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Hinter diesen Namen jedoch verbergen sich in Sachsen-Anhalt Hochschulgruppen mit rechtsextremem Hintergrund. Die meisten Professoren und Studenten sehen das nicht gerne - sind aber oft hilflos. Beitrag 1 - Rechte Hochschulgruppen (Susanne Arlt) ATMO (Hörsaal) AUTORIN 100 Studierende sind an diesem Abend in den großen Hörsaal der Otto- von-Guericke-Universität in Magdeburg gekommen. Viele der Sitzplätze bleiben leer. Auf der Tafel steht in weißer Kreideschrift der Arbeitstitel: "Rechtsextremismus an den Hochschulen - Muss man das einfach so hinnehmen?" Nein - findet Maria Wiesner. Die 24-jährige Kulturwissenschaftsstudentin setzt sich auf einen der Klappstühle, schaut sich um. Am Tag zuvor hatte der Rektor alle Studierenden per Mail zu der Veranstaltung eingeladen. OT (Maria Wiesner) Ich finde es schade, dass trotzdem so wenige die Chance wahrnehmen, aber vielleicht sind es dann doch viele, die sagen, das Problem betrifft mich persönlich nicht. Oder: was soll ich dagegen machen. Ich fände es wichtig, wenn viele Leute da wären, weil vielmehr die Gefahr ist in diesem schleichenden Ruck nach Rechts. Oder nicht mal Ruck, sondern in der schleichenden Bewegung nach Rechts sehe. AUTORIN Neben Maria Wiesner sitzt Kevin Kais. Der 22-jährige studiert an der Otto- von-Guericke-Universität Wirtschaftwissenschaften. Probleme mit Rechtsextremen gebe es an seiner Fakultät zwar nicht, sagt er. Wohl aber in der Stadt Magdeburg. OT (Kevin Kais) Ja ich glaube schon, ein Stadtproblem, aber auch ein Uniproblem, würde ich schon sagen. Weil es schon Leute gibt, die sich da so ein bisschen eingeschüchtert fühlen. AUTORIN Eingeschüchtert von Studenten wie Matthias Gärtner. Der 27-jährige studiert im zwölften Semester Politologie, Soziologie und Psychologie. Matthias Gärtner aber ist nicht nur Student. Der gebürtige Magdeburger sitzt für die NPD im Stadtrat. Und er arbeitet im Bundesvorstand der NPD- Nachwuchsorganisation Junge Nationaldemokraten. Zumindest, raunt einer der Studenten, ist er zu dieser Abendveranstaltung noch nicht aufgetaucht. Das bleibt hoffentlich auch so, fügt ein anderer hinzu. ATMO (Herzlich Willkommen zur Podiumsdiskussion) AUTORIN Auf dem Podium sitzen der Rektor der Uni Magdeburg, Klaus-Erich Pollmann, Winfried Kluth, Richter am Landesverfassungsgericht, Verfassungsschützer Hilmar Steffen und Stephan Bischoff, Studierendenvertreter. Stephan Bischoff ist froh darüber, dass sich die Hochschulleitung endlich offensiv mit diesem Thema auseinandersetzt. Das sei nicht immer so gewesen, kritisiert er. Er wünscht sich seit langem, dass die Universität Studierende und Professoren aufklärt - über die Handlungsstrategien der Neonazis. OT (Stephan Bischoff) Wir haben eine Auswahl an sehr guten Professoren, die auch den Mut und die Intelligenz haben, sich mit Neonazis auseinandersetzten, aber sie müssen trotzdem geschult werden. Neonazis sind eben darin geschult, ihre Meinungen so zu verpacken, dass sie rechtlich unproblematisch wirken, aber dennoch problematisch sind. Diese Signalwörter müssen erkannt werden und müssen dann auch von den Dozenten widerlegt werden. AUTORIN Schon vor drei Jahren gab es erste Anzeichen dafür, dass Anhänger der rechtsextremen Szene neben ihrem Studium an der Universität auch versuchen, dort neue Mitglieder zu rekrutieren. ATMO (Campus) AUTORIN Matthias Gärtner ist einer davon. Seine Kommilitonen beschreiben ihn als eher unauffällig. Zu den Seminaren kommt er pünktlich. Am liebsten sitzt er in der hinteren Reihe. Provozieren lasse er sich nicht, sagen seine Dozenten über ihn. Auch dann nicht, wenn er auf seine Mitgliedschaft in der NPD angesprochen werde. Vor drei Jahren hat der 27-jährige die Hochschulgruppe "Studentische Interessen" gegründet. Auf ihrer Internetseite fordert die Gruppe