar ein. Iris Radisch (T.011, 18:26 – 19:07): Das ist das Leid des Menschen. Das ist ganz klar. Er hat immer gesagt, es gibt keine einzige Idee, die ein Menschenleben wert ist. Er war ganz strikt gegen die Todesstrafe. Selbst politische Gegner wollte er begnadigen lassen. Übrigens anders als Sartre und Beauvoir, die das nicht wollten, die in gewissen Fällen politische Gegner durchaus auch mit der Todesstrafe belegen wollten. Da war Camus immer dagegen. Es ist das menschliche Leben an und für sich, es ist das menschliche Leid, wo die Grenze liegt, das muss geschützt werden. Musik Erzähler: Genau wie Albert Camus sind Sartre und Simone de Beauvoir in den frühen Nachkriegsjahren, in denen alle drei wie Rockstars verehrt werden, auf der Suche nach Orientierung. Es herrscht ein Gefühl der Tabula Rasa, Ungewissheit darüber, wie Frankreich und die Welt sich entwickeln werden. Kulturell ist man bei Jazz und amerikanischer Literatur, politisch ist noch manches in Bewegung. Natürlich ist klar, dass es nach links gehen muss; wie weit aber, ist noch nicht ausgemacht. Die Bourgeoise ist Sartre von jeher verhasst; mit der Kollaboration, meint er, hat sie ihren moralischen Bankrott nun endgültig besiegelt. Von 1952 bis 1956 wird Sartre sich den Kommunisten anschließen. In den späten 40er Jahren laboriert er noch an einem Mittelweg, während sich die Fronten des Kalten Krieges zunehmend verhärten. Der Sartre-Spezialist Vincent von Wroblewsky erklärt: Vincent von Wroblewsky (T1, 36:10 – 38:20): Sartre […] sucht […] Partner, die in der Lage sind, diese Welt zu ändern, andere geschichtliche, politische Verhältnisse zu schaffen. Es sind bedingt für ihn die Kommunisten…aber ihm ist klar, sie sind, wenn man mit der Arbeiterklasse zusammengehen will, die entscheidende Kraft, die dazwischen steht. Man kann sie nicht umgehen, das wird ihm klar. Und es gibt verschiedene Erfahrungen, die er dann macht nach dem Krieg. 1948 ist ein wichtiger Moment, als eine politische Bewegung entsteht, die keine Partei sein will: Rassemblement démocratique révolutionnaire. Und da sind die beiden Elemente gegeben, die für ihn entscheidend sind: revolutionär und demokratisch. Und deshalb auch seine Distance zu den Kommunisten, die sind nicht demokratisch. Die sind zwar revolutionär vielleicht, aber nicht demokratisch. Und für Sartre ist das mit seiner Freiheitskonzeption nicht vereinbar. Erzähler: Doch Sartre muss erkennen, dass ein dritter Weg nicht machbar ist. Das Rassemblement démocratique révolutionnaire wird zwischen den Blöcken aufgerieben und verschwindet schon bald in der Versenkung. Sartre radikalisiert sich mehr und mehr. 1948 hat der Vatikan seine Schriften indiziert. Der Mann, der die totale Freiheit predigt, gottlos in wilder Ehe lebt und ohne jede Heimlichtuerei diverse Liebschaften gleichzeitig pflegt, gilt der Kirche als Teufelsbrut. Dabei hält nicht bloß das katholische Establishment Sartres Anarchismus für gefährlich. Auch die Kommunisten schießen scharf gegen den Existenzialismus, mit dessen Freiheitskonzeption sie nichts anzufangen wissen. Trotz des wechselseitigen Misstrauens schlägt Sartre sich 1952, nach einer Verleumdungskampagne gegen den Vorsitzenden der Kommunistischen Partei Frankreichs, vorerst auf deren Seite. Er engagiert sich zunehmend lauter, schreibt politische Texte wie am Fließband. Die Droge Corydran gibt den Rhythmus vor und garantiert seiner Produktion ein unvergleichliches Pensum. In der von ihm, Merleau-Ponty und anderen gegründeten Zeitschrift, den Temps Modernes, erscheinen Apologien des Sowjetkommunismus. Sartres kommunistische Kehre, die bis zum sowjetischen Einmarsch in Ungarn 1956 anhalten wird, ist vollzogen. Ohnehin ist sein Denken, ist seine Freiheitskonzeption in radikalem Wandel begriffen. Sartre hat erkannt, dass sich das menschliche Bewusstsein zwar andere Welten vorstellen kann und somit theoretisch frei ist, dass die empirischen Tatsachen die Freiheit aber deutlich strenger limitierten, als er angenommen hatte. Dass das Bewusstsein eine Praxis der Negation darstellt, einen Modus ständiger Überschreitung, der gewaltige schöpferische Möglichkeiten birgt, heiß nicht, dass ein Mensch auch wirklich der alleinige Herr seines Schicksals ist. Sartres Existenzialismus hatte die Struktur des Bewusstseins beschrieben, die menschliche Subjektivität. Auch wenn der Begriff der Situation, der in „Das Sein und das Nichts“ bereits vorkam, historischen Tatsachen Rechnung trug – es war eine ontologische Freiheit, die Sartre entdeckt hatte, keine politische. Frei war der Mensch, insofern er kein Wesen hatte, nicht mehr war als sein Leben selbst. Unfrei aber war er, ob der Macht des Kapitals und durch die Herrschaft der Bourgeoise. Die Arbeiter, erkennt Sartre, spielen nicht Arbeiter-Sein, um ihre Freiheit zu verleugnen, sie haben schlicht keine Wahl. Auch philosophisch gliedert der Existenzialismus sich nun dem marxistischen Denken ein. Sartre: Das entscheidende Problem ist mein Verhältnis zum Marxismus. Auf eine einfache Formel gebracht könnte man sagen, das Leben hat mich „die Macht der Dinge“ gelehrt. Eigentlich