COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Länderreport 30.5.2011 13.07 Uhr Die Wolke Was passiert bei einem Atom-Ernstfall in Deutschland? Von Klaus Seifert, Anke Petermann und Michael Brandt Anmoderation: Der Atom-Unfall im japanischen Fukushima Mitte März hat auch in Deutschland große Besorgnis ausgelöst. Die Bilder von Menschen, die aus ihren Häusern fliehen, zu Hunderten in Turnhallen schlafen mussten und mit Geigerzählern untersucht wurden, vergisst man nicht so schnell. Und viele fragten sich: Was wäre, wenn es zum GAU, zum größten anzunehmenden Unfall, bei uns käme? Das Atomkraftwerk Biblis im Dreiländereck Hessen/Rheinland-Pfalz/Baden-Württemberg ist eines der ältesten in Deutschland. Einer der beiden Reaktoren, Biblis B, könnte je nach Entscheidung der Bundesnetzagentur nach dem Koalitionsbeschluss heute Nacht eventuell weitere zwei Jahre als Reserve-Kraftwerk bei Engpässen dienen. Am Beispiel Biblis wollen wir überlegen, was würde passieren, wenn es zu einer Katastrophe käme? Wie sind die Menschen, wie ist die Region vorbereitet? Welche Vorsorgepläne gibt es? haben sich mit dem Ernstfall beschäftigt. Folgt Skript Sendung Verkehrs-Sprecher In Folge des Osterreiseverkehrs müssen Reisende in Süddeutschland vor allem auf der A 3 zwischen Frankfurt und Nürnberg, auf der A 6 Mannheim-Heilbronn-Nürnberg, der A 9 zwischen Nürnberg-München und der A 99 Umfahrung München mit erheblichen Behinderungen durch Staus rechnen. Auf der A 8 zwischen München und Salzburg hat sich ein Stau von 80 km gebildet. Da auch die Landstraßen in Richtung Süden überlastet sind, gibt die Polizei zurzeit keine Ausweichempfehlung. Verkehrs-Jingle Sprecher 1 So oder ähnlich hört sich freudige Urlaubserwartung im Verkehrsfunk an. Was aber würde passieren, wenn das Verkehrsstudio aus gegebenem Anlass eine Nachricht wie diese senden müsste? Verkers-Jingle Verkehrs-Sprecher Die A61 Hockenheim-Speyer, die A5 und die A67 ab Darmstädter Kreuz bis Kreuz Walldorf sind für die Zeit der Evakuierung aus dem Raum Biblis auf der gesamten Strecke in beiden Richtungen gesperrt. Nur Bewohner mit Evakuierungsaufruf können die Auffahrten im Sperrgebiet nutzen. Die Polizei bittet dringend darum, den farbigen Evakuierungsschein deutlich sichtbar hinter die Windschutzscheibe zu legen, damit die Abfertigung an den Kontrollpunkten reibungslos funktioniert. Verkers-Jingle Sprecher 2 Dies ist ein Gedankenspiel. Wir fragen Anwohner und ausgewiesene Experten: Was wäre wenn? - Wenn sich in den Atommeilern von Biblis der atomare Gau ereignete? Der größte anzunehmende Unfall. Mitten in Deutschland, im Großraum Rhein-Main-Neckar. Millionen Menschen wohnen hier, sie arbeiten beim größten Chemiekonzern der Welt, machen Pfälzer Wein, bauen Autos in Rüsselsheim, exportieren aus dem kleinen Ingelheim Arzneimittel in alle Welt und locken von dort Touristen in die deutscheste aller Bilderbuchstädte: Heidelberg. Ein unbeherrschbarer Atomunfall in Deutschland - Seit dem Reaktordesaster in Japan wollen selbst hartnäckige Atombefürworter ein Fukoshima auf deutschem Boden nicht mehr ausschließen. Da hilft nur, endlich das Undenkbare zu denken. Sicherheitshalber. O-Ton 1 