eine unpolitische und freie Wissenschaft an der Universität. Der "Brain Drain" müsse gestoppt werden. Damit sei der Abfluss geistigen Potentials aus Deutschland gemeint, erklärt Matthias Gärtner, der sich selbst als Nationalist bezeichnet. OT (Matthias Gärtner) In jeder politischen Entscheidungsfindung steht das Wohl des eigenen Volkes im Vordergrund. AUTORIN Den NPD-Funktionär stört der hohe Anteil ausländischer Studierender an der Otto-von-Guericke-Universität. Derzeit sind es zwölf Prozent. Ihre Integration lehnen er und sein Hochschulgruppe ab. OT (Matthias Gärtner) Man muss auch dazu sagen, dass Deutschland in den nächsten Jahren in erster Linie davon profitieren wird, dass es zukunftsrelevante technische Erneuerungen auf den Markt werfen muss, um auch in der Weltwirtschaft eine entsprechende Rolle zu spielen. Dass jetzt ausländische Studenten, die hier das Studium erwerben, mit diesem Wissen wieder Deutschland verlassen, damit in ihre Heimatländer gehen, man dadurch einen künstlichen Konkurrenten schafft. AUTORIN Genau das möchte die NPD verhindern, betont Matthias Gärtner. Unerträglich finden viele Dozenten diese Forderungen. Sie müssen ihn trotzdem unterrichten. Doch Matthias Gärtner wird es schwer fallen, einen Professoren für seine Abschlussarbeit zu finden. Bei Klaus-Bernhard Roy fiel er in einer Lehrveranstaltung durch. Seine Hausarbeit zum Thema Agenda 2010 sei analytisch zu oberflächlich gewesen, sagt Roy. Mattias Gärtner sah das anders. Dozent Roy holte darum ein zweites Urteil ein. Der Kollege bestätigte meine Meinung, sagt Klaus-Bernhard Roy. OT (Klaus-Bernhard Roy) Man muss genau hinschauen, was er schreibt, man muss ihm die Chance geben, sich zu artikulieren, aber es ist dann natürlich auch intellektuell redlich und legitim zu fragen, worauf seine Argumente beruhen und gegebenenfalls zu zeigen, wo den Ideologie und nicht Wissenschaft betrieben wird. AUTORIN Hinter den Studentischen Interessen, erklärt Verfassungsschützer Hilmar Steffen, stecken vor allem Mitglieder der Jungen Nationaldemokraten, kurz JN genannt. OT (Hilmar Steffen) Diese sind verfassungsfeindlich, sie sind rechtsextremistisch, sie vertreten ja auch die Politik der NPD, die als rechtsextremistisch gilt. Das heißt, das Ideenwerk der NPD kann auch nur Grundlage der Programmatik der Studentischen Interessen sein. Wobei die JN natürlich auf einen moderaten Ton setzt, um nicht gleich aufzufallen. Um nicht potentielle Interessenten von vorne herein abzuschrecken. AUTORIN Zu ihren potentiellen Interessenten gehören auch angehende Akademiker. Das größte Problem der NPD: Die Partei hat es nicht geschafft, Akademiker zu halten. Die Bildungsoffensive der JN soll vor allem dazu dienen, die Arbeitsweise der rechtsextremen Partei zu ändern. Sie soll intellektueller und professioneller werden. Das Ziel, in den Studierendenrat der Otto-von- Guericke Universität zu ziehen, haben Matthias Gärtner und seine Mitstreiter bislang verfehlt. Zum Glück, sagt Rektor Klaus Erich Pollmann. Ihm ist es ein Dorn im Auge, dass ein NPD-Politiker an seiner Universität studieren darf. OT (Klaus Erich Pollmann) Einmal im Hinblick auf den Eindruck, der nach außen erzeugt wird. Dann vor allen Dingen auch deshalb, weil es viele unserer Studenten beunruhigt und verunsichert. Die uns das auch sagen, wie können solche Leute an der Universität unbehelligt studieren? AUTORIN Bislang habe man drei Neonazis an der Magdeburger Uni identifiziert, sagt Pollmann. Die betroffenen Dozenten seien darüber informiert worden. Viel mehr aber könne eine Hochschule nicht machen, sagt Klaus Erich Pollmann und zuckt hilflos mit den Schultern. Solange sich die Anhänger der NPD gesetzestreu verhalten, sind ihm die Hände gebunden. Und die Mitglieder der JN achten penibel darauf, der Hochschulleitung keine Angriffsfläche zu