hätte schon mit Das Sein und das Nichts die Entdeckung dieser Macht der Dinge beginnen müssen, denn ich war schon damals gegen meinen Willen Soldat geworden. Ich war also schon auf etwas gestoßen, was mich von außen steuerte, etwas, das nichts mit meiner Freiheit zu tun hatte. Dann wurde mir nach und nach klar, dass die Welt noch komplizierter ist. Ich glaube, dass meine Theaterstücke für meine damalige Einstellung symptomatisch sind. Als ich unlängst mein Vorwort zu einer Ausgabe dieser Stücke las, war ich geradezu entsetzt. Ich hatte geschrieben: „Gleich, unter welchen Umständen, in welcher Lage: der Mensch ist stets frei, zu wählen, ob er ein Verräter sein will oder nicht…“ Als ich das las, habe ich mir gesagt: „Unfassbar, dass ich das wirklich geglaubt habe.“ Musik Erzähler: Anfang der 50er Jahre kommt es in Paris zum Krieg der Sterne. 1951 erscheint Camus‘ Essay „Der Mensch in der Revolte“, der zusammen mit dem Theaterstück „Das Missverständnis“ die zweite Werkphase beschließt. Schon im Combat hatte Camus gegen die dogmatischen Glaubenssätze der Kommunisten für einen chaotischen Sozialismus plädiert. Nun erklärt er die punktuelle und unabgeschlossene Revolte zum Gegenbild einer totalitären und endgültigen Revolution. Der Eklat ist programmiert: „Der Mensch in der Revolte“ ist gleichsam die Sollbruchstelle mit jener Szene, in der Camus sich bis zuletzt und trotz aller Erfolge wie der Fremde fühlt. Schon länger hat es zwischen ihm und der Bohème von Saint Germain diverse Spannungen gegeben; unter anderem hat er Simone de Beauvoir bezichtigt, den französischen Mann in ihrem Werk „Das andere Geschlecht“ verunglimpft zu haben. Selbst Handgreiflichkeiten sind bei hohem Weinpegel nicht ausgeblieben. Bei einem Essen hat Camus den fünf Jahre älteren Maurice Merleau-Ponty verbal attackiert. Der hatte in den ersten Nachkriegsjahren, früher als Sartre, eine streng kommunistische Linie vertreten, später aber, während des Korea-Krieges vom Kommunismus Abstand genommen und sich ebenfalls mit Sartre überworfen. Sartre: An einem Abend bei Boris Vian fiel Camus über Merleau her und warf ihm vor, er rechtfertige die Prozesse. Es war peinlich: Ich sehe sie noch vor mir, Camus empört, Merleau-Ponty heftig und bestimmt, ein wenig bleich, der eine gestatte, der andere versagte sich den Aufwand an Heftigkeit. Plötzlich wandte sich Camus ab und ging. Ich lief ihm nach begleitet von Jaques Bost, wir holten ihn auf der menschenleeren Straße ein; ich versuchte ihm schlecht und recht, den Gedankengang Merleaus zu erklären, wozu dieser sich nicht herabgelassen hatte. Mit dem einzigen Ergebnis, dass wir im Streit schieden; es bedurfte mehr als sechs Monate und des Zufalls einer Begegnung, damit wir uns wieder näherkamen. Diese Erinnerung ist mir nicht angenehm, wie dumm meine guten Dienste anzubieten! Es ist wahr: ich stand rechts von Merleau, links von Camus: welcher schwarze Humor gab mir ein, zwischen zwei Freunden den Vermittler zu spielen, die mir wenig später einer nach dem anderen meine Freundschaft für die Kommunisten vorwerfen sollten und die beide unversöhnt gestorben sind? Erzähler: Camus Revolte-Essay ist über weite Strecken eine Abrechnung mit dem Kommunismus und dessen geistiger Grundlage, der hegelianischen Geschichtsphilosophie. Für Hegel und in veränderter Form für Karl Marx, ist die Geschichte ein Prozess dialektischer Entwicklung. Der Geschichte wohnt demnach eine Logik inne. Über mehrere, einander aufhebende Stadien schreitet die Historie zu ihrer eigenen Vollendung voran. Für den Marxismus nun besteht das Ziel der Geschichte im sicheren Triumph der klassenlosen Gesellschaft; und mit Blick auf dieses Telos, so beobachtet Camus, ist den Revolutionsverfechtern jedes Mittel Recht. Camus aber ist der festen Überzeugung: kein noch so hehrer Zweck heiligt unlautere Mittel. Unter gar keinen Umständen dürfen Mensch und Moral auf dem Altar der Geschichte geopfert werden. Wer sich an der Gegenwart versündigt, mit Blick auf eine Zukunft, von der er gar nichts weiß, ist einem metaphysischen Hirngespinst erlegen. Das Fortschrittsdenken des Abendlandes, die Überbietungslogik, die dem Christentum genauso inne wohnt, wie den konkurrierenden Großideologien Kapitalismus und Kommunismus, hält Camus für einen völligen Irrweg. Das mittelmeerische Denken Camusʼ zielt auf Fortschritts- und Wachstumskritik und greift damit heutigen Sozialphilosophen voraus, die den Beschleunigungszwang der Gegenwart zur Ursache von Entfremdung erklären. Für den Soziologen Harmut Rosa zum Beispiel sind es die Imperative der Steigerung, die dem spätmodernen Leben seinen Reichtum nehmen. Durch den permanenten Optimierungsdruck und den rasenden Stillstand, sind die Subjekte kaum mehr in der Lage, ein wirkliches Verhältnis zur Welt aufzubauen. Camus hingegen hat sich dem Moment verschrieben, den Freuden und Leiden des Augenblicks. Leben und Sterben, so die Maxime des Sonnendenkens, sind grundsätzlich jetzt. Gesellschaften, die ihr Heute durch ihr Morgen überbieten müssen, sind unglücklich und neigen zu Gewalt. Anders nun, als die Revolution, strebt