Gerold Reichenbach, MdB (SPD) Vors. Deutsches Komitee f. Katastrophenvorsorge ev., Bonn Man hat die Frage eines Gaus und die Folgen - zumindest in der offiziellen Katastrophenplanung tabuisiert. Sprecher 3 ... sagt Gerold Reichenbach, Vorsitzender des Deutschen Komitees für Katastrophenvorsorge und Bundestagsabgeordneter der SPD. Er hat praktische Erfahrungen bei zahlreichen Einsätzen im In- und Ausland gesammelt. O-Ton 2 Gerold Reichenbach Ich war Mitglied im Katastrophen-Koordinierungsteam der Vereinten Nationen - ehrenamtlich. Und habe eine ganze Reihe auch von Auslandseinsätzen, auch von Einsätzen im Inland, von Erdbeben in Costa Rica bis zur Türkei über Nahrungsmittelhilfe in Russland, Einsätze in der Flüchtlingsunterbringung auf dem Balkan während des Bosnienkriegs, des Kosovokrieges, Flutkatastrophen von Mozambique bis hier in Deutschland an Elbe und Oder. Sprecher 4 Der Katastrophenprofi lebt im Kreis Groß-Gerau und wäre von einem Atomunfall in Biblis selbst betroffen - samt Familie. Er verfolgt die Debatte um die AKW-Sicherheit genau. O-Ton 3 Gerold Reichenbach Es gab ja im Jahre 2008 eine Studie des Öko-Institutes in Darmstadt, das mal evaluiert hat die Auswirkungen eines Flugzeugabsturzes auf Biblis und auch dargelegt hat die möglichen Kontaminationsszenarien bei den vorherrschenden Windrichtungen im Oberrheingraben. Die hat ein sehr hohes Betroffenheitsfeld aufgezeigt. Das ist im Grunde genommen weite Teile Hessens einschließlich des Rhein-Main-Gebietes. Aber, je nach Wetterlage, mit Fahnen, die durchaus bis nach Berlin reichen können. Sprecher 5 Schaut man konkret hin, etwa welche Lebens- und Wirtschaftsräume betroffen wären, dann wird es spannend. O-Ton 4 Gerold Reichenbach Wenn ich die zum größten Teil vorherrschende Windrichtung im Rhein-Main-Gebiet mir anschaue, nämlich Wind aus Südwest, dann wären betroffen: Opel, der Frankfurter Flughafen. Frankfurt, das Bankenviertel unter Umständen, aber auch: in Frankfurt stehen einige der zentralen Serverräume für das europäische Internet. Also das heißt, das hätte schon massivste Auswirkungen auf Wirtschaft, auf Kommunikation, auf zentrale Funktionen- nicht nur bezogen auf das Bundesland Hessen, sondern auf die Bundesrepublik Deutschland und darüber hinaus Europa. Sprecher 6 Die genannten Wirtschaftsunternehmen geben an, keine eigenen Pläne für den Fall eines GAUs zu haben. Sie verweisen an die örtlichen Behörden und Katastrophenschützer. Dazu später mehr. Klar ist, im Ernstfall würde als erstes eine Evakuierungszone ausgerufen, so der Vorsitzender des Deutschen Komitees für Katastrophenvorsorge, Gerold Reichenbach. Aus dieser Zone würden die Menschen herausgeschafft. O-Ton 5 Gerold Reichenbach Im Regelfall ist das dann am Anfang schon verbunden mit Verkehrslenkungsmaßnahmen. Dann ist natürlich der zweite Schritt auch zu verhindern, dass da Menschen in diese Zone reinfahren, ob bewusst oder unbewusst. Und - auch das hat man ja bei Tschernobyl gesehen - werden dann auch Maßnahmen ergriffen die verhindern, dass in diese Region wieder Menschen zurückkehren. Um sie davor zu schützen, dass sie sich selbst gefährden oder auch, um Plünderungen und, ja, anderen illegalen