bieten. Verfassungsschützer Hilmar Steffen: OT (Hilmar Steffen) Wenn diese Vertreter der JN an Universitäten nicht strafrechtlich in Erscheinung treten, sind der Universität zunächst die Hände gebunden. Da bleibt nur eins, aufklären und präventiv tätig sein, so dass die Aktivitäten dieser Gruppe ins Leere laufen. ATMO (Hörsaal) AUTORIN Genau das soll die erste Veranstaltung in dem Hörsaal der Otto-von- Guericke-Universität leisten. Weiter Diskussionen sollen folgen, kündigt Rektor Pollmann an. Die Bedeutung, die Möglichkeiten und die Grenzen eines Rechtsstaates müssen mit den Studierenden debattiert werden, betont er und fügt an, es gebe Unterschiede zwischen dem, was eine Universität offiziell tun kann und dem was ein einzelner Dozent machen kann. OT (Klaus Erich Pollmann) Wenn ich als Dozent der Meinung bin, ich kann einen Studenten, bei dem völlig eindeutig ist, er sagt und schreibt im Seminar das Gegenteil dessen, was er denkt. Wenn man das auch nachweisen kann, aber nicht aufgrund dessen, was im Seminar verlautbart wird, dann kann ich mich für befangen erklären lassen. AUTORIN Die Konsequenz wäre, solch eine Person nicht als Prüfling zu akzeptieren. Das aber sei, betont Pollmann, eine individuelle Entscheidung des jeweiligen Dozenten. Nach zweieinhalb Stunden ist die Podiumsdiskussion vorbei. Maria Wiesner und Kevin Kais verstehen jetzt besser, warum die Hochschulleitung Neonnazis an ihrer Uni dulden muss. Für die nächste Veranstaltung erhoffen sie sich darum praktische Tipps, wie man mit den rechtsextremen Kommilitonen am Besten umgeht. -ENDE 1 - MOD Von Sachsen-Anhalt nach Sachsen. Bei den dortigen Landtagswahlen im August vergangenen Jahres hat die rechtsextreme NPD deutlich an Zuspruch verloren. Dennoch: die NPD zog mit 5,6 Prozent der Stimmen erneut in den Landtag ein. Und das entspricht immerhin in etwa der Hälfte der Stimmen, die die SPD oder auch die FDP in Sachsen erreichen konnten. Den vorausgegangenen Wahlkampf hatte die NPD auch genutzt, junge Menschen anzusprechen, sie für ihr Gedankengut zu gewinnen. Teilweise mit offenbar erschreckendem Erfolg - und es bleibt die Frage: was tun? Manuel Waltz war für uns an Leipziger Schulen unterwegs: Beitrag 2 - Gefahr von Rechts...an Leipziger Schulen (Manuel Waltz) OT (Gerion Naamann) Bei uns ist es üblich, dass wir die Landtagswahlen oder überhaupt Wahlen zum Anlass nehmen, das Thema Wahlen dann im Unterricht zu behandeln und vor allem auch praktisch auszuüben, also dass die Schüler wählen gehen. Und das Ergebnis war halt schon ziemlich erschreckend. Wir sind auf 35,7 Prozent NPD gekommen, gefolgt von gleichauf 18,6 Prozent CDU und SPD. AUTOR Leipzig, Stadtteil Großzschocher. Gerion Naamann ist Lehrer für Gemeinschaftskunde an der 56. Mittelschule der Stadt. Bis heute kann er nicht verstehen, weshalb die meisten Schüler der achten und neunten Klassen die NPD gewählt haben. Das Lehrerkollegium wirkt ratlos. Madlen Baatzsch, unterrichtet ebenfalls Gemeinschaftskunde in Großzschocher. Sie hat das Wahlergebnis mit den 14- bis 15-jährigen diskutiert, nach Erklärungen gesucht: OT (Madlen Baatzsch) Naja, es kamen viele Parolen, wie: ,Die nehmen uns die Arbeitsplätze weg' und ,Ich krieg keinen Job, weil die an Ausländer vergeben werden.' Es kam auch ,Todesstrafe für Kinderschänder,' alles, was auf den NPD Wahlplakaten stand wurde eigentlich auch noch als Argument für die Wahl hinzugezogen. Und die Klasse war sich halt relativ einig auch, dass konstant NPD gewählt wird, weil so ein ja so ein Gefühl in der Klasse halt war. AUTOR Spätestens nach dieser Wahl war klar: Die Schule hat ein Problem mit rechtem Gedankengut unter den Schülern. Dieses Problem jedoch wollten die Lehrer erstmal nicht an die große Glocke hängen. OT (Gerion Naamann) Wir haben es jetzt nicht noch sozusagen noch in die größere Runde gebracht