die Revolte nicht nach einem Ende der Geschichte. Sie ist unmittelbare Reaktion auf unleugbares Unrecht, das, solange es Menschen gibt, in jeder Gesellschaft vorkommen kann. Die Revolte ist ein zyklischer Widerstandskampf, eine Sisyphosarbeit. Und nicht zuletzt, so Camus, muss man auch gegen die Revolution revoltieren, die, auf totalitären Pfaden wandelnd, den Menschen für die Zukunft zuschanden macht. Die Geschichtsphilosophie, so Camus, führt von Hegel über Marx zu Stalin und somit in die Hölle der Gulags. Camus: Sobald die Logik der Geschichte völlig hingenommen wird, führt sie entgegen ihrer höchsten Leidenschaft nach und nach dazu, den Menschen zu verstümmeln und sich selbst in objektives Verbrechen zu verwandeln. Es ist nicht richtig, die Ziele des Faschismus und des russischen Kommunismus einander gleichzusetzen. Ersterer stellt die Verherrlichung des Henkers durch den Henker dar. Letzterer die viel dramatischere Verherrlichung des Henkers durch die Opfer. Der erstere hat nie davon geträumt, den ganzen Menschen zu befreien, sondern nur davon, einige zu befreien durch die Unterjochung der andern. Der Letztere strebt in seinem tiefsten Prinzip danach, alle Menschen zu befreien, indem er sie alle vorübergehend knechtet. Die Revolte ist die Weigerung des Menschen als Ding behandelt und auf die bloße Geschichte zurückgeführt zu werden. Sie ist die Bekräftigung einer allen Menschen gemeinsamen Natur, die sich der Welt der Macht entzieht. […] Im Jahr 1950 und bis auf weiteres hängt das Schicksal der Welt nicht, wie es den Anschein hat, vom Kampf zwischen der bürgerlichen und der revolutionären Revolution ab: beider Ziele werden die gleichen sein. Dieser spielt sich vielmehr zwischen den Kräften der Revolte und denen der cäsarischen Revolution ab. Die triumphierende Revolution muss mit ihrer Polizei, ihren Prozessen und ihren Exkommunikationen beweisen, dass es keine menschliche Natur gibt. Die gedemütigte Revolte muss durch ihre Widersprüche, ihre Leiden, ihre wiederholten Niederlagen und ihren unablässigen Stolz dieser Natur ihren Gehalt von Schmerz und Hoffnung geben. Iris Radisch (T.011, 20:42– 22:20): Sartre und Merleau-Ponty haben in dieser ersten Nachkriegszeit haben sie eine Moskauer Linie vertreten, das kann man nicht anders sagen. Sie wussten von den Schauprozessen. Sie wussten selbstverständlich von den Lagern und haben das aber hingenommen und haben nicht revoltiert, haben es hingenommen für diese teleologische Idee einer zukünftig befreiten Menschheit. Und das ist ja sehr weit gegangen, Sartre ist nach Moskau gefahren und hat sich das alles angesehen. Und hat hinterher in der Libération Interviews gegeben, wo er von den zufriedenen Sowjet-Bürgern, von den wunderbaren Lebensbedingungen in Moskau geschwärmt hat. Das sind natürlich Dinge, die Camus nie hinnehmen konnte. Camus war immer schon auf der Seite Gides nach seiner Wiederkehr aus der Sowjetunion. Er wusste um die Lager und da gab es für ihn überhaupt keine Möglichkeit da ein Pardon zu geben. Und der Mensch in der Revolte ist ja auch über weite Strecken ganz offensiv gegen Sartres Kommunismus geschrieben. Und das hat der natürlich auch verstanden und das hat ja dann auch dazu geführt, dass dieses Buch von seinem Mitarbeiter Jeanson in Grund und Boden verrissen wurde und Camus lächerlich gemacht wurde vor der Pariser Intelligenzija. Vincent von Wroblewsky (T1, 01:20:09 – 01:21:01): Es gehört zu den vielen Legenden und Mythen, auch vor allem im Zusammenhang mit dem Streit mit Camus, dass Sartre ein moskautreuer Kommunist, oder Anhänger der Kommunisten gewesen sei. Das…war er nie, kann man, glaube ich, guten…guten Gewissens sagen. Er war zwischen ´52 und ´56 was man einen Weggefährten genannt hat. […] Aber das hindert ihn nicht, kritisch zu bleiben, und zum Beispiel, in der Auseinandersetzung mit Camus zu betonen: Camus du lehrst uns nichts Neues, wenn du über die Lager in der Sowjetunion sprichst. Darüber haben die Temps Modernes ab ´45 geschrieben. Und wir wissen es und wir verurteilen das. Das ist nicht das Problem. Das Problem ist, ob man das zur Rechtfertigung macht, um die Politik des Westens gutzuheißen und diese zu unterstützen. Und das ist gefährlich in dieser heutigen Situation. Das ist sein Problem. Und ´56 ist sein Bruch dann mit den Kommunisten mit den Ereignissen in Ungarn mit dem Einmarsch in Budapest ganz klar. Und er schreibt einen Aufsatz „Das Gespenst Stalins“, wo er sich ganz deutlich davon distanziert. Also von moskautreu zu sprechen, ist schwierig. Und wenn man es vergleicht mit anderen Intellektuellen der Zeit,[…] dann ist da der Unterschied sehr deutlich. Erzähler: Die Redaktion der Temps Modernes ist von Camusʼ Essay entsetzt. Von den mehr oder weniger direkten Angriffen auf Sartre und die Seinen einmal abgesehen, ist man überzeugt, dass Camus die Seiten gewechselt und die Arbeiterklasse in einem entscheidenden Geschichtsstadium verraten hat. Trotzdem zögert Sartre zunächst, selbst einen Verriss zu schreiben. Vielleicht aus Respekt vor der gemeinsamen Zeit, schickt er einen jüngeren Kollegen vor, der das Buch