Praktiken einen Riegel vorzuschieben. Sprecher 7 Polizei- und Hilfskräfte würden die Zufahrten zum Sperrgebiet abriegeln, langfristige Personen- und Verkehrskontrollen würden eingerichtet. Hinzu kämmen Sicherheits-Patrouillen rund um die Uhr. Wer die Kontrollen umgeht, macht sich strafbar. So weit das Planspiel. Lässt es sich aber unter Bedingungen von Panik und Verzweiflung noch umsetzen? Es könnte nämlich auch anders ausgehen. - Schlimmer. O-Ton 6 Gerold Reichenbach Es ist am Ende für jeden, der diese Entscheidung zu treffen hat eine unwahrscheinlich schwierige Abwägung, denn eine ungeordnete, chaotische, ohne ausreichende Auffanginfrastruktur durchgeführte Evakuierung kann am Ende bedeuten, dass wesentlich mehr Menschen ums Leben und zu Schaden kommen wie bei einer Nicht-Evakuierung. Das ist eine sehr schwierige Entscheidung. (da zu treffen) Atmo 1 Rauschen Vogelzwitschern 1.40 unter den Text Sprecher 8 Die Oberrheinische Tiefebene direkt an der Landesgrenze zu Rheinland-Pfalz: Wohin das Auge blickt, sieht es Grün. Grüne Wiesen, grüne Felder, der träge fließende Rhein. Aus der Idylle stechen zwei große, halbrunde, weiße Reaktorkuppeln und vier Kühltürme: Das Kernkraftwerk Biblis. Atmo 1 mischen mit Atmo 2 Biblis Straßencafè 1.16 O-Ton 7 1 Niklas und Vater 0.33 - Am besten in die entgegen gesetzte Richtung fliehen, wo das Atomkraftwerk explodiert ist und dann in ein anderes Land oder fliehen halt - weg bevor man ne Überdosis an Strahlen kriegt - ne tödliche. - Kommt immer darauf an wie der Wind weht, denk' ich mal. Sprecher 9 Niklas Häuser und sein Vater sitzen im Eiscafé im Schatten einer Eiche vor ihren Eisbechern. Sie wohnen in Biblis, einer 9000-Einwohner-Stadt. Obwohl sie in unmittelbarer Nachbarschaft zum ältesten Atomkraftwerk Deutschlands leben, denken sie nie über eine mögliche Katastrophe nach. Deshalb müssen sie erstmal grübeln, was sie im Fall des GAUs tun würden. O-Ton 8 Niklas Also, einbunkern oder so hilft - glaube ich - gar nix, weil früher oder später muss man raus, die Strahlung ist da, das hilft nicht. Atmo 2 Eiscafé Sprecher 10 Einen Tisch weiter sitzen Ulrike Schmitze und Anna-Maria Gascon- Fröhlich und trinken Cappuccino. Auch sie sind erst einmal ratlos bei der Frage, was sie tun würden, wenn sie nach dem Sirenen-Heulton von einem Mega-Störfall in Biblis aus dem Radio erfahren würden. O-Ton 9 2 Gascon-Fröhlich Ich denk mal, dass ich mir da nie so drüber Gedanken mache, das ist, weil ich denke, dass wenn ein Ernstfall ist, da gibt's nicht mehr so viele Möglichkeiten ... Sprecher 11 Was sind eigentlich die Möglichkeiten bei einem Ernstfall in Biblis? Zuständig hierfür sind die Katastrophenschützer der Kreisverwaltung. Atmo 3 Schritte und Türöffnen 0.31 Sprecher 12 Im Landratsamt in Heppenheim öffnet Heribert Koob vom Amt für Brand- und Katastrophenschutz die Tür zum Stabsführungsbunker ganz vorsichtig, denn der strahlen- und einsturzsichere Raum für den Krisenstab steht unter Überdruck... (Info: O-Ton schließt an) O-Ton 10 3 Koob (Atmo Tür) ... damit keine Kontamination eingetragen wird. Deshalb müssen wir ein bisschen aufpassen, dass die Tür uns nicht durch den Druck gegen den Kopf schlägt. Sprecher 