eben, weil wir sehr erschrocken waren über das Ergebnis. AUTOR Diese Reaktion kennt die Journalistin Claudia Hempel gut. Sie hat ein Buch geschrieben: über Kinder, die rechtsextrem werden. Und über deren Eltern, die das oft spät und hilflos feststellen. OT (Claudia Hempel) Es gibt ganz wenig Rückkopplung an die Eltern, von Seiten der Schulen. Ein Vater beschreibt das so schön. Er ist zum Elterngespräch eingeladen, weil sein Sohn auf der Toilette geraucht hat. Und während des Gespräches erzählt der Lehrer, dass er eine Woche vorher den Sohn dabei überrascht hat, wie er auf die Schulbank eingeritzt hat: ,Es gibt nur einen Gott und das ist Adolf Hitler.' Und der Vater sagt, wie kann denn das sein? Ich werde wegen einer Zigarette in die Schule gebeten zum Schulgespräch, aber wegen dieses Satzes holt mich keiner und informiert mich kein Lehrer. AUTOR Es gibt viele Versuche zu erklären, warum Jugendliche nach Rechts rücken. Meist beginnt es kurz vor oder während der Pubertät, sie lösen sich von den Eltern, sind auf der Suche nach einer eigenen Identität. Es tauchen neue und existentielle Fragen auf, für die sie einfache Antworten gerne annehmen. Zudem wollen sie sich absetzen, auffallen und auch schockieren. Die rechte Szene versucht, junge Menschen genau in dieser Situation abzuholen, für rechtes Gedankengut zu gewinnen. Olaf Vahrenhold vom sächsischen Verfassungsschutz: OT (Olaf Vahrenhold) Insbesondere die NPD mit ihrer Jugendorganisation versucht es teilweise gezielt über Kampagnen. Man versucht es auch über zum Beispiel die Fußballszene, in dem man dort in den Fanbereich oder auch in Vereine versucht hinein zu gehen. AUTOR Die rechte Szene hat aber auch die Schulen selbst im Visier: OT (Olaf Vahrenhold) Was in der Tat gemacht wurde, ist, dass zum Beispiel die NPD im Rahmen von Wahlkämpfen vor Schulen versucht hat, Informationen zu verteilen AUTOR Die Situation an manchen Schulen überfordert die Lehrer. In der Ausbildung in Sachsen spielt das Problem keine Rolle. Kein Lehrer lernt, wie er sich verhalten soll, wenn ein Neonazi unter den Schülern sitzt. Zudem fehlen häufig Personal und Geld um angemessen reagieren zu können, meint Gerion Naamann. OT (Gerion Naamann) Ja, wenn man zum Beispiel Schulpsychologen an der Schule hätte, das wäre schon etwas, wo man auch längerfristig mit arbeiten kann. Nicht nur immer gerade wenn es brennt. Sondern wenn schon so Ansätze zu merken sind, dass man dann eben vielleicht mal einen halben Projekttag macht, dass man Raum und Zeit und eben auch möglicherweise finanzielle Mittel für solche Projekte hat, wie Netzwerk Courage. AUTOR Gerion Naamann hat sich an das Netzwerk für Demokratie und Courage gewandt. Ein Verein, der Schulen dabei unterstützt, den Jugendlichen Demokratie und Toleranz zu vermitteln und etwas gegen rechte Tendenzen zu tun. Ortswechsel. Zwei ehrenamtliche Mitarbeiter des Netzwerks sind an die 36. Mittelschule im Norden von Leipzig gekommen. Hier gibt es kein offenes Problem mit Neonazis. Damit das auch so bleibt, hat die Schule den Projekttag angesetzt. Suse Bartel und Roman Kropp bauen Flipcharts vor den Schülern einer neunten Klasse auf, sie sortieren einige Schilder mit Schlagworten darauf und legen Stifte bereit: ATMO (Lehrerin / Klassenatmo) Wir haben heute das Glück, Netzwerk für Demokratie und Courage da zu haben. Ich bin schon sehr gespannt. Ich würde das jetzt einfach mal somit jetzt überleiten. AUTOR Die 25 Jugendlichen, alle um die 15 Jahre alt, mustern argwöhnisch die beiden Gäste. Die sollen der Klasse heute etwas über Demokratie und Courage beibringen. Suse ist 25 Jahre alt, Roman 20 - nicht viel älter als die Schüler. Die beiden wirken routiniert, versuchen, die Distanz zur Klasse zu überwinden, wollen nicht wie Lehrer wahrgenommen werden. Die Schüler öffnen sich schnell - sie scheuen sich nicht, ihre Meinung zu sagen und erzählen von ihren Erfahrungen. Etwa ein Viertel der Schüler hat einen Migrationshintergrund - viele von ihnen kennen Diskriminierung aus ihrem Alltag. Suse Bartel macht ein Rollenspiel mit den Jugendlichen. ATMO (Suse Bartel / Klasse) Was wird hier dargestellt, was seht ihr? Du hast jetzt schon Vermutungen. Hmm? - Also ich glaube, dass der halt den Ausländer darstellen soll, und die Drei vielleicht, dass die den irgendwie diskriminiert haben oder so. - Ok... AUTOR In der Mitte des Klassenzimmers hat Suse Bartel vier Schüler aufgestellt. Hai Son ist einer von ihnen, seine Eltern kommen aus Vietnam. Er steht abseits, die anderen drei haben einen bedrohlichen Gesichtsausdruck aufgelegt, machen aggressive Gesten. Der Rest der Klasse läuft um sie herum und soll versuchen, die Situation einzuschätzen. ATMO (Suse Bartel / Klasse / Rollenspiel) Jetzt kommen eure roten Karten ins Spiel, das sind nämlich Verantwortungskarten. Nee, und zwar, wer von euch jetzt das Gefühl hat, ich könnte, würde da eingreifen. Oder ich hätte eine Idee, wie ich diese Situation irgendwie zum Guten wenden kann, wie ich irgendwie Hai Son helfen kann, behält die rote Karte. Wer sie abgeben möchte, seine Verantwortung abgeben möchte, weil er oder sie nicht weiß was er oder sie machen soll beziehungsweise denkt: ,Ich glaube, dass Susanna genau weiß, was zu tun ist', dann die Verantwortungskarte an die Person abgeben. AUTOR Viele Mädchen haben ihre Karten abgegeben - sie meinen, sie seien zu schwach, um sich gegen die Drei zu stellen. Sie würden lieber die Polizei holen, sagen sie. Damit tun sie aber doch etwas, sie tun das, was in ihrer Macht steht. Auf diese Art und Weise spielen Suse Bartel und Roman Kropp viele Problemfelder durch, die sich um Rassismus und Diskriminierung drehen. Sie diskutieren, ob Ausländer wirklich Arbeitsplätze wegnehmen. Sie hinterfragen, wie aus einem Klischee ein Vorurteil wird und schließlich Diskriminierung. Und was jeder einzelne tun kann. ATMO (Draußen / Autotüren / Fahrt) AUTOR Am Ende des Tages sind die beiden zufrieden aber erschöpft. Sie haben ihre Materialien ins Auto geladen und fahren zurück ins Büro. Die Klasse hat gut mitgearbeitet und in diesem Fall war kein bekennender Nazi dabei. Aber auch so etwas kommt vor - dann sind die Projekttage deutlich schwieriger. Und: Suse Bartel und Roman Kropp wissen, dass sie keine Wunder vollbringen können. OT (Suse Bartel) Wir werden an einem Tag nicht einen Nazi umkrempeln können, das geht einfach nicht. Das, was wir machen können, allerhöchstens, ist ihn zum nachdenken anzuregen. Und ansonsten, wenn da richtige, ich sag´s mal Top- Nazis drin sind, ich glaube, das, was wir da machen können, ist einfach die Anderen stärken. Die, die nicht so denken. Und den Leuten irgendwie mehr Mut geben und mehr Rückenstärke geben und sagen: ,Ja, genau, dann sag was, mach was, du kannst es' und ... Ja, ich glaube, das ist so, was wir da machen können. AUTOR Es sind kleine Schritte, doch genau das ist es, was sich auch Gerion Naamann und seine Kollegen in Großzschocher erhoffen. Ob der Projekttag an ihrer Schule im Herbst aber wirklich zustande kommt ist fraglich. Die Schule hat kein Geld, ihn zu bezahlen und die Mittel des Netzwerks werden immer knapper - vor allem seit die Jugendpauschale des Landes Sachsen in diesem Jahr um mehr als ein Viertel gekürzt wurde. Im Jahr 2009 hatten Suse Bartel und ihre Kollegen noch die Mittel für 90 Projekttage in Leipzig, in diesem Jahr reicht das Geld gerade mal für 30 Tage. Und für nächstes Jahr sieht es noch schlechter aus. - ENDE 2 - ABMOD Das war der Länderreport - heute über Rechtsextreme an Hochschulen und Schulen. Sie können die Beiträge nachlesen und nachhören - oder den Länderreport als Podcast abbonieren: Im Internet: www.dradio.de -ENDE SENDUNG - 1