in den Temps Modernes auseinandernimmt. Francis Jeanson liest den Essay als Verteidigung des Kapitalismus und stempelt Camus zum Handlanger der Rechten. Der wiederum fühlt sich ungerecht behandelt und reagiert mit einem seitenlangen Schreiben. Er adressiert jedoch nicht seinen Kritiker Jeanson, sondern „den Herausgeber der Temps Modernes“, also Sartre, den er konsequent mit diesem Titel anspricht, als wären sie niemals Freunde gewesen. Was dann geschieht, kommt einer Hinrichtung gleich. In seiner „Antwort an Albert Camus“ macht Jean-Paul Sartre kurzen Prozess. Schon in der Rezension des Fremden und des Sisyphos von 1942 hatte er die Frage aufgeworfen, ob Camus die Philosophen, die er zitiere, auch wirklich gelesen und verstanden habe. Nun, zehn Jahre später, schmäht der Eliteabsolvent der Ecole Normale Supérieure den Dilettantismus des algerischen Aufsteigers und dessen philosophisches Flickwerk. Der Mandarin von Paris spielt seine intellektuellen Vorteile aus und setzt den ehemaligen Freund mit einer Serie von Tiefschlägen K.O. Sartre: Mein lieber Camus! Unsere Freundschaft war nicht einfach, aber es wird mir leid um sie sein. Wenn Sie sie heute brechen, dann deshalb, weil es zum Bruch kommen musste. Vieles verband uns, wenig trennte uns. Aber selbst dieses Wenige war noch zu viel. […] Ein Gemisch aus unbewusster Selbstgefälligkeit und Verwundbarkeit in ihrem Wesen hat mich bisher stets davon abgehalten, ihnen reinen Wein einzuschenken. Das Ergebnis ist, dass sie einer dumpfen Maßlosigkeit zum Opfer gefallen sind, die ihre inneren Schwierigkeiten verhüllt und die sie, glaube ich, das mittelmeerische Maß nennen. Und wenn Sie sich nun geirrt hätten? Wenn ihr Buch lediglich ein Zeugnis philosophischen Unvermögens wäre? Wenn nur oberflächliches, aus zweiter Hand zusammengekratztes Wissen dahintersteckte? Wenn es einzig dazu diente, den Privilegierten zu einem guten Gewissen zu verhelfen? Und wenn Sie gar nicht so ganz logisch dächten? Wenn Ihre Gedanken unbestimmt und banal wären? Wenn Jeanson ganz einfach das Dürftige daran aufgefallen wäre? Wenn er, weit davon entfernt, Ihre strahlenden Beweise zu verdunkeln, gezwungen gewesen wäre, Laternen anzuzünden, um wenigstens die Umrisse schwacher, dunkler und verworrener Ideen auszumachen? Ich sage nicht, dass dem so ist, aber konnten Sie sich nicht einen Augenblick vorstellen, dass dem so sein könnte? Iris Radisch (T.011, 25:07 – 29:06): Naja, sie finden das vor allen Dingen erstmal lächerlich. Also da gibt’s ganz viele Ebenen. Einmal finden sie Camus ungebildet. Also seine Mühen, die er da hat, Hegel zu widerlegen, seine Mühen, die er da hat, Marx zu widerlegen. Das muss man schon auch ein bisschen eingestehen, das ist auch angelesen. Er ist da auch so `n bisschen der Klassenprimus, der es jetzt mal allen zeigen möchte, dass er auch eine Hegel-Diskussion führen kann. Und selbstverständlich haben diese geschliffenen Geister der École Normale Supérieure wie Sartre und Merleau-Ponty darüber nur ein müdes Lächeln haben können, wie der arme Camus sich da abmüht. Dafür war er nicht geschaffen und ich weiß auch nicht, ob er sich das wirklich hätte antun müssen. Da war er der ewige Schüler, man musste noch einen Aufsatz schreiben. Also da ist er auch ein bisschen in die Falle seines Ehrgeizes gegangen. Mit anderen Worten: nicht überall hatten die Unrecht. Dann hatten die natürlich trotzdem ganz extremes Unecht an den Stellen, wo sie sich selbst schützen wollten und ihre eigenen moralischen Verwerflichkeiten und Inkonsequenzen einfach nicht so benannt wissen wollten. Da war das natürlich auch ein ganz schrecklicher Männerkampf, zwischen Männern, die Recht behalten wollten und die ihr Weltbild verteidigt haben. Also da kam ´ne Menge zusammen. Sicherlich auch persönliche Dinge. Also endlich mit diesem berühmten Camus auch mal aufräumen, der ja nun wirklich der Liebling war, also bei den Lesern, beim Publikum und natürlich der Liebling der Frauen war, also da kamen ´ne Menge Rivalitäten zusammen. Aber das Wichtigste war selbstverständlich die Auseinandersetzung damit, wie geht man zu Beginn der 50er Jahre mit dem Moskau-hörigen Marxismus um. Das war die große Frage: welchen Gesellschaftsentwurf haben wir, in diesem neu aufzubauenden Land? Und Camus hat sich ganz klar im „Mensch in der Revolte“ zur Sozialdemokratie bekannt, indem er also vor allem die skandinavischen Sozialdemokratien in den Mittelpunkt seiner Hoffnungen gestellt hat und sie ja fast dem mittelmeerischen Denken – und das war für den Mann des Südens schon eine ganze Menge – also er hat sie fast dem mittelmeerischen Denken schon an die Seite gestellt, die Skandinavier, die skandinavischen Sozialdemokratien. Weil eigentlich war ja das mittelmeerische Denken für ihn das A und O der Zukunftsutopie, also das Mittelmeerische, das konföderale Denken, das tolerante Denken, das Denken, das eben nicht nach Ideologien sondern nach einer Solidargemeinschaft suchte, also das war ja für ihn das Mittelmeer, das war es, was er wollte, das war sein politisches Modell, aber eben auch die Sozialdemokratie. Und zwischen diesen beiden Entwürfen, also einer marxistischen und einer gemäßigt-reformistisch-sozialdemokratischen, zwischen diesen beiden Flanken der Nachkriegszeit ging der Krieg zischen Sartre und Camus. Erzähler: Die „Antwort an Albert Camus“ zeichnet das Bild eines naiven Moralisten, der jenen, die die russischen Konzentrationslager in Anschlag bringen, um die Praktiken des Westens zu verharmlosen, willfährig in die Hände spielt. Sartres Polemik zufolge ist Camusʼ Kampf gegen Hitlerdeutschland dabei bloß ein Intermezzo gewesen: Ein dem Augenblick verhafteter Sonnenanbeter, so die Sartresche Erzählung, fasst sich ein Herz und springt in den Strom der Geschichte. Von den Wellen erschöpft, rettet sich der Kombattant nach Ende des Krieges in den sicheren Hafen einer Gegenwart, die durch alle Zeiten hindurch auf gleiche Weise absurd bleiben soll. Dorthin also, wo für Fortschritt, für eine Verbesserung der sozialen Lage kein Platz ist, und der Mensch, gebeutelt aber glücklich, gegen Windmühlen streitet. Camus, so Sartres Zerrbild, konzentriert sich auf den zeitlosen Kampf des Menschen gegen die Natur; ohne zu begreifen, dass dieser von einem ungleich Schlimmeren überlagert wird: dem Kampf, den Menschen gegen Menschen führen. Sartre: Leugnen sie es also nicht: Sie lehnten die Geschichte nicht etwa deshalb ab, weil sie unter ihr gelitten und im Schrecken ihr Antlitz entdeckt hätten. Sie taten es vielmehr vor jeder Erfahrung, weil für Sie der Wert des Menschen in seinem Kampf „gegen den Himmel“ lag. Im Krieg verschrieben Sie sich ganz und gar der Résistance. Dieser immer mühselige, oft einsame Kampf erschien notwendigerweise als eine Pflicht. Und Ihr erster Kontakt mit der Geschichte nahm für Sie die Gestalt eines Opfers an. Sie haben die Deutschen angeklagt, Sie Ihrem Kampf gegen den Himmel entfremdet und zur Teilnahme an den zeitgebundenen Kämpfen der Menschen gezwungen zu haben. […] Mitten im Frieden hatten sie schon einen überzeitlichen Kampf gegen die Ungerechtigkeit unseres Schicksals geführt, und nun verbündeten sich die Nazis in ihren Augen mit dieser Ungerechtigkeit. Als Helfershelfer der blinden Mächte des Universums trachteten sie danach, den Menschen zu vernichten. Sie Ihrerseits kämpften, um, wie Sie schrieben, „die Idee des Menschen zu retten“. Kurz, Sie dachten nicht daran, „Geschichte zu machen“, um mit Marx zu reden, sondern sie am Werden zu hindern. Beweis: nach dem Krieg hatten Sie einzig die Rückkehr zum Status quo im Auge. […] Ihre Persönlichkeit, einst wirklich und lebendig, solange sie aus den Ereignissen ihre Nahrung bezog, löst sich jetzt zu einer Fata Morgana auf; 1944 verkörperte sie die Zukunft, 1952 ist sie nur noch Vergangenheit. Iris Radisch (T.011 31:05 – 31:58): Also diese Attacke von Sartre, das war ja vor allen Dingen die Antwort, die er geschrieben hat auf den Brief den Camus auf den Verriss vom Sartre-Mitarbeiter Jeanson veröffentlicht hat. Also dann die Antwort von Sartre, die war einerseits brillant und die war…aber auch gemein und die war für Camus desaströs. Er hat sich davon nicht mehr erholt. Er ist lächerlich gemacht worden. Sartre stand als der glänzende Sieger da, der eben einen schlechten Schüler heruntergeputzt hat, einen Schüler, der eben seine Hausaufgaben nicht ordentlich erledigt hat, der zumal „Das Sein und das Nichts“, wie er ihm ja da unter die Nase rieb, nie richtig zu Ende gelesen hat und im Übrigen wahrscheinlich auch nie richtig verstanden hat, und so weiter. Also das war wirklich übel. Musik Erzähler: In seinen letzten Lebensjahren sehnt Camus sich immer mehr in die versunkene Welt seiner Kindheit zurück. Doch das Land, in dem er aufwuchs, droht zu verschwinden. 1954 bricht der Algerienkrieg aus, der bis 1962 andauert und das französische Kolonialregime zur Aufgabe zwingt. Der „pied noir“ Camus, angeschlagen vom jüngsten Streit mit Sartre, gerät abermals in die Schusslinie. Wieder sind es die Sartrianer, die seinen Standpunkt als hoffnungslos naiv und ewig gestrig erachten. Nach dem Einmarsch sowjetischer Truppen in Ungarn im Jahr 1956, hat Sartre mit Moskau gebrochen. Öffentlich verurteilt er den „roten Terror“ und erklärt den völligen Bankrott des Sowjet-Sozialismus. Der antikoloniale Kampf für ein autonomes Algerien wird zum zentralen Betätigungsfeld von Sartre und Beauvoir, die nach undogmatischeren Formen linken Widerstands suchen und über die Jahre ein wenig zur anarchistischen Freiheitsformel ihrer Frühzeit zurückfinden werden. Nun sind es Sartre und Beauvoir, die für die Revolte agitieren, während Camus verzweifelt zu vermitteln sucht und alle Parteien zur Mäßigung ermahnt. Sartre ist längst der „totale Intellektuelle“, der das Zeitgeschehen in Wort und Tat begleitet. Er ist an allen Fronten aktiv, ständig im Einsatz für die Geknechteten und Verdammten dieser Erde. Sein Wort hat enormes Gewicht, er ist eine beinahe unantastbare Institution; nicht erst im Mai 1968 gilt der Satz seines ewigen Widersachers Charles de Gaulle: „einen Voltaire verhaftet man nicht“. Für die Nationalisten ist er ein Hassobjekt; nicht von ungefähr verübt die extreme Rechte 1961 zwei Bombenanschläge auf seine Wohnung, die ihn sicher getötet hätten, wäre er zu Hause gewesen. Auf dem polarisierten Feld rund um den Algerienkrieg, versucht Camus nun seine Heimat zu retten. Auch er plädiert für die arabische Emanzipation. Ganz im Sinne seines Mittelmeer-Ethos schwebt ihm jedoch ein föderales Zusammenleben von Arabern und Franzosen vor. Albert Camusʼ politische Utopie ist die transnationale Union verschiedener Völker und Kulturen. Im Fall Algerien aber heißt das: Herren und Knechte, sollen sich auf Augenhöhe treffen und gleichberechtigt miteinander leben. Dass ein postkoloniales Algerien ohne französische Präsenz eine gute Option sein könnte, liegt für Camus jenseits des Vorstellbaren. Iris Radisch (T.013, 02:50 – 03:57) Aber da waren natürlich Leute wie Frantz Fanon und Sartre ganz anderer Ansicht, die eben die algerische Befreiungsfront vorbehaltlos unterstützt haben, ganz egal wie terroristisch sie war, wie viel sie gebombt hat und wie viele Menschenleben sie auf dem Kerbholz hatte. Das konnte Camus eben nicht. Da gab es ja dann diesen Spruch in Stockholm, der ihm so viel Ärger eingebracht hat, als er sagte, wenn ich mich entscheiden müsste zwischen der Gerechtigkeit und meiner Mutter, die ja damals in Algier lebte, muss man in Klammern sagen, würde ich mich für meine Mutter entscheiden. Und das ist ihm derartig um die Ohren gehauen worden. Auch davon hat er sich nicht mehr erholen können. Er war dann einfach unten durch als ein Kolonistensohn, der sich überhaupt nicht für die Belange der Araber interessiert und nur an seiner eigenen Familie und deren Schicksal interessiert ist. Erzähler: In der einschlägigen Szene ist Camus‘ Leumund abermals denkbar schlecht. Zwar hat er 1957, im Jahr nach Erscheinen seines Romans „Der Fall“, den Nobelpreis für Literatur erhalten und ist noch immer ein gefeierter Autor. Im Kontext der Verleihung ist es jedoch abseits des Protokolls zu jenem denkwürdigen Satz über die Mutter gekommen, der ihm schon wieder die Empörung der Bohème beschert hat. Camus wird von Depressionen geplagt. Den Ausweg aus der Pariser Tristesse verspricht ein Hauskauf im französischen Süden, in dem pittoresken Örtchen Loumarin. Seit Langem hat Camus seinen Freund, den Dichter René Char, den er für sein einfaches und zurückgezogenes Leben beneidet, nach einem Rückzugsort in der Provence suchen lassen. Nun, im Jahr 1958 bezieht er endlich sein Sonnendomizil. Hier möchte er die elementare, aufs Wesentliche reduzierte Welt seiner Kindheit wieder aufleben lassen und schreibt einen autobiographischen Roman. Das Manuskript des unfertigen Werks „Der erste Mensch“, das erst Jahrzehnte später erscheint, wird ihn in den Tod begleiten. Am 4. Januar 1960 stirbt Albert Camus bei einem Autounfall, als Beifahrer von Michel Gallimard, auf halber Strecke zwischen Loumarin und Paris. Iris Radisch (T.009, 13:44 – 16:33): Also Loumarin ist eine ganz große Chiffre im Leben und im Werk von Albert Camus. Er hat das ja sein Leben lang gesucht, einen Ort jenseits der Zeit, also jenseits der Geschichte muss man fast schon sagen, ein Ort, wo er eben diese Einfachheit, dieses Ideal der Einfachheit seiner Kindheit und auch das Ideal der Einfachheit, das er philosophisch vertrat, wiederfinden konnte. Also wirklich ein fast mythischer Ort in seiner intellektuellen aber auch in seiner persönlichen Existenz. Und er hat das ewig nicht gefunden. Immer wieder gibt es ja die Briefe an seinen Freund René Char: Such mir ein Haus, such mir ein Haus, dieses Paris ist ein Krankenhaus, es macht mich fertig, ich muss hier weg, ich muss hier weg, ich muss hier weg. Und René Char sucht und sucht und sucht auch, und es dauert Jahre bis er endlich dieses schöne Haus in Loumarin findet und kauft und dann auch endlich, endlich da ist, es sich mit viel Liebe einrichtet, sich irgendwie spanische Möbel bei den Antiquaren der Umgebung kauft, sich sogar, sage und schreibe, man fasst es nicht, einen Esel aus Algerien liefern lässt, den er sich dort auf dem Grundstück hält. Und dann ist es ganz interessant: dann hat er eigentlich seinen Traum, und muss nun, das ist ja das Schwerste überhaupt im Leben, muss seinen Traum leben, und siehe da, er ist nicht so viel da. Er hat so viele Premieren auf dem Theater, er hat Fernsehtermine in Paris, er hat seine Geliebten in Paris, er hat ja in diesen letzten Jahren seines Lebens sich nochmal in eine ganz junge schwedische Studentin verliebt, in Mi, auch die lebt natürlich in Paris. Er hat ganz ganz viele Gründe, sich nicht alleine mit seinem Esel in Loumarin aufzuhalten. Aber nichtsdestotrotz gibt es also in seinem allerletzten Lebensjahr, ich glaube zwei Monate, die er wirklich am Stück mal dort war, alleine war, und ich glaube vor allen Dingen diesen zwei Monaten verdanken wir dieses Fragment gebliebene wunderbare Buch „Der erste Mensch“, das er dann bei sich hatte, als er auf dem Weg nach Paris, also zwischen Loumarin und Paris, auch sehr bedeutsam, dass er also ausgerechnet zwischen diesen beiden Polen seines Lebens dann tödlich verunglückt ist, und diese Blätter seines Manuskriptes in seiner Aktentasche hatte, die lagen dann im Schlamm. Musik Erzähler: Im Nachruf auf Camus findet Sartre versöhnliche Worte; an seinem Diktum vom bornierten Moralisten, der sich weigert, die Geschichte zur Kenntnis zu nehmen, hält er jedoch fest. Wo Camus in ewigen Kreisläufen denkt, ist Sartres Blick in die Zukunft gerichtet. Sartre: Wir hatten uns überworfen, er und ich: aber ein Zerwürfnis – selbst wenn man sich nie mehr sehen sollte – bedeutet nichts, ist lediglich eine andere Art, miteinander und ohne sich aus den Augen zu verlieren in dieser engen kleinen Welt zu leben, in die wir gestellt sind. Es hinderte mich nicht daran, an ihn zu denken, mir vorzustellen, wie sein Blick auf der Buchseite oder der Zeitung ruhte, die er gerade las und mich zu fragen: „Was sagt er dazu? Was sagt er dazu in diesem Augenblick?“ […] Sein hartnäckiger, zugleich enger und reiner, zugleich strenger und sinnlicher Humanismus stand in einem ungleichen Kampf gegen die gewaltigen, ungestalten Ereignisse unserer Zeit. […] Dieser Cartesianer des Absurden weigerte sich, den sicheren Boden des Moralischen zu verlassen und sich auf die ungewissen Pfade der Praxis zu begeben. Wir ahnten es, ahnten auch die Konflikte, die er verschwieg: denn die Moral, für sich genommen, fordert die Revolte und verdammt sie zugleich. Erzähler: Sartre hatte dem Sowjet-Sozialismus zwar den Rücken gekehrt – der Marxismus aber wird bis zuletzt den Horizont seines Denkens bilden. Seit Längerem arbeitet er daran, das wahre Denken Marxʼ existenzialistisch wiederzubeleben. Der Marxismus, so Sartres Lesart, sei vor die Hunde gegangen, als man die Geschichte zum autonomen Prinzip und den Menschen zum blinden Werkzeug erklärte. In Wahrheit aber sei die Geschichte doch die kollektive Tätigkeit menschlicher Individuen. In seinem Spätwerk ist Jean-Paul Sartre wieder nah bei Søren Kierkegaard, dem Ahnherren des Existenzdenkens, der an Hegels Geschichtsphilosophie kritisiert hatte, dass der Einzelne in dieser keine Rolle spielt. In seinem zweiten Hauptwerk, der „Kritik der dialektischen Vernunft“, das 1960 erscheint, kommt die Freiheit deutlich zur Geltung. Zwar beschreibt Sartre den Menschen als ganz und gar bedingt durch die Geschichte, die Strukturen seines Zeitalters, die familiären Hintergründe; was ihn interessiert ist aber, wie der Einzelne die verinnerlichten Umstände nach außen stülpt, wie er auf der Grundlage der Prägung etwas Neues formt, und die Welt auf diese Weise in permanenter Bewegung hält. In seiner monumentalen und unvollendeten Flaubert-Biographie stellt Sartre die Frage, wie man einen Menschen verstehen kann. Auf der Grundlage eines gigantischen Quellenarsenals beschreibt er Flaubert als Kind seiner Epoche, als totales Produkt von Klasse und Familie. Und doch kann man Flaubert nur gerecht werden, so Sartre, wenn man schaut, an welchem Punkt er über seine Zeit hinausgegangen ist. Die Strukturen mögen die Freiheit limitieren. Doch nur der Mensch ist in der Lage, ein nein zu formulieren, die Grenzen seines Seins zu überschreiten. Sartre: Ich habe niemals aufgehört zu zeigen, dass jeder letztlich dafür verantwortlich ist, was man aus ihm macht, selbst dann, wenn ihm nichts anderes übrig bleibt, als diese Verantwortung auf sich zu nehmen. Ich bin überzeugt, dass der Mensch immer etwas aus dem machen kann, was man aus ihm macht. Heute würde ich den Begriff Freiheit folgendermaßen definieren: Freiheit ist jene kleine Bewegung, die aus einem völlig gesellschaftlich bedingten Wesen einen Menschen macht, der nicht in allem das darstellt, was von seinem Bedingtsein herrührt. Erzähler: Als die „Kritik der dialektischen Vernunft“ 1960 erscheint, wird um Sartres zweites Hauptwerk wenig Aufhebens gemacht. Zwar ist die Veröffentlichung seiner autobiographischen Schrift „Die Wörter“ im Jahr 1964 ein veritables Ereignis; auch seine Ablehnung des ihm im selben Jahr verliehenen Nobelpreises beherrscht allerorts die Schlagzeilen. Doch wirklich en vogue ist der Existenzialismus schon lange nicht mehr. Die Strukturalisten um Claude Lévy-Strauss und Jaques Lacan, vor allem aber ein aufstrebender Denker namens Michel Foucault, sind im Begriff, der alten Garde den Rang abzulaufen. Auf dem Feld der Politik bleibt Sartre jedoch ein Schwergewicht. Wenn er im Mai `68 die Proteste der Studentenbewegung unterstützt, gegen Diskriminierung von Ausländern und Haftbedingungen von RAF-Terroristen agitiert, oder die Aufnahme vietnamesischer Boatpeople in Frankreich fordert – stets wird seine Stimme vernommen, bleibt er eine wandelnde Ikone. In den letzten Lebensjahren erblindet Sartre, der unter Zuhilfenahme von Amphetaminen wie ein Besessener gearbeitet hatte, beinahe vollständig. Das Schreiben, jene Tätigkeit, die sein Leben vor ihm selbst zu rechtfertigen schien, muss er schlussendlich aufgeben. Und doch überschreitet der Freiheitsphilosoph die ihn eingrenzende Situation und sucht im dialogischen Gespräch eine neue und letzte Form der Produktion. Als Jean-Paul Sartre am 15. April 1980 stirbt, bilden 50.000 Menschen seinen Trauerzug auf dem Weg zum Friedhof Montparnasse. Musik Absage Musik Quellen Beauvoir, Simone de, In den besten Jahren / La Force de l’âge, übers. v. Rolf Soellner, Hamburg 1969. Beauvoir, Simone de, Der Lauf der Dinge / La Force des choses, übers. v. Paul Baudisch, Hamburg 1976. Camus, Albert, Brief an den Herausgeber der „Temps Modernes“ / Lettre au directeur des“Temps Modernes“, in: Jean Paul Sartre, Krieg im Frieden 2. Reden, Polemiken Stellungnahmen 1952 – 1956, hg. von Traugott König, Dietrich Hoß, übers. v. Abelle Christaller u.a. (= Jean Paul Sartre, Gesammelte Werke in Einzelausgaben. 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Interview mit Michel Contat / Autoportrait à soixante-dix ans, übers. v. Peter Aschner, in: Jean Paul Sartre, Sartre über Sartre. Aufsätze und Interviews 1940 – 1976, hg. v. Traugott König, (= Jean Paul Sartre, Gesammelte Werke in Einzelausgaben. Autobiographische Schriften, Band 2), Hamburg 1977, S. 202-276. Sartre, Jean-Paul, Überlegungen zur Judenfrage / Réflexions sur la question juive, übers. v. Vincent von Wroblewsky, (= Jean Paul Sartre, Gesammelte Werke in Einzelausgaben. Politische Schriften, Band 2), Hamburg 32017. Sartre, Jean-Paul, Über Merleau-Ponty / Merleau-Ponty vivant, übers. v. Hans Heinz Holz, in: Jean Paul Sartre, Sartre über Sartre. Aufsätze und Interviews 1940 – 1976, hg. v. Traugott König, (= Jean Paul Sartre, Gesammelte Werke in Einzelausgaben. Autobiographische Schriften, Band 2), Hamburg 1977, S. 68-145. Musikliste 1. Stunde Titel: De Charybde En Scylla Länge: 00:51 Interpret und Komponist: Louis Sclavis Label: ECM-Records Best.-Nr: 1798497 Plattentitel: Lost on the way Titel: Dialogue with a dream Länge: 00:40 Interpret und Komponist: Louis Sclavis Label: ECM-Records Best.-Nr: 987789-7 Plattentitel: L'imparfait des langues Titel: L'Aurore Länge: 01:00 Interpret: Louis Sclavis Trio Komponist: Louis Sclavis Label: LABEL BLEU Best.-Nr: 6596 Plattentitel: Ceux qui veillent la nuit Titel: Qumran Länge: 00:35 Interpret: Louis Sclavis Trio Komponist: Louis Sclavis Label: LABEL BLEU Best.-Nr: 6596 Plattentitel: Ceux qui veillent la nuit Titel: Ceux qui veillent la nuit Länge: 01:46 Interpret: Louis Sclavis Trio Komponist: Louis Sclavis Label: LABEL BLEU Best.-Nr: 6596 Plattentitel: Ceux qui veillent la nuit Titel: Saro Länge: 01:04 Interpret: Louis Sclavis Trio Komponist: Louis Sclavis Label: LABEL BLEU Best.-Nr: 6596 Plattentitel: Ceux qui veillent la nuit Titel: De Charybde En Scylla Länge: 08:30 Interpret und Komponist: Louis Sclavis Label: ECM-Records Best.-Nr: 1798497 Plattentitel: Lost on the way 2. Stunde Titel: Derniers regards Länge: 00:53 Interpret: Louis Sclavis Trio Komponist: Louis Sclavis Label: LABEL BLEU Best.-Nr: 6596 Plattentitel: Ceux qui veillent la nuit Titel: Some of these days Länge: 01:31 Interpret: Coleman Hawkins (ts) Komponist: Shelton Brooks Label: Classic Jazz Masters Best.-Nr: 602 Plattentitel: The chronological Coleman Hawkins. 1934-1937 Titel: Rapports certains Länge: 00:35 Interpret: Louis Sclavis Trio Komponist: Louis Sclavis, Bruno Chevillon, François Merville Label: LABEL BLEU Best.-Nr: 6596 Plattentitel: Ceux qui veillent la nuit Titel: Premier imparfait 'a' Länge: 01:47 Interpret: Louis Sclavis Komponist: Louis Sclavis, Paul Brousseau Label: ECM-Records Best.-Nr: 987789-7 Plattentitel: L'imparfait des langues Titel: Dialogue with a dream Länge: 00:23 Interpret und Komponist: Louis Sclavis Label: ECM-Records Best.-Nr: 987789-7 Plattentitel: L'imparfait des langues Titel: Le long du temps Länge: 05:35 Interpret und Komponist: Louis Sclavis Label: ECM-Records Best.-Nr: 987789-7 Plattentitel: L'imparfait des langues 3. Stunde Titel: Tenzin Länge: 01:21 Interpret: Louis Sclavis Trio Komponist: Louis Sclavis Label: LABEL BLEU Best.-Nr: 6596 Plattentitel: Ceux qui veillent la nuit Titel: L'Ombre Länge: 00:39 Interpret: Louis Sclavis Trio Komponist: Louis Sclavis Label: LABEL BLEU Best.-Nr: 6596 Plattentitel: Ceux qui veillent la nuit Titel: Manoir Länge: 08:03 Interpret: Louis Sclavis Trio Komponist: Louis Sclavis Label: LABEL BLEU Best.-Nr: 6596 Plattentitel: Ceux qui veillent la nuit Ausgewählte Literatur Bakewell, Sarah, Das Café der Exitenzialisten. Freiheit, Sein und Aprikosencocktails / At the Existenzialist Café. Freedom, Beeing and Apricot Cocktails with Jean-Paul Sartre, Simone de Beauvoir, Albert Camus, Martin Heidegger, Edmund Husserl, Karl Jaspers, Maurice Merleau-Ponty and others, übers. v. Rita Seuß, München 52017. Hackenesch, Christa, Jean-Paul Sartre, (= rowohlts monographien), Hamburg 22007. Lévy, Bernard-Henri, Sartre. Der Philosoph des 20. Jahrhunderts / Le Siècle de Sartre. Enquête philosophique, übers. v. Petra Willim, München 2005. Meyer, Martin, Albert Camus. Die Freiheit leben, (= Reclam Taschenbuch Nr. 20370), Stuttgart 2015. Onfray, Michel, Im Namen der Freiheit. Leben und Philosophie des Albert Camus / LʼOrdre libertaire – La vie philosophique dʼAlbert Camus, übers. v. Stephanie Singh, München 2013. Radisch, Iris, Camus. Das Ideal der Einfachheit. Eine Biographie, Hamburg 22016. Suhr, Martin, Jean-Paul Sartre zur Einführung, Hamburg 2001.