13 Im Ernstfall würden hinter dieser Tür immer mindestens zwei Dutzend der 80 Stabsmitglieder im Drei-Schicht-Betrieb an den 15 digitalisierten Arbeitsplätzen sitzen. In einem Hinterzimmer spuckt ein Ticker regelmäßig die Strahlen-Messwerte aus der Kernkraftwerks- Fernüberwachung aus. Gottlieb Ohl, Dezernent für Gefahrenabwehr im Kreis Bergstraße, zieht ein Blatt heraus. O-Ton 11 4 Ohl Das wird dann immer ausgedruckt alle 6 Stunden wird hier gemessen, alle zwei Stunden - je nachdem. Wir haben die Niederschlagsrate, die Sonnenbilanz, die Lufttemperatur und die Windgeschwindigkeit abgedruckt. (Blättern.) Und das läuft dann bei uns immer auf und wird dann entsprechend ausgewertet. Und wenn entsprechende Messungen sind, dass es eine Verstrahlung gibt, dann wird versucht, die zu messen, die Ausdehnung festzustellen und dann müssen wir entsprechend reagieren als Kreis. Sprecher 14 ... und die Bevölkerung über Sirenen, Radio- und Lautsprecherdurchsagen informieren. Strahlenspürtrupps, hauptberufliche und ehrenamtliche Rettungskräfte alarmieren, Einsätze koordinieren. O-Ton 12 5 Ohl Wir stellen die Kommunikation sicher, dazu sind wir immer in der Lage, aber dann müssen Absprachen auf Länderebene getroffen werden, möglicherweise sogar auf Bundesebene. Sprecher 15 Sollten zum Beispiel die Grenzwerte für die Ganzkörperbelastung in einer Zone von rund 30 Kilometern überschritten sein, müsste der Rhein-Neckar Ballungsraum samt der Industriestädte Mannheim und Ludwigshafen evakuiert werden. Der Chemie-Konzern BASF wäre betroffen, drei Landesregierungen müssten dann zusammenwirken. Der Heppenheimer Krisenstab ist dafür zuständig, dass die Menschen der 10 Kilometer-Zone um das Atomkraftwerk herum erfahren, ob sie in den Häusern bleiben sollen, bei geschlossenen Fenstern und geschlossenen Türen. Oder ob sie zu bestimmten Sammelstellen kommen sollten, um von dort aus evakuiert zu werden. Atmo 2 Eiscafé an der Kreuzung Sprecher 16 Anna-Maria Gascon-Fröhlich und Ulrike Schmitze haben im Eiscafe in Biblis ihren Cappuccino fast geleert. Zu welcher Sammelstelle sie müssten, wissen sie nicht. Dass es überhaupt zu Evakuierung kommen würde, glauben sie nicht. Mehrfach entschuldigen sich die beiden Frauen dafür, dass sie die Katastrophenszenarien so sarkastisch kommentieren. Lustig sei ihnen gar nicht dabei zumute, stellen sie klar. O-Ton 13 6 Schmitze / Gascon-Fröhlich -Wir behaupten ja sowieso, dass, wenn was passiert, dass wir gar nicht raus dürfen. Wenn das Ding jetzt in die Luft fliegt, sind wird so verstrahlt, dass sie uns eh nirgendwo mehr nehmen, oder? - Das ist dann makaber Humor, den man hat, wenn man hier wohnt. (Lachen) Sprecher 17 Frustration und Hoffnungslosigkeit beim Gedanken an die mögliche Katastrophe spiegeln sich darin, geben die Frauen zu. Und werden wieder ernst. O-Ton 14 7 Schmitze/Gascon-Fröhlich - Nee, Sammelstelle weiß ich nicht, ich hab ne Schwester, zu der könnte ich. Das Problem ist, die wohnt an der Schweizer Grenze, und da ist auf der anderen Seite in der Schweiz auch ein Kraftwerk, ist also auch nicht viel besser. - Also, falls wirklich was passiert- werde ich nicht im Haus bleiben und die Tür zumachen und sehen, dass ich wegkomme, da verrammelt man alles und fährt erst mal weg ... Atmo als Break Autobahn oder Stau (Hupen usw) Sprecher 18 Erst einmal wegfahren. Auf diese Idee kämen wohl Tausende bei einem atomaren GAU. Die Folge: Ein Mega-Stau auf den Autobahnen. Professor Bernhard Steinauer ist Stauexperte am Lehrstuhl für Straßenbauwesen an der RWTH Aachen. Er kann Staus zwar nicht verhindern, aber immerhin vorausberechnen. O-Ton 15 Steinauer Staus entstehen im Wesentlichen durch drei Bereiche: Das Eine ist der Überlastungsstau, wo die Nachfrage größer ist als wie die Leistungsfähigkeit der Autobahn. Das kommt also in Ballungsräumen sehr häufig vor, fast täglich. Das Zweite ist der Unfall, es muss also eine Spur gesperrt werden, da gibt's in der Regel auch einen Stau und das Dritte ist die Baustelle. Wir haben in Deutschland auf den Autobahnen Tausend Baustellen längerer Dauer pro Jahr und über 100.000 Baustellen kürzerer Dauer. Das ist also ein ganz großes Problem. Sprecher 19 Und bei allen Berechnungen kommt heraus, dass bei Notlagen wie einer Evakuierungssituation die Leistung der Straßen drastisch abnimmt. Das schlimmste allerdings bei einer Panik-Reaktion: Die Autofahrer auf der Flucht stellen sich selbst eine Falle. O-Ton 16 Steinauer Wenn der Verkehr stetig zunimmt, geht das bis zu einem Maximum. Dort ist aber dann der Verkehr schon relativ instabil, das heißt, kleine Fehler von Einzelnen führen dann (dazu), dass der Verkehr schon zusammenbricht. Wenn Panik ausbricht, es geht ja da um die Gesundheit und um das Leben, da werden also die Verkehrsregeln wahrscheinlich außer Kraft gesetzt. Da spielt dann auch ein Blechschaden schon keine Rolle mehr. Wenn jeder aggressiv ist und den Anderen bekämpft, dann ist man sicher nicht im optimalen Bereich des Verkehrsflusses, sondern man blockiert sich mehr oder weniger selbst. Sprecher 20 Die Blechlawine als Todesfalle wäre somit eine weitere Katastrophe neben dem auslösenden Ereignis - dem Reaktorunfall. Atmo 4 Neckarwiesen Sprecher 21 Heidelberg, die Universitäts- und Touristenstadt am Neckar. Auf der Neckarwiese liegen an diesem warmen Frühsommertag Hunderte Schüler, Studenten oder auch ganz normale Heidelberger. Auch der Touristenmagnet wäre beim größten anzunehmenden Atomunfall - einem GAU - betroffen. Heidelberg liegt in der 50-Kilometerzone um Biblis. Kommandant Georg Belge von der örtlichen Berufsfeuerwehr wäre bei Alarm sofort im Einsatz. Seine erste Aufgabe: Jodtabletten verteilen. Die bekäme er vom Land Baden-Württemberg, wo sie als Vorrat lagern. Als erstes kämen Schwangere und junge Menschen an die Reihe. O-Ton 17 Vom Alter Null, als bereits das Ungeborenen geschützt werden soll über die Jodtabletten bis zum 45-Jährigen. Und in welchem Zeitfenster das ausgegeben werden muss, richtet sich auch nach der Entfernung von dem Kernkraftwerk. Ländliche Atmo Sprecher 22 Auf der anderen Seite des weiten Rheintals in der Pfalz liegt das Weinstädtchen Landau. Hinter dem Ort steigt die Gegend leicht an, die sonnenbeschienen Weinberge Godramsteiner [Aussprache wie "Rama"] Münzberg und Landauer altes Höhl gehören zu den besten Lagen der Pfalz. Nur einen Makel hat die Gegend: Von hier kann man das Atomkraftwerk Phillippsburg sehen, bei klarem Wetter sogar die Reaktoren in Biblis. O-Ton 18 Wenn man draußen ist, im Feld und das sieht, das stört einen schon, der Anblick. Das macht einen immer nachdenklich, auch vor Fukushima schon. Man denkt drüber nach und fragt sich: Strahlt das jetzt, kommt was raus, besonders weil es hier direkt in Sichtweite ist. Sprecher 23 Winzermeister Volker Übel aus Landau-Godramstein ist seit der Reaktorkatastrophe in Japan noch beunruhigter. Seit mehr als 300 Jahren baut seine Familie hier Wein an. Noch gut erinnert er sich an den Atomunfall von Tschernobyl. Damals, sagt er heute, haben wir hier in der Pfalz ein Riesenglück gehabt. O-Ton 19 Tschernobyl habe ich mitgekriegt. Das war damals ein Glück im Unglück, dass das Tschernobyl im Frühjahr war, als noch keine Blattmasse und keine Traube da gewesen war. Wär das im September gewesen, dann wär bestimmt die ganze Ernte in Rheinland-Pfalz hin gewesen. Sprecher 24 Und wenn heute einer der Meiler in Sichtweite einen unbeherrschbaren Unfall hätte, dann wäre das gesamte Weinbaugebiet und damit die Kulturlandschaft am Ende, befürchtet er. O-Ton 20 Also wenn Phillippsburg oder im Elsass Cattenom hochginge, dann wär sicher der Niederschlag viel höher. Wir hätten danach ne massive Verseuchung vom Boden, was überhaupt den Weinbau auch für die nächste Generation fraglich mache würde. Gar nicht davon zu sprechen, dass vielleicht eine Ernte ausfallen würde. Das würde den Boden so massiv schädigen, dass wahrscheinlich gar kein Weinbau mehr möglich wäre. Und das ist halt doch einer der wichtigsten Wirtschaftszweige von der Pfalz. Sprecher 25 Fast beruhigend ist für Winzer Volker Übel da der Blick auf die Windräder, die zwischen Rhein und Pfalz zahlreich zu sehen sind. Sie sind zwar auch nicht hübsch, aber bei weitem das kleinere Übel. O-Ton 21 Sie stören auf der einen Seite optisch. Sie zeigen aber andererseits, dass man sich Gedanken macht über Alternative Energien. Weil irgendwo müssen sie stehen. Irgendwo muss der Strom herkommen. Sprecher 26 Über einen verheerenden Reaktorunfall in Deutschland können wir nur spekulieren. Die Lage der Opfer in Japan ist real und deprimierend. Weil sie keine Perspektive sehen - die nun schon seit Monaten Evakuierten von Fukushima. O-Ton 22 Reporter Nils Kinkel Mit zerknirschtem Gesicht und Sorgenfalten auf der Stirn sitzen Betroffene in den Notunterkünften. Es bleibt ihnen nichts anderes übrig als auch die neuen Sicherheitsmaßnahmen der japanischen Regierung zu ertragen. Wer das Erdbeben und den Tsunami an der Küste von Fukushima überlebt hat, der muss jetzt noch bis zum Ende des Jahres durchhalten. Vorher ist eine Rückkehr in die verseuchte Heimat nur mit einer Sondergenehmigung und einer kontrollierten Busfahrt möglich. Wann die Evakuierten wieder in ihre Häuser zurückkehren können, hängt von den Erfolgen der Sanierungsarbeiten ab. Auch heute hat es auch wieder Nachbeben gegeben. - Unter den Folgen der Katastrophe leidet auch die Wirtschaft. Der größte Automobilhersteller der Welt, Toyota, wird vermutlich erst im November seine Produktion wieder vollständig hochgefahren haben